Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 136 AS 13768/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 AS 1944/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. August 2015 aufgehoben.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Landessozialgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt D N, Allee , B beigeordnet.
Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1975 geborene Antragsteller ist polnischer Staatsangehöriger und ledig. Nach seinen eigenen Angaben lebt er seit Januar 2014 in der Bundesrepublik Deutschland. Zur Zeit wohnt er nach seinen eigenen Angaben kostenfrei bei einer Familie K. Zum 1. Februar 2014 meldete er in Berlin ein Gewerbe unter anderem im Trockenbau an und meldete dies Gewerbe zum 26. Februar 2015 wieder ab. Einnahmen aus dieser Tätigkeit erzielte der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben nur bis zum Monat September 2014 bzw. Oktober 2014.
Im Januar 2015 meldete sich der Antragsteller bei dem Antragsgegner arbeitslos und beantragte erstmalig Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller daraufhin für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 30. Juni 2015 Leistungen in Höhe von 399 EUR monatlich (Bescheid vom 5. März 2015).
Am 9. Juni 2015 beantragte der Antragsteller die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 2. Juli 2015 unter Hinweis auf den Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 1 S. 2 SGB II ab.
Am 6. Juli 2015 hat der Antragssteller daraufhin bei dem Sozialgericht Berlin den Er-lass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Es bestünde ein Anspruch, da die Nachwirkung des Arbeitnehmerstatus des Antragstellers noch nicht abgelaufen sei. Nach mehr als einem Jahr Tätigkeit bleibe sein Aufenthaltsrecht als selbstständig Erwerbstätiger gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/ EU unberührt.
Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 4. August 2015 den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 6. Juli 2015 bis zum 31. Dezember 2015, längstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, Leis-tungen zu zahlen und zwar monatlich ab August 2015 vorläufig 399 EUR. Zwar habe der Antragsteller nur ein Aufenthaltsrecht aus dem Zweck der Arbeitssuche. Seine selbstständige Tätigkeit habe er nach seinen eigenen Angaben tatsächlich nur im Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis zum 31. Oktober 2014 ausgeübt, da er nur in die-ser Zeit Einnahmen erzielt habe. Der Zeitpunkt der Gewerbeabmeldung am 26. Feb-ruar 2015 sei deshalb nicht maßgeblich zur Ermittlung der Dauer der ausgeübten Tätigkeit. Damit liege keine Tätigkeit von mehr als einem Jahr vor und damit kein andauerndes Aufenthaltsrecht als selbstständig Tätiger. Ein Anspruch ergebe sich jedoch aus § 328 Absatz 1 S. 1 Nr. 1 SGB III, weil wegen des existenzsichernden Charakters der Grundsicherungsleistungen es notwendig sei, diese zu erbringen.
Gegen diesen dem Antragsgegner am 5. August 2015 per Fax bekannt gegebenen Beschluss hat der Antragsgegner am 7. August 2015 Beschwerde bei dem Landes-sozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.
Der Antragsteller ist der Ansicht, ihm sei zu Recht nach einer Folgenabwägung über § 328 SGB III die Leistung bewilligt worden. Nach seiner ausgeübten selbstständigen Tätigkeit stünden ihm zudem entsprechend der Schlussanträge des Generalanwalts vom 26. März 2015 weiterhin Leistungen zu, weil er bereits mehr als ein Jahr in der Bundesrepublik gearbeitet habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners (96206//0028027).
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegen-stand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehen-den Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder we-sentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten An-ordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so ge-nannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO). Auch im Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entschei-dung maßgeblich (OVG Hamburg, NVwZ 1990, 975).
Bis zu dem Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Senates ist schon ein An-ordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Derartige Ansprüche für die Vergangenheit können regelmäßig nicht im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens aner-kannt werden. Diese sind in einem Hauptsacheverfahren geltend zu machen. Etwas Anderes kann nur dann in Betracht kommen, wenn die sofortige Verfügbarkeit von für zurückliegende Zeiträume zu zahlenden Hilfen zur Abwendung eines gegenwärtig drohenden Nachteils erforderlich ist. Hierzu sind Tatsachen jedoch weder glaubhaft gemacht worden, noch sonst für das Gericht ersichtlich.
Darüber hinaus ist - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - auch ein Anord-nungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Zumindest dieser fehlende Anordnungsan-spruch steht der begehrten einstweiligen Anordnung auch für die Zukunft entgegen.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht er-reicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II
1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Ar-beitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsge-setzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,
3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt (§ 7 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB II).
Nach diesen Regelungen ist der begehrte Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nicht überwiegend wahrscheinlich im Sinne der Legaldefinition des § 23 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) und damit nicht glaubhaft gemacht.
Ob ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche letztlich tatsächlich besteht, kann bei einem dann nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greifenden Leistungsaus-schluss jedoch dahinstehen. Ein anderes Aufenthaltsrecht des Antragstellers ist je-denfalls nicht erkennbar.
Ein Aufenthaltsrecht als Selbständiger gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 Freizügigkeitsge-setz/EU, worauf sich der Antragsteller stützt, hat er nicht glaubhaft gemacht. Insoweit zutreffend hat das Sozialgericht in der angegriffenen Entscheidung bereits darauf hingewiesen, dass nach den eigenen Angaben des Antragstellers aufgrund der nur im Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis zum 31. Oktober 2014 erzielten Einkünfte von einer selbstständigen Tätigkeit von mehr als einem Jahr nicht ausgegangen werden kann. Die erst am 26. Februar 2015 erfolgte Gewerbeabmeldung ist insoweit unmaßgeblich, weil es auf die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit ankommt. Tatsächlich übt der Antragsteller mithin seit November 2014 keine Tätigkeit mehr aus und soweit mit jener Beschäftigung überhaupt ein fortdauernder Aufenthaltsstatus angenommen werden kann, ist die sechsmonatige Nachwirkung des Erwerbstätigenstatus (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU: ) bereits am 30. April 2015 abgelaufen.
Damit kommt für den Antragsteller allenfalls ein Aufenthaltsrecht zu dem Zweck der Arbeitsuche in Betracht, so dass er gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II grundsätzlich von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen ist.
Hinsichtlich des Leistungsausschlusses verweist der Senat auf seine eigene ständige Rechtsprechung zu § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II. Nach dieser Regelung sind Auslän-der, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt und ihre Familienangehörigen von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen (unter anderem Beschluss vom 12. Juni 2012, L 29 AS 1044/12 B ER und Beschluss vom 22. Juni 2012, L 29 AS 1252/12 B ER, beide zitiert nach juris und mit weiteren Nach-weisen).
Dies gilt umso mehr, als der EuGH zwischenzeitlich mit Urteil vom 11. November 2014 in der Rechtssache C-333/13 – Dano, zitiert nach juris, die Zulässigkeit eines Leistungsausschlusses grundsätzlich bestätigt hat. Danach dürfte die Europarechts-konformität und damit Anwendbarkeit der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht mehr zweifelhaft seien.
Soweit der Antragsteller vorträgt, der pauschale Leistungsausschluss komme für ihn seit der jüngst veröffentlichten Schlussanträge des Generalanwalts des EuGH Wathelet (Rechtssache C-67/14 - Pressemitteilung Nr. 35/15 vom 26. März 2015, veröffentlicht in juris; Schlussanträge des Generalanwalts des EuGH Wathelet vom 26. März 2015, veröffentlicht ebenfalls in juris) in dem Vorabentscheidungsersuchen des BSG (Az. B 4 AS 9/13) zur Zulässigkeit eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II für Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche in einen Mitglied-staat begeben, deren Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, nicht mehr infrage, vermag dem der Senat nicht zu folgen.
Hier ist zunächst festzustellen, dass es sich bei diesen Schlussanträgen lediglich um einen Entscheidungsvorschlag an das Gericht handelt. Eine Entscheidung des EuGH, die allenfalls eine Bindungswirkung entfalten könnte, liegt demgegenüber noch nicht vor.
Darüber hinaus hat der Generalanwalt nach dem klaren Wortlaut seiner Schlussan-träge auch nicht generell einen pauschalen Leistungsausschluss als europarechts-widrig angesehen. Er hat vielmehr vorgeschlagen, zwischen drei Fallgestaltungen zu unterscheiden und hierzu folgendes ausgeführt:
"Bei der ersten Fallgestaltung, bei der sich ein Staatsangehöriger eines Mit-gliedstaats in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats begibt und sich dort (seit weniger oder seit mehr als drei Monaten) aufhält, ohne dort eine Arbeit suchen zu wollen, ist es – wie der Gerichtshof im Urteil Dano entschieden hat – berechtigt, dass der betreffende Unionsbürger von Leistungen der Sozialhil-fe ausgeschlossen wird, um das finanzielle Gleichgewicht der nationalen Sys-teme der sozialen Sicherheit zu erhalten.
Bei der zweiten Fallgestaltung, bei der sich ein Staatsangehöriger eines Mit-gliedstaats in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begibt, um dort Arbeit zu suchen, ist ein solcher Ausschluss aus den gleichen Gründen eben-falls berechtigt.
Bei der dritten Fallgestaltung hingegen, bei der sich ein Staatsangehöriger ei-nes Mitgliedstaats mehr als drei Monate im Gebiet eines Mitgliedstaats aufhält und dort gearbeitet hat, ist der Generalanwalt der Ansicht, dass dem betref-fenden Unionsbürger die in Rede stehenden Leistungen nicht automatisch verweigert werden dürfen.
Zwar kann ein Unionsbürger, der im Inland weniger als ein Jahr berufstätig war, im Einklang mit dem Unionsrecht seine – Erwerbstätigeneigenschaft nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit verlieren (was bei Frau A und ihrer Tochter S im Dezember 2011 geschehen ist).
Jedoch verstößt es gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn ein Unionsbürger nach Ablauf eines Zeitraums der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit von sechs Mo-naten im Anschluss an eine – Erwerbstätigkeit von weniger als einem Jahr au-tomatisch von Sozialhilfeleistungen wie den hier in Rede stehenden ausge-schlossen wird, ohne dass es dem betreffenden Unionsbürger erlaubt würde, das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat nachzuweisen.
In dieser Hinsicht ist – neben Umständen, die sich aus dem familiären Kon-text ergeben (wie der Schulausbildung der Kinder) – die effektive und tatsäch-liche Beschäftigungssuche während eines angemessenen Zeitraums ein Um-stand, der das Bestehen einer solchen Verbindung mit dem Aufnahmemit-gliedstaat belegen kann. Eine frühere Erwerbstätigkeit oder auch die Tatsa-che, dass der Betreffende nach –Stellung des Antrags auf Sozialleistungen eine neue Arbeit gefunden hat, wäre zu diesem Zweck ebenfalls zu berück-sichtigen ..."
Danach sieht auch der Generalanwalt nach seinen eindeutigen Ausführungen in zwei von drei Fällen einen pauschalen Leistungsausschluss sogar ausdrücklich als ge-rechtfertigt an.
In den Fällen, in denen sich ein Unionsbürger sich in einen anderen Mitgliedstaat begibt, ohne dort eine Arbeit suchen zu wollen (Fallgruppen Nr. 1) oder um dort eine Arbeit lediglich zu suchen (Fallgruppe Nr. 2) hält der Generalanwalt einen pauschalen Leistungsausschluss ausdrücklich für geboten. Er hat zudem darauf hingewiesen, dass die erste Fallgruppe (Aufenthalt ohne Arbeitssuche) bereits vom Gerichtshof im Urteil Dano entschieden wurde. Die zweite Fallgruppe (Aufenthalt nur zur Arbeitssu-che) entspricht demgegenüber dem Wortlaut der Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II.
Allenfalls in einer dritten Fallgestaltung sieht der Generalanwalt einen pauschalen Leistungsausschluss als gegebenenfalls gleichheitswidrig an, nämlich dann, wenn die betreffende Person in dem Mitgliedstaat bereits eine Beschäftigung ausgeübt hat. Dann dürften ihr - im Anschluss an eine Erwerbstätigkeit von mehr als drei Monaten, aber weniger als einem Jahr - derartige Leistungen nicht automatisch ohne individu-elle Prüfung verweigert werden, ohne dass es dem betreffenden Unionsbürger er-laubt würde, das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Aufnahmemit-gliedstaat nachzuweisen.
Nach seinen oben genannten Ausführungen sind die Voraussetzungen für diese drit-te Fallgestaltung jedoch nur bei dem kumulativen Vorliegen von drei Voraussetzun-gen erfüllt, nämlich
1. wenn sich ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats mehr als drei Monate im Gebiet eines Mitgliedstaats aufgehalten hat, 2. dort in dieser Zeit einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und 3. das "Bestehen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat nachgewiesen" hat.
Von einer solchen Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat ist nach Ansicht des Generalanwalts auch nur dann auszugehen, wenn neben den Umständen, die sich aus dem familiären Kontext ergeben (wie den Schulbesuch der Kinder), die "effektive und tatsächliche Beschäftigungssuche während eines angemessenen Zeitraums" belegt werden kann.
Nach dem Verständnis des Senats hat daher die Prüfung, ob diese dritte Fallgestal-tung geben ist, in zwei Stufen zu erfolgen.
In einer ersten Stufe der Fallgruppe Nr. 3 ist zu prüfen, ob der Unionsbürger sich mehr als drei Monate in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat und hier erwerbstätig war. Unter Berücksichtigung insbesondere des Rechtsgedankens des § 4a Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU ist hierbei nach Ansicht des Senats nur ein recht-mäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet und eine rechtmäßig ausgeübte Erwerbstätig-keit berücksichtigungsfähig. Die Beweislast für den rechtmäßigen Aufenthalt und die rechtmäßige Ausübung der Arbeit für mehr als drei Monate im Bundesgebiet trägt der Unionsbürger; er hat sie nach den Ausführungen des Generalanwalts gegebenenfalls "nachzuweisen".
Nur wenn ein solcher Nachweis gelungen ist, ist in einer zweiten Stufe der Fallgruppe Nr. 3 zu prüfen, ob der Unionsbürger als Folge dieses rechtmäßigen Aufenthaltes und der rechtmäßigen Erwerbstätigkeit eine "tatsächliche Verbindung mit dem Auf-nahmemitgliedstaat" eingegangen ist.
Hierbei sind grundsätzlich alle Umstände zu berücksichtigen, wobei maßgeblich auf die familiäre Situation und eine effektive und tatsächliche Beschäftigungssuche oder weitere Beschäftigungsausübung abzustellen sind. Nach Ansicht des Senats ist in dieser zweiten Stufe mithin zu prüfen, ob der Unionsbürger infolge seines längeren Aufenthalts als Erwerbstätiger in schützenswerter Weise im Bundesgebiet "Wurzeln geschlagen hat", indem er sich sowohl um seine Integration in die Gemeinschaft als auch in den Arbeitsmarkt hinreichend bemüht hat. Allein beispielsweise der Nachweis eines Aufenthaltes im Bundesgebiet, der Bezug von Leistungen (u.a. Kindergeld), die Anmeldung der Kinder zum Schulbesuch oder der Besuch von Integrationskursen (beispielsweise Sprachkursen) kann danach mithin nicht zur Annahme der dritten Fallgestaltung führen. Erforderlich ist vielmehr in jedem Fall auch, dass der Unionsbürger weiterhin "effektiv und tatsächlich" eine Beschäftigung sucht oder so-gar gefunden hat. Auch hier ist der Unionsbürger für die Integration und Beschäfti-gungssuche/Beschäftigungsausübung nachweispflichtig.
Im vorliegenden Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz führen diese Erwägungen dazu, dass zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches von dem Unions-bürger in einer ersten Stufe der Fallgruppe Nr. 3 ein rechtmäßiger Aufenthalt und eine rechtmäßige Beschäftigungsausübung im Bundesgebiet von mehr als drei Mo-naten belegt werden müssen und in einer zweiten Stufe der Fallgruppe Nr. 3 nicht nur seine Integration in die Gemeinschaft (und die gegebenenfalls seiner Familie), sondern auch seine effektiven und tatsächlichen Bemühungen für eine Integration in den Arbeitsmarkt im Bundesgebiet.
Dies ist nicht gelungen.
Zwar hat der Antragsteller eine selbständige Tätigkeit für die Dauer von mehr als drei Monaten und weniger als einem Jahr glaubhaft gemacht. Die Glaubhaftmachung der zweiten Stufe ist aber schon deshalb nicht ansatzweise gelungen, weil eine effektive und tatsächliche Arbeitsuche oder Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit des An-tragstellers von diesem nicht einmal behauptet wird. Entsprechende Nachweise für eine solche Arbeitssuche liegen ebenfalls nicht vor und allein das Besuchen eines Sprachkurses genügt für die behauptete Integration nicht.
Damit ist zusammenfassend festzustellen, dass vorliegend der Leistungsausschluss des § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 SGB II auch dann greift, wenn den Ausführungen des Generalanwalts gefolgt wird. Die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches kann daher nicht als gelungen angesehen werden.
Auch hat eine Verpflichtung der Verwaltung zur vorläufigen Leistungserbringung durch die Gerichte - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - nicht etwa im Hin-blick auf das von dem BSG bei dem EuGH in Sachen Jobcenter Neukölln./. Nazifa Alimanovic u.a. eingeleitete Vorabentscheidungsersuchen nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III zu erfolgen. Insoweit ver-weist der Senat auf seine ständige Rechtsprechung (insbesondere Beschluss vom 20. März 2014, L 29 AS 514/14 B ER und Beschluss vom 20. Oktober 2014, L 29 AS 2052/ 14 B ER, beide jeweils mit weiteren Nachweisen und zitiert nach juris) und sieht von weiteren Ausführungen zu den rechtlichen Voraussetzungen einer Ent-scheidung nach § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II ab.
Für den Erlass eines solchen vorläufigen Bescheides durch die Verwaltung ist vorlie-gend schon deshalb kein Raum mehr, weil über den Leistungsanspruch bereits end-gültig entschieden wurde (vergl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. Oktober 2012, L 12 AS 691/11, m.w.N., zitiert nach juris; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. März 2014, L 20 AS 502/14 B ER, zitiert nach juris; zur nicht möglichen Gewährung von Abschlagszah-lungen bei bereits erfolgter endgültiger Abrechnung vergl. Bayerischer Verwaltungs-gerichtshof, Beschluss vom 26. Juni 2002, 12 CE 02.376, ebenfalls zitiert nach juris). Denn eine vorläufige Entscheidung nach § 328 SGB III ist allenfalls zur vorläufigen Regelung einer Leistungsbewilligung für den Zeitraum bis zur endgültigen Entschei-dung statthaft. Entsprechend werden auch vorläufige Leistungsbescheide durch endgültige Leistungsbescheide ersetzt und erledigen sich dann auf sonstige Weise im Sinn von § 39 Abs. 2 SGB X (vergl. hierzu BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, B 4 AS 139/10 R, m.w.N., zitiert nach juris). Vorliegend hat der Antragsgegner aber über den Leistungsantrag endgültig ablehnend entschieden.
Schließlich besteht wegen der nicht feststellbaren Europarechts- bzw. Völkerrechts-widrigkeit des Leistungsausschlusses auch nicht die Möglichkeit einer Entscheidung über eine Folgenabwägung, weil dies letztlich zur Nichtanwendung der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II und zu einer unzulässigen Durchbrechung des Prinzips der Gewaltenteilung führen würde (ständige Rechtsprechung des Se-nats, ausführlich u.a. Beschluss vom 22. August 2013, L 29 AS 1952/13 B ER, m.w.N., zitiert nach juris).
Danach ist abschließend festzustellen, dass jedenfalls zumindest aufgrund des an-zuwendenden Leistungsausschlusses § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II die Glaubhaft-machung eines Anordnungsanspruches nicht gelungen ist.
Durch diesen Beschluss hat sich der Antrag des Antragsgegners auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses des Sozialgerichts (§ 199 Abs. 2 SGG) erledigt.
Dem Antragsteller war Prozesskostenhilfe nach § 73a SGG in Verbindung mit § 119 Abs.1 S. 2 ZPO ohne Prüfung zu bewilligen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechts-verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, weil der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Landessozialgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt D N, Allee , B beigeordnet.
Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1975 geborene Antragsteller ist polnischer Staatsangehöriger und ledig. Nach seinen eigenen Angaben lebt er seit Januar 2014 in der Bundesrepublik Deutschland. Zur Zeit wohnt er nach seinen eigenen Angaben kostenfrei bei einer Familie K. Zum 1. Februar 2014 meldete er in Berlin ein Gewerbe unter anderem im Trockenbau an und meldete dies Gewerbe zum 26. Februar 2015 wieder ab. Einnahmen aus dieser Tätigkeit erzielte der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben nur bis zum Monat September 2014 bzw. Oktober 2014.
Im Januar 2015 meldete sich der Antragsteller bei dem Antragsgegner arbeitslos und beantragte erstmalig Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller daraufhin für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 30. Juni 2015 Leistungen in Höhe von 399 EUR monatlich (Bescheid vom 5. März 2015).
Am 9. Juni 2015 beantragte der Antragsteller die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 2. Juli 2015 unter Hinweis auf den Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 1 S. 2 SGB II ab.
Am 6. Juli 2015 hat der Antragssteller daraufhin bei dem Sozialgericht Berlin den Er-lass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Es bestünde ein Anspruch, da die Nachwirkung des Arbeitnehmerstatus des Antragstellers noch nicht abgelaufen sei. Nach mehr als einem Jahr Tätigkeit bleibe sein Aufenthaltsrecht als selbstständig Erwerbstätiger gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/ EU unberührt.
Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 4. August 2015 den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 6. Juli 2015 bis zum 31. Dezember 2015, längstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, Leis-tungen zu zahlen und zwar monatlich ab August 2015 vorläufig 399 EUR. Zwar habe der Antragsteller nur ein Aufenthaltsrecht aus dem Zweck der Arbeitssuche. Seine selbstständige Tätigkeit habe er nach seinen eigenen Angaben tatsächlich nur im Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis zum 31. Oktober 2014 ausgeübt, da er nur in die-ser Zeit Einnahmen erzielt habe. Der Zeitpunkt der Gewerbeabmeldung am 26. Feb-ruar 2015 sei deshalb nicht maßgeblich zur Ermittlung der Dauer der ausgeübten Tätigkeit. Damit liege keine Tätigkeit von mehr als einem Jahr vor und damit kein andauerndes Aufenthaltsrecht als selbstständig Tätiger. Ein Anspruch ergebe sich jedoch aus § 328 Absatz 1 S. 1 Nr. 1 SGB III, weil wegen des existenzsichernden Charakters der Grundsicherungsleistungen es notwendig sei, diese zu erbringen.
Gegen diesen dem Antragsgegner am 5. August 2015 per Fax bekannt gegebenen Beschluss hat der Antragsgegner am 7. August 2015 Beschwerde bei dem Landes-sozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.
Der Antragsteller ist der Ansicht, ihm sei zu Recht nach einer Folgenabwägung über § 328 SGB III die Leistung bewilligt worden. Nach seiner ausgeübten selbstständigen Tätigkeit stünden ihm zudem entsprechend der Schlussanträge des Generalanwalts vom 26. März 2015 weiterhin Leistungen zu, weil er bereits mehr als ein Jahr in der Bundesrepublik gearbeitet habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners (96206//0028027).
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegen-stand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehen-den Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder we-sentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten An-ordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so ge-nannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO). Auch im Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entschei-dung maßgeblich (OVG Hamburg, NVwZ 1990, 975).
Bis zu dem Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Senates ist schon ein An-ordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Derartige Ansprüche für die Vergangenheit können regelmäßig nicht im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens aner-kannt werden. Diese sind in einem Hauptsacheverfahren geltend zu machen. Etwas Anderes kann nur dann in Betracht kommen, wenn die sofortige Verfügbarkeit von für zurückliegende Zeiträume zu zahlenden Hilfen zur Abwendung eines gegenwärtig drohenden Nachteils erforderlich ist. Hierzu sind Tatsachen jedoch weder glaubhaft gemacht worden, noch sonst für das Gericht ersichtlich.
Darüber hinaus ist - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - auch ein Anord-nungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Zumindest dieser fehlende Anordnungsan-spruch steht der begehrten einstweiligen Anordnung auch für die Zukunft entgegen.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht er-reicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II
1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Ar-beitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsge-setzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,
3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt (§ 7 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB II).
Nach diesen Regelungen ist der begehrte Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nicht überwiegend wahrscheinlich im Sinne der Legaldefinition des § 23 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) und damit nicht glaubhaft gemacht.
Ob ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche letztlich tatsächlich besteht, kann bei einem dann nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greifenden Leistungsaus-schluss jedoch dahinstehen. Ein anderes Aufenthaltsrecht des Antragstellers ist je-denfalls nicht erkennbar.
Ein Aufenthaltsrecht als Selbständiger gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 Freizügigkeitsge-setz/EU, worauf sich der Antragsteller stützt, hat er nicht glaubhaft gemacht. Insoweit zutreffend hat das Sozialgericht in der angegriffenen Entscheidung bereits darauf hingewiesen, dass nach den eigenen Angaben des Antragstellers aufgrund der nur im Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis zum 31. Oktober 2014 erzielten Einkünfte von einer selbstständigen Tätigkeit von mehr als einem Jahr nicht ausgegangen werden kann. Die erst am 26. Februar 2015 erfolgte Gewerbeabmeldung ist insoweit unmaßgeblich, weil es auf die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit ankommt. Tatsächlich übt der Antragsteller mithin seit November 2014 keine Tätigkeit mehr aus und soweit mit jener Beschäftigung überhaupt ein fortdauernder Aufenthaltsstatus angenommen werden kann, ist die sechsmonatige Nachwirkung des Erwerbstätigenstatus (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU: ) bereits am 30. April 2015 abgelaufen.
Damit kommt für den Antragsteller allenfalls ein Aufenthaltsrecht zu dem Zweck der Arbeitsuche in Betracht, so dass er gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II grundsätzlich von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen ist.
Hinsichtlich des Leistungsausschlusses verweist der Senat auf seine eigene ständige Rechtsprechung zu § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II. Nach dieser Regelung sind Auslän-der, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt und ihre Familienangehörigen von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen (unter anderem Beschluss vom 12. Juni 2012, L 29 AS 1044/12 B ER und Beschluss vom 22. Juni 2012, L 29 AS 1252/12 B ER, beide zitiert nach juris und mit weiteren Nach-weisen).
Dies gilt umso mehr, als der EuGH zwischenzeitlich mit Urteil vom 11. November 2014 in der Rechtssache C-333/13 – Dano, zitiert nach juris, die Zulässigkeit eines Leistungsausschlusses grundsätzlich bestätigt hat. Danach dürfte die Europarechts-konformität und damit Anwendbarkeit der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht mehr zweifelhaft seien.
Soweit der Antragsteller vorträgt, der pauschale Leistungsausschluss komme für ihn seit der jüngst veröffentlichten Schlussanträge des Generalanwalts des EuGH Wathelet (Rechtssache C-67/14 - Pressemitteilung Nr. 35/15 vom 26. März 2015, veröffentlicht in juris; Schlussanträge des Generalanwalts des EuGH Wathelet vom 26. März 2015, veröffentlicht ebenfalls in juris) in dem Vorabentscheidungsersuchen des BSG (Az. B 4 AS 9/13) zur Zulässigkeit eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II für Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche in einen Mitglied-staat begeben, deren Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, nicht mehr infrage, vermag dem der Senat nicht zu folgen.
Hier ist zunächst festzustellen, dass es sich bei diesen Schlussanträgen lediglich um einen Entscheidungsvorschlag an das Gericht handelt. Eine Entscheidung des EuGH, die allenfalls eine Bindungswirkung entfalten könnte, liegt demgegenüber noch nicht vor.
Darüber hinaus hat der Generalanwalt nach dem klaren Wortlaut seiner Schlussan-träge auch nicht generell einen pauschalen Leistungsausschluss als europarechts-widrig angesehen. Er hat vielmehr vorgeschlagen, zwischen drei Fallgestaltungen zu unterscheiden und hierzu folgendes ausgeführt:
"Bei der ersten Fallgestaltung, bei der sich ein Staatsangehöriger eines Mit-gliedstaats in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats begibt und sich dort (seit weniger oder seit mehr als drei Monaten) aufhält, ohne dort eine Arbeit suchen zu wollen, ist es – wie der Gerichtshof im Urteil Dano entschieden hat – berechtigt, dass der betreffende Unionsbürger von Leistungen der Sozialhil-fe ausgeschlossen wird, um das finanzielle Gleichgewicht der nationalen Sys-teme der sozialen Sicherheit zu erhalten.
Bei der zweiten Fallgestaltung, bei der sich ein Staatsangehöriger eines Mit-gliedstaats in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begibt, um dort Arbeit zu suchen, ist ein solcher Ausschluss aus den gleichen Gründen eben-falls berechtigt.
Bei der dritten Fallgestaltung hingegen, bei der sich ein Staatsangehöriger ei-nes Mitgliedstaats mehr als drei Monate im Gebiet eines Mitgliedstaats aufhält und dort gearbeitet hat, ist der Generalanwalt der Ansicht, dass dem betref-fenden Unionsbürger die in Rede stehenden Leistungen nicht automatisch verweigert werden dürfen.
Zwar kann ein Unionsbürger, der im Inland weniger als ein Jahr berufstätig war, im Einklang mit dem Unionsrecht seine – Erwerbstätigeneigenschaft nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit verlieren (was bei Frau A und ihrer Tochter S im Dezember 2011 geschehen ist).
Jedoch verstößt es gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn ein Unionsbürger nach Ablauf eines Zeitraums der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit von sechs Mo-naten im Anschluss an eine – Erwerbstätigkeit von weniger als einem Jahr au-tomatisch von Sozialhilfeleistungen wie den hier in Rede stehenden ausge-schlossen wird, ohne dass es dem betreffenden Unionsbürger erlaubt würde, das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat nachzuweisen.
In dieser Hinsicht ist – neben Umständen, die sich aus dem familiären Kon-text ergeben (wie der Schulausbildung der Kinder) – die effektive und tatsäch-liche Beschäftigungssuche während eines angemessenen Zeitraums ein Um-stand, der das Bestehen einer solchen Verbindung mit dem Aufnahmemit-gliedstaat belegen kann. Eine frühere Erwerbstätigkeit oder auch die Tatsa-che, dass der Betreffende nach –Stellung des Antrags auf Sozialleistungen eine neue Arbeit gefunden hat, wäre zu diesem Zweck ebenfalls zu berück-sichtigen ..."
Danach sieht auch der Generalanwalt nach seinen eindeutigen Ausführungen in zwei von drei Fällen einen pauschalen Leistungsausschluss sogar ausdrücklich als ge-rechtfertigt an.
In den Fällen, in denen sich ein Unionsbürger sich in einen anderen Mitgliedstaat begibt, ohne dort eine Arbeit suchen zu wollen (Fallgruppen Nr. 1) oder um dort eine Arbeit lediglich zu suchen (Fallgruppe Nr. 2) hält der Generalanwalt einen pauschalen Leistungsausschluss ausdrücklich für geboten. Er hat zudem darauf hingewiesen, dass die erste Fallgruppe (Aufenthalt ohne Arbeitssuche) bereits vom Gerichtshof im Urteil Dano entschieden wurde. Die zweite Fallgruppe (Aufenthalt nur zur Arbeitssu-che) entspricht demgegenüber dem Wortlaut der Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II.
Allenfalls in einer dritten Fallgestaltung sieht der Generalanwalt einen pauschalen Leistungsausschluss als gegebenenfalls gleichheitswidrig an, nämlich dann, wenn die betreffende Person in dem Mitgliedstaat bereits eine Beschäftigung ausgeübt hat. Dann dürften ihr - im Anschluss an eine Erwerbstätigkeit von mehr als drei Monaten, aber weniger als einem Jahr - derartige Leistungen nicht automatisch ohne individu-elle Prüfung verweigert werden, ohne dass es dem betreffenden Unionsbürger er-laubt würde, das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Aufnahmemit-gliedstaat nachzuweisen.
Nach seinen oben genannten Ausführungen sind die Voraussetzungen für diese drit-te Fallgestaltung jedoch nur bei dem kumulativen Vorliegen von drei Voraussetzun-gen erfüllt, nämlich
1. wenn sich ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats mehr als drei Monate im Gebiet eines Mitgliedstaats aufgehalten hat, 2. dort in dieser Zeit einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und 3. das "Bestehen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat nachgewiesen" hat.
Von einer solchen Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat ist nach Ansicht des Generalanwalts auch nur dann auszugehen, wenn neben den Umständen, die sich aus dem familiären Kontext ergeben (wie den Schulbesuch der Kinder), die "effektive und tatsächliche Beschäftigungssuche während eines angemessenen Zeitraums" belegt werden kann.
Nach dem Verständnis des Senats hat daher die Prüfung, ob diese dritte Fallgestal-tung geben ist, in zwei Stufen zu erfolgen.
In einer ersten Stufe der Fallgruppe Nr. 3 ist zu prüfen, ob der Unionsbürger sich mehr als drei Monate in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat und hier erwerbstätig war. Unter Berücksichtigung insbesondere des Rechtsgedankens des § 4a Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU ist hierbei nach Ansicht des Senats nur ein recht-mäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet und eine rechtmäßig ausgeübte Erwerbstätig-keit berücksichtigungsfähig. Die Beweislast für den rechtmäßigen Aufenthalt und die rechtmäßige Ausübung der Arbeit für mehr als drei Monate im Bundesgebiet trägt der Unionsbürger; er hat sie nach den Ausführungen des Generalanwalts gegebenenfalls "nachzuweisen".
Nur wenn ein solcher Nachweis gelungen ist, ist in einer zweiten Stufe der Fallgruppe Nr. 3 zu prüfen, ob der Unionsbürger als Folge dieses rechtmäßigen Aufenthaltes und der rechtmäßigen Erwerbstätigkeit eine "tatsächliche Verbindung mit dem Auf-nahmemitgliedstaat" eingegangen ist.
Hierbei sind grundsätzlich alle Umstände zu berücksichtigen, wobei maßgeblich auf die familiäre Situation und eine effektive und tatsächliche Beschäftigungssuche oder weitere Beschäftigungsausübung abzustellen sind. Nach Ansicht des Senats ist in dieser zweiten Stufe mithin zu prüfen, ob der Unionsbürger infolge seines längeren Aufenthalts als Erwerbstätiger in schützenswerter Weise im Bundesgebiet "Wurzeln geschlagen hat", indem er sich sowohl um seine Integration in die Gemeinschaft als auch in den Arbeitsmarkt hinreichend bemüht hat. Allein beispielsweise der Nachweis eines Aufenthaltes im Bundesgebiet, der Bezug von Leistungen (u.a. Kindergeld), die Anmeldung der Kinder zum Schulbesuch oder der Besuch von Integrationskursen (beispielsweise Sprachkursen) kann danach mithin nicht zur Annahme der dritten Fallgestaltung führen. Erforderlich ist vielmehr in jedem Fall auch, dass der Unionsbürger weiterhin "effektiv und tatsächlich" eine Beschäftigung sucht oder so-gar gefunden hat. Auch hier ist der Unionsbürger für die Integration und Beschäfti-gungssuche/Beschäftigungsausübung nachweispflichtig.
Im vorliegenden Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz führen diese Erwägungen dazu, dass zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches von dem Unions-bürger in einer ersten Stufe der Fallgruppe Nr. 3 ein rechtmäßiger Aufenthalt und eine rechtmäßige Beschäftigungsausübung im Bundesgebiet von mehr als drei Mo-naten belegt werden müssen und in einer zweiten Stufe der Fallgruppe Nr. 3 nicht nur seine Integration in die Gemeinschaft (und die gegebenenfalls seiner Familie), sondern auch seine effektiven und tatsächlichen Bemühungen für eine Integration in den Arbeitsmarkt im Bundesgebiet.
Dies ist nicht gelungen.
Zwar hat der Antragsteller eine selbständige Tätigkeit für die Dauer von mehr als drei Monaten und weniger als einem Jahr glaubhaft gemacht. Die Glaubhaftmachung der zweiten Stufe ist aber schon deshalb nicht ansatzweise gelungen, weil eine effektive und tatsächliche Arbeitsuche oder Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit des An-tragstellers von diesem nicht einmal behauptet wird. Entsprechende Nachweise für eine solche Arbeitssuche liegen ebenfalls nicht vor und allein das Besuchen eines Sprachkurses genügt für die behauptete Integration nicht.
Damit ist zusammenfassend festzustellen, dass vorliegend der Leistungsausschluss des § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 SGB II auch dann greift, wenn den Ausführungen des Generalanwalts gefolgt wird. Die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches kann daher nicht als gelungen angesehen werden.
Auch hat eine Verpflichtung der Verwaltung zur vorläufigen Leistungserbringung durch die Gerichte - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - nicht etwa im Hin-blick auf das von dem BSG bei dem EuGH in Sachen Jobcenter Neukölln./. Nazifa Alimanovic u.a. eingeleitete Vorabentscheidungsersuchen nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III zu erfolgen. Insoweit ver-weist der Senat auf seine ständige Rechtsprechung (insbesondere Beschluss vom 20. März 2014, L 29 AS 514/14 B ER und Beschluss vom 20. Oktober 2014, L 29 AS 2052/ 14 B ER, beide jeweils mit weiteren Nachweisen und zitiert nach juris) und sieht von weiteren Ausführungen zu den rechtlichen Voraussetzungen einer Ent-scheidung nach § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II ab.
Für den Erlass eines solchen vorläufigen Bescheides durch die Verwaltung ist vorlie-gend schon deshalb kein Raum mehr, weil über den Leistungsanspruch bereits end-gültig entschieden wurde (vergl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. Oktober 2012, L 12 AS 691/11, m.w.N., zitiert nach juris; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. März 2014, L 20 AS 502/14 B ER, zitiert nach juris; zur nicht möglichen Gewährung von Abschlagszah-lungen bei bereits erfolgter endgültiger Abrechnung vergl. Bayerischer Verwaltungs-gerichtshof, Beschluss vom 26. Juni 2002, 12 CE 02.376, ebenfalls zitiert nach juris). Denn eine vorläufige Entscheidung nach § 328 SGB III ist allenfalls zur vorläufigen Regelung einer Leistungsbewilligung für den Zeitraum bis zur endgültigen Entschei-dung statthaft. Entsprechend werden auch vorläufige Leistungsbescheide durch endgültige Leistungsbescheide ersetzt und erledigen sich dann auf sonstige Weise im Sinn von § 39 Abs. 2 SGB X (vergl. hierzu BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, B 4 AS 139/10 R, m.w.N., zitiert nach juris). Vorliegend hat der Antragsgegner aber über den Leistungsantrag endgültig ablehnend entschieden.
Schließlich besteht wegen der nicht feststellbaren Europarechts- bzw. Völkerrechts-widrigkeit des Leistungsausschlusses auch nicht die Möglichkeit einer Entscheidung über eine Folgenabwägung, weil dies letztlich zur Nichtanwendung der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II und zu einer unzulässigen Durchbrechung des Prinzips der Gewaltenteilung führen würde (ständige Rechtsprechung des Se-nats, ausführlich u.a. Beschluss vom 22. August 2013, L 29 AS 1952/13 B ER, m.w.N., zitiert nach juris).
Danach ist abschließend festzustellen, dass jedenfalls zumindest aufgrund des an-zuwendenden Leistungsausschlusses § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II die Glaubhaft-machung eines Anordnungsanspruches nicht gelungen ist.
Durch diesen Beschluss hat sich der Antrag des Antragsgegners auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses des Sozialgerichts (§ 199 Abs. 2 SGG) erledigt.
Dem Antragsteller war Prozesskostenhilfe nach § 73a SGG in Verbindung mit § 119 Abs.1 S. 2 ZPO ohne Prüfung zu bewilligen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechts-verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, weil der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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BRB
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