L 10 R 2826/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 1102/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2826/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 02.06.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die am 1962 geborene Klägerin erlernte im Beitrittsgebiet den Beruf der Fachverkäuferin. Nach einer Tätigkeit in ihrem Ausbildungsberuf war sie überwiegend in der Gastronomie als Serviererin versicherungspflichtig tätig. Seit Oktober 2007 ist die Klägerin - abgesehen von einer kurzfristigen Beschäftigung bzw. zeitweise ausgeübten geringfügigen Beschäftigungen - arbeitslos.

Einen ersten, von der Klägerin im September 2010 gestellten Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.11.2010 ab. Grundlage dessen war das Gutachten der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. G. , die die Klägerin im November 2010 untersuchte und eine Adipositas Grad I mit Fettstoffwechselstörung (unbehandelt), pathologischer Glukosetoleranz und Leberwerterhöhung, eine Schilddrüsenunterfunktion nach Radiojodtherapie 2006 bei multifokaler Autonomie (unbehandelt), eine Chondromalazia patellae rechts mehr als links mit Reiben (freie Beweglichkeit) und rezidivierender Synovialschwellung am rechten Kniegelenk, Senk-Spreizfüße sowie eine leichte Wirbelsäulenfehlstatik mit ISG-Blockade rechts diagnostizierte und die Klägerin für fähig erachtete, leichte bis zeitweise mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen, ohne häufiges Heben und Tragen von Lasten über zehn bis zwölf Kilogramm und ohne häufiges Knien, Hocken, Klettern und Steigen in Tages- und Wechselschicht zumindest sechs Stunden täglich auszuüben.

Am 14.10.2013 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, worauf die Beklagte eine Begutachtung durch die Fachärztin für Innere Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. veranlasste, die die Klägerin im Dezember 2013 untersuchte. Diagnostisch ging Dr. B. von den bereits zuvor von Dr. G. beschriebenen Gesundheitsstörungen aus, namentlich der Schilddrüsenunterfunktion nach Radiojodtherapie 2006 (ohne Substitution), der Chondromalazia patellae rechts mehr als links mit Reiben bei freier Beweglichkeit und rezidivierender Synovialschwellung des rechten Kniegelenks, der Adipositas Grad I mit Fettstoffwechselstörung sowie der leichten Wirbelsäulenfehlstatik mit ISG-Blockade beidseits aus. Darüber hinaus führte sie eine Steatosis hepatis unklarer Genese mit Erhöhung der Leberwerte und leichter Lebervergrößerung auf. Wie schon Dr. G. zuvor erachtete Dr. B. auch weiterhin die ambulante Diagnostik und Therapie nicht für ausgeschöpft. Dr. B. erachtete die Klägerin für fähig, weiterhin leichte bis zeitweilig mittelschwere Tätigkeiten zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten; darüber hinaus führte sie die bereits von der Vorgutacherin genannten qualitativen Einschränkungen auf. Ebenso wie diese sah sie für die zuletzt ausgeübten, mit anhaltendem Gehen und Stehen verbundenen Tätigkeiten als Serviererin und Verkäuferin lediglich noch ein Leistungsvermögen von drei bis weniger als sechs Stunden täglich. Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 17.12.2013 und mit der Begründung ab, die Klägerin könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch zumindest sechs Stunden täglich erwerbstätig sein und sei daher nicht erwerbsgemindert. Den dagegen eingelegten Widerspruch, den die Klägerin damit begründete, dass sie auf Grund der gesundheitlichen Probleme, die durch den Hausarzt und den Orthopäden mehrfach bestätigt worden seien, erwerbsgemindert sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2014 zurück.

Am 04.04.2014 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben und im weiteren Verlauf des Verfahrens die Atteste des behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr. K. vom 18.08.2014 und 26.02.2015 vorgelegt.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Der Hautarzt Dr. L. hat von einer psoriasiformen Dermatitis der Hände und Füße, einer Typ-IV-Sensibilisierung auf Nickel, Perubalsam und Vanillin, einer Pollinosis, einem chronischen Lymphödem und einem Fibrolipom am linken Oberschenkel berichtet und die Ausübung leichter beruflicher Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich für möglich erachtet. Dr. K. hat von einer Kniearthrose rechts, Abnutzungserscheinungen der Lendenwirbelsäule (LWS), einer Wasseransammlung in den Beinen, einer Leberwerterhöhung sowie einer Zuckererkrankung berichtet und die Klägerin nicht mehr für in der Lage erachtet, leichte Tätigkeiten zumindest sechs Stunden täglich auszuüben. Der Facharzt für Orthopädie Dr. H. hat über eine Adipositas, eine Chondromalazia patellae rechts sowie eine Chondrose der LWS berichtet und ausgeführt, die Klägerin sei in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.

Hierzu hat sich die Beklagte unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme der Fachärztin für Innere Medizin Dr. J. geäußert.

Mit Urteil vom 02.06.2015 hat das SG die Klage abgewiesen Es hat sich im Wesentlichen auf das Gutachten der Dr. B. und die Einschätzung der behandelnden Ärzte Dr. H. und Dr. L. gestützt. Die Auffassung des Dr. K. hat es nicht für überzeugend erachtet.

Gegen das ihr am 15.06.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.07.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt, die sie damit begründet hat, dass sie weiterhin an Schmerzen leide und keine Besserung eingetreten sei.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 02.06.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.03.2014 zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsminderung ab 01.10.2013 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 17.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.03.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig, weshalb ihr weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit, zusteht.

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass die Klägerin diese Voraussetzungen trotz der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht erfüllt, weil sie unter Berücksichtigung der von Dr. B. im Einzelnen aufgeführten qualitativen Einschränkungen (Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen, ohne häufiges Heben und Tragen von Lasten über zehn bis zwölf Kilogramm, ohne häufiges Knien und Hocken, Klettern und Steigen, in Tages- und Wechselschicht) noch in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von sechs Stunden täglich zu verrichten und mit diesem Leistungsvermögen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Zutreffend hat das SG darüber hinaus auch ausgeführt, dass eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI bereits auf Grund der nach dem 01.01.1961 liegenden Geburt der Klägerin ausscheidet. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ebenso wie das SG geht auch der Senat davon aus, dass die Klägerin in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit in erster Linie durch Gesundheitsstörungen von orthopädischer Seite beeinträchtigt ist, was sich sowohl dem Gutachten der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren hinzugezogenen Gutachterin Dr. B. als auch den Auskünften der behandelnden Ärzte Dr. H. und Dr. K. entnehmen lässt. Im Vordergrund stehen dabei Beschwerden im Bereich des Kniegelenks rechts, bedingt durch eine Chondromalazia patellae, sowie Schmerzen im Bereich der LWS aufgrund einer Chondrose. Hierdurch verbieten sich schwere und überwiegend mittelschwere Arbeiten, Tätigkeiten, die in ständigem Gehen und Stehen ausgeübt werden, wie dies bei den von der Klägerin bisher ausgeübten Tätigkeiten als Verkäuferin oder Serviererin der Fall war, sowie Tätigkeiten mit häufigem Knien, Hocken, Klettern und Steigen. Der Senat sieht keine Gründe, die der Ausübung von wenigstens sechsstündigen leichten bis gelegentlich mittelschweren Tätigkeiten, die diesen qualitativen Einschränkungen Rechnung tragen, entgegen stehen könnten. Neben der Gutachterin Dr. B. ist auch der behandelnde Orthopäde Dr. H. von einem Leistungsvermögen für leichte berufliche Tätigkeiten von wenigstens sechs Stunden täglich ausgegangen. Er hat die Klägerin insbesondere auch nicht von Seiten des rechten Kniegelenks für schwer beeinträchtigt erachtet. Denn eine wesentliche Einschränkung der Gehfähigkeit hat er ausdrücklich verneint.

Soweit der Allgemeinarzt Dr. K. leichte Tätigkeiten in einem Umfang von wenigstens sechs Stunden täglich nicht mehr für möglich hält, überzeugt dies aus den bereits vom SG dargelegten Gründen nicht. Auch hat er weder in seiner dem SG erteilten Auskunft noch in den von der Klägerin vorgelegten Attesten Befunde dokumentiert, anhand derer seine weitreichende Leistungseinschränkung nachvollzogen werden könnte. Im Übrigen hat Dr. K. in dem von der Klägerin vorgelegten Attest vom 26.02.2015, das ausdrücklich "Zur Vorlage beim Arbeitgeber" vorgesehen war, auf Grund ihres Rückenleidens und der Knieerkrankung Tätigkeiten im Umfang von mehr als drei Stunden täglich auch nur für körperlich schwer belastende Arbeiten ausgeschlossen und damit entsprechende Einschränkungen für leichte Tätigkeiten aber offenbar gerade nicht gesehen. Die erstmals im Attest vom 18.08.2014 erwähnten Schulterschmerzen beidseits finden hier im Übrigen keine Erwähnung mehr. Somit überzeugt nicht, dass Dr. K. im Rahmen seiner dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge auch für leichte berufliche Tätigkeiten keine Leistungsfähigkeit gesehen hat. Denn auch die von internistischer Seite vorliegenden Gesundheitsstörungen sind nicht so schwerwiegend, dass daraus ein aufgehobenes Leistungsvermögen resultieren könnte. Denn weder aus der von ihm aufgeführten Leber- und Zuckererkrankung noch der Wasseransammlung in den Beinen lassen sich Funktionsbeeinträchtigungen, die einer leichten beruflichen Tätigkeit im Umfang von sechs Stunden entgegen stehen könnten, ableiten. Zutreffend hat für die Beklagte insoweit Dr. J. darauf hingewiesen, dass die von der Gutachterin Dr. B. beschriebenen pathologischen Leberwerte, die keinen Hinweis auf eine Störung der Synthese- und Entgiftungsfunktion enthalten, das Leistungsvermögen ebenso wenig quantitativ einschränken wie die aufgeführte Zuckerkrankheit. Entsprechendes gilt auch für die Wassereinlagerungen im Gewebe, die bei der Klägerin - so Dr. J. - im Rahmen der Schilddrüsenunterfunktion auftreten, und durch die Einnahme von Schilddrüsenhormonen behandelbar sind. Im Hinblick darauf hat im Übrigen Dr. L. darauf hingewiesen, dass von dem chronischen Lymphödem bei Benutzung von Kompressionsstrümpfen Auswirkungen auf die Gehfähigkeit nicht ausgehen.

Nach alledem ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit in einem rentenbegründenden Ausmaß eingeschränkt sein könnte. Soweit sie im Berufungsverfahren im Rahmen der erfolgten Anhörung zuletzt ohne Begründung vorgebracht hat, ihr Gesundheitszustand verschlechtere sich weiterhin, ergibt sich hieraus nichts anderes. Insbesondere begründet dieses unsubstantiierte Vorbringen vor dem Hintergrund des naturgemäß belastungsabhängigen und wechselnden Beschwerdebild keine Notwendigkeit, quasi "ins Blaue hinein" weitere Ermittlungen durchzuführen.

Die Berufung der Klägerin kann somit keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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