L 11 KR 1035/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 3643/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1035/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.02.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung von Kosten für Zahnbehandlungen im Ausland.

Der 1950 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Mit Schreiben vom 06.09.2011 übersandte er eine Rechnung vom 02.08.2011 über eine Behandlung in Bulgarien über 241 EUR und 38,57 EUR. Ergänzend gab er an, die ambulante Behandlung sei im Zeitraum 02.08. bis 16.08.2011 erfolgt mit einem Gesamtrechnungsbetrag von 313 EUR.

Die Beklagte erstattete mit Bescheid vom 12.10.2011 für die Auslandsbehandlung die Kosten bis zur Höhe der deutschen Vergütungssätze iHv 108,44 EUR unter Abzug der Praxisgebühr von 10 EUR. Mit Widerspruchsschreiben vom 24.10.2011 machte der Kläger geltend, er habe bei allen Zahnärzten in O. und teilweise auch in anderen Städten Hausverbot und müsse seine Zähne im Ausland behandeln lassen. Er sei 2.500 km mit Zahnschmerzen zum Zahnarzt ins Ausland gefahren. Alle Kosten müssten übernommen werden.

Im weiteren Verlauf legte der Kläger am 26.05.2011 (Eingang beim Bundessozialgericht (BSG)) zwei Rechnungen von Dr. K., Tschechien, über 400 EUR vom 18.04.2011 und 300 EUR vom 12.04.2011 vor zur Erstattung. Mit Bescheid vom 14.07.2011 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab, da die Versorgung nicht vor Beginn der Behandlung genehmigt worden sei. Mit Schreiben vom 09.09.2011 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass der Bescheid vom 14.07.2011 bestandskräftig geworden sei, da der Widerspruch von September 2011 zu spät erfolgt sei.

Mit Schreiben vom 26.11.2011 beantragte der Kläger weitere Kostenübernahme für einen Heil- und Kostenplan (HKP) von Dr. K. vom 15.04.2011 über 2.070 EUR. Die Beklagte genehmigte mit Bescheid vom 02.12.2011 einen Festzuschuss iHv 881,33 EUR. Mit Schreiben vom 21.06.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Widerspruch vom 18.06.2012 gegen diese Entscheidung sei zu spät gestellt worden.

Mit Schreiben vom 30.01.2012 übernahm die Beklagte einen Festzuschuss iHv 386,10 EUR hinsichtlich eines Heil- und Kostenplans von Dr. D. vom 09.01.2012 über insgesamt 2.092,29 EUR. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 01.02. und 08.02.2012 Widerspruch. Er vertrage kein Metall, die Krone müsse aus Gold sein. Auch die Kosten für eine Kunststofffüllung von 134,03 EUR (Rechnung Dr. D. vom 30.01.2012) müssten übernommen werden. Mit Schreiben vom 09.02.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, den Anteil an den Füllungen habe sie direkt an den Zahnarzt gezahlt.

Am 20.12.2011 ist beim Sozialgericht Reutlingen (SG) ein Schreiben des BSG eingegangen, mit dem Schriftsätze des Klägers mit dem Hinweis übersandt worden sind, es handele sich hierbei um eine Klage, für die das SG Reutlingen zuständig sei. Beigefügt war das Schreiben vom 26.05.2011 (Erstattung von Kosten Dr. K. 400 EUR und 300 EUR) mit Bescheid der Beklagten vom 14.07.2011. In einem Schreiben an das BSG vom 18.12.2011 mit Anlagen berichtet der Kläger über seine Behandlung bei Dr. D. am 13.12.2011 unter Vorlage einer Rechnung über 26,32 EUR vom 13.12.2011. Mit Schreiben vom 08.02.2012 an das SG hat der Kläger den Heil- und Kostenplan von Dr. D. vom 09.01.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 30.01.2012 vorgelegt. Mit weiteren Schreiben an das BSG führt er aus, er lege weitere Beweismittel über politische Verfolgung gegen sich durch Krankenkassen und Zahnärzte vor. Mit Schreiben vom 15.03.2012 an das SG wendet sich der Kläger zudem gegen die Gewährung eines Festzuschusses über 772,20 EUR (Bescheid vom 21.02.2012), da er der Auffassung ist, auch Mehrkosten für Edelmetalle müssten übernommen werden.

Die Beklagte hat den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 12.10.2011 mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2012 zurückgewiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 20.02.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei nicht begründet, soweit der Kläger die Erstattung höherer Kosten für die ambulante Zahnbehandlung in Bulgarien im August 2011 geltend mache. Der Bescheid vom 12.10.2011 und der Widerspruchsbescheid vom 25.04.2012 seien rechtmäßig. Nach § 13 Abs 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in anderen der EG angehörigen Staaten im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen. Der Erstattungsanspruch bestehe höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Diese Kosten seien hier zutreffend in Höhe der deutschen Vertragssätze gemäß dem Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (BEMA) abzüglich der Praxisgebühr übernommen worden. Fahrkosten zur Behandlung in Bulgarien seien nicht zu erstatten.

Soweit der Kläger Kostenerstattung für eine Zahnbehandlung bei Dr. K. verlange (Rechnungen über 400 EUR und 300 EUR von April 2011), liege mit dem Bescheid vom 12.07.2011 eine bestandskräftige Entscheidung vor. Auch über die Gewährung eines Festzuschusses über 881,33 EUR (HKP Dr. K. vom 15.04.2011 über 2.070 EUR) liege mit dem Bescheid vom 02.12.2011 eine bestandskräftige Entscheidung vor. Hinsichtlich des Bescheids vom 21.02.2012 liege eine unzulässige Klageerweiterung vor.

Gegen den ihm am 28.02.2015 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 19.03.2015 eingelegte Berufung des Klägers. Die Krankenkasse verfolge ihn und rufe Ärzte an, dass diese ihn nicht oder falsch behandelten. Als Beweis für falsche Behandlungen legt der Kläger ein Foto vor (Bl 2 Senatsakte). Alle zusammen hätten ihn 2013 zum Herzinfarkt gebracht. Da die Krankenkasse ihm bei der Behandlung in Deutschland Probleme mache, müsse sie dann zu 100% für die Auslandsbehandlungen zahlen. Ergänzend hat der Kläger Rechnungen über Behandlungen in der Ukraine vom 22.12.2014 nebst Ablehnungsbescheid der Beklagte vom 26.01.2015 vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,

ihm unter Aufhebung des Bescheids vom 12.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.04.2012 die vollen Kosten für die Behandlung in Bulgarien im August 2011 zu erstatten,

ihm unter Aufhebung des Bescheids vom 14.07.2011 die Kosten für die Auslandsbehandlung in der Tschechischen Republik iHv 700 EUR zu erstatten,

ihm unter Abänderung des Bescheids vom 02.12.2011 einen höheren Festzuschuss zu gewähren (HKP Dr. K. vom 15.04.2011),

ihm unter Abänderung der Bescheide vom 30.01.2012 und 21.02.2012 einen höheren Festzuschuss zu gewähren (HKP Dr. D. 09.01.2012),

ihm unter Aufhebung des Bescheids vom 26.01.2015 die Kosten für die Auslandsbehandlung in der Ukraine zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung ist der angefochtene Gerichtsbescheid nicht zu beanstanden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Der Senat konnte in Abwesenheit der Beteiligten verhandeln und nach Lage der Akten entscheiden, da die Beteiligten in der Ladung hierauf hingewiesen worden sind (§§ 110 Abs 1 Satz 2, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die form– und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 12.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.04.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Soweit das weitere Begehren des Klägers überhaupt nachvollziehbar aus seinen Schriftsätzen zu entnehmen ist, ist die Klage unzulässig.

Die Kostenerstattung für die zahnärztliche Behandlung in Bulgarien (Bescheid vom 12.10.2011, Widerspruchsbescheid vom 25.04.2012) richtet sich nach der allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Vorschrift des § 13 Abs 4 SGB V (idF vom 22.06.2011, BGBl I 1202). Danach sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte (§ 13 Abs 4 Satz 3 SGB V).

Wie sich aus der Formulierung "anstelle der Sach- oder Dienstleistung" in § 13 Abs 4 Satz 1 SGB V ergibt, setzt die Vorschrift einen Anspruch auf die entsprechende Naturalleistung nach dem SGB V voraus (BSG 30.06.2009, B 1 KR 19/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 21). Ein solcher Anspruch besteht hier. Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst insbesondere auch die zahnärztliche Behandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V). Die zahnärztliche Behandlung umfasst nach § 28 Abs 2 Satz 1 SGB V die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Suprakonstruktionen erbracht werden. Zwar ruhte der Anspruch des Klägers gemäß § 16 Abs 1 Nr 1 SGB V, solange wie er sich im Ausland aufhielt. Allerdings gilt dies nur soweit, als im SGB V nichts Abweichendes bestimmt ist. Eine solche (abweichende) Rechtsgrundlage findet sich in § 13 Abs 4 SGB V.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Beklagte zutreffend die Erstattung in Höhe der deutschen Vertragssätze übernommen, insgesamt iHv 108,44 EUR. Hinsichtlich der Aufschlüsselung wird auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 25.04.2012 Bezug genommen. Für eine darüber hinausgehende Erstattung gibt es keine rechtliche Grundlage.

Die vom Kläger in seinen Schriftsätzen erwähnten Bescheide der Beklagten vom 12.07.2011 und 02.12.2011 sind bestandskräftig geworden und damit einer gerichtlichen Überprüfung im vorliegenden Verfahren nicht zugänglich. Der Verwaltungsakt ist für die Beteiligten in der Sache bindend (§ 77 SGG).

Soweit der Kläger noch weitere Sachverhalte im Laufe des Verfahrens eingebracht hat, liegt eine unzulässige Klageerweiterung vor (so betreffend Bescheide vom 30.01.2012 und 21.02.2012). Gleiches gilt für den nunmehr im Berufungsverfahren vorgelegten Bescheid vom 26.01.2015. Auch insoweit ist eine Klageerweiterung nicht sachdienlich, so dass dieser Bescheid nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens wird (§§ 153 Abs 1, 99 Abs 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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