Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 53 AS 11241/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 AS 322/15 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
weder die EMRK noch das GG verlangen einen Instanzenzug
Die Beschwerde der Kläger gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Dezember 2014 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die am 19. Januar 2015 eingegangene Beschwerde ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 b, § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht statthaft und war daher gemäß § 202 SGG in entsprechender Anwendung des § 572 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) als unzulässig zu verwerfen.
Die Kläger sind nicht in dem von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG vorausgesetzten Maß beschwert. Der Beschwerdewert von 750 Euro wird nicht erreicht. Die Höhe des Gegenstandswerts bemisst sich nach dem Begehren der Kläger. Diese wenden sich mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 13. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2014, mit dem der Beklagte seine Leistungsbewilligung für den Monat Juli 2012 teilweise in Höhe von 124,26 Euro aufgehoben und diesen Betrag von den Klägern erstattet verlangt.
§ 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b SGG ist auch anwendbar. Die Einwände der Prozessbevollmächtigten der Kläger im Beschwerdeverfahren, mit der eine Europarechtswidrigkeit dieser Norm geltend gemacht wird, vermögen nicht zu überzeugen.
§ 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b SGG stellt keine unzulässige Verkürzung des Rechts auf Zugang zu den Gerichten dar und verstößt weder gegen nationales Verfassungsrecht noch gegen das Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Art. 13 EMRK oder auf das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Buchst. EMRK, wie die Prozessbevollmächtigte der Kläger vorliegend rügt. Vielmehr ist anerkannt, dass die EMRK generell und insbesondere auch die Regelung des Art. 6 Abs. 1 EMRK keinen Instanzenzug verlangen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 12. November 2010 - 2 Wx 165/10 m.w.N.).
Das in Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierte Recht, ein Gericht anzurufen, wird durch die Beschränkung der Überprüfung der Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Klage im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens auf eine Instanz nicht eingeschränkt.
Die Überprüfung der Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Klage gegen einen Akt hoheitlicher Gewalt erfolgt auch in diesem Fall durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht. Das Recht auf Zugang zum Gericht wird nicht dadurch eingeschränkt, dass diese Überprüfung für Fälle, in denen eine Überprüfung einer Entscheidung in der Hauptsache nur unter besonderen Umständen, nämlich nach Zulassung der Berufung, möglich ist (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), auf eine Instanz beschränkt wird. Art. 19 Abs. 4 GG, der effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 43 (58); stRspr), fordert keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 87, 48 (61); 92, 365 (410); stRspr. Zuletzt BVerfG, Beschluss vom 04. Mai 2015 – 2 BvR 1753/14 –, Rn. 30, juris).
Es ist auch nicht zu beanstanden dass der Rechtsschutz gegen die Ablehnung von PKH nicht weiter als der Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren reicht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 172 Rn. 6h; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. März 2012 – L 29 AS 2120/11 B PKH –, juris).
Die Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b SGG verstößt auch nicht gegen Art. 13 EMRK. Gemäß Art. 13 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK für ein umfassendes Rechtsmittelsystem Sorge zu tragen, damit die Rechte und Freiheiten aus der Konvention in jeglicher Hinsicht gewahrt werden (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Entscheidung vom 10. Mai 2001 – 29392/95 –, juris). Der Gerichtshof hat hierbei allerdings festgehalten, dass das Recht auf Zugang zu Gericht nicht absolut ist. Da es sich um ein Recht handelt, das die Konvention anerkennt (cf. Art. 13, 14, 17 und 25), ohne es im engeren Sinne des Wortes zu definieren, ist unabhängig von den Grenzen, die den Inhalt eines jeden Rechtes umschreiben, Raum für implizit geltende Beschränkungen (Urteil vom 21. Februar 1975 (Plenum) Golder gegen Vereinigtes Königreich, EGMR-E 1, 146). Eine solche - europarechtlich zulässige - Beschränkung enthält § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b SGG.
Diese ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit festgestellt, dass die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes in erster Linie von den Prozessordnungen gesichert wird, es dem Gesetzgeber jedoch nicht verwehrt ist, ein bisher nach der jeweiligen Verfahrensordnung statthaftes Rechtsmittel abzuschaffen oder den Zugang zu einem an sich eröffneten Rechtsmittel von neuen einschränkenden Voraussetzungen abhängig zu machen (BVerfG, Beschluss vom 07. Juli 1992 – 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90 –, BVerfGE 87, 48-68). Erst wenn das Prozessrecht eine weitere Instanz ermöglicht, gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 (274 f.); 54, 94 (96 f.); 122, 248 (271); stRspr), Art. 19 Abs. 4 GG fordert jedoch keinen Instanzenzug (BVerfG a.a.O.).
Für die - von der Prozessbevollmächtigten hilfsweise beantragte - Vorlage der Beschwerde beim europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) bestand nach alledem kein Anlass.
Kosten für das Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind nicht zu erstatten, § 73 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
Gründe:
Die am 19. Januar 2015 eingegangene Beschwerde ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 b, § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht statthaft und war daher gemäß § 202 SGG in entsprechender Anwendung des § 572 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) als unzulässig zu verwerfen.
Die Kläger sind nicht in dem von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG vorausgesetzten Maß beschwert. Der Beschwerdewert von 750 Euro wird nicht erreicht. Die Höhe des Gegenstandswerts bemisst sich nach dem Begehren der Kläger. Diese wenden sich mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 13. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2014, mit dem der Beklagte seine Leistungsbewilligung für den Monat Juli 2012 teilweise in Höhe von 124,26 Euro aufgehoben und diesen Betrag von den Klägern erstattet verlangt.
§ 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b SGG ist auch anwendbar. Die Einwände der Prozessbevollmächtigten der Kläger im Beschwerdeverfahren, mit der eine Europarechtswidrigkeit dieser Norm geltend gemacht wird, vermögen nicht zu überzeugen.
§ 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b SGG stellt keine unzulässige Verkürzung des Rechts auf Zugang zu den Gerichten dar und verstößt weder gegen nationales Verfassungsrecht noch gegen das Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Art. 13 EMRK oder auf das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Buchst. EMRK, wie die Prozessbevollmächtigte der Kläger vorliegend rügt. Vielmehr ist anerkannt, dass die EMRK generell und insbesondere auch die Regelung des Art. 6 Abs. 1 EMRK keinen Instanzenzug verlangen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 12. November 2010 - 2 Wx 165/10 m.w.N.).
Das in Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierte Recht, ein Gericht anzurufen, wird durch die Beschränkung der Überprüfung der Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Klage im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens auf eine Instanz nicht eingeschränkt.
Die Überprüfung der Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Klage gegen einen Akt hoheitlicher Gewalt erfolgt auch in diesem Fall durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht. Das Recht auf Zugang zum Gericht wird nicht dadurch eingeschränkt, dass diese Überprüfung für Fälle, in denen eine Überprüfung einer Entscheidung in der Hauptsache nur unter besonderen Umständen, nämlich nach Zulassung der Berufung, möglich ist (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), auf eine Instanz beschränkt wird. Art. 19 Abs. 4 GG, der effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 43 (58); stRspr), fordert keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 87, 48 (61); 92, 365 (410); stRspr. Zuletzt BVerfG, Beschluss vom 04. Mai 2015 – 2 BvR 1753/14 –, Rn. 30, juris).
Es ist auch nicht zu beanstanden dass der Rechtsschutz gegen die Ablehnung von PKH nicht weiter als der Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren reicht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 172 Rn. 6h; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. März 2012 – L 29 AS 2120/11 B PKH –, juris).
Die Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b SGG verstößt auch nicht gegen Art. 13 EMRK. Gemäß Art. 13 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK für ein umfassendes Rechtsmittelsystem Sorge zu tragen, damit die Rechte und Freiheiten aus der Konvention in jeglicher Hinsicht gewahrt werden (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Entscheidung vom 10. Mai 2001 – 29392/95 –, juris). Der Gerichtshof hat hierbei allerdings festgehalten, dass das Recht auf Zugang zu Gericht nicht absolut ist. Da es sich um ein Recht handelt, das die Konvention anerkennt (cf. Art. 13, 14, 17 und 25), ohne es im engeren Sinne des Wortes zu definieren, ist unabhängig von den Grenzen, die den Inhalt eines jeden Rechtes umschreiben, Raum für implizit geltende Beschränkungen (Urteil vom 21. Februar 1975 (Plenum) Golder gegen Vereinigtes Königreich, EGMR-E 1, 146). Eine solche - europarechtlich zulässige - Beschränkung enthält § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b SGG.
Diese ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit festgestellt, dass die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes in erster Linie von den Prozessordnungen gesichert wird, es dem Gesetzgeber jedoch nicht verwehrt ist, ein bisher nach der jeweiligen Verfahrensordnung statthaftes Rechtsmittel abzuschaffen oder den Zugang zu einem an sich eröffneten Rechtsmittel von neuen einschränkenden Voraussetzungen abhängig zu machen (BVerfG, Beschluss vom 07. Juli 1992 – 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90 –, BVerfGE 87, 48-68). Erst wenn das Prozessrecht eine weitere Instanz ermöglicht, gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 (274 f.); 54, 94 (96 f.); 122, 248 (271); stRspr), Art. 19 Abs. 4 GG fordert jedoch keinen Instanzenzug (BVerfG a.a.O.).
Für die - von der Prozessbevollmächtigten hilfsweise beantragte - Vorlage der Beschwerde beim europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) bestand nach alledem kein Anlass.
Kosten für das Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind nicht zu erstatten, § 73 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
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BRB
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