Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 106 R 1571/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 823/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. September 2014 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 789,45 EUR zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 789,45 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht in Streit, ob das beklagte Geldinstitut (rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts) verpflichtet ist, dem klagenden Rentenversicherungsträger zu Unrecht erbrachte Geldleistungen (Rentenzahlungen iHv 789,45 EUR) zurück zu überweisen.
Die 1928 geborene und 2011 verstorbene A H (im Folgenden: Rentenbezieherin) bezog von der Klägerin eine Witwenrente (nach ihrem 1929 geborenen und 1980 verstorbenen Ehegatten; Versicherungsnummer ; Zahlbetrag zuletzt für Juli 2011: 708,41 EUR monatlich) und eine Versichertenrente (Versicherungsnummer ; Zahlbetrag zuletzt für Juli 2011: 81,04 EUR monatlich). Beide Renten wurden auf ein bei der Beklagten errichtetes Girokonto der Rentenbezieherin überwiesen (Konto Nummer ), zuletzt für Juli 2011 mit Gutschriften vom 30. Juni 2011. Die Beklagte hatte seit dem 24. Juni 2011 (Todestag) Kenntnis vom Tod der Rentenbezieherin (vgl. Auskunft vom 20. Juli 2011). Am 8. Juli 2011 hob der Sohn und Betreuer der Rentenbezieherin von dem Konto, das seinerzeit noch ein Guthaben iHv 7.221,03 EUR aufgewiesen hatte, 7.200,- EUR in bar ab und beantragte die Auflösung des Kontos, die zum 11. Juli 2011 erfolgte; auf die Umsatzübersicht vom 24. Juni 2011 bis 11. Juli 2011 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 10. Mai 2012) wird Bezug genommen.
Am 14. Juli 2011 erhielt die Klägerin für beide Rentenzahlungen vom Rentenservice die Mitteilung, dass die Zahlung der Renten aufgrund des Todes der Rentenbezieherin eingestellt und die Rentenbeträge für Juli 2011 iHv 692,56 EUR bzw. 79,23 EUR zu Unrecht gezahlt worden seien (insgesamt 771,79 EUR). Das Rückzahlungsverlangen des Rentenservice für beide Renten ging der Beklagten am 20. Juli 2011 zu. Mit Schreiben vom 31. August 2011 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die überzahlten Rentenbeträge für Juli 2011 iHv 771,79 EUR zurück zu überweisen. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2012 antwortete die Beklagte, dass das Konto von einem Berechtigten aufgelöst und geschlossen worden sei. Eine Erstattung komme daher mangels Guthabens nicht in Betracht.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie (die Klägerin) 789,45 EUR zu zahlen. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 2. September 2014). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Beklagte könne sich auf den Auszahlungseinwand des § 118 Abs. 3 Satz 3 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) berufen, weil zum Zeitpunkt des Eingangs des Rückforderungsverlangens am 20. Juli 2011 über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt worden und das Konto aufgelöst gewesen sei. Darauf, dass die Beklagte seinerzeit schon Kenntnis vom Tod der Rentenbezieherin gehabt habe (Bezugnahme auf Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 22. April 2008 – B 5a/4 R 79/06 R – juris), komme es nicht an.
Mit ihrer Berufung wendet sich die Klägerin gegen dieses Urteil und stützt sich insbesondere auf Entscheidungen des BSG und der Instanzgerichte, wonach nach Kenntnisnahme des Kreditinstituts vom Ableben des Rentenbeziehers der Auszahlungseinwand des § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI nicht mehr zum Tragen komme. Die öffentlich-rechtliche Erstattungspflicht überlagere die zivilrechtlichen Verpflichtungen des Kreditinstituts aus dem Kontovertrag.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. September 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 789,45 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Gerichtsakte und die Rentenakten der Klägerin haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 153, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an sie 789,45 EUR zu zahlen.
Rechtsgrundlage des von der Klägerin erhobenen Zahlungsanspruchs ist § 118 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VI. Dessen Voraussetzungen sind gegeben. Die Klägerin hat die Geldleistungen, die sie für den Monat Juli 2011 auf das bei der Beklagten errichtete Girokonto der Rentenbezieherin überwiesen hat, "zu Unrecht" geleistet. Gemäß § 102 Abs. 5 SGB VI waren die der Rentenbezieherin bewilligte Witwenrente und die eigene Versichertenrente nur bis zum 30. Juni 2011 zu leisten. Die diese Renten bewilligenden Bescheide hatten sich mit dem Tod der Rentenbezieherin "auf andere Weise" iSv § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) erledigt (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2008, B 13 R 48/07 R - juris). Mit Schreiben vom 31. August 2011 hat die Klägerin von der Beklagten 771,79 EUR, später im Termin zur mündlichen Verhandlung 789,45 EUR "als zu Unrecht erbracht" zurückgefordert (§ 118 Abs. 3 Satz 2 SGB VI).
Auf § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI kann sich die Beklagte ab dem 24. Juni 2011 nicht berufen. Die hier in Rede stehenden Rentengutschriften vom 30. Juni 2011 waren daher von Anbeginn mit dem gesetzlichen Vorbehalt des § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI belegt, so dass die Beklagte dem Rückforderungsverlangen die nach den Rentengutschriften erfolgten anderweitigen Verfügungen nicht entgegen halten durfte, soweit das Guthaben (nach Eingang der Rentengutschriften am 30. Juni 2011 7.788,89 EUR) unter den Schutzbetrag ("entsprechenden Betrag" iSv § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI) fiel.
Nach Auffassung des 5. Senats des BSG, dessen Rechtsprechung der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, kann sich ein Geldinstitut unter bestimmten Voraussetzungen auf den Auszahlungseinwand des § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI nicht berufen, nämlich ab dem Zeitpunkt, in dem es "vom Ableben des Rentenempfängers" weiß oder "zu einer entsprechenden Prüfung" Anlass hat (vgl. die Urteile des 5. Senats des BSG vom 3. Juni 2009 - B 5 R 65/07 R - und - B 5 R 120/07 R -, die zu¬rückgreifen auf das Urteil des 5a. Senat des BSG vom 22. April 2008 - B 5a/4 R 79/06 R – jeweils juris; dieser Auffassung angeschlossen haben sich: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24. Juni 2010, - 2 C 14/09 -; Hessisches Landessozialgericht – LSG -, Urteil vom 13. Februar 2013 - L 2 R 262/ 12 - juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 2. Juli 2013 - L 13 R 2202/12 - juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. September 2013 – L 4 R 496/98 – juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Januar 2014 – L 14 R 1000/12 – juris; Körner, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Lsbl., § 118 SGB VI Rn. 22). Die Beklagte hatte nach ihrem eigenen Vorbringen bereits seit dem Todestag Kenntnis vom Tod der Rentenbezieherin und damit auch vom Vorbehalt des § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI. Über die gutgeschriebenen Rentenbeträge für Juli 2011 hätte sie daher am 8. Juli 2011 nicht mehr verfügen dürfen.
Dieser Rechtsprechung stehen auch die nach Maßgabe des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdienste-Richtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29. Juli 2009 mWv 31. Oktober 2009 in Kraft getretenen Neuregelungen der §§ 675c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), namentlich die §§ 675o Abs. 2, 675t Abs. 1 Satz 1, 675y Abs. 1 BGB, nicht entgegen, weil die privatrechtlichen Beziehungen zwischen Bankkunde und Geldinstitut durch den öffentlich-rechtlichen Vorbehalt in § 118 Abs. 3 SGB VI überlagert werden. Denn bei § 118 Abs. 3 und 4 SGB VI handelt es sich um ein "privatrechtsverdrängendes" öffentliches "Sonderrecht des Staates", das den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung besondere Ansprüche auf "Rücküberweisung" (§ 118 Abs. 3 Satz 2 SGB VI) und "Erstattung" (§ 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI) gegen bestimmte Privatrechtssubjekte zugesteht, die dem Zivilrecht "vorgelagert" sind (vgl. schon BSG, Urteil vom 4. August 1998 – B 4 RA 72/97 R – juris; BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 13 R 48/07 R - juris). Weshalb sich hier durch die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht betreffend die zivilrechtliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zwischen Bankkunde und Geldinstitut eine andere Beurteilung ergeben sollte, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen verkennt die Beklagte, dass es nicht darauf ankommt, ob sie – worauf sie zutreffend hinweist - einen ausgeführten Zahlungsauftrag oder eine ausgeführte Überweisung nicht mehr rückabwickeln kann bzw. darf und die Gutschrift definitiv auf dem Konto des Zahlungsempfängers erfolgt. Denn hier hätte sie entsprechende Zahlungsaufträge nach Kenntnisnahme vom Tod des Rentenbeziehers gar nicht mehr ausführen dürfen, soweit dadurch das Kontoguthaben unterhalb des Schutzbetrages gesenkt wurde. Tut sie dies dennoch, geht dies zu ihren Lasten. Schließlich kann die Beklagte der Klägerin auch nicht die Auflösung des Girokontos der Rentenbezieherin am 11. Juli 2011 entgegen halten; denn auch diese stellte eine anderweitige Verfügung iSv 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war ungeachtet der von der Beklagten dargelegten anderslautenden Rechtsprechung einzelner Sozialgerichte und eines Senats des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Eine grundsätzliche Bedeutung ist im Hinblick auf die höchstrichterlich bereits entschiedenen Rechtsfragen nicht erkennbar. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung auch nicht von einer Entscheidung des BSG ab. Eine Divergenz im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG setzt voraus, dass von einem die Entscheidung des BSG tragenden Rechtsatz abgewichen wird (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 160 Rn. 13), was hier nicht der Fall ist.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht in Streit, ob das beklagte Geldinstitut (rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts) verpflichtet ist, dem klagenden Rentenversicherungsträger zu Unrecht erbrachte Geldleistungen (Rentenzahlungen iHv 789,45 EUR) zurück zu überweisen.
Die 1928 geborene und 2011 verstorbene A H (im Folgenden: Rentenbezieherin) bezog von der Klägerin eine Witwenrente (nach ihrem 1929 geborenen und 1980 verstorbenen Ehegatten; Versicherungsnummer ; Zahlbetrag zuletzt für Juli 2011: 708,41 EUR monatlich) und eine Versichertenrente (Versicherungsnummer ; Zahlbetrag zuletzt für Juli 2011: 81,04 EUR monatlich). Beide Renten wurden auf ein bei der Beklagten errichtetes Girokonto der Rentenbezieherin überwiesen (Konto Nummer ), zuletzt für Juli 2011 mit Gutschriften vom 30. Juni 2011. Die Beklagte hatte seit dem 24. Juni 2011 (Todestag) Kenntnis vom Tod der Rentenbezieherin (vgl. Auskunft vom 20. Juli 2011). Am 8. Juli 2011 hob der Sohn und Betreuer der Rentenbezieherin von dem Konto, das seinerzeit noch ein Guthaben iHv 7.221,03 EUR aufgewiesen hatte, 7.200,- EUR in bar ab und beantragte die Auflösung des Kontos, die zum 11. Juli 2011 erfolgte; auf die Umsatzübersicht vom 24. Juni 2011 bis 11. Juli 2011 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 10. Mai 2012) wird Bezug genommen.
Am 14. Juli 2011 erhielt die Klägerin für beide Rentenzahlungen vom Rentenservice die Mitteilung, dass die Zahlung der Renten aufgrund des Todes der Rentenbezieherin eingestellt und die Rentenbeträge für Juli 2011 iHv 692,56 EUR bzw. 79,23 EUR zu Unrecht gezahlt worden seien (insgesamt 771,79 EUR). Das Rückzahlungsverlangen des Rentenservice für beide Renten ging der Beklagten am 20. Juli 2011 zu. Mit Schreiben vom 31. August 2011 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die überzahlten Rentenbeträge für Juli 2011 iHv 771,79 EUR zurück zu überweisen. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2012 antwortete die Beklagte, dass das Konto von einem Berechtigten aufgelöst und geschlossen worden sei. Eine Erstattung komme daher mangels Guthabens nicht in Betracht.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie (die Klägerin) 789,45 EUR zu zahlen. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 2. September 2014). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Beklagte könne sich auf den Auszahlungseinwand des § 118 Abs. 3 Satz 3 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) berufen, weil zum Zeitpunkt des Eingangs des Rückforderungsverlangens am 20. Juli 2011 über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt worden und das Konto aufgelöst gewesen sei. Darauf, dass die Beklagte seinerzeit schon Kenntnis vom Tod der Rentenbezieherin gehabt habe (Bezugnahme auf Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 22. April 2008 – B 5a/4 R 79/06 R – juris), komme es nicht an.
Mit ihrer Berufung wendet sich die Klägerin gegen dieses Urteil und stützt sich insbesondere auf Entscheidungen des BSG und der Instanzgerichte, wonach nach Kenntnisnahme des Kreditinstituts vom Ableben des Rentenbeziehers der Auszahlungseinwand des § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI nicht mehr zum Tragen komme. Die öffentlich-rechtliche Erstattungspflicht überlagere die zivilrechtlichen Verpflichtungen des Kreditinstituts aus dem Kontovertrag.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. September 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 789,45 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Gerichtsakte und die Rentenakten der Klägerin haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 153, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an sie 789,45 EUR zu zahlen.
Rechtsgrundlage des von der Klägerin erhobenen Zahlungsanspruchs ist § 118 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VI. Dessen Voraussetzungen sind gegeben. Die Klägerin hat die Geldleistungen, die sie für den Monat Juli 2011 auf das bei der Beklagten errichtete Girokonto der Rentenbezieherin überwiesen hat, "zu Unrecht" geleistet. Gemäß § 102 Abs. 5 SGB VI waren die der Rentenbezieherin bewilligte Witwenrente und die eigene Versichertenrente nur bis zum 30. Juni 2011 zu leisten. Die diese Renten bewilligenden Bescheide hatten sich mit dem Tod der Rentenbezieherin "auf andere Weise" iSv § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) erledigt (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2008, B 13 R 48/07 R - juris). Mit Schreiben vom 31. August 2011 hat die Klägerin von der Beklagten 771,79 EUR, später im Termin zur mündlichen Verhandlung 789,45 EUR "als zu Unrecht erbracht" zurückgefordert (§ 118 Abs. 3 Satz 2 SGB VI).
Auf § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI kann sich die Beklagte ab dem 24. Juni 2011 nicht berufen. Die hier in Rede stehenden Rentengutschriften vom 30. Juni 2011 waren daher von Anbeginn mit dem gesetzlichen Vorbehalt des § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI belegt, so dass die Beklagte dem Rückforderungsverlangen die nach den Rentengutschriften erfolgten anderweitigen Verfügungen nicht entgegen halten durfte, soweit das Guthaben (nach Eingang der Rentengutschriften am 30. Juni 2011 7.788,89 EUR) unter den Schutzbetrag ("entsprechenden Betrag" iSv § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI) fiel.
Nach Auffassung des 5. Senats des BSG, dessen Rechtsprechung der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, kann sich ein Geldinstitut unter bestimmten Voraussetzungen auf den Auszahlungseinwand des § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI nicht berufen, nämlich ab dem Zeitpunkt, in dem es "vom Ableben des Rentenempfängers" weiß oder "zu einer entsprechenden Prüfung" Anlass hat (vgl. die Urteile des 5. Senats des BSG vom 3. Juni 2009 - B 5 R 65/07 R - und - B 5 R 120/07 R -, die zu¬rückgreifen auf das Urteil des 5a. Senat des BSG vom 22. April 2008 - B 5a/4 R 79/06 R – jeweils juris; dieser Auffassung angeschlossen haben sich: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24. Juni 2010, - 2 C 14/09 -; Hessisches Landessozialgericht – LSG -, Urteil vom 13. Februar 2013 - L 2 R 262/ 12 - juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 2. Juli 2013 - L 13 R 2202/12 - juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. September 2013 – L 4 R 496/98 – juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Januar 2014 – L 14 R 1000/12 – juris; Körner, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Lsbl., § 118 SGB VI Rn. 22). Die Beklagte hatte nach ihrem eigenen Vorbringen bereits seit dem Todestag Kenntnis vom Tod der Rentenbezieherin und damit auch vom Vorbehalt des § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI. Über die gutgeschriebenen Rentenbeträge für Juli 2011 hätte sie daher am 8. Juli 2011 nicht mehr verfügen dürfen.
Dieser Rechtsprechung stehen auch die nach Maßgabe des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdienste-Richtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29. Juli 2009 mWv 31. Oktober 2009 in Kraft getretenen Neuregelungen der §§ 675c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), namentlich die §§ 675o Abs. 2, 675t Abs. 1 Satz 1, 675y Abs. 1 BGB, nicht entgegen, weil die privatrechtlichen Beziehungen zwischen Bankkunde und Geldinstitut durch den öffentlich-rechtlichen Vorbehalt in § 118 Abs. 3 SGB VI überlagert werden. Denn bei § 118 Abs. 3 und 4 SGB VI handelt es sich um ein "privatrechtsverdrängendes" öffentliches "Sonderrecht des Staates", das den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung besondere Ansprüche auf "Rücküberweisung" (§ 118 Abs. 3 Satz 2 SGB VI) und "Erstattung" (§ 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI) gegen bestimmte Privatrechtssubjekte zugesteht, die dem Zivilrecht "vorgelagert" sind (vgl. schon BSG, Urteil vom 4. August 1998 – B 4 RA 72/97 R – juris; BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 13 R 48/07 R - juris). Weshalb sich hier durch die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht betreffend die zivilrechtliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zwischen Bankkunde und Geldinstitut eine andere Beurteilung ergeben sollte, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen verkennt die Beklagte, dass es nicht darauf ankommt, ob sie – worauf sie zutreffend hinweist - einen ausgeführten Zahlungsauftrag oder eine ausgeführte Überweisung nicht mehr rückabwickeln kann bzw. darf und die Gutschrift definitiv auf dem Konto des Zahlungsempfängers erfolgt. Denn hier hätte sie entsprechende Zahlungsaufträge nach Kenntnisnahme vom Tod des Rentenbeziehers gar nicht mehr ausführen dürfen, soweit dadurch das Kontoguthaben unterhalb des Schutzbetrages gesenkt wurde. Tut sie dies dennoch, geht dies zu ihren Lasten. Schließlich kann die Beklagte der Klägerin auch nicht die Auflösung des Girokontos der Rentenbezieherin am 11. Juli 2011 entgegen halten; denn auch diese stellte eine anderweitige Verfügung iSv 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war ungeachtet der von der Beklagten dargelegten anderslautenden Rechtsprechung einzelner Sozialgerichte und eines Senats des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Eine grundsätzliche Bedeutung ist im Hinblick auf die höchstrichterlich bereits entschiedenen Rechtsfragen nicht erkennbar. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung auch nicht von einer Entscheidung des BSG ab. Eine Divergenz im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG setzt voraus, dass von einem die Entscheidung des BSG tragenden Rechtsatz abgewichen wird (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 160 Rn. 13), was hier nicht der Fall ist.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
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