Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 EG 3579/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 1651/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.03.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngelds und insbesondere über die Frage, welche Abzugsmerkmale für die Steuer bei einer Änderung im Bemessungszeitraum zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin heiratete am 20.12.2012 und gebar am 12.07.2013 ihre Tochter G. M ... Sie hatte im Zeitraum vom 12.07.2013 bis 11.07.2014 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit der Tochter G. M. in einem Haushalt, betreute und erzog sie und übte vom 12.07.2013 bis 11.07.2014 keine Erwerbstätigkeit aus.
Die Klägerin beantragte am 16.08.2013 Elterngeld für die Tochter G. M. für den ersten bis zwölften Monat, ihr Ehemann für den 13. und 14. Monat bei der Beklagten. Sie legte Gehaltsmitteilungen des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg für die Zeit von Juni 2012 bis Mai 2013 vor. Die Klägerin war zumindest in diesem Zeitraum beim Staatlichen Schulamt S. als Angestellte beschäftigt. Die Gehaltsmitteilungen wiesen bis Januar 2013 Steuerklasse I und einen halben Kinderfreibetrag und von Februar bis Mai 2013 die Steuerklasse III mit einem vollen Kinderfreibetrag aus. Vom 01.06.2013 bis 07.09.2013 erhielt die Klägerin Mutterschaftsgeld und einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 des Mutterschutzgesetzes.
Mit Bescheid vom 21.08.2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin Elterngeld für die Zeit vom 12.07.2013 bis 11.07.2014 unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes und des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld. Der Zahlbetrag betrug im ersten Lebensmonat 0 EUR, im zweiten Lebensmonat 172,74 EUR und vom dritten bis zwölften Lebensmonats jeweils 1.338,72 EUR.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit der Begründung Widerspruch ein, sie sei ab Dezember 2012 in Steuerklasse III einzustufen. Sie habe nach der Hochzeit die Steuerklasse gewechselt und dies unmittelbar dem Arbeitgeber gemeldet. Dort sei ihr die Auskunft erteilt worden, dass das Steuerjahr 2012 abgeschlossen sei und man nicht mehr an die Unterlagen herankomme. Die Klägerin legte ein Schreiben des Finanzamts T. vom 29.08.2013 vor. Darin wird bestätigt, dass ab dem Zeitpunkt der Heirat am 20.12.2012 die Voraussetzungen für die Steuerklasse III erfüllt seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass Bemessungszeitraum für die Ermittlung des vor der Geburt des Kindes erzielten Einkommens der Zeitraum vom 01.06.2012 bis 31.05.2013 sei, da der Monat Juni 2013 aufgrund des Bezugs von Mutterschaftsgeld nicht zu berücksichtigen sei. Auszugehen sei vom steuerpflichtigen Bruttoentgelt. Abzüge für Steuern und Sozialabgaben würden nach den Vorgaben der §§ 2e und 2f BEEG in pauschalierter Form vorgenommen. Soweit sich in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Bemessungszeitraumes eine Angabe zu einem Abzugsmerkmal geändert habe, sei die von der ursprünglichen Angabe abweichende Angabe maßgeblich, wenn sie in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraumes gegolten habe. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin von Juni 2012 bis einschließlich Januar 2013 die Steuerklasse I und von Februar bis Mai 2013 die Steuerklasse III gehabt.
Die Klägerin legte am 30.09.2013 eine Bescheinigung des Landesamtes für Besoldung und Versorgung vor, nach der die Versteuerung der Bezüge ab dem Abrechnungsmonat Januar 2013 nach der Steuerklasse III durchgeführt worden sei. Die Umstellung habe erst im Abrechnungsmonat Februar 2013 rückwirkend ab Januar 2013 durchgeführt werden können, was zu einer Erstattung der Lohnsteuer aus dem Abrechnungsmonat Januar 2013 geführt habe. Gleichzeitig bat die Klägerin um Verschiebung des Bemessungszeitraumes mit Verzicht auf den Verschiebetatbestand, also die Berücksichtigung des Juni 2013. Zudem legte sie die Gehaltsmitteilung für Juni 2013 vor, aus der sich ausschließlich steuerfreie Zuschläge zum Mutterschaftsgeld ergeben.
Mit dem Ehemann der Klägerin wurde am 22.10.2013 telefonisch vereinbart, dass der Verzicht auf die Berücksichtigung des Verschiebetatbestandes telefonisch zurückgenommen werde.
Mit Bescheid vom 24.10.2013 berechnete die Beklagte das Elterngeld neu unter Berücksichtigung eines Bemessungszeitraums vom 01.07.2012 bis 30.06.2013 (Verzicht auf dem Verschiebetatbestand). Die Höhe des Anspruchs blieb unverändert. Die Beklagte führte aus, dass auch bei Verschiebung des Bemessungszeitraums weiterhin die Steuerklasse I für die Abzüge zu berücksichtigen sei. Der Monat Juni 2013 fließe nicht in die Mehrheitsfindung ein, da in diesem Monat kein steuerpflichtiges Einkommen vorhanden sei.
Am 19.11.2013 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid ein. Sie machte geltend, dass der Lohnsteuerklassenwechsel bereits im Dezember 2012 erfolgt sei, der Arbeitgeber jedoch diesen nicht mehr bei der Dezemberabrechnung wegen des abgelaufenen Steuerjahres berücksichtigt habe. Vielmehr sei sie auf die Steuererklärung verwiesen worden. Vor dem Finanzamt gelte die Steuerklasse III seit Dezember 2012.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, dass nur die in den Lohn- und Gehaltsabrechnungen ausgewiesene Steuerklasse maßgeblich sei. Deshalb komme es nicht darauf an, dass bereits am 20.12.2012 die Voraussetzungen für die Steuerklasse III erfüllt gewesen seien. Unabhängig davon, ob als Bemessungszeitraum der 01.06.2012 bis 31.05.2013 oder der 01.07.2012 bis 30.06.2013 zugrunde gelegt werde, habe immer überwiegend die Steuerklasse I gegolten. Im Übrigen würde sich durch die Einbeziehung eines Monats ohne Einkommen und den Wegfall eines Monats mit Einkommen ein geringerer Elterngeldanspruch ergeben. Damit verbliebe es nach telefonischer Rücksprache bei dem für die Klägerin günstigeren Bemessungszeitraum vom 01.06.2012 bis 31.05.2013.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 24.12.2013 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Das SG hat darauf hingewiesen, dass eine Änderung nach der Hochzeit auch beim Kinderfreibetrag eingetreten sei. Mit Urteil vom 27.03.2015 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass sich aus § 2c Abs 3 BEEG eindeutig ergebe, dass nur Monate gegenüberzustellen seien, in denen Einnahmen vorgelegen hätten. Dies sei auch Wille des Gesetzgebers gewesen. Zudem habe die Beklagte den Bemessungszeitraum zutreffend festgelegt. Da bei einem Verzicht auf den Verschiebetatbestand der Anspruch niedriger sei, verbleibe es bei dem bestandskräftig festgestellten Anspruch.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 02.04.2015 zugestellte Urteil hat dieser am 27.04.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass bei Zugrundelegung des Bemessungszeitraums vom 01.07.2012 bis 30.06.2013 die Steuerklasse III zu berücksichtigen sei. Denn auch der Juni 2013 sei steuerlich zu berücksichtigen. Zwar habe sie in diesem Monat kein steuerpflichtiges Einkommen erzielt, gleichwohl werde dieser Monat in die Durchschnittsberechnung mit 0 einbezogen. Es könne keinen Unterschied machen, ob sie ein steuerpflichtiges Einkommen beziehe oder nicht. Aus der Verschiebung des Bemessungszeitraums dürfte sich kein Nachteil für einen Anspruchsberechtigten ergeben. Grundsätzlich seien Grundlage für die Ermittlung der erforderlichen Abzugsmerkmale die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum mit Einnahmen erstellt worden sei, hier Mai 2013. Hier sei Steuerklasse III bescheinigt. Berücksichtige man den Juni 2013, so lägen sechs Monate mit Steuerklasse III und sechs Monate mit Steuerklasse I vor. In diesem Fall gelte aber die zuletzt angewandte Steuerklasse, hier III.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.03.2015 und den Bescheid vom 24.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.11.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Änderung des Bescheids vom 21.08.2013 für die Zeit vom 12.07.2013 bis 11.07.2014 höheres Elterngeld unter Berücksichtigung der Steuerklasse III und eines vollen Kinderfreibetrages zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Gegenstand der Berufung ist der Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 24.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2013, mit dem zwar der Elterngeldanspruch neu berechnet, jedoch kein höheres Elterngeld gewährt worden ist. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Gem § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Klägerin keinen höheren Anspruch auf Elterngeld hat, als mit Bescheid vom 21.08.2013 festgestellt. Die Voraussetzungen für die Abänderung des Bescheides liegen nicht vor.
Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld richtet sich nach dem mit Wirkung zum 01.01.2007 eingeführten BEEG (Gesetz vom 05.12.2006, BGBl I 2748). Nach § 1 Abs 1 BEEG hat An-spruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Die Klägerin hatte im Bezugs-zeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit der am 12.07.2013 geborenen Tochter G. M. in einem Haushalt, betreute und erzog sie und übte während des Bewilligungszeitraums keine Erwerbstätigkeit aus. Dies entnimmt der Senat den Angaben der Klägerin gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren.
Die Höhe des Elterngeldes bemisst sich nach § 2 BEEG (hier in der Fassung vom 23.10.2012, BGBl I 2262). Elterngeld wird gemäß § 2 Abs 1 S 1 BEEG in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Der Bemessungszeitraum von zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes unterliegt grundsätzlich den Einschränkungen des § 2b Abs 1 S 2 BEEG. Danach bleiben ua Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch bezogen hat. Unter Anwendung dieser Regelungen fällt der Monat Juni 2013 nicht mit in den Bemessungszeitraum, da die Klägerin ab dem 01.06.2013 Mutterschaftsgeld bezogen hat. Damit reicht der Bemessungszeitraum vom 01.06.2012 bis 31.05.2013.
Das von der Klägerin hier allein erzielte Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit ist nach § 2c Abs 1 BEEG der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach §§ 2e und 2f BEEG. Grundlage der Ermittlung der Einnahmen sind die Angaben in den für die maßgeblichen Monate erstellten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers (§ 2c Abs 2 BEEG). Grundlage der Ermittlung der nach den §§ 2e und 2f BEEG erforderlichen Abzugsmerkmale für Steuern und Sozialabgaben sind nach § 2c Abs 3 BEEG die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum mit Einnahmen nach Abs 1 erstellt wurde. Soweit sich in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Bemessungszeitraums eine Angabe zu einem Abzugsmerkmal geändert hat, ist die von der Angabe nach Satz 1 abweichende Angabe maßgeblich, wenn sie in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten hat (§ 2c Abs 3 S 2 BEEG).
Zur Ermittlung des Elterngeldes werden die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den Vorgaben der §§ 2e und 2f BEEG in pauschalierter Form anhand eines vom Bundesministerium der Finanzen festgelegten Abgaberechners (Programmablaufplan) vorgenommen. Die tatsächlichen Abzugsbeträge sind unbeachtlich. Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Abzüge für Steuern ist die monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Summe der Einnahme nach § 2c BEEG, soweit sie von der berechtigten Person zu versteuern sind (§ 2e Abs 2 S 1 BEEG). Bei der Ermittlung der Abzüge für Steuern werden ua der Arbeitnehmerpauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr 1 lit a EStG und eine Vorsorgepauschale mit den Teilbeträgen nach § 39b Abs 2 S 5 Nr 3 lit a bis c EStG berücksichtigt. Als Abzug für die Einkommenssteuer ist nach § 2e Abs 3 BEEG der Betrag anzusetzen, der sich unter Berücksichtigung der Steuerklasse und des Faktors nach § 39f EStG nach § 2c Abs 3 BEEG ergibt; die Steuerklasse VI bleibt unberücksichtigt. War die berechtigte Person im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG in keine Steuerklasse eingereiht oder ist ihr nach § 2d BEEG zu berücksichtigender Gewinn höher als ihr nach § 2c BEEG zu berücksichtigender Überschuss der Einnahmen über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, ist als Abzug für die Einkommenssteuer der Betrag anzusetzen, der sich unter Berücksichtigung der Steuerklasse IV ohne Berücksichtigung eines Faktors nach § 39f EStG ergibt.
Bei der Klägerin wurde für die Monate Juni 2012 bis Dezember 2013 (7 Monate) vom Landesamt für Besoldung und Versorgung die Steuerklasse I und ein halber Kinderfreibetrag sowie von Januar bis Mai 2013 (5 Monate) aufgrund der Hochzeit am 20.12.2012 und des anschließend durchgeführten Steuerklassenwechsels Steuerklasse III und ein voller Kinderfreibetrag berücksichtigt. Obwohl die Gehaltsmitteilung für Januar 2013 noch Steuerklasse I und den halben Kinderfreibetrag ausweist, ist durch die nachträgliche Abrechnung der geänderten Lohnsteuerabzugsmerkmale im Abrechnungsmonat Februar 2013 die Vermutung des § 2c Abs 2 BEEG widerlegt.
Die Berücksichtigung von Steuerklasse I und des vollen Kinderfreibetrags bereits für den Abrechnungsmonat Dezember 2012 ist nicht möglich, da der Arbeitgeber die Abzugsmerkmale tatsächlich hierfür nicht später rückwirkend geändert hat und wegen § 39 Abs 6 S 6 EStG auch nicht ändern durfte. Nach § 39 Abs 6 S 6 EStG ist eine Berücksichtigung der Änderung im laufenden Kalenderjahr nur möglich, wenn der Änderungsantrag beim Finanzamt spätestens bis zum 30. November gestellt wird. Da die Klägerin erst am 20.12.2012 geheiratet hat und erst ab dann eine Änderungsmöglichkeit bestand, war ein rechtzeitiger Antrag nicht mehr möglich. Insoweit fallen nach dem gesetzgeberischen Willen aus abrechnungspraktischen Gründen Lohnsteuerabzug und Ausgleich im Wege der Einkommensteuererklärung auseinander. Für die Berechnung des Elterngelds ist jedoch nur der Lohnsteuerabzug maßgebend.
Bei Annahme eines Bemessungszeitraums vom 01.06.2012 bis 31.05.2013 überwiegen deshalb unstreitig die Monate mit Berücksichtigung der Steuerklasse I und eines halben Kinderfreibetrages. Fehler in der Berechnung des Elterngelds sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Auf Antrag kann eine berechtigte Person auf die Verschiebung des Bemessungszeitraums gemäß § 2b Abs 1 S 2 BEEG verzichten (BSG 18.08.2011, B 10 EG 7/10 R, Richtlinien zum BEEG Nr 2b.1.2.2). Die Klägerin konnte daher beantragen, dass der Monat Juni 2013 bei der Ermittlung des Bemessungszeitraumes nicht ausgeklammert wird. Dies hat sie ursprünglich mit Schreiben vom 24.09.2013, eingegangen bei der Beklagten am 30.09.2013, auch getan. Der Senat kann offen lassen, ob der Ehemann der Klägerin im Namen dieser den Antrag im Telefonat am 22.10.2013 wieder zurückgenommen hat. Denn auch wenn als Bemessungszeitraum die Zeit vom 01.07.2012 bis 30.06.2013 zu Grunde gelegt wird, besteht kein Anspruch auf höheres Elterngeld.
Unstreitig wurde letztmals im Mai 2013 eine Lohn- und Gehaltsbescheinigung mit Einnahmen nach § 2c Abs 1 BEEG erstellt, da der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, der im Juni zur Auszahlung gelangt ist, nicht steuerpflichtig ist (§ 3 Nr 1 d EStG). Im Mai 2013 wurde die Steuerklasse III und ein voller Kinderfreibetrag angewandt. Diese Abzugsmerkmale wären beim Abzug für Steuern gem § 2e Abs 3 BEEG zu verwenden, wenn nicht aufgrund von Änderungen in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums andere Abzugsmerkmale gegolten hätten (§ 2c Abs 3 Satz 2 BEEG).
Im Fall der Klägerin überwiegen jedoch auch bei der Verschiebung des Bemessungszeitraums die Monate mit Berücksichtigung der Steuerklasse I und eines halben Kinderfreibetrages. Bei der Ermittlung der Anzahl der Monate, in denen Abzugsmerkmale gegolten haben, sind Monate ohne lohnsteuerpflichtige Einnahmen - hier Juni 2013 - nicht zu berücksichtigen. Deshalb liegen bei der Klägerin 6 Monate mit Steuerklasse I und einem halben Kinderfreibetrag und 5 Monate mit Steuerklasse III und einem vollen Kinderfreibetrag vor.
Der Senat verweist diesbezüglich zunächst auf die zutreffenden Gründe im Urteil des SG. Zwar ist auch eine Auslegung von § 2c Abs 3 S 2 BEEG im Sinne der Klägerin denkbar, da der Wortlaut auf die Lohn- und Gehaltsbescheinigungen im Bemessungszeitraum abstellt, ohne eine Einschränkung vergleichbar mit Satz 1 zu machen. Da allerdings grundsätzlich bei der Einkommensermittlung nur Monate mit steuerpflichtigen Einnahmen berücksichtigt werden, muss dies nach dem Sinn des Gesetzes auch für die Gegenüberstellung der Monate bei geänderten Abzugsmerkmalen gelten. Der Senat schließt sich diesbezüglich der hM in der Literatur an (Lenz in Rancke, Mutterschutz/Betreuungsgeld/Elterngeld/Elternzeit, Handkommentar, § 2c Rn 10; Schnell in Tillmanns/Mutschler, Mutterschutzgesetz.Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, Praxiskommentar, § 2c Rn 23). Denn tatsächlich haben dann auch diese Abzugsmerkmale in den überwiegenden Monaten zu den jeweiligen - hier niedrigeren - Nettolöhnen geführt.
Diese Auslegung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der sich eindeutig aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Gesetzentwurf des Bundesrates (BT-Drucks 17/9841 S 22) ergibt. Dort heißt es zu § 2c Abs 3 S 2 BEEG wörtlich: "Monate ohne lohnsteuerpflichtige Einnahmen sind nicht zu berücksichtigen". Zudem entspricht sie auch dem Sinn und Zweck des Elterngelds. Durch die Berücksichtigung des Erwerbseinkommens innerhalb von zwölf Kalendermonaten sollen möglichst repräsentativ die Einkommensverhältnisse des berechtigten Elternteils vor der Geburt abgebildet werden (BSG 18.08.2011, B 10 EG 7/10 R, juris; Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG.BEEG, Kommentar, § 2 Rn 62). Das Gesetz knüpft an die im Bemessungszeitraum überwiegend geltende Steuerklasse mit dem Ziel an, ein annähernd zutreffendes verfügbares Einkommen zu ermitteln (Dau, jurisPR-SozR 2/2015 Anm. 4). Jedem betreuenden Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, soll ein an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für die finanziellen Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes gewährt werden (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2).
Diesen Grundsätzen würde es widersprechen, wenn man fiktiv Abzugsmerkmale berücksichtigen würde, die nicht zu einer tatsächlichen Verminderung des Bruttoeinkommens geführt haben.
Etwas anderes ergibt sich, entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten, auch nicht aus der Entscheidung des BSG vom 18.08.2011 (aaO). Zum einen liegt ein völlig anderer Sachverhalt zu Grunde. Zum anderen erging die Entscheidung noch für das alte Recht vor Änderung der §§ 2 ff BEEG und insbesondere Einführung des § 2c BEEG durch das Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 10.09.2012 (BGBl I 2012, 1878). Auch sind die Erwägungen des BSG nicht auf den hier vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Denn nach der teleologischen Reduktion der Vorschriften hält das BSG einen Verzicht auf die Verschiebung des Bemessungszeitraums für möglich, wenn sich die Modifizierung des Bemessungszeitraums in bestimmten Fallkonstellationen nachteilig für die Elterngeldberechtigten auswirken. Dies sei immer dann der Fall, wenn in den von den Verschiebenstatbeständen betroffenen Monaten zumindest teilweise Erwerbseinkommen erzielt worden sei, in den vor dem regulären Bemessungszeitraum liegenden Kalendermonaten, die nach wortlautgetreuer Gesetzesanwendung nunmehr einzubeziehen wären, jedoch jegliches Erwerbseinkommen fehle. So liegt der Fall aber hier nicht. Vielmehr führt die Verschiebung des Bemessungszeitraums nicht zu einer Verschlechterung, sondern zu einer Verbesserung, weil die Klägerin im Juni 2013 überhaupt kein steuerpflichtiges Einkommen erzielt hat.
Fehler in der Berechnung der Höhe des Elterngelds auch unter Berücksichtigung eines geänderten Bemessungszeitraums sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Da sich bei Verschiebung des Bemessungszeitraumes ein niedrigerer Anspruch auf Elterngeld ergeben würde, hat die Beklagte die ursprüngliche Bewilligung zu Recht nicht abgeändert.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngelds und insbesondere über die Frage, welche Abzugsmerkmale für die Steuer bei einer Änderung im Bemessungszeitraum zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin heiratete am 20.12.2012 und gebar am 12.07.2013 ihre Tochter G. M ... Sie hatte im Zeitraum vom 12.07.2013 bis 11.07.2014 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit der Tochter G. M. in einem Haushalt, betreute und erzog sie und übte vom 12.07.2013 bis 11.07.2014 keine Erwerbstätigkeit aus.
Die Klägerin beantragte am 16.08.2013 Elterngeld für die Tochter G. M. für den ersten bis zwölften Monat, ihr Ehemann für den 13. und 14. Monat bei der Beklagten. Sie legte Gehaltsmitteilungen des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg für die Zeit von Juni 2012 bis Mai 2013 vor. Die Klägerin war zumindest in diesem Zeitraum beim Staatlichen Schulamt S. als Angestellte beschäftigt. Die Gehaltsmitteilungen wiesen bis Januar 2013 Steuerklasse I und einen halben Kinderfreibetrag und von Februar bis Mai 2013 die Steuerklasse III mit einem vollen Kinderfreibetrag aus. Vom 01.06.2013 bis 07.09.2013 erhielt die Klägerin Mutterschaftsgeld und einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 des Mutterschutzgesetzes.
Mit Bescheid vom 21.08.2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin Elterngeld für die Zeit vom 12.07.2013 bis 11.07.2014 unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes und des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld. Der Zahlbetrag betrug im ersten Lebensmonat 0 EUR, im zweiten Lebensmonat 172,74 EUR und vom dritten bis zwölften Lebensmonats jeweils 1.338,72 EUR.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit der Begründung Widerspruch ein, sie sei ab Dezember 2012 in Steuerklasse III einzustufen. Sie habe nach der Hochzeit die Steuerklasse gewechselt und dies unmittelbar dem Arbeitgeber gemeldet. Dort sei ihr die Auskunft erteilt worden, dass das Steuerjahr 2012 abgeschlossen sei und man nicht mehr an die Unterlagen herankomme. Die Klägerin legte ein Schreiben des Finanzamts T. vom 29.08.2013 vor. Darin wird bestätigt, dass ab dem Zeitpunkt der Heirat am 20.12.2012 die Voraussetzungen für die Steuerklasse III erfüllt seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass Bemessungszeitraum für die Ermittlung des vor der Geburt des Kindes erzielten Einkommens der Zeitraum vom 01.06.2012 bis 31.05.2013 sei, da der Monat Juni 2013 aufgrund des Bezugs von Mutterschaftsgeld nicht zu berücksichtigen sei. Auszugehen sei vom steuerpflichtigen Bruttoentgelt. Abzüge für Steuern und Sozialabgaben würden nach den Vorgaben der §§ 2e und 2f BEEG in pauschalierter Form vorgenommen. Soweit sich in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Bemessungszeitraumes eine Angabe zu einem Abzugsmerkmal geändert habe, sei die von der ursprünglichen Angabe abweichende Angabe maßgeblich, wenn sie in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraumes gegolten habe. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin von Juni 2012 bis einschließlich Januar 2013 die Steuerklasse I und von Februar bis Mai 2013 die Steuerklasse III gehabt.
Die Klägerin legte am 30.09.2013 eine Bescheinigung des Landesamtes für Besoldung und Versorgung vor, nach der die Versteuerung der Bezüge ab dem Abrechnungsmonat Januar 2013 nach der Steuerklasse III durchgeführt worden sei. Die Umstellung habe erst im Abrechnungsmonat Februar 2013 rückwirkend ab Januar 2013 durchgeführt werden können, was zu einer Erstattung der Lohnsteuer aus dem Abrechnungsmonat Januar 2013 geführt habe. Gleichzeitig bat die Klägerin um Verschiebung des Bemessungszeitraumes mit Verzicht auf den Verschiebetatbestand, also die Berücksichtigung des Juni 2013. Zudem legte sie die Gehaltsmitteilung für Juni 2013 vor, aus der sich ausschließlich steuerfreie Zuschläge zum Mutterschaftsgeld ergeben.
Mit dem Ehemann der Klägerin wurde am 22.10.2013 telefonisch vereinbart, dass der Verzicht auf die Berücksichtigung des Verschiebetatbestandes telefonisch zurückgenommen werde.
Mit Bescheid vom 24.10.2013 berechnete die Beklagte das Elterngeld neu unter Berücksichtigung eines Bemessungszeitraums vom 01.07.2012 bis 30.06.2013 (Verzicht auf dem Verschiebetatbestand). Die Höhe des Anspruchs blieb unverändert. Die Beklagte führte aus, dass auch bei Verschiebung des Bemessungszeitraums weiterhin die Steuerklasse I für die Abzüge zu berücksichtigen sei. Der Monat Juni 2013 fließe nicht in die Mehrheitsfindung ein, da in diesem Monat kein steuerpflichtiges Einkommen vorhanden sei.
Am 19.11.2013 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid ein. Sie machte geltend, dass der Lohnsteuerklassenwechsel bereits im Dezember 2012 erfolgt sei, der Arbeitgeber jedoch diesen nicht mehr bei der Dezemberabrechnung wegen des abgelaufenen Steuerjahres berücksichtigt habe. Vielmehr sei sie auf die Steuererklärung verwiesen worden. Vor dem Finanzamt gelte die Steuerklasse III seit Dezember 2012.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, dass nur die in den Lohn- und Gehaltsabrechnungen ausgewiesene Steuerklasse maßgeblich sei. Deshalb komme es nicht darauf an, dass bereits am 20.12.2012 die Voraussetzungen für die Steuerklasse III erfüllt gewesen seien. Unabhängig davon, ob als Bemessungszeitraum der 01.06.2012 bis 31.05.2013 oder der 01.07.2012 bis 30.06.2013 zugrunde gelegt werde, habe immer überwiegend die Steuerklasse I gegolten. Im Übrigen würde sich durch die Einbeziehung eines Monats ohne Einkommen und den Wegfall eines Monats mit Einkommen ein geringerer Elterngeldanspruch ergeben. Damit verbliebe es nach telefonischer Rücksprache bei dem für die Klägerin günstigeren Bemessungszeitraum vom 01.06.2012 bis 31.05.2013.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 24.12.2013 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Das SG hat darauf hingewiesen, dass eine Änderung nach der Hochzeit auch beim Kinderfreibetrag eingetreten sei. Mit Urteil vom 27.03.2015 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass sich aus § 2c Abs 3 BEEG eindeutig ergebe, dass nur Monate gegenüberzustellen seien, in denen Einnahmen vorgelegen hätten. Dies sei auch Wille des Gesetzgebers gewesen. Zudem habe die Beklagte den Bemessungszeitraum zutreffend festgelegt. Da bei einem Verzicht auf den Verschiebetatbestand der Anspruch niedriger sei, verbleibe es bei dem bestandskräftig festgestellten Anspruch.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 02.04.2015 zugestellte Urteil hat dieser am 27.04.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass bei Zugrundelegung des Bemessungszeitraums vom 01.07.2012 bis 30.06.2013 die Steuerklasse III zu berücksichtigen sei. Denn auch der Juni 2013 sei steuerlich zu berücksichtigen. Zwar habe sie in diesem Monat kein steuerpflichtiges Einkommen erzielt, gleichwohl werde dieser Monat in die Durchschnittsberechnung mit 0 einbezogen. Es könne keinen Unterschied machen, ob sie ein steuerpflichtiges Einkommen beziehe oder nicht. Aus der Verschiebung des Bemessungszeitraums dürfte sich kein Nachteil für einen Anspruchsberechtigten ergeben. Grundsätzlich seien Grundlage für die Ermittlung der erforderlichen Abzugsmerkmale die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum mit Einnahmen erstellt worden sei, hier Mai 2013. Hier sei Steuerklasse III bescheinigt. Berücksichtige man den Juni 2013, so lägen sechs Monate mit Steuerklasse III und sechs Monate mit Steuerklasse I vor. In diesem Fall gelte aber die zuletzt angewandte Steuerklasse, hier III.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.03.2015 und den Bescheid vom 24.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.11.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Änderung des Bescheids vom 21.08.2013 für die Zeit vom 12.07.2013 bis 11.07.2014 höheres Elterngeld unter Berücksichtigung der Steuerklasse III und eines vollen Kinderfreibetrages zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Gegenstand der Berufung ist der Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 24.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2013, mit dem zwar der Elterngeldanspruch neu berechnet, jedoch kein höheres Elterngeld gewährt worden ist. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Gem § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Klägerin keinen höheren Anspruch auf Elterngeld hat, als mit Bescheid vom 21.08.2013 festgestellt. Die Voraussetzungen für die Abänderung des Bescheides liegen nicht vor.
Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld richtet sich nach dem mit Wirkung zum 01.01.2007 eingeführten BEEG (Gesetz vom 05.12.2006, BGBl I 2748). Nach § 1 Abs 1 BEEG hat An-spruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Die Klägerin hatte im Bezugs-zeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit der am 12.07.2013 geborenen Tochter G. M. in einem Haushalt, betreute und erzog sie und übte während des Bewilligungszeitraums keine Erwerbstätigkeit aus. Dies entnimmt der Senat den Angaben der Klägerin gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren.
Die Höhe des Elterngeldes bemisst sich nach § 2 BEEG (hier in der Fassung vom 23.10.2012, BGBl I 2262). Elterngeld wird gemäß § 2 Abs 1 S 1 BEEG in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Der Bemessungszeitraum von zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes unterliegt grundsätzlich den Einschränkungen des § 2b Abs 1 S 2 BEEG. Danach bleiben ua Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch bezogen hat. Unter Anwendung dieser Regelungen fällt der Monat Juni 2013 nicht mit in den Bemessungszeitraum, da die Klägerin ab dem 01.06.2013 Mutterschaftsgeld bezogen hat. Damit reicht der Bemessungszeitraum vom 01.06.2012 bis 31.05.2013.
Das von der Klägerin hier allein erzielte Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit ist nach § 2c Abs 1 BEEG der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach §§ 2e und 2f BEEG. Grundlage der Ermittlung der Einnahmen sind die Angaben in den für die maßgeblichen Monate erstellten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers (§ 2c Abs 2 BEEG). Grundlage der Ermittlung der nach den §§ 2e und 2f BEEG erforderlichen Abzugsmerkmale für Steuern und Sozialabgaben sind nach § 2c Abs 3 BEEG die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum mit Einnahmen nach Abs 1 erstellt wurde. Soweit sich in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Bemessungszeitraums eine Angabe zu einem Abzugsmerkmal geändert hat, ist die von der Angabe nach Satz 1 abweichende Angabe maßgeblich, wenn sie in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten hat (§ 2c Abs 3 S 2 BEEG).
Zur Ermittlung des Elterngeldes werden die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den Vorgaben der §§ 2e und 2f BEEG in pauschalierter Form anhand eines vom Bundesministerium der Finanzen festgelegten Abgaberechners (Programmablaufplan) vorgenommen. Die tatsächlichen Abzugsbeträge sind unbeachtlich. Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Abzüge für Steuern ist die monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Summe der Einnahme nach § 2c BEEG, soweit sie von der berechtigten Person zu versteuern sind (§ 2e Abs 2 S 1 BEEG). Bei der Ermittlung der Abzüge für Steuern werden ua der Arbeitnehmerpauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr 1 lit a EStG und eine Vorsorgepauschale mit den Teilbeträgen nach § 39b Abs 2 S 5 Nr 3 lit a bis c EStG berücksichtigt. Als Abzug für die Einkommenssteuer ist nach § 2e Abs 3 BEEG der Betrag anzusetzen, der sich unter Berücksichtigung der Steuerklasse und des Faktors nach § 39f EStG nach § 2c Abs 3 BEEG ergibt; die Steuerklasse VI bleibt unberücksichtigt. War die berechtigte Person im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG in keine Steuerklasse eingereiht oder ist ihr nach § 2d BEEG zu berücksichtigender Gewinn höher als ihr nach § 2c BEEG zu berücksichtigender Überschuss der Einnahmen über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, ist als Abzug für die Einkommenssteuer der Betrag anzusetzen, der sich unter Berücksichtigung der Steuerklasse IV ohne Berücksichtigung eines Faktors nach § 39f EStG ergibt.
Bei der Klägerin wurde für die Monate Juni 2012 bis Dezember 2013 (7 Monate) vom Landesamt für Besoldung und Versorgung die Steuerklasse I und ein halber Kinderfreibetrag sowie von Januar bis Mai 2013 (5 Monate) aufgrund der Hochzeit am 20.12.2012 und des anschließend durchgeführten Steuerklassenwechsels Steuerklasse III und ein voller Kinderfreibetrag berücksichtigt. Obwohl die Gehaltsmitteilung für Januar 2013 noch Steuerklasse I und den halben Kinderfreibetrag ausweist, ist durch die nachträgliche Abrechnung der geänderten Lohnsteuerabzugsmerkmale im Abrechnungsmonat Februar 2013 die Vermutung des § 2c Abs 2 BEEG widerlegt.
Die Berücksichtigung von Steuerklasse I und des vollen Kinderfreibetrags bereits für den Abrechnungsmonat Dezember 2012 ist nicht möglich, da der Arbeitgeber die Abzugsmerkmale tatsächlich hierfür nicht später rückwirkend geändert hat und wegen § 39 Abs 6 S 6 EStG auch nicht ändern durfte. Nach § 39 Abs 6 S 6 EStG ist eine Berücksichtigung der Änderung im laufenden Kalenderjahr nur möglich, wenn der Änderungsantrag beim Finanzamt spätestens bis zum 30. November gestellt wird. Da die Klägerin erst am 20.12.2012 geheiratet hat und erst ab dann eine Änderungsmöglichkeit bestand, war ein rechtzeitiger Antrag nicht mehr möglich. Insoweit fallen nach dem gesetzgeberischen Willen aus abrechnungspraktischen Gründen Lohnsteuerabzug und Ausgleich im Wege der Einkommensteuererklärung auseinander. Für die Berechnung des Elterngelds ist jedoch nur der Lohnsteuerabzug maßgebend.
Bei Annahme eines Bemessungszeitraums vom 01.06.2012 bis 31.05.2013 überwiegen deshalb unstreitig die Monate mit Berücksichtigung der Steuerklasse I und eines halben Kinderfreibetrages. Fehler in der Berechnung des Elterngelds sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Auf Antrag kann eine berechtigte Person auf die Verschiebung des Bemessungszeitraums gemäß § 2b Abs 1 S 2 BEEG verzichten (BSG 18.08.2011, B 10 EG 7/10 R, Richtlinien zum BEEG Nr 2b.1.2.2). Die Klägerin konnte daher beantragen, dass der Monat Juni 2013 bei der Ermittlung des Bemessungszeitraumes nicht ausgeklammert wird. Dies hat sie ursprünglich mit Schreiben vom 24.09.2013, eingegangen bei der Beklagten am 30.09.2013, auch getan. Der Senat kann offen lassen, ob der Ehemann der Klägerin im Namen dieser den Antrag im Telefonat am 22.10.2013 wieder zurückgenommen hat. Denn auch wenn als Bemessungszeitraum die Zeit vom 01.07.2012 bis 30.06.2013 zu Grunde gelegt wird, besteht kein Anspruch auf höheres Elterngeld.
Unstreitig wurde letztmals im Mai 2013 eine Lohn- und Gehaltsbescheinigung mit Einnahmen nach § 2c Abs 1 BEEG erstellt, da der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, der im Juni zur Auszahlung gelangt ist, nicht steuerpflichtig ist (§ 3 Nr 1 d EStG). Im Mai 2013 wurde die Steuerklasse III und ein voller Kinderfreibetrag angewandt. Diese Abzugsmerkmale wären beim Abzug für Steuern gem § 2e Abs 3 BEEG zu verwenden, wenn nicht aufgrund von Änderungen in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums andere Abzugsmerkmale gegolten hätten (§ 2c Abs 3 Satz 2 BEEG).
Im Fall der Klägerin überwiegen jedoch auch bei der Verschiebung des Bemessungszeitraums die Monate mit Berücksichtigung der Steuerklasse I und eines halben Kinderfreibetrages. Bei der Ermittlung der Anzahl der Monate, in denen Abzugsmerkmale gegolten haben, sind Monate ohne lohnsteuerpflichtige Einnahmen - hier Juni 2013 - nicht zu berücksichtigen. Deshalb liegen bei der Klägerin 6 Monate mit Steuerklasse I und einem halben Kinderfreibetrag und 5 Monate mit Steuerklasse III und einem vollen Kinderfreibetrag vor.
Der Senat verweist diesbezüglich zunächst auf die zutreffenden Gründe im Urteil des SG. Zwar ist auch eine Auslegung von § 2c Abs 3 S 2 BEEG im Sinne der Klägerin denkbar, da der Wortlaut auf die Lohn- und Gehaltsbescheinigungen im Bemessungszeitraum abstellt, ohne eine Einschränkung vergleichbar mit Satz 1 zu machen. Da allerdings grundsätzlich bei der Einkommensermittlung nur Monate mit steuerpflichtigen Einnahmen berücksichtigt werden, muss dies nach dem Sinn des Gesetzes auch für die Gegenüberstellung der Monate bei geänderten Abzugsmerkmalen gelten. Der Senat schließt sich diesbezüglich der hM in der Literatur an (Lenz in Rancke, Mutterschutz/Betreuungsgeld/Elterngeld/Elternzeit, Handkommentar, § 2c Rn 10; Schnell in Tillmanns/Mutschler, Mutterschutzgesetz.Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, Praxiskommentar, § 2c Rn 23). Denn tatsächlich haben dann auch diese Abzugsmerkmale in den überwiegenden Monaten zu den jeweiligen - hier niedrigeren - Nettolöhnen geführt.
Diese Auslegung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der sich eindeutig aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Gesetzentwurf des Bundesrates (BT-Drucks 17/9841 S 22) ergibt. Dort heißt es zu § 2c Abs 3 S 2 BEEG wörtlich: "Monate ohne lohnsteuerpflichtige Einnahmen sind nicht zu berücksichtigen". Zudem entspricht sie auch dem Sinn und Zweck des Elterngelds. Durch die Berücksichtigung des Erwerbseinkommens innerhalb von zwölf Kalendermonaten sollen möglichst repräsentativ die Einkommensverhältnisse des berechtigten Elternteils vor der Geburt abgebildet werden (BSG 18.08.2011, B 10 EG 7/10 R, juris; Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG.BEEG, Kommentar, § 2 Rn 62). Das Gesetz knüpft an die im Bemessungszeitraum überwiegend geltende Steuerklasse mit dem Ziel an, ein annähernd zutreffendes verfügbares Einkommen zu ermitteln (Dau, jurisPR-SozR 2/2015 Anm. 4). Jedem betreuenden Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, soll ein an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für die finanziellen Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes gewährt werden (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2).
Diesen Grundsätzen würde es widersprechen, wenn man fiktiv Abzugsmerkmale berücksichtigen würde, die nicht zu einer tatsächlichen Verminderung des Bruttoeinkommens geführt haben.
Etwas anderes ergibt sich, entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten, auch nicht aus der Entscheidung des BSG vom 18.08.2011 (aaO). Zum einen liegt ein völlig anderer Sachverhalt zu Grunde. Zum anderen erging die Entscheidung noch für das alte Recht vor Änderung der §§ 2 ff BEEG und insbesondere Einführung des § 2c BEEG durch das Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 10.09.2012 (BGBl I 2012, 1878). Auch sind die Erwägungen des BSG nicht auf den hier vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Denn nach der teleologischen Reduktion der Vorschriften hält das BSG einen Verzicht auf die Verschiebung des Bemessungszeitraums für möglich, wenn sich die Modifizierung des Bemessungszeitraums in bestimmten Fallkonstellationen nachteilig für die Elterngeldberechtigten auswirken. Dies sei immer dann der Fall, wenn in den von den Verschiebenstatbeständen betroffenen Monaten zumindest teilweise Erwerbseinkommen erzielt worden sei, in den vor dem regulären Bemessungszeitraum liegenden Kalendermonaten, die nach wortlautgetreuer Gesetzesanwendung nunmehr einzubeziehen wären, jedoch jegliches Erwerbseinkommen fehle. So liegt der Fall aber hier nicht. Vielmehr führt die Verschiebung des Bemessungszeitraums nicht zu einer Verschlechterung, sondern zu einer Verbesserung, weil die Klägerin im Juni 2013 überhaupt kein steuerpflichtiges Einkommen erzielt hat.
Fehler in der Berechnung der Höhe des Elterngelds auch unter Berücksichtigung eines geänderten Bemessungszeitraums sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Da sich bei Verschiebung des Bemessungszeitraumes ein niedrigerer Anspruch auf Elterngeld ergeben würde, hat die Beklagte die ursprüngliche Bewilligung zu Recht nicht abgeändert.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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