L 8 R 677/14 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 31 R 965/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 677/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 30.7.2014 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 14.801,39 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine ablehnende Überprüfungsentscheidung der Antragsgegnerin bezüglich eines Betriebsprüfungsbescheides.

Mit Bescheid vom 30.6.2009 setzte die Antragsgegnerin als prüfender Rentenversicherungsträger gegen die Antragstellerin eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 83.464,63 Euro inklusive Säumniszuschläge von 24.259,00 Euro fest. Nach Rücknahme des Widerspruchs der Antragstellerin wurde der Bescheid bestandskräftig. Mit Schreiben vom 2.8.2010 beantragte die Antragstellerin die Überprüfung des Bescheides vom 30.6.2009. Die Antragsgegnerin nahm diesen Bescheid daraufhin hinsichtlich der Säumniszuschläge zurück und reduzierte die Nachforderung auf 59.205,55 Euro (Bescheid v. 2.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 12.6.2014).

Die Antragstellerin hat am 10.7.2014 Klage beim Sozialgericht (SG) Köln erhoben (Az.: S 25 R 977/14) und einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Der Prüfbescheid sei insgesamt rechtswidrig. Die gegen ihren Geschäftsführer und ihre Gesellschafterin eingeleiteten Strafverfahren seien zwischenzeitlich zum einen durch das Amtsgericht (AG) L (00 Ds 00/00 117 Js 00/00 Geschäftsführer) und zum anderen durch die Staatsanwaltschaft (StA) L (xxx Gesellschafterin) eingestellt worden. Die Vollziehung bedeute die Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz.

Die Antragstellerin hat schriftsätzlich beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 25.10.2013 gegen den Bescheid vom 2.10.2013 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hat sich auf ihre Bescheide berufen.

Mit Beschluss vom 30.7.2014 hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

Gegen den ihr am 1.8.2014 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 4.8.2014 Beschwerde eingelegt. Die Antragsgegnerin habe bereits deshalb rechtswidrig gehandelt, da ihr mangels vollumfänglicher Akteneinsicht kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Mit Versicherung an Eides statt vom 20.8.2014 hat der Geschäftsführer der Antragstellerin zudem mitgeteilt, dass er im Fall der Vollstreckung nicht in der Lage sei, im August 2014 die Gehälter zu bedienen.

Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,

den Beschluss des Sozialgerichtes Köln vom 30.7.2014 abzuändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 2.10.2013 und der Klage gegen den Bescheid vom 2.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.6.2014 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat die Akten des AG L (00 Ds 00/00 117 Js 00/00) und der StA L (xxx) beigezogen und die Beigeladene am Verfahren beteiligt (Beschluss vom 16.9.2014).

Die Antragstellerin wehrt sich im Wege einstweiligen Rechtsschutzes auch gegen Vollstreckungsmaßnahmen, die die Beigeladene in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle gegen sie eingeleitet hat (S 12 KR 743/14 ER SG Köln, L 16 KR 438/15 B ER LSG NRW).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Antragsgegnerin.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Soweit die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Rechtsbehelfe gegen den Bescheid vom 2.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.6.2014 begehrt, ist der Antrag nicht statthaft. Eine solche, auf § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestützte Anordnung kommt nur in Betracht, wenn in der Hauptsache Anfechtungswiderspruch und -klage die alleinigen Rechtsbehelfe sind (Senat, Beschluss v. 4.8.2008, L 8 B 1/08 LW ER, juris; Keller in: Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86a Rdnr. 8, § 86b Rdnr. 24 m.w.N.). Das ist vorliegend nicht der Fall. In der Hauptsache verfolgt die Antragstellerin nämlich das Begehren, die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 2.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.6.2014 zur Rücknahme des Bescheides vom 30.6.2009 zu verpflichten. Dies kann sie nicht allein mit einer Anfechtungsklage, sondern nur in Kombination mit einer Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGG) erreichen.

2. Auch soweit man das Begehren der Antragstellerin bei verständiger Würdigung (vgl. § 123 SGG) als auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet auslegt, hat der Antrag keinen Erfolg.

a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG können die SGe einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Anordnungsanspruch) erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Die Voraussetzungen der einstweiligen Anordnung sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung), müssen also überwiegend wahrscheinlich sein.

b) Ihr Ziel, die Zwangsvollstreckung gegen sie einstellen zu lassen, kann die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren nicht erreichen, weil es insoweit an einem Anordnungsanspruch fehlt, für den die Antragsgegnerin passiv legitimiert wäre.

Rückständige Beitragsansprüche werden von der Einzugsstelle (hier der Beigeladenen) als Anspruchsinhaberin bzw. gesetzliche Prozessstandschafterin des Anspruchs auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags eingezogen (§ 28h Abs. 1 Satz 3 SGB IV). Die Vollstreckung richtet sich nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Zuständig sind bei der Vollstreckung von Geldforderungen die Hauptzollämter als Vollstreckungsbehörden, § 5 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 3 Abgabenordnung (AO).

Nichts anderes gilt, wenn die rückständigen Beitragsansprüche vom prüfenden Rentenversicherungsträger im Rahmen einer Betriebsprüfung festgestellt worden sind (§ 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]). Die Zuständigkeit der Einzugsstelle bei der Einziehung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge wird nach dieser Vorschrift nur für die Dauer der Betriebsprüfung und nur hinsichtlich der Feststellung von Versicherungspflicht sowie Beitragshöhe suspendiert. Alle weiteren Zuständigkeiten, namentlich diejenigen im Rahmen des Forderungseinzugs, wie etwa für Stundung, Erlass oder Niederschlagung der Beitragsforderung (§ 76 Abs. 3 SGB IV) und die Einstellung bzw. Beschränkung der Zwangsvollstreckung (vgl. § 257 AO), verbleiben bei der Einzugsstelle. Dahingehende Ansprüche kann die Antragstellerin daher nur im gegen die Einzugsstelle gerichteten Beschwerdeverfahren L 16 KR 438/15 B ER verfolgen.

c) Dagegen scheidet eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Aufhebung des Bescheides vom 30.6.2009 im Wege der einstweiligen Anordnung aus, denn damit würde die Hauptsache des Klageverfahrens S 25 R 977/14 SG Köln vorweggenommen. Eine solche Vorwegnahme der Hauptsache kommt schon im Hinblick auf den Wortlaut des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ("vorläufig") nur in Betracht, wenn andernfalls unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile entstünden (BVerfG, Beschluss v. 8.9.2014, 1 23/14, NJW 2014, 3711; Beschluss v. 25.10.1988, 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69; Beschluss v. 19.10.1977, 2 BvR 42/76, SozR 1500 § 198 Nr. 1; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 24.9.2008, L 16 B 62/08 KR ER, juris). Solche sind hier schon deshalb nicht erkennbar, weil die Antragstellerin - wie dargestellt - ihre Einwände gegen die Vollstreckung im Verfahren gegenüber der Einzugsstelle geltend machen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 197a SGG i. V. m.§§ 52 Abs. 1, 3, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache als Streitwert anzusetzen ist.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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