L 8 R 254/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 5 R 347/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 R 254/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 15. Februar 2012 und der Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2008 geändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Mai 2008 bis zum 31. August 2016 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 15. Februar 2012 insoweit geändert, als der Bescheid vom 16. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Juni 2008 nicht aufgehoben, sondern geändert wird. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu 9/10 zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts Neuruppin, mit dem sie verurteilt wurde, der Klägerin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Mai 2008 bis zum 30. April 2011 zu gewähren. Die Klägerin hat ebenfalls Berufung eingelegt mit dem Begehren, statt einer Rente auf Zeit eine Rente auf Dauer zu gewähren.

Die 1957 geborene, also jetzt 58 Jahre alte Klägerin hat in der Zeit von September 1975 bis Juli 1977 den Beruf der BuV Facharbeiterin (Berufsausbildung im Betriebs- und Verkehrsdienst der Deutschen Reichsbahn) erlernt. Sie war zuletzt als Fahrdienstleiterin bei der D AG tätig. Seit dem 12. Dezember 2006 ist die Klägerin arbeitsunfähig.

Am 25. Oktober 2007 stellte die Klägerin einen Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie gab an, wegen einer Aortitis nicht mehr erwerbsfähig zu sein.

In den Akten der Beklagten findet sich u.a. der Entlassungsbrief der O GmbH vom 18. Januar 2007, in denen sich die Klägerin in der Zeit vom 19. Dezember 2006 bis 19. Januar 2007 wegen einer Aortitis in stationärer Behandlung befunden hatte. Weiter findet sich der Bericht des P vom 2. Mai 2007, dort war die Klägerin in der Zeit vom 25. April 2007 bis 3. Mai 2007 wegen einer Typ-B-Dissektion der thorakalen Aorta stationär behandelt worden. In der Zeit vom 10. Mai 2007 bis 31. Mai 2007 absolvierte sie in der B-Klinik, Abteilung für Kardiologie, eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Die dortigen Ärzte kamen zu dem Ergebnis, dass sie sowohl als Fahrdienstleiterin als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähig sei. Sie solle keine schweren körperlichen Arbeiten verrichten und aktuell keine Arbeiten mit besonderen Anforderungen an den linken Arm sowie keine Überkopfarbeit. Es sei eine kontinuierliche medizinische Versorgung erforderlich, ohne die aufgrund der ständig behandlungsbedürftigen Gesundheitsstörung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität zu erwarten sei. In der Zeit vom 11. September 2007 bis zum 14. September 2007 befand sich die Klägerin erneut in stationärer Behandlung, und zwar im Rheuma-Klinikum B zur Diagnostik und ggfs. Therapieeinleitung unter dem Verdacht auf eine Aortitis.

Nachdem die Fachärztin für Allgemeinmedizin mit Zusatzbezeichnung Sozialmedizin K am 9. Januar 2008 ein Gutachten nach Aktenlage erstellt hatte und darin zu dem Ergebnis gekommen war, dass der Leistungseinschätzung der B-Klinik gefolgt werden könne, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Januar 2008 den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab.

Zur Begründung ihres am 5. Februar 2008 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruches beanstandete die Klägerin, dass zur Entscheidung der Beklagten nur der Rehabilitationsentlassungsbericht sowie der Bericht aus der Rheumaklinik B von September 2007 bis Oktober 2007 vorliegen. Eine eigene Begutachtung habe die Beklagte nicht vorgenommen. Darin liege eine unzureichende medizinische Sachaufklärung. Die Entzündung der Aortitis sei immer noch vorhanden. Eine Kortisongabe stehe kurz bevor. Die Klägerin leide weiterhin unter Kreislaufbeschwerden. Das Sitzen und auch das Stehen bereiteten ihr Probleme durch den Stent. Sie leide unter erheblichem Schlafmangel und an Konzentrationsstörungen. Selbst den Haushalt könne sie nicht mehr allein bewältigen.

Ohne weitere Ermittlungen vorzunehmen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05. Juni 2008 zurück. Die Klägerin sei noch in der Lage, ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Fahrdienstleiterin weiterhin sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten.

Mit der am 10. Juni 2008 bei dem Sozialgericht Neuruppin eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie rügte weiterhin eine nicht ausreichende medizinische Sachaufklärung. Sie hat eine gutachterliche Äußerung der Ärztin der Agentur für Arbeit Neuruppin S, die nach Aktenlage erstellte wurde, vom 18. Juli 2008 eingereicht. Nach deren Auffassung war die Tätigkeit einer Fahrdienstleiterin nicht mehr leidensgerecht. Leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr in Tagesschicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin verrichten.

Die Kammer hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte, und zwar der Fachärztin für Innere Medizin/Pneumologie Dr. L vom 16. Oktober 2008, der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl. Med. B vom 16. Oktober 2008 und der Fachärztin für Neurologie Dr. J vom 16. November 2008 eingeholt. Dem Befundbericht von Dipl. Med. B lag unter anderem ein Bericht des D B vom 10. Oktober 2007 über eine stationäre Behandlung in der Zeit vom 07. Oktober 2007 bis zum 10. Oktober 2007 bei, wonach der Klägerin am 8. Oktober 2007 ein Carotis-Subclavia-Bypass links gelegt worden war. Es wurde ein weiteres Gutachten für den Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit, erstellt von der Fachärztin für Physiotherapie und Praktischen Ärztin Dipl. Med. V am 6. November 2008, beigezogen. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin voraussichtlich auf Dauer täglich weniger als drei Stunden leistungsfähig sei. Die Begutachtung erfolgte nach einer umfänglichen Untersuchung.

Anschließend hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens von der Ärztin für Psychiatrie G vom 2. Oktober 2009. Diese diagnostizierte eine Dysthymia und führte aus, dass aus neurologisch-psychiatrischer Sicht keine Minderung der Leistungsfähigkeit vorliege. Es ergäben sich aus psychiatrischer Sicht überhaupt keine Hinweise, dass die von der Klägerin beschriebenen Beschwerden sich ursächlich auf eine psychiatrische Störung zurückführen ließen. Es hätten sich auch keine Hinweise auf Aggravation oder Simulation ergeben. Die körperlich empfundene Schwäche sollte als solche ernst genommen werden. Sie empfahl, das Leistungsvermögen durch einen Internisten begutachten zu lassen. Daraufhin beauftragte das Sozialgericht den Internisten und Direktor der Medizinischen Klinik IV (Schwerpunkt Nephrologie) der C , Prof. Dr. Z, mit der Erstellung eines Gutachtens. In seinem Gutachten vom 15. März 2010 stellte der Sachverständige nicht ausdrücklich eine Diagnose, schätzte jedoch das Leistungsvermögen als leichtgradig eingeschränkt ein. Die Einschränkungen resultierten aus einem Zustand nach Aortitis und einem Zustand nach Implantation einer endovaskulären thorakalen Rohrprothese. Eine regelmäßige tägliche Arbeitsbelastung von drei bis unter sechs Stunden sei in jedem Fall mit dem Gesundheitszustand vereinbar. Dies begründe sich daraus, dass trotz der generell günstigen Einschätzung durch die aktuellen medizinischen Befunde eine tägliche Arbeitsbelastung von über sechs Stunden doch die aufgrund ihrer subjektiven Angaben eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Klägerin überschreiten dürfte. Auf der anderen Seite lägen keine gravierenden objektiven Gesundheitseinschränkungen vor, die eine Einschätzung unter drei Stunden pro Tag begründen könnten.

Daraufhin änderte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 7. April 2010 den Klageantrag dahingehend, dass (nur noch) eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung begehrt wurde.

Die Beklagte folgte der Einschätzung von Prof. Z nicht. Die subjektiven Beschwerden der Klägerin und eine subjektiv empfundene Leistungsminderung seien keine relevanten Begutachtungskriterien.

In einer gutachterlichen Stellungnahme vom 2. Juli 2010 ist Prof. Z bei seiner Einschätzung geblieben. Er hat ausgeführt, dass, soweit es sich um das Auftreten von Schmerzen handele, notwendigerweise auch die Angaben der Klägerin berücksichtigt werden müssten. Schmerzen könnten bekanntlich nicht durch objektive Parameter erfasst und auch nicht objektiv quantifiziert werden. Die Frage, ob dann überhaupt Angaben über Schmerzen für die Beurteilung des Leistungsvermögens herangezogen werden könnten, hänge nicht zuletzt von der Plausibilität der Angaben im Zusammenhang mit dem objektiv vorhandenen Krankheitsbild ab. Aufgrund der diagnostizierten Aortitis sei mit dem Auftreten von Schmerzen im Brustbereich zu rechnen. Die Intensität dieser Schmerzen sei naturgemäß immer vom subjektiven Erleben des Betroffenen abhängig und könne vom Gutachter nur basierend auf den anamnestischen Angaben eingeschätzt werden. Seine Einschätzung des Leistungsvermögens beruhe also auf der Wertung der Angaben seitens der Klägerin im Kontext mit den objektiv dokumentierten Erkrankungen.

Nachdem das Sozialgericht einen weiteren Befundbericht von Dr. L vom 9. Dezember 2010 eingeholt und die Klägerin ein weiteres Gutachten der Dipl. Med. V für die Bundesagentur für Arbeit vom 14. Oktober 2011 vorgelegt hatte, wonach ein weniger als drei Stunden täglich betragendes Leistungsvermögen voraussichtlich auf Dauer vorliege, hob das Sozialgericht mit Urteil vom 15. Februar 2012 den Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2008 auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. Mai 2008 bis zum 30. April 2011 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es bezog sich zur Begründung auf das Gutachten von Prof. Dr. Z. Dieses sei schlüssig und in Kenntnis aller erreichbaren Vorbefunde und Würdigung der erhobenen Befunde erstellt worden. Die gutachterlichen Ausführungen würden durch die ergänzende Stellungnahme vom 2. Juli 2010 sowie in ihrer Tendenz durch die Gutachten von Dipl. Med. V für die Agentur für Arbeit gestützt. Die Rente sei grundsätzlich auf Zeit zu leisten und zwar für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Rentenbeginn sei mit Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Diese sei entsprechend dem Gutachten von Prof. Z im Oktober 2007 eingetreten.

Gegen das ihr am 12. März 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22. März 2012 und die Klägerin gegen das ihr am 7. März 2012 zugestellte Urteil am 4. April 2012 Berufung eingelegt.

Die Beklagte hat zur Begründung vorgetragen, dass das Gutachten von Prof. Dr. Z weder umfassend noch schlüssig sei. Die angenommenen quantitativen Einschränkungen würden nicht nachvollziehbar begründet. Das Leistungsvermögen werde als "leichtgradig eingeschränkt" eingeschätzt. Es bestünden nach Prof. Z "keine grundsätzlichen Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit" bei "generell günstiger Einschätzung durch die aktuellen medizinischen Befunde". Diese Darlegungen seien teilweise widersprüchlich. Die Wortwahl (Konjunktive) entspräche einer spekulativen Ausdrucksweise. Prof. Dr. Z stütze sich allein auf subjektive Angaben der Klägerin und ihre Krankenvorgeschichte. Klinische Untersuchungsergebnisse, aus denen sich eine Leistungsminderung ableiten lasse, würden vermisst. Eine medizinisch-technische Zusatzdiagnostik zur Objektivierung von Funktionseinbußen, beispielsweise eine Ergometrie, erfolge nicht. Bezüglich schwer quantifizierbarer Schmerzen sei es Aufgabe des Gutachters, zumindest im Rahmen einer ausführlichen Anamneseerhebung, insbesondere Beeinträchtigungen im täglichen Leben und in der sozialen Partizipation sowie Schmerzentwicklung, Schmerzerleben und bisherige Behandlungsmaßnahmen detailliert zu erfragen. Eine umfassende spezielle Schmerzanamnese sei nicht erhoben worden. Die Kurzdokumentation des subjektiven Beschwerdebildes und die äußerst knappe Befundbeschreibung begründeten die konstatierte quantitative Leistungsminderung nicht nachvollziehbar. Bemerkenswert sei des Weiteren, dass trotz der beklagten thorakalen Schmerzen keine Schmerzmedikation erforderlich sei. Psychische Beeinträchtigungen, z. B. im Rahmen eines Schmerzsyndroms, seien durch die psychiatrische Begutachtung vom 2. Oktober 2009 ausgeschlossen worden.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 15. Februar 2012 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 15. Februar 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2008 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 1. November 2007 zu gewähren sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass das Sozialgericht die Höchstbefristung von drei Jahren nach Rentenbeginn angesetzt habe. Dies bedeute, dass diese bei Urteilsverkündung bereits seit Monaten abgelaufen gewesen sei. Die sehr lange Verfahrensdauer gehe hier durch das Urteil zu Lasten der Klägerin. Das Sozialgericht hätte eine Entscheidung über den 30. April 2011 hinaus treffen müssen. Auch könne die Entscheidung einer Zeitrente aufgrund des ärztlichen Gutachtens des Prof. Dr. Z nicht nachvollzogen werden. Dieser komme zu der Feststellung, dass eine Besserung in absehbarer Zeit nicht eintreten werde.

Der Senat hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte, und zwar der Fachärztin für Innere Medizin Dr. L vom 13. Dezember 2012, des Internisten und Kardiologen Dr. M vom 19. Dezember 2012, der Ärztin für Allgemeinmedizin Dipl. Med. N vom 27. Dezember 2012, der Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie Dr. V vom 4. Januar 2013, der Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe B vom 20. Dezember 2012 sowie vom D , erstellt durch Dr. D, vom 30. Januar 2013 eingeholt. Dr. L gab an, dass bei der Klägerin aufgrund der Vasculitis (Entzündung der Blutgefäße) keine Belastbarkeit gegeben sei. Dr. V nannte als Funktionsbeeinträchtigungen körperliche Schwäche, Leistungsinsuffizienz, Luftnot und atemabhängige Schmerzen. Frau B gab an, dass eine Funktionsbeeinträchtigung aufgrund von Kleinwuchs vorliege und eine gestörte Persönlichkeitsentwicklung aufgrund einer Genitalfehlbildung sowie ein gestörtes Sexualleben, Verdauungsschwierigekeiten und ein Leberschaden durch Hormontherapie. Dr. D benannte als Funktionsbeeinträchtigungen eine Belastungsinsuffizienz und chronische Schmerzen.

Der Senat hat sodann Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens von dem Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin des S. , Prof. Dr. F, vom 24. Juni 2013. Dieses Gutachten wurde in Mitarbeit der Oberärztin Dr. P und des Assistenzarztes M erstellt. Prof. F ließ mit Einverständnis des Gerichts ein neurologisches Untergutachten von dem Facharzt für Neurologie Dr. R vom 6. Mai 2013 erstellen. Weiter hat Prof. Dr. F ein psychosomatisches Konsil von dem Facharzt für Innere Medizin sowie für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Chefarztes der Klinik für Psychosomatik der R Kliniken GmbH, Prof. Dr. D, vom 23. April 2013 eingeholt. Prof. F diagnostizierte einen Verdacht auf eine koronare Herzkrankheit; eine Typ B Dissektion der thorakalen Aorta bei Aortitis mit Implantation einer endovaskulären thorakalen Rohrprothese mit Verschluss der Arteria subclavia links am 18. April 2007; einen Carotis subclavia Bypass 10/2007 linksseitig; essentielle arterielle Hypertonie; Asthma bronchiale; allergische Rhinopatie; Hermaphroditismus mit weiblichem Phänotyp; als Kleinkind Orchidektomie; primärer Hyperparatyreoidismus mit Nebenschilddrüsenoperation 2001; Divertikulose; Cholezystolithiasis sowie eine Nierenzyste linksseitig. Dr. R diagnostizierte eine latente Paraspastik der Beine und Prof. D eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradige Episode. Prof. F kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin noch vollschichtig leichte Arbeiten, überwiegend im Sitzen und Stehen, verrichten könne. Arbeiten im Steigen, im Klettern (auf Leitern, Gerüsten, in der Hocke, im Kriechen) könnten bei der fehlenden Belastbarkeit der Klägerin nicht ausgeführt werden, ebenso wenig Arbeiten, die verbunden seien mit Bücken, Heben, Tragen von Lasten, Überkopfarbeiten sowie Arbeiten unter Zeitdruck (wie Akkord, Fließbandarbeit). Die Klägerin würde unter den aktuellen Umständen sicherlich und auch für längere Zeit im Falle der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausfallen, da bei geringster Belastung pektanginöse Beschwerden und eine Belastungsdyspnoe aufträten. Sie benötige Pausen und Unterbrechungen sobald die Symptomatik Thoraxschmerz, Dyspnoe, Schwindel auftrete. Eine Abschätzung des Umfangs in Anzahl und Zeitspanne der Pausen sei nicht möglich, da die Klägerin eine Dauer der Symptomatik zwischen zwei Minuten und einer Stunde angebe. Während der Symptomatik solle sich die Klägerin schonen und ruhen. Sie sei nicht in der Lage, täglich viermal Wegstrecken von mehr als 500 Metern zurückzulegen, da es unter geringster Belastung zu Dyspnoe, Thoraxschmerz und Schwindelsymptomatik mit Sehstörungen komme. Dies sei bereits bei geringster Belastung auf dem Laufband nachvollzogen worden. Wegstrecken mit einem Umfang von 500 Metern wären ohne mehrfache Pausen nicht möglich. Dies sei nach einer eventuellen Intervention neu zu bewerten. Es sei wahrscheinlich durch eine Herzkatheteruntersuchung mit Intervention (Stentimplantation) eine vorliegende Minderung der Erwerbsfähigkeit behebbar.

Die Klägerin hat nach Kenntnisnahme des Gutachtens von Prof. F mitgeteilt, dass sie sich zur Zeit einer kardiologischen Behandlung nicht unterziehen möchte.

Die Beklagte folgt dem Gutachten von Prof. F nicht. Es sei wahrscheinlich, dass durch eine Herzkatheteruntersuchung mit Intervention die derzeit vorliegenden Einschränkungen behoben werden könnten. Insofern sei von einem Behandlungsleiden auszugehen. Die Klägerin sei im Berufsgruppenschema als angelernte Angestellte im oberen Bereich angesiedelt, sodass aus Sicht der Beklagten unter Berücksichtigung der qualitativen Einschränkungen die Tätigkeit als Bürogehilfin mehr als sechs Stunden verrichtet werden könne.

Auf Veranlassung des Senats hat Prof. Dr. F am 30. Oktober 2013 eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben. Auf die Frage des Gerichts, ob die Klägerin trotz der Schwindelsymptomatik in der Lage sei, einen PKW zu führen, hat er angegeben, dass sie diesen zur Zeit führe, wie in dem Gutachten wiedergegeben sei. Sie selbst habe angegeben, dass sie Manöver beherrsche, von denen sie glaube, ihre Schmerz- und Schwindelattacken dadurch beenden zu können. Diese Aussagen sind nach Ansicht von Prof. F nicht geeignet zu begründen, dass die Klägerin hinreichend zur Führung eines PKW in der Lage ist. Seit wann die von ihm beschriebene Wegeunfähigkeit bestehe, könne er nicht beantworten, hierfür müsse er Sachverhaltsaufklärung betreiben, was nicht seine Aufgabe sei.

Die Beklagte folgt dem Gutachten von Prof. F weiterhin nicht und sieht keine Wegeunfähigkeit als gegeben an. Prof. F begründe seine Einschätzung mit den Abbruchkriterien bei der Laufbandergometrie zur kardiologischen Diagnostik. Es sei nicht festgestellt, nach welcher Strecke und Zeit die Klägerin bei Zubilligung zwischenzeitlicher Verschnaufpausen am Ende ihrer Kräfte gewesen sei.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18. Dezember 2014 und Vertagung hat der Senat hat einen (weiteren) Befundbericht des die Klägerin behandelnden Internisten Dr. M vom 9. Januar 2015 eingeholt. Darin hat dieser angegeben, dass eine erneute invasive Herzdiagnostik nach August 2011 nicht vorgenommen worden sei. Von einer entsprechenden Empfehlung des Sachverständigen Prof. Dr. F sei ihm nichts bekannt.

Der Senat hat sodann erneut Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens von dem Facharzt für Innere Medizin und Chefarztes der Abteilung für Innere Medizin I/Gefäßzentrum des E Krankenhauses gGmbH, Prof. Dr. S, vom 15. April 2015. Dieser hat folgende Diagnosen gestellt: Verdacht auf koronare Herzerkrankung (Luftnot, Angina pectoris); Arterielle Hypertonie mit diastolischer kardialer Funktionsstörung; Pulmonale Hypertonie, Asthma bronchiale, Z.n. Lungenarterienembolie möglich; Mitral-, Trikuspidalinsuffizienz I. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin noch leichte Arbeiten, überwiegend im Sitzen und Stehen, in geschlossenen Räumen mit Witterungsschutz, ohne Arbeiten unter Einfluss von Kälte, Nässe, Zugluft, Hitze, starken Temperaturschwankungen, Lärm und Gefährdung durch Hautreizstoffe, nicht im Steigen/Treppensteigen, nicht über Kopf, nicht mit Klettern, in der Hocke, mit Bücken, Heben und Tragen von Lasten und ohne Kriechen verrichten könne. Tätigkeiten in Wechselschicht seien nicht möglich, auch keine Akkord- und Fließbandarbeiten. Unter Beachtung dieser Einschränkungen könnten noch Tätigkeiten in einem Umfang von vier Stunden täglich maximal verrichtet werden. Fußwege von mehr als 500 m seien nicht möglich, da Wadenschmerzen, Luftnot und thorakale Schmerzen aufträten. Keinesfalls seien diese Wege ohne Pausen möglich. Die Frage, seit wann die Einschränkung des Leistungsvermögens bestünde, konnte Prof. Dr. S nicht exakt beantworten. Allenfalls die Schmerzen/Palpitationen nach thorakaler Operation mit Bypassanlage seien seit 2007 vorhanden. Eine Besserung sei unter bestimmten Voraussetzungen möglich, und zwar in weniger als drei Jahren. Ein genauer Umfang der Besserung könne nicht angegeben werden, es sei aber eher von einer Besserung als von einer Behebung der Erwerbsminderung auszugehen.

Die Beklagte folgt dem Gutachten von Prof. Dr. S nicht. Sie hat eine Stellungnahme der Fachärztin für Chirurgie Dr. W in Zusammenarbeit mit dem Ltd. Medizinaldirektor Dr. A vom 19. Mai 2015 eingereicht. Es bestünde die Notwendigkeit erweiterter diagnostischer Abklärung und Therapie. Aus Verdachtsdiagnosen ließe sich keine dauerhafte Leistungsminderung mit Rentenrelevanz ableiten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

Die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG-) sowohl der Klägerin als auch der Beklagten sind zulässig. Die Berufung der Beklagten ist jedoch nur insoweit begründet, als das Sozialgericht ihren Bescheid aufgehoben und nicht nur geändert hat.

Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 15. Februar 2012 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, als ihr nicht (auch) eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 01. November 2011 bis zum 31. August 2016 gewährt worden ist. Im Übrigen, hinsichtlich des Begehrens, eine Dauerrente zu gewähren, ist auch die Berufung der Klägerin unbegründet.

Die Klägerin hat gemäß § 43 Abs. 1 i. V. m. § 102 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in dem genannten Umfang.

Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Nach Überzeugung des Senats ist die Klägerin seit dem 25. Oktober 2007 nicht mehr in der Lage, mehr als vier Stunden täglich erwerbstätig zu sein, zusätzlich liegt eine Wegeunfähigkeit und die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen vor, so dass sie nicht in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.

Dies entnimmt der Senat den Gutachten des vom Sozialgericht bestellten Gutachters Prof. Z und den Gutachten der von ihm bestellten Sachverständigen Prof. F und Prof. Dr. S sowie einer Zusammenschau der vorliegenden Befundberichte und Berichte sowie dem Gutachten von Dr. V für die Bundesagentur für Arbeit. Prof. Dr. F und Dr. S haben die im Tatbestand genannten Diagnosen gestellt. Die bei der Klägerin bestehenden Beschwerden konnten letztendlich nicht eindeutig einer bestimmten Erkrankung zugeordnet werden. Alle drei Gerichtsgutachter kommen aber zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin ein erheblich reduziertes Leistungsvermögen vorliegt, wobei Prof. Dr. Z und Prof. Dr. S ein quantitativ gemindertes Leistungsvermögen annehmen und Prof. Dr. F (und Prof. Dr. S) eine – unübliche – besondere Pausennotwendigkeit und eine Wegeunfähigkeit sieht.

Der Fachärztin für Chirurgie Dr. W ist bezüglich ihrer Stellungnahme vom 19. Mai 2015 zu widersprechen, wenn sie angibt, dass sich aus "Verdachtsdiagnosen keine dauerhafte Leistungsminderung mit Rentenrelevanz" ableiten lasse. Dies ist nur insoweit richtig, als keine dauerhafte Leistungsminderung angenommen werden kann. Es ist zwar ebenfalls richtig, dass in aller Regel eindeutige Diagnosen gestellt werden können, vorliegend erscheint dies jedoch schwierig, da sämtliche Gerichtsgutachter, wie erläutert, sich mit einer Erklärung für die vorhandenen Beschwerden schwer tun. Die Unsicherheit bezüglich der Gründe für die bei der Klägerin bestehenden Funktionseinschränkungen ist jedoch nicht von entscheidender Bedeutung. Es kommt bei der Beurteilung, ob Erwerbsminderung vorliegt, nicht auf die gestellten Diagnosen, sondern auf die vorhandenen Funktionsstörungen an. Keiner der Gutachter hat angezweifelt, dass die von der Klägerin angegebenen Beschwerden tatsächlich vorliegen. Im Gegenteil hat Prof. Dr. S ausgeführt, dass die geklagten Symptome Schwindel, Luftnot und Thoraxschmerz reproduzierbar sind. Prof. Dr. F hat ausgeführt, dass die bestehende Schwindelsymptomatik, inklusive Sehstörungen, letztendlich nicht objektivierbar nachvollzogen werden konnte, in Verbindung mit den thorakalen Druckschmerzen scheine sie im Sinne einer schmerzgetriggerten Symptomatik erklärbar zu sein. Die Diagnose der koronaren Herzkrankheit schien Prof. F noch nicht vollständig gesichert, obwohl er mitgeteilt hat, dass die thorakalen Schmerzen in der Laufbandergometrie reproduziert werden konnten. Es kam hierbei zu EKG-Auffälligkeiten mit signifikanten ST-Streckensenkungen in Ableitung II, AVF, III und V4-V6. Die Spiroergometrie musste abgebrochen werden bei Angabe von retrosternalen Schmerzen, welche sich nach zwei Hub Nitrospray besserten. Er ging von dem Bestehen einer koronaren Herzkrankheit aus, welche jedoch invasiv mittels einer Herzkatheteruntersuchung untersucht werden sollte. Prof. Dr. S hat dagegen ausgeführt, dass eine multifaktorielle Genese der Beschwerden konstatiert werden muss. Eine genaue Differenzierung sei jedoch erst nach erweiterter Diagnostik auf kardiologischem Fachgebiet und einer eventuellen Therapie möglich. Die Sachverständige Frau G hat in ihrem psychiatrischen Gutachten ausgeführt, dass sich keine Hinweise auf Aggravation oder Simulation bei der Klägerin ergeben hätten. Sie empfahl, die körperlich empfundene Schwäche als solche ernst zu nehmen. Dies haben die drei Gerichtsgutachter getan und sind jeweils zu dem Ergebnis eines geminderten Leistungsvermögens bzw. einer Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen bzw. der Annahme einer Wegeunfähigkeit gekommen.

Prof. F hat ausgeführt, dass die Klägerin über die täglichen betrieblichen Pausen hinaus weitere Pausen benötigt, wobei deren Umfang in Anzahl und Zeitspanne nicht angegeben werden konnte, da die Klägerin die Dauer der Symptomatik zwischen zwei Minuten und einer Stunde angegeben hat. Während der Symptomatik sollte sich die Klägerin jedoch schonen und ruhen. Prof. Dr. S hat die Notwendigkeit besonderer Pausen ebenfalls angenommen, hat dies jedoch bereits bei der Annahme des quantitativ geminderten Leistungsvermögens berücksichtigt.

Die Möglichkeit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes kann auch durch das Erfordernis von zusätzlichen betriebsunüblichen Pausen, die von den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) abweichen, nicht mehr gegeben sein (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts – BSG - vom 30. Mai 1984, Az.: 5a RKn18/83, dokumentiert in juris und in SozR 2200, § 1247 Nr. 43). Abzustellen ist auf die tatsächlichen Verhältnisse am Arbeitsmarkt, die maßgebend dafür sind, ob für den Versicherten überhaupt eine Möglichkeit besteht, mit der verbleibenden Leistungsfähigkeit Erwerbseinkommen zu erzielen (vgl. Urteil des BSG vom 30. Mai 1984 a.a.O., juris, RdNr. 12). Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" bedeutet, dass diese zwar nicht in der Mehrzahl der Arbeitsverhältnisse, wohl aber in einer beachtlichen Zahl vorhanden sein müssen, aus der eine entsprechende Übung entnommen werden kann (vgl. Urteil des BSG vom 30. Mai 1984, a.a.O., juris, RdNr. 14). Die von Prof. Dr. F geforderte Pausenregelung ist mit einem normalen Arbeitsalltag und den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht vereinbar. Pausen, bei denen man sich möglicherweise bis zu einer Stunde von der Arbeit erholen muss, sind im Arbeitsalltag nicht vorgesehen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gehört zur Erwerbsfähigkeit neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (Urteil vom 12. Dezember 2011, Az. B 13 R 79/11 R, juris Rn. 19, 20). Konkret gilt: Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm möglich sein müssen, - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10 S 30; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 53 S. 106, Nr. 56 S. 111; Senatsurteil vom 14. März 2002 - B 13 RJ 25/01 R - juris RdNr. 21). Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel sowie vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege absolvieren muss. Eine (volle) Erwerbsminderung setzt danach grundsätzlich voraus, dass der Versicherte nicht vier Mal am Tag Wegstrecken von über 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (also jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und ferner zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10 Seite 30 f). Dazu gehört z.B. auch die zumutbare Benutzung eines eigenen Kfz (vgl. BSGE 24, 142, 145 = SozR Nr. 56 zu § 1246 RVO Bl. Aa 44 Rückseite; Urteil vom 14. März 2002 - B 13 RJ 25/01 R - juris RdNr. 21).

Die Klägerin ist nicht in der Lage, viermal täglich Wegstrecken von mehr als 500 Metern zurückzulegen, da es unter geringster Belastung zu Dyspnoe, Thoraxschmerz und Schwindelsymptomatik mit Sehstörungen kommt. Dies konnte bereits bei geringster Belastung auf dem Laufband nachvollzogen werden. Wegstrecken mit einem Umfang von 500 Metern sind ohne mehrfache Pausen aktuell nicht möglich. Der Einwand der Beklagten, dass die Beweisfrage insofern nicht korrekt gestellt wurde, als nicht angegeben wurde, dass die Wegstrecke von mehr als 500 Metern innerhalb von 20 Minuten zurückgelegt werden muss, ist zwar zutreffend, ändert jedoch nichts an dem von Prof. F gefundenen eindeutigen Ergebnis, das von Prof. Dr. S, nun unter korrekter Fragestellung, bestätigt wurde. Wenn die Klägerin bereits bei geringster Belastung Dyspnoe, Thoraxschmerz und Schwindelsymptomatik aufweist, kann sie nicht mehr als 500 Meter am Stück zurücklegen, auch nicht mit Pausen. Insofern ist auch die Einlassung der Beklagten zurückzuweisen, dass Prof. F nicht angegeben habe, nach welcher Strecke und Zeit die Klägerin bei Zubilligung zwischenzeitlicher Verschnaufpausen am Ende ihrer Kräfte gewesen sei. Eine Wegeunfähigkeit ist nicht dahingehend definiert, dass man sich bis zur vollkommenen Verausgabung erschöpfen muss. Schließlich müsste man nach dem Hinweg dann noch seine Arbeitstätigkeit verrichten können.

Der Senat geht mit dem Sozialgericht davon aus, dass die Einschränkungen der Klägerin seit Rentenantragstellung im Oktober 2007 vorliegen. Prof. F hat zwar angegeben, dass er dies nicht einschätzen könne, da er nicht wisse, seit wann die koronare Herzkrankheit vorliege. Auch Prof. Dr. S hat keinen exakten Eintritt der Leistungsminderung benennen können. Unter Betrachtung des Gutachtens von Prof. Z und der in den Akten vorliegenden Berichte und Befundberichte ist jedoch davon auszugehen, dass die gleiche Symptomatik schon seit Rentenantragstellung vorliegt. Die Klägerin hat immer wieder über die gleichen Schmerzen und über Luftnot geklagt. Insofern ist auch nicht sicher, ob diese von der von Prof. F diagnostizierten koronaren Herzkrankheit herrühren, da im D bereits im Jahre 2011 eine invasive Diagnostik vorgenommen wurde, wie sie Prof. F auch jetzt erneut gefordert hat, die jedoch eine koronare Herzkrankheit ausschloss. Aus dem Gutachten von Prof. Z - das, wie die Beklagte zu Recht bemängelt hat, zwar nicht den Anforderungen an ein korrekt erstelltes sozialmedizinisches Gutachten genügt, weil die Anamnese nur äußerst knapp erhoben wurde, eine Epikrise und eine Diagnostik fehlen - ist jedoch trotzdem ersichtlich, dass er die Leistungsinsuffizienz der Klägerin, die auch all ihre behandelnden Ärzte bestätigt haben, erkannt hat. Wenn auch die Erstellung des Gutachtens selbst mangelhaft ist, so ist doch zu unterstellen, dass Prof. Z als erfahrener Arzt eine entsprechende Leistungsinsuffizienz erkennen kann.

Für den genannten Leistungsfall sind die Wartezeit und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch insoweit unbegründet, als sie eine Erwerbsminderungsrente auf Dauer begehrt. Gemäß § 102 Abs. 2 Sätze 1 bis 4 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten wegen Erwerbsminderung werden gemäß § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI dann unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann.

Vorliegend ergibt sich aufgrund der Feststellungen von Prof. Fund Prof. Dr. S, dass die Rente auch weiterhin zu befristen ist, und zwar bis zum 31. August 2016. Es besteht die Möglichkeit, dass durch eine weitergehende Diagnostik und ggfs. auch weitere Therapie sich das Leistungsvermögen der Klägerin erheblich bessert, und zwar möglicherweise soweit, dass keine Rente wegen Erwerbsminderung zu leisten wäre. Prof. Dr. S hat dies nicht ausgeschlossen, wenn er auch die Behebung der Erwerbsminderung für eher unwahrscheinlich hielt. Die Behebung einer rentenberechtigenden Leistungsminderung ist nicht unwahrscheinlich mit der Folge, dass entgegen der Regel Rente wegen Erwerbsminderung als Dauerrente zu gewähren wäre, solange die therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft sind bzw. solange dies, wie hier, nicht sicher festgestellt ist. Zu den Behandlungsmöglichkeiten zählen alle anerkannten Behandlungsmethoden, auch geläufige Operationen, die zur Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit führen können, soweit nicht aus dem Gesundheitszustand des Versicherten abzuleitende spezifische Kontraindikationen entgegenstehen (vgl. Urteil des BSG vom 29. März 2006, Az. B 13 RJ 31/05 R, dokumentiert in juris und in SozR 4-2600 § 102 Nr. 2). Ob die therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, lässt sich wegen der oben geschilderten diagnostischen Unsicherheit und eventueller Therapiemöglichkeiten zurzeit nicht feststellen. Eine Ablehnung wegen mangelnder Mitwirkung gemäß § 66 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ist zurzeit nicht möglich, da die dortigen Voraussetzungen nicht vorliegen. Sollte sich die Klägerin jedoch der vorgeschlagenen Diagnostik nicht unterziehen – soweit sie duldungspflichtig ist, was für eine Herzkatheteruntersuchung nicht zutrifft – käme bei der Frage der Weiterzahlung der Zeitrente nach August 2016 eine entsprechende Ablehnung in Betracht.

Da es sich weiterhin um eine Zeitrente handelt, verbleibt es bei dem Rentenbeginn 1. Mai 2008, d.h. mit Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Erwerbsminderung (§ 101 Abs. 1 SGB VI).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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