L 11 EG 109/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 1 EG 2151/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 109/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Lebensmonate des Kindes, in denen Mutterschaftsgeld bezogen wurde,
gelten nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG in der vom 18.09.2012 bis zum
31.12.2014 geltenden Fassung (vgl jetzt § 4 Abs. 5 Satz 3 BEEG)
als Monate, für die die Mutter Elterngeld bezogen hat (sog .
Anspruchsverbrauch). Dies gilt auch dann, wenn Mutterschaftsgeld
nur für wenige Tage bezogen wurde und die Mutter im restlichen
Monat gar nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehört hat,
weil sie einer Erwerbstätigkeit von mehr als 30 Wochenstunden
nachgegangen ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.11.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Elterngeld für den 14. Lebensmonat seiner Tochter J. N. (J).

Der 1969 geborene Kläger und die 1974 geborene D. K. (K) sind Eltern der am 23.02.2013 geborenen J. Beide waren vor der Geburt von J in Vollzeit berufstätig. K bezog vom 17.01.2013 bis 25.04.2013 Mutterschaftsgeld nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Am 26.04.2013 nahm K ihre berufliche Tätigkeit im Umfang von mehr als 30 Wochenstunden wieder auf.

Der Kläger beantragte am 14.03.2013 Elterngeld für den 3. bis 14. Lebensmonat von J, K für die Lebensmonate 1 und 2. K nahm ihren Antrag mit Schreiben vom 25.03.2013 wieder zurück.

Mit Bescheid vom 19.04.2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger Elterngeld für den 3. bis 13. Lebensmonat (23.04.2013 bis 22.03.2014) iHv 1.350,11 EUR, für den 14. Lebensmonat (23.03. bis 22.04.2014) iHv 0,00 EUR. Lebensmonate, in denen andere Leistungen wie Mutterschaftsgeld zustehen, gälten als Monate, für die die berechtigte Person Elterngeld bezieht. Elterngeld könne daher nicht für den gesamten Zeitraum gezahlt werden.

Telefonisch wurde K laut Aktenvermerk mitgeteilt, dass sie die Möglichkeit habe, Elterngeld noch für die Monate 1 bis 3 zu beantragen und anteilig im 3. Lebensmonat Elterngeld beziehen könne, wenn 30 Arbeitsstunden wöchentlich nicht überschritten würden.

Gegen den Bewilligungsbescheid legte der Kläger am 30.04.2013 Widerspruch ein. Er sei mit der fehlenden Auszahlung für den 14. Lebensmonat nicht einverstanden. Es könne doch nicht sein, dass er einen vollen Monat kein Elterngeld bekomme, nur weil K für zwei Tage im dritten Lebensmonat von J Mutterschaftsgeld erhalten habe. Der Monat solle anteilig gekürzt um zwei Tage ausgezahlt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.06.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Monate, in denen mindestens an einem Tag Mutterschaftsgeld bezogen worden sei, seien auf den Bezugszeitraum des Elterngeldes anzurechnen und würden damit als von der Mutter verbraucht gelten. Der Kläger könne zusammen mit K insgesamt nur 14 Lebensmonate seines Kindes Elterngeld erhalten, jeder Elternteil allein höchstens zwölf Lebensmonate. Da K in den ersten drei Lebensmonaten des Kindes Mutterschaftsleistungen erhalten habe, gälten diese Monate so, als wäre das Elterngeld von ihr beantragt und bezogen worden. Neben diesen drei Monaten könne nur noch für 11 weitere Monate Elterngeld gewährt werden, dem Kläger daher nicht über den 13. Lebensmonat hinaus.

Hiergegen richtet sich die am 01.07.2014 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Zur Begründung wird ausgeführt, J sei vor dem errechneten Geburtstermin zur Welt gekommen, weshalb K im dritten Lebensmonat von J Mutterschaftsleistungen erhalten habe. Die Auffassung der Beklagten sei rechtsirrig. Nach § 3 Abs 1 vorletzter Satz Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) sei das Mutterschaftsgeld, das nur für einen Teil des Lebensmonats des Kindes gezahlt worden sei, nur auf den entsprechenden Teil des Elterngeldes anzurechnen. Hierdurch werde auch der Gesetzeszweck ausreichend erfüllt, der einen Doppelbezug von Mutterschaftsleistungen und Elterngeld verhindern wolle. Der Umstand des Bezugs von Mutterschaftsleistungen für zwei Tage rechtfertige in keiner Weise, dass der Kläger für den gesamten Monat kein Elterngeld erhalte.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, Lebensmonate, in denen einem Elternteil nach § 3 Abs 1 Nr 1 bis 3 BEEG anzurechnende Leistungen zustehen, gälten als Monate, für die dieser Elternteil Elterngeld beziehe. Diese Monate gälten somit auch dann als Bezugsmonate, wenn der Elternteil in diesen Monaten die Voraussetzungen des § 1 BEEG gar nicht erfülle. Die im Gegensatz dazu stehende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 26.05.2011, B 10 EG 11/10 R) betreffe die alte Fassung des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG. Aus der Gesetzesbegründung sei ersichtlich, dass bereits die zur alten Fassung des § 4 Abs 3 BEEG ergangene Entscheidung des BSG nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprochen habe (unter Hinweis auf BT-Drucks 17/9841 S 29). Der eindeutige gesetzgeberische Wille zum Verbrauch von Bezugsmonaten habe für die neue Fassung des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG zu gelten.

Mit Urteil vom 21.11.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach § 4 Abs 2 Satz 1 BEEG könne ein Elternteil mindestens für zwei und höchstens für zwölf Monate Elterngeld beziehen. Nach § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG gälten Lebensmonate des Kindes, in denen einem Elternteil nach § 3 Abs 1 Nr 1 bis 3 BEEG anzurechnende Einnahmen zustehen, als Monate, für die dieser Elternteil Elterngeld bezieht. K habe im gesamten ersten und zweiten Lebensmonat und an drei Tagen im dritten Lebensmonat von J (23. bis 25.04.2013) Mutterschaftsgeld als anzurechnende Einnahme zugestanden. Nach der Fiktion des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG gälten die drei Lebensmonate von J, in denen K Mutterschaftsgeld bezogen habe, als Monate, in denen sie Elterngeld bezogen habe. Die taggenaue Anrechnung des Mutterschaftsgeldes auf das der Mutter zustehende Elterngeld schließe die Fiktion von Bezugsmonaten nach dem Lebensmonatsprinzip des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG nicht aus (unter Hinweis auf BSG 26.05.2011, B 10 EG 12/10 R, SozR 4-78937 § 4 Nr 2). Dem Urteil des BSG vom 26.05.2011 (aaO) liege die ab 01.07.2007 geltende Fassung des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG zugrunde. Sie regele die Fiktion von Elterngeldbezugsmonaten für die Lebensmonate des Kindes mit Bezug von anrechenbaren Leistungen, "für die die berechtigte Person Elterngeld bezieht." Dies habe das BSG dahin interpretiert, dass Lebensmonate mit Bezug von Mutterschaftsgeld nur als Bezugsmonate von Elterngeld gelten, wenn die Mutter aufgrund objektiver Gegebenheiten auch zum anspruchsberechtigten Personenkreis iSd § 1 BEEG gehöre. Dagegen sei der Wortlaut von § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG nF eindeutig. Die Fiktion knüpfe allein an den Bezug einer anzurechnenden Leistung an; unerheblich sei, ob die Mutter in diesen Lebensmonaten zum anspruchsberechtigten Personenkreis iSv § 1 BEEG gehöre. Es sei daher ohne Bedeutung, dass K bis 25.04.2013 Mutterschaftsgeld bezogen und bereits am 26.04.2013 ihre bisherige Erwerbstätigkeit mit einem Umfang von mehr als 30 Wochenstunden wieder aufgenommen habe, womit sie nicht mehr zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehöre. Die Neufassung von § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG führe dazu, dass in Fällen der Geburt vor dem errechneten Geburtstermin, bei denen der Mutter auch im dritten Lebensmonat des Kindes noch Mutterschaftsgeld zustehe, der Vater lediglich für elf Monate Elterngeld beanspruchen könne. Der Gesetzgeber habe dies ausdrücklich gewollt, eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor. Die Vorschrift verstoße auch nicht gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm Art 6 Abs 1 GG. Der Gesetzgeber habe sachgerecht an den Bezug anzurechnender Einnahmen angeknüpft und einen Bezugszeitraum nach dem Lebensmonatsprinzip fingiert, der (allein) bei der Mutter, die Mutterschaftsgeld beziehe und die Voraussetzungen nach § 1 BEEG erfülle, den Bezug von Elterngeld unter taggenauer Abrechnung des kongruenten Mutterschaftsgeldes eröffne. Damit habe der Gesetzgeber bewusst den Bezugszeitraum von Vätern verkürzt, wenn die Mutter noch im dritten Lebensmonat des Kindes Mutterschaftsleistungen beziehe. Dem Gesetzgeber stehe im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit ein großer Gestaltungsspielraum zu. Die Fiktion greife hier, weil K im dritten Lebensmonat des Kindes eine elterngeldschädliche Erwerbstätigkeit aufgenommen habe. Dies beruhe auf ihrer freien Willensentscheidung. Die der Mutter grundsätzlich eröffnete Möglichkeit, durch eine elterngeldunschädliche Erwerbstätigkeit im Anschluss an den Bezug von Mutterschaftsgeld Elterngeld beziehen zu können, rechtfertige die Ungleichbehandlung.

Gegen das seiner Bevollmächtigten am 19.12.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.01.2015 eingelegte Berufung des Klägers. Nach der Entscheidung des BSG (26.05.2011, B 10 EG 11/10 R) zur alten Fassung des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG müsse Elterngeld auch für den 14. Lebensmonat des Kindes bewilligt werden. Dies müsse auch für die jetzige Gesetzesfassung des § 4 Abs 3 BEEG gelten. Die Auslegung des SG verstoße gegen Art 6 GG.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.11.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 19.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.06.2013 zu verurteilen, dem Kläger für den 14. Lebensmonat von J vom 23.03. bis 22.04.2014 Elterngeld iHv 1.219,46 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der behauptete Verstoß gegen Art 6 GG werde nicht näher begründet. Sie verweise daher auf das angefochtene Urteil, ihre erstinstanzlichen Schriftsätze und den Widerspruchsbescheid vom 03.06.2013.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs 1 SGG) und auch ansonsten statthafte (§§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG) Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 19.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.06.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Elterngeld für den 14. Lebensmonat von J.

Der Anspruch des Klägers auf Elterngeld richtet sich nach den am 01.01.2007 in Kraft getretenen Vorschriften des BEEG vom 5.12.2006 (BGBl I 2748). § 1 Abs 1 BEEG sieht vor, dass Anspruch auf Elterngeld hat, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Deutschland, lebt mit J in einem Haushalt und betreut und erzieht sie selbst. Im Zeitraum 23.03.2013 bis 22.04.2014 übte er keine Erwerbstätigkeit aus. Der Senat entnimmt dies den Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren.

Der Bezugszeitraum von Elterngeld ist in § 4 BEEG (idF vom 10.09.2012, BGBl I 1878, gültig ab 18.09.2012) geregelt. Nach dessen Abs 1 Satz 1 kann Elterngeld in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Nach § 4 Abs 2 Satz 1 BEEG wird Elterngeld in Monatsbeträgen für Lebensmonate gezahlt (sog Lebensmonatsprinzip; BSG 30.09.2010, B 10 EG 9/09 R, BSGE 107, 1 = SozR 4-7858 § 1 Nr 2). Nach § 4 Abs 2 Satz 2 BEEG haben Eltern (also beide Elternteile zusammen) insgesamt Anspruch auf zwölf Monatsbeträge. Sie haben Anspruch auf zwei weitere Monatsbeträge, wenn für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt (§ 4 Abs 2 Satz 3 BEEG). Waren beide Elternteile - wie hier - vor der Geburt erwerbstätig und unterbricht mindestens ein Elternteil nach der Geburt seine Erwerbstätigkeit (oder schränkt sie in relevantem Umfang ein), haben die Eltern demnach insgesamt für die Dauer von vierzehn Lebensmonaten des Kindes Anspruch auf Elterngeld. Diesen Gesamtanspruch können die Eltern im Rahmen der gesetzlichen Regelung untereinander aufteilen. Nach § 4 Abs 2 Satz 4 BEEG können die Eltern dabei die (zwölf oder vierzehn) Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen. Erfüllen beide Elternteile die Anspruchsvoraussetzungen, bestimmen sie nach § 5 Abs 1 BEEG grundsätzlich, wer von ihnen welche Monatsbeträge in Anspruch nimmt. Diese Bestimmung ist im Antrag vorzunehmen (§ 7 Abs 1 Satz 1, Abs 2 BEEG).

Nach § 4 Abs 3 Satz 1 BEEG kann ein Elternteil höchstens für zwölf Monate Elterngeld beziehen. Dabei gelten gemäß § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG die Lebensmonate des Kindes, in denen ua nach § 3 Abs 1 BEEG anzurechnende Leistungen - wie Mutterschaftsgeld - zustehen, als Monate, für die dieser Elternteil Elterngeld bezieht. Durch diese gesetzliche Fiktion von Eltern-geldbezugsmonaten werden die Lebensmonate des Kindes mit zeitlich kongruenten anzurechnenden Leistungen, wie das nach § 3 Abs 1 Satz 1 BEEG anzurechnende Mutterschaftsgeld, kraft Gesetzes zwingend der Person zugeordnet, die Anspruch auf die anzurechnende Leistung hat. Dies ist beim Mutterschaftsgeld nach § 24i SGB V die Mutter. Im Hinblick auf das im Elterngeldrecht geltende Lebensmonatsprinzip (§ 4 Abs 2 Satz 1 BEEG) erfasst die Fiktion des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG jeweils auch dann den ganzen Lebensmonat des Kindes, wenn - wie hier - nur für die ersten drei Tage Mutterschaftsgeld zusteht (BSG 26.05.2011, B 10 EG 12/10 R, SozR 4-7837 § 4 Nr 2). Zur Vermeidung von für die Betroffenen unbefriedigenden Ergebnissen kann auch nicht § 3 Abs 1 Satz 2 BEEG auf die in § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG geregelte Fiktion von Bezugsmonaten analog angewendet werden. Demzufolge würde sich die Fiktion anteilig nur auf die Tage eines Lebensmonats auswirken, für die Mutterschaftsgeld zusteht. Die restlichen Tage stünden für einen Leistungsbezug des Vaters zur Verfügung. Einer derartigen Rechtsfortbildung hat das BSG indes eine Absage erteilt, denn es fehlt hier an einer planwidrigen Regelungslücke im Sinne einer Unvollständigkeit des Gesetzes, die nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen durch eine analoge Anwendung einer anderen Rechtsnorm zu schließen wäre (BSG 26.05.2011, B 10 EG 12/10 R, aaO mwN).

Die Vorschrift des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG ergänzt die Anrechnungsregelungen des § 3 Abs 1 und 3 BEEG. Durch eine zwingende gesetzliche Zuordnung von Bezugsmonaten, in denen nach diesen Vorschriften anzurechnende Leistungen zustehen, werden die sich aus § 5 Abs 1 und 2 BEEG ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten der Eltern (Bestimmung des anspruchsberechtigten Elternteils) eingeschränkt. § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG stellt damit sicher, dass die Anrechnungsregelungen des § 3 Abs 1 und 3 BEEG nicht durch eine entsprechende Gestaltung der Bezugsberechtigung von den Eltern umgangen werden. Sie dient - wie die Anrechnungsregelungen - dazu, zweckidentische Doppelleistungen für zeitlich kongruente Bezugszeiträume zu vermeiden (BSG 26.05.2011, B 10 EG 12/10 R, aaO).

Zu § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG in der bis 17.09.2012 geltenden Fassung hatte das BSG entschieden, dass ausgehend vom Wortlaut der Fiktion von Bezugsmonaten als "Monate, für die die berechtigte Person Elterngeld bezieht", nur dann die Fiktion eingreift, wenn ein Bezug von Elterngeld auch rechtlich möglich ist, die betroffene Person also zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 1 BEEG gehört (BSG 26.05.2011, B 10 EG 12/10 R, aaO). Dies ist bei der Ausübung einer Erwerbstätigkeit mit mehr als 30 Wochenstunden – wie hier – nicht der Fall. Mit der Gesetzesänderung des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG hat der Gesetzgeber dieser Auslegung die Grundlage entzogen, indem er die Formulierung "die berechtigte Person" gestrichen und stattdessen die Formulierung "dieser Elternteil" eingeführt hat. In der Gesetzesbegründung wird hierzu ausgeführt: "Die Änderung in § 4 Abs 3 Satz 2 dient der Klarstellung, dass – entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011, B 10 EG 11/10 R) – Lebensmonate des Kindes, in denen nach § 3 Abs 1 Nr 1 bis 3 anzurechnende Einnahmen zustehen, auch dann als Bezugsmonate gelten, wenn die Elterngeld beantragende Person in diesen Monaten die Voraussetzungen des § 1 BEEG nicht erfüllt." (BT-Drucks 17/9841 S 29). Der Gesetzgeber hat damit bewusst die elternfreundliche Rechtsprechung des BSG korrigiert (vgl Dau, jurisPR-SozR 20/2012 Anm 1 B.f). Angesichts des Wortlauts der Vorschrift und der eindeutigen gesetzgeberischen Motive lässt sich die zu § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG aF vertretene Rechtsauffassung des BSG auf die Neufassung der Vorschrift nicht übertragen. Der Anspruchsverbrauch tritt daher für den 3. Lebensmonat von J unabhängig davon ein, dass K jedenfalls ab 26.04.2013 aufgrund der aufgenommenen Vollzeitbeschäftigung nicht mehr zum anspruchsberechtigten Personenkreis für Elterngeld gehört. Damit kann der Kläger für den 14. Lebensmonat von J keine Leistungen mehr geltend machen.

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt auch eine Leistungsgewährung in analoger Anwendung der Anrechnungsregelungen des § 3 Abs 1 BEEG unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes auf einen Elterngeldanspruch des Vaters nicht in Betracht. Eine derartige Erstreckung der Anrechnungsmöglichkeit auch auf den Vater lässt der Wortlaut des § 3 Abs 1 Satz 1 BEEG nicht zu. Danach wird Mutterschaftsgeld, das der Mutter zusteht, auf das ihr zustehende Elterngeld angerechnet. Eine durch Rechtsfortbildung ausfüllbare Regelungslücke ist insoweit nicht ersichtlich (BSG 26.05.2011, B 10 EG 12/10 R, aaO).

§ 4 Abs 3 Satz 2 BEEG in der hier maßgeblichen Fassung verstößt nach Auffassung des Senats nicht gegen Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit nicht jede Differenzierung verwehrt. Dieser hat gerade auch im Bereich des Sozialrechts, wozu die Bestimmungen über das Elterngeld gehören, einen weiten Gestaltungsspielraum. Der allgemeine Gleichheitssatz ist erst dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (st Rspr BVerfG 07.10.1980, 1 BvL 50/79 ua, BVerfGE 55,72, 88; BVerfG 27.02.2007, 1 BvL 10/00, BVerfGE 117, 272, 300f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7). Das BVerfG legt je nach dem Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlichen Prüfungsmaßstab an (zusammenfassend BVerfG 26.01.1993, 1 BvL 38/92 ua, BVerfGE 88, 87, 96 f). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfG 08.06.2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412 zum Teilkindergeld für Grenzgänger). Dabei sind Praktikabilität und Einfachheit des Rechts als hochrangige Ziele zu berücksichtigen (BVerfG 07.12.1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297).

So muss der Gesetzgeber im Bereich staatlicher Maßnahmen, welche die Familie betreffen, den Schutz beachten, den er dieser nach Art 6 Abs 1 GG schuldet (vgl BVerfG 09.11.2004, 1 BvR 684/98, BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7). Art 6 Abs 1 GG garantiert als Abwehrrecht die Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung des ehelichen und familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden. Deshalb hat der Staat die Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich in ihrer jeweiligen und selbstverantwortlichen Ausgestaltung zu respektieren. Demgemäß dürfen die Eltern ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen planen und verwirklichen sowie insbesondere in ihrer Erziehungsverantwortung entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Elternteilen in wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll. Neben der Pflicht, die von den Eltern im Dienst des Kindeswohl getroffenen Entscheidungen anzuerkennen und daran keine benachteiligenden Rechtsfolgen zu knüpfen, ergibt sich aus der Schutzpflicht des Art 6 Abs 1 GG auch die Aufgabe des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern. Der Staat hat dafür Sorge zu tragen, dass es Eltern gleichermaßen möglich ist, teilweise bzw zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten wie auch Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit miteinander zu verbinden. Auch in diesem Zusammenhang ist allerdings in Rechnung zu stellen, dass dem Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit sowohl für die Abgrenzung der begünstigten Personengruppen als auch hinsichtlich der Ausgestaltung der Familienförderung ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (BSG 26.05.2011, B 10 EG 12/10 R, aaO mwN).

Unter Anlegung dieses Prüfungsmaßstabs begegnet die Regelung des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, soweit danach ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld an mindestens einem Tag des Lebensmonats ausreicht, der Mutter zwingend diesen Lebensmonat als Bezugsmonat des Elterngeldes zuzuordnen. Dadurch wird die Entscheidungsfreiheit von Eltern hinsichtlich der innerfamiliären Aufgabenverteilung nicht in verfassungswidriger Weise berührt. Die damit verbundene Beschränkung des sich aus § 5 Abs 1 BEEG ergebenden Bestimmungsrechts der Eltern, wer von ihnen welche der zwölf bzw vierzehn Bezugsmonate in Anspruch nimmt, ist nicht so intensiv, dass sie erhebliche Auswirkungen auf die den Eltern vorbehaltene Entscheidung hat, teilweise bzw zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung des Kindes zu verzichten. Finanzielle Anreize, wie die staatliche Förderung in Form des Elterngeldes, können die Entscheidung, wie Eltern ihre grundrechtlich verankerte Erziehungsverantwortung wahrnehmen, zwar beeinflussen. Dadurch, dass der Lebensmonat, in dem anzurechnende Mutterschutzleistungen zustehen, kraft Gesetzes zwingend der Mutter zugeordnet wird, übt der Gesetzgeber jedoch weder einen unmittelbaren noch einen mittelbaren Zwang auf die Eltern aus, an Stelle der persönlichen Betreuung des Kindes wieder eine elterngeldschädliche Erwerbstätigkeit auszuüben. Solange der Mutter in diesem (dritten) Lebensmonat Mutterschaftsgeld zusteht, unterliegt sie einem Beschäftigungsverbot. Für den Rest dieses Lebensmonats kann sie die anteilige taggenaue Zahlung von Elterngeld verlangen (§ 3 Abs 1 Satz 2 BEEG) und zudem eine elterngeldunschädliche Erwerbstätigkeit mit bis zu 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats ausüben (§ 1 Abs 6 BEEG). Eine Fiktion von Bezugsmonaten nach § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG kommt erst in Betracht, wenn die Eltern - aus welchen Gründen auch immer - aufgrund ihrer freien Willensentscheidung im Antrag nicht die Mutter, sondern nur den Vater zum Bezugsberechtigten für den Lebensmonat mit anzurechnendem Mutterschaftsgeld bestimmen. Dann kann im Extremfall – wie hier – ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld für drei Tage dazu führen, dass der Anspruch auf Elterngeld für einen ganzen Monat entfällt. Angesichts der vorhandenen Gestaltungsmöglichkeiten der Eltern und der begrenzten zeitlichen Wirkung ist diese vom Gesetzgeber gewollte Auswirkung jedoch nicht so erheblich, dass sie geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit der Eltern zur innerfamiliären Aufgabenverteilung in verfassungswidriger Weise zu beeinträchtigen.

§ 4 Abs 3 Satz 2 BEEG verstößt auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG in seiner allgemeinen Ausprägung. Eltern, bei denen die Mutter auch im dritten Lebensmonat des Kindes Mutterschaftsgeld bezogen hat, werden gegenüber Eltern, bei denen der Mutter nur in den ersten beiden Lebensmonaten des Kindes Mutterschaftsgeld zusteht, hinsichtlich der Höhe des insgesamt zustehenden Elterngeldes jedenfalls dann ungleich behandelt, wenn die Fiktion des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG eingreift. Dieser Unterschied ist jedoch durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt. Er beruht darauf, dass der Gesetzgeber in § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG durch eine Fiktion Lebensmonate mit nach § 3 Abs 1 BEEG anzurechnenden Leistungen zwingend der Person zuordnet, die Anspruch auf diese Leistungen hat. Damit soll sichergestellt werden, dass die Anrechnungsregelungen des § 3 Abs 1 BEEG von den Eltern nicht durch entsprechende Bestimmung des Anspruchsberechtigten umgangen werden. Zur Erreichung dieses Ziels ist die Ungleichbehandlung der vorgenannten Vergleichsgruppen geeignet, erforderlich und angemessen. Insbesondere ist es im Hinblick auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Familienförderung unter dem Gesichtspunkt einer schonenderen Regelung von Verfassungs wegen nicht geboten, dass der Gesetzgeber die vom Kläger bevorzugte Lösung schafft, das Mutterschaftsgeld auf seinen Anspruch auf Elterngeld für den dritten Lebensmonat des Kindes anzurechnen. Eine solche Regelung würde dem Zweck der Anrechnung, zweckidentische Doppelleistungen zu vermeiden, widersprechen (BSG 26.05.2011, B 10 EG 12/10 R, aaO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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