L 2 SO 3222/15 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SO 1903/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 3222/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

I.

Streitgegenstand ist im vorliegenden Verfahren der Bescheid der Antragsgegnerin vom 24.3.2015 (Bl. 1723 VA), mit dem es die Antragsgegnerin abgelehnt hat, der Antragstellerin auf ihren Antrag vom 9.3.2015 (Bl. 1597 VA) hin wieder Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu gewähren, die zuletzt bis 31.12.2014 bewilligt worden waren (Bescheid vom 30.7.2014, Bl. 1303 VA). Über den Widerspruch der Antragstellerin hiergegen (vom "02.03.2015" - adressiert an das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG), Eingang bei der Antragsgegnerin per Fax am 31.3.2015, Bl. 1725 VA) ist soweit ersichtlich noch nicht entschieden worden (die Widerspruchsbescheide vom 3.8.2015 und 4.8.2015, Bl. 1317 und 1321 VA, betreffen andere Sachverhalte). Zeitlich davor hatte die Antragstellerin mit ihrem Ehemann, D., am 22.1.2015 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Gewährung von Grundsicherungsleistungen über den 1.12.2014 hinaus beantragt (S 1 SO 243/15 ER). Hintergrund war, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin und ihren Ehemann zur beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung von Grundsicherungsleistungen angehört hatte, weil sie auf Grund einer Generalvollmacht von B. deren nach ihrem Tod nicht mehr auffindbares Geldvermögen unter anderem aus dem Verkauf einer Eigentumswohnung bei der Antragstellerin und ihrem Ehemann vermutete. Nur für die Antragstellerin lehnte das SG den Antrag ab (Beschluss vom 5.2.2015). Auf die Beschwerde der Antragstellerin hin hat das LSG Baden-Württemberg ihr für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2015 vorläufig Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft und Heizung und ihres Renteneinkommens in Höhe von 632,46 EUR monatlich zugesprochen.

Im hier zu Grunde liegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragte die Antragstellerin am 16.6.2015 beim SG, ihr im Rahmen von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Kosten der Unterkunft und Heizung (i.H.v. 400 EUR monatlich) über den 31.12.2014 hinaus zuzusprechen (S 1 SO 1903/15 ER). Mit Beschluss vom 26.6.2015 hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Dagegen richtet sich die hier vorliegende Beschwerde. In einem weiteren Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat die Antragstellerin beim SG die Weitergewährung der Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit ab 1.8.2015 beantragt (S 1 SO 2461/15). Dagegen ist das Beschwerdeverfahren L 2 SO 3497/15 ER-B beim Senat anhängig. II.

Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist zwar zulässig; insbesondere ist sie gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG statthaft. Die Beschwerde der Antragstellerin ist aber unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung über den 31.12.2014 hinaus als Teil der Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes im Beschluss vom 26.6.2015 zu Recht abgelehnt.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit - wie hier - nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (Bundesverfassungsgericht NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebotes der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruches auf effektiven Rechtsschutz unter Umständen nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass der Antragstellerin für ihren Antrag bezogen auf den Monat Januar 2015 ein Anordnungsgrund nicht zur Seite steht, da einerseits vorläufiger Rechtsschutz nicht für in der Vergangenheit liegende Zeiträume gewährt wird und für den Ausnahmefall eines fortbestehenden Nachholbedarfs Anhaltspunkte bei einer fehlenden Monatsmiete in der vom Sohn der Antragstellerin untervermieteten Wohnung nicht bestehen. Weiter zutreffend hat das SG für den Zeitraum 1.2. bis 31.7.2015 das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin verneint, weil ihr bereits im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes L 7 SO 813/15 ER-B vom LSG Baden-Württemberg mit Beschluss vom 7.5.2015 die begehrten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vorläufig zugesprochen wurden und die Antragsgegnerin diese nach Erlass des Ausführungsbescheids vom 13.5.2015 ausgezahlt hat. Der Senat nimmt insoweit auf den Beschluss des SG vom 26.6.2015 Bezug.

Die Antragstellerin hat mit ihrem Antrag beim SG Kosten der Unterkunft und Heizung über den 31.12.2014 hinaus begehrt, das heißt ohne zeitliche Begrenzung. Damit sind - zumindest nun durch Zeitablauf - auch Leistungen ab dem 1.8.2015 streitgegenständlich. Entgegen der Auffassung des SG hat die Antragsgegnerin über dieses Begehren bereits förmlich durch Bescheid entschieden. Der Ablehnungsbescheid vom 25.3.2015, mit dem die Antragsgegnerin über den Antrag vom 9.3.2015 entschieden hat, entfaltet insofern noch seine Wirkung. Über den hiergegen im Rahmen des Beschwerdeverfahrens L 7 SO 813/15 ER-B eingelegten Widerspruch, der die Antragsgegnerin per Fax am 31.3.2015 erreichte, hat die Antragsgegnerin noch nicht entschieden, weshalb das Verwaltungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Die Widerspruchsbescheide vom 3.8.2015 und 4.8.2015 betreffen andere Widersprüche.

Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren fehlt es jedoch an einem Anordnungsanspruch. Zwar gehört die Antragstellerin dem Grunde nach zu dem nach §§ 19 Abs. 2, 41 Abs. 1 und 2 SGB XII anspruchsberechtigten Personenkreis. Der Senat sieht jedoch die danach erforderliche Hilfebedürftigkeit nicht als glaubhaft gemacht an. Die hierzu von der Antragstellerin gemachten Angaben und vorgelegten Unterlagen sind unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs weder schlüssig noch glaubhaft und werden soweit erforderlich dem jeweiligen Sachstand angepasst. So wurde ursprünglich behauptet, dass von den positiven Erlösen aus dem von der Antragstellerin betriebenen Gastronomiebetrieb im November und Dezember 2014 in Höhe von ca. 1.000 EUR - vergleiche hierzu die weiteren Ausführungen im Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 7.5.2015 L 7 SO 813/15 ER-B auf Seite 4 - die Antragsgegnerin zu Unrecht die geschuldete Miete in Höhe von 3.700 EUR im Monat nicht abgezogen habe. Die Bezahlung wurde behauptet. Auf Verlangen der Antragsgegnerin nachgewiesen wurde von der Antragstellerin durch Vorlage von einigen Kontoauszügen des Postbank Business Girokonto für die Zeit vom 3. Januar bis 7.1.2015 lediglich eine Mietzahlung an die frühere Vermieterin Bachayof über 500 EUR am 5.1.2015 (Bl. 1687 VA). Nachträglich wird nun behauptet, dass auf Grund einer angeblichen Mietminderung - Nachweise über den behaupteten Wasserschaden liegen nicht vor - ein höherer Betrag nicht geschuldet worden sei (Schreiben vom 12.9.2015, Bl. 20 LSG-Akte). Im Widerspruch dazu steht, dass von der Antragstellerin vorgelegte Schreiben des Rechtsanwalts U. ihrer ehemaligen Vermieterin B. vom 15.7.2015, wonach noch Mietschulden in Höhe von 46.876,12 EUR bestehen und nun nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu den Masseschulden zählen dürften. Fest steht damit, dass die Antragstellerin den Mietzins jedenfalls nicht in der behaupteten Höhe gezahlt hat und ihr daher im zurückliegenden Zeitraum nicht unerhebliche Geldbeträge zur Verfügung standen, deren Verbleib unklar ist. Hinsichtlich des Geschäftsbetriebs ist nachträglich auf Vorhalt der Antragsgegnerin nach Auswertung der Gutschriften der R. Brauerei eingeräumt worden, dass in der Vergangenheit ein höherer als angegebener Umsatz erzielt worden ist. Auch wenn sich diese Vorgänge auf die Vergangenheit beziehen, geben sie jedoch Aufschluss über die Glaubhaftigkeit der Angaben der Antragstellerin.

Die Auswertung der vorliegenden Kontoauszüge weist ebenso Auffälligkeiten auf, die die Hilfebedürftigkeit fraglich erscheinen lassen. So werden für eine seit Jahren im Leistungsbezug stehende Sozialhilfeempfängerin unübliche Kosten für ein Schließfach von ihrem Konto Nr. 22633796 bei der Sparkasse abgebucht (11.2.2015 Bl. 1627 VA). Dies erlangt vor allem vor dem Hintergrund Bedeutung, dass die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin und ihrem Ehemann Vermögen der verstorbenen B. vermutet. Des Weiteren sind auf ihr Konto bei der Sparkasse 2015 erhebliche Bareinzahlungen erfolgt (z.B. am 5.1.2015: 540 EUR, 12.1.2015: 180 EUR, 22.1.2015: 620 EUR, 27.1.2015: 100 EUR, 23.1.2015: 60 EUR 28.1.2015: 200 EUR, 3.2.2015: 1.170 EUR; auf den für die Zeit vom 6.5. bis 8.7.2015 vorgelegten Kontoauszügen: 29.6.2015: 470,59 EUR, 9.6.2015: 98,73 EUR, 1.6.2015: 490 EUR, 28.5.2015: 475,05 EUR, 21.5.2015 1900,20 EUR, 5.5.2015: 485 EUR). Zwar hat die Antragstellerin angegeben, das Konto werde auch von ihrem Sohn mitgenutzt, der zur Zeit über kein Konto verfüge. Hierauf kann auch daraus geschlossen werden, dass eine Miete i.H.v. 470 EUR unter seinem Namen überwiesen wird. Unklar ist jedoch in welchem Umfang er das Konto nutzt und welche Geldbeträge wem zuzuordnen sind. Die von der Antragstellerin unternommene Flugreise in den Iran, die angeblich die im Iran lebende Tante der 73-jährigen Antragstellerin finanziert haben soll, wurde jedenfalls vom Konto der Antragstellerin abgebucht. An den sich daraus ergebenden Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit ändert auch der Umstand nichts, dass die Antragstellerin mittlerweile Insolvenz angemeldet hat, da dadurch keine Aussage über die Möglichkeit der Deckung des sozialhilferechtlichen Bedarfs aus eigenen Mitteln getroffen wird.

Zweifel bestehen auch hinsichtlich der Angemessenheit der geltend gemachten Kosten der Unterkunft und Heizung, die für eine Einzelperson in Höhe von 400 EUR in Anspruch genommen wird. Der Senat hat Zweifel, dass die Eheleute tatsächlich in der gleichen Wohnung, die vom gemeinsamen Sohn untervermietet wurde, getrennt leben. Lediglich getrennte Schlafzimmer lassen keinen Rückschluss darauf zu. Durch den Hausbesuch am 9.4.2015 (Bl. 1779 VA) wurde jedenfalls der Eindruck gewonnen, dass es sich nicht um ein getrenntes Leben in der Wohnung handelt. Zwar haben die Eheleute zwischen 1.4.2004 und 1.2.2008 offenbar getrennt gelebt. Ein starkes Indiz für eine zumindest wiederhergestellte Ehegemeinschaft ist der danach erfolgte Zusammenzug und jedenfalls der Umstand, dass die Eheleute gemeinsam aus der letzten Wohnung in der - Str. in die jetzige Wohnung umgezogen sind. Aus dem vorgelegten Vergleichsvertrag vom 12.10.2012 zwischen der Antragstellerin, ihrem Ehemann und der Antragsgegnerin lässt sich für ein Getrenntleben nichts ableiten, da damit lediglich in der Vergangenheit liegende Zeiträume zwischen den Beteiligten geregelt wurden, es sich beim zusammen oder getrennt leben jedoch um einen tatsächlichen Umstand handelt. Für eine Einstehensgemeinschaft spricht auch der Umstand, dass über das Konto der Antragstellerin bei der Sparkasse eine Kontoüberweisung für ihren Ehemann an den iranischen Generalkonsul vorgenommen wurde (12.1.2015: 88 EUR, Bl. 1623 VA).

Aus den Gesamtumständen ergeben sich daher erhebliche Zweifel an der Hilfebedürftigkeit, weshalb die Beschwerde keinen Erfolg haben konnte.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 172 SGG).
Rechtskraft
Aus
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