L 16 R 39/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 20 R 4106/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 39/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. November 2014 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. November 2010 bis 31. August 2011 weitere Rentenleistungen auszuzahlen hat.

Der 1955 geborene Kläger bezog von der Beklagten eine vom 1. November 2006 bis 31. Oktober 2010 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung – EM - (Bescheid vom 8. Dezember 2010). Im Weitergewährungsverfahren bewilligte die Beklagte für die Zeit ab 1. November 2010 aus medizinischen Gründen Rente wegen voller EM auf Dauer (Bescheid vom 15. Juli 2011; Zahlbetrag ab 1. September 2011 = 689,35 EUR; Zahlbeträge für November und Dezember 2010 = monatlich 685,03 EUR, für Januar 2011 bis Juni 2011 = monatlich 682,75 EUR und für Juli bis August 2011 = monatlich 689,53 EUR). Die für den Zeitraum vom 1. November 2010 bis 31. August 2011 errechnete Rentennachzahlung iHv 5.750,88 EUR behielt sie vorläufig ein.

Der Kläger und seine mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft lebende Ehefrau erhielten im Streitzeitraum von dem Beigeladenen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) in Höhe eines monatlichen Gesamtbetrages von 883,85 EUR (November 2010), 822,32 EUR (Dezember 2010) bzw 967,54 EUR (Januar 2011 bis August 2011); auf die Bewilligungsbescheide vom 3. Juni 2010, 16. November 2010 und 5. Mai 2011 wird wegen der Ansprüche des Klägers und seiner Ehefrau im Einzelnen Bezug genommen.

Der Beigeladene machte mit Schreiben vom 19. Oktober 2011 bei der Beklagten Erstattungsansprüche wegen der in der Zeit vom 1. November 2010 bis 31. August 2011 erbrachten SGB II-Leistungen in einer Gesamthöhe von 5.723,08 EUR geltend; auf die Aufstellung des Erstattungsanspruchs im Einzelnen wird Bezug genommen. Die Beklagte kehrte den genannten Betrag aus der ermittelten Nachzahlung an den Beigeladenen aus und teilte dem Kläger mit Schreiben vom 27. Oktober 2011 mit, dass der Restbetrag iHv 27,80 EUR an ihn gezahlt werde. Den hiergegen eingelegten Widerspruch verwarf die Beklagte als unzulässig (Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2012).

Der auf Auszahlung weiterer 887,47 EUR gerichteten Leistungsklage des Klägers hat das Sozialgericht (SG) Berlin stattgegeben (Urteil vom 17. November 2014). Zur Begründung ist ausgeführt: Dem Beigeladenen stehe zwar dem Grunde nach ein Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), weil er im streitigen Zeitraum dem Kläger trotz fehlender Erwerbsfähigkeit als unzuständiger Träger SGB II-Leistungen gewährt habe. Zu erstatten seien indes aus der Rentennachzahlung nur die dem Kläger im Streitzeitraum gewährten individuellen SGB II-Leistungen, nicht jene der Ehefrau. Dabei handele es sich um einen Betrag iHv insgesamt 4.842,61 EUR. Insoweit sei der Anspruch des Klägers auf Auszahlung der festgestellten Rentenbeträge erloschen. Die abzüglich der geleisteten Zahlung iHv 27,80 EUR verbleibende Differenz von 880,47 EUR habe die Beklagte noch an den Kläger zu zahlen.

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Der Erstattungsanspruch des Beigeladenen nach § 104 SGB X umfasse nach § 34b SGB II (bis 31. März 2011 § 34a SGB II) auch die an die Ehefrau erbrachten Leistungen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. November 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, Anspruchsgrundlage der Erstattungsforderung des Beigeladenen sei hier der mWv 1. Januar 2015 eingeführte § 40a SGB II. § 34b SGB II sei auf diesen Erstattungsanspruch nicht anwendbar.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich der Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Gerichtsakten und die Rentenakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Die von dem Kläger erhobene und statthafte allgemeine Leistungsklage (vgl. § 54 Abs. 5 SGG) auf Zahlung weiterer, mit bestandskräftigem Bescheid vom 15. Juli 2011 bewilligter Rentenleistungen, hier eines (weiteren) Betrages iHv 880,47 EUR aus der festgestellten EM-Rentennachzahlung für die Zeit vom 1. November 2010 bis 31. August 2011, ist begründet. Der entsprechende Auszahlungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten gilt gemäß § 107 Abs. 1 SGB X nicht als erfüllt. Ein entsprechender Erstattungsanspruch des Beigeladenen, der Leistungen umfassen würde, die der Ehefrau des Klägers in der Zeit vom 1. November 2010 bis 31. August 2011 bewilligt worden waren, besteht nicht.

Der Beigeladene kann zunächst nicht die spezielle Erstattungsregelung nach § 44a Abs. 3 Satz 1 SGB II in der seit 1. Januar 2011 geltenden Fassung für sich beanspruchen. Hiernach steht den Leistungsträgern des SGB II ein Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X zu, wenn dem Hilfebedürftigen eine andere Sozialleistung zuerkannt wird. Dies setzt indes voraus, dass die Agentur für Arbeit entscheidet, dass ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht besteht. Mit der schon zum 1. August 2006 eingeführten Ergänzung der Erstattungsregelung in § 44a Abs. 2 Satz 1 SGB II (Fassung 2006) sollte klargestellt werden, dass in den Fällen, in denen ein anderer als die SGB II-Träger leistungspflichtig ist, dieser den Trägern der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechend § 103 SGB X erstattungspflichtig ist (vgl BT-Drucks 16/1410 S 27). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 44a Abs. 3 Satz 1 SGBII liegen hier jedoch nicht vor.

Die genannte Vorschrift ordnet an, dass die zuständigen Träger Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bis zur Entscheidung über einen Widerspruch iSv § 44a Abs. 1 SGB II zu erbringen haben. Sie ist als Nahtlosigkeitsregelung nach dem Vorbild des § 125 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) aF interpretiert worden und nicht als nur vorläufige Leistungspflicht der SGB II-Träger (vgl. BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2, RdNr. 19 f - zu § 44a S 3 SGB II (Fassung 2004)). Jedenfalls aber greift sie nur dann, wenn die zuständigen SGB II-Leistungsträger sich nicht für zuständig erachten oder zwischen den Leistungsträgern Uneinigkeit über die Erwerbsfähigkeit besteht (vgl. BSG, Urteile vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 11/11 R = SozR 4-1300 § 106 Nr. 1 und – B 13 R 9/12 R = SozR 4-1300 § 104 Nr. 5). Eine solche Konstellation lag hier jedoch nicht vor. Der Beigeladene hat selbst seine Pflicht zur Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) II im streitigen Zeitraum nicht in Frage gestellt. Mangels Streits oder eines Dissenses zwischen den Leistungsträgern über die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist der Anwendungsbereich von § 44a SGB II mithin nicht eröffnet. Der Kläger war zu keinem Zeitpunkt in einer Situation (bildlich gesprochen "zwischen zwei Stühlen", BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2, RdNr. 20, in der keiner der Leistungsträger Leistungen erbringen wollte (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 11/11 R -).

Ein Erstattungsanspruch des Beigeladenen gegen die Beklagte nach § 102 SGB X kommt nicht in Betracht, weil er die Leistungen nach dem SGB II nicht vorläufig erbracht hat. Denn hierfür bedarf es einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung (vgl. BSG aaO).

Dem Beigeladenen steht gegen die Beklagte auch kein Erstattungsanspruch in direkter Anwendung von § 103 Abs. 1 SGB X zu. Diese Norm setzt u.a. voraus, dass ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat und der Anspruch auf diese nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist. Ein sozialrechtlicher Leistungsanspruch entfällt iSv § 103 Abs. 1 Halbs. 1 SGB X nur, wenn durch die Erfüllung des (zweiten) Leistungsanspruchs der von einem zuständigen Leistungsträger erbrachte (erste) Leistungsanspruch (durch eine "Wegfallregelung" oder "-bestimmung": vgl. BSG SozR 1300 § 103 Nr. 5 S 24 f) zum Wegfall kommt (vgl. BSG, Urteile vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 11/11 R – und – B 13 R 9/12 R - mwN aus der Rspr. des BSG). Der Anspruch des Klägers auf die Leistungen nach dem SGB II ist aber weder durch die rückwirkende Gewährung noch durch die Auszahlung der vollen EM-Rente nachträglich ganz oder teilweise iSv § 103 Abs. 1 SGB X entfallen. Im SGB II existiert keine - § 142 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III aF vergleichbare - Regelung, die den Wegfall, das Ende oder das Ruhen der Leistungen nach dem SGB II für den Fall anordnet, dass eine Rente wegen voller EM rückwirkend zeitgleich gewährt wird. Ein "Entfallen" eines Anspruchs auf Sozialleistungen liegt nicht bereits dann vor, wenn sich nachträglich herausstellt, dass ein bei Bewilligung als gegeben angesehener anspruchsbegründender Umstand für die konkret gewährte Leistung (hier: Erwerbsfähigkeit für den Anspruch auf Alg II) in Wirklichkeit nicht vorgelegen hat (vgl. BSG aaO). § 103 SGB X regelt nicht den Fall, dass ein Leistungsträger - wie hier der Beigeladene in dem in Rede stehenden Zeitraum – Leistungen objektiv zu Unrecht erbracht hat, weil der Kläger aus medizinischen Gründen auf Dauer voll erwerbsgemindert iSv § 41 Abs. 1 Satz 1 iVm Abs. 3 Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) war und deshalb auch kein Anspruch auf Sozialgeld an Stelle des gezahlten Arbeitslosengeldes II bestand (vgl § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II).

Der Beigeladene kann vor diesem Hintergrund gegen die Beklagte aber auch einen Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers nach § 104 SGB X nicht geltend machen. "Nachrangig verpflichtet" ist gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ein Leistungsträger nur, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers (hier: des Rentenversicherungsträgers) selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Zwar ist dies im Verhältnis zwischen dem Beigeladenen und der Beklagten in der vorliegenden Konstellation der Fall (vgl. §§ 5 bzw. 12a SGB II). Auch im Rahmen des § 104 SGB X – Gleiches gilt für § 105 SGB X – müssen die Leistungen des nachrangig verpflichteten bzw. unzuständigen Leistungsträgers indes materiell rechtmäßig erbracht worden sein ("ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal", vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 11/11 R – Rn. 38 mwN aus der Rspr. des BSG). Dies war jedoch – wie dargelegt – gerade nicht der Fall.

Der Gesetzgeber hatte auch nach der bis 31. Dezember 2014 geltenden Rechtslage Erstattungsansprüche bei Erbringung von Leistungen an nicht Erwerbsfähige durch die - hierfür an sich nicht leistungsverpflichteten - SGB II-Träger geregelt. Er hat, wie bereits oben ausgeführt, im Jahre 2006 den speziellen Erstattungstatbestand in § 44a SGB II geschaffen. Diese ausdrückliche Erstattungsregelung erfasst indes erkennbar nur einen engen Teilbereich der Fälle, in denen SGB II-Leistungen rechtsgrundlos an nicht Erwerbsfähige gezahlt werden. Eine erweiternde Rechtsfortbildung auf jene Fälle, in denen die SGB II-Träger fälschlicherweise von der Erwerbsfähigkeit eines Antragstellers ausgehen, kommt nicht in Betracht (vgl. ausdrücklich BSG aaO Rn 40).

Mit In-Kraft-Treten des § 40a SGB II hat der Gesetzgeber aber nunmehr mWv 1. Januar 2009 (vgl. Art. 2 Abs. 2 des Achten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Ergänzung personalrechtlicher Bestimmungen vom 28. Juli 2014 – BGBl I S 1306) eine neue selbständige Erstattungsregelung in § 40a SGB II geschaffen. Deren tatbestandliche Voraussetzungen sind vorliegend zwar erfüllt. Ein Erstattungsanspruch hinsichtlich der der Ehefrau des Klägers gewährten SGB II-Leistungen folgt jedoch auch nicht aus § 40a iVm § 34b SGB II.

Nach § 40a SGB II steht dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter den Voraussetzungen des § 104 SGB X ein Erstattungsanspruch gegen den anderen Sozialleistungsträger zu, wenn einer leistungsberechtigten Person für denselben Zeitraum, für den der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II Leistungen erbracht hat, eine andere Sozialleistung bewilligt wird (Satz 1). Der Erstattungsanspruch besteht auch, soweit die Erbringung des Alg II allein auf Grund einer nachträglich festgestellten vollen Erwerbsminderung rechtswidrig war (Satz 2).

Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31. Oktober 2012 (- B 13 R 9/12 R und B 13 R 11/11 R -) reagiert, die nach Auffassung des Gesetzgebers in Bezug auf die Entstehung von Erstattungsansprüchen der Jobcenter gegenüber den Trägern der Rentenversicherung insbesondere bei rückwirkender Gewährung einer vollen EM-Rente zu Unsicherheiten in der Rechtsanwendung geführt haben (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Ergänzung personalrechtlicher Bestimmungen, BT-Drucks 18/1311). Der Gesetzgeber hat sich mit der Neuregelung von der Zielvorstellung leiten lassen, dass eine "doppelte Leistungserbringung" zu vermeiden sei. Der Leistungsempfänger solle mithin nicht dadurch im Ergebnis besser gestellt werden, dass ihm die Rentenleistungen erst im Nachhinein rückwirkend zugesprochen werden (vgl. BT-Drucks 18/1311 S 11 zu Nummer 2).

Die Voraussetzungen des § 40a SGB II sind hier – bezogen auf die SGB II-Leistungen an den Kläger in der Zeit vom 1. November 2010 bis 31. August 2011 - erfüllt. Durch die nachträglich festgestellte volle EM auf Dauer steht fest, dass der Beigeladene die SGB II-Leistungen an den Kläger in dem in Rede stehenden Zeitraum zu Unrecht erbracht hatte. Für den Zeitraum vom 1. November 2010 bis 31. August 2011 wurde dem Kläger von der Beklagten auch eine andere Sozialleistung, nämlich Rente wegen voller EM, bewilligt. Insoweit kommt es auf die weiteren Voraussetzungen des § 104 SGB X nach der Regelung in § 40a Satz 2 SGB II nicht an. Mit der letztgenannten Regelung sollte ein Erstattungsanspruch des SGB II-Trägers "neu begründet" werden (vgl. BT-Drucks 18/1311 S 11 zu Nummer 2).

Der Erstattungsanspruch des Beigeladenen umfasst dabei nach Maßgabe von § 34b SGB II entgegen der Auffassung des SG zwar grundsätzlich auch die Leistungen, die der Beigeladene an die nicht getrennt lebende Ehefrau erbracht hatte. § 34b SGB II setzt lediglich voraus, dass dem SGB II-Träger aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift ein Erstattungsanspruch u.a. gegen einen anderen Sozialleistungsträger - dieser geht dem § 33 SGB II vor (vgl. Link in Eicher/Spellbrink, SGB II 3. Auflage § 34b Rn. 12-14) – zusteht, hier nach Maßgabe des § 40a SGB II. Die Leistungen an die Ehefrau des Klägers waren aber nicht deshalb rechtswidrig, weil der Kläger – wie nachträglich festgestellt wurde – in dem in Rede stehenden Zeitraum bereits auf Dauer voll erwerbsgemindert war. Es fehlt daher insoweit bereits an einem originären Erstattungsanspruch des Beigeladenen bezüglich der der Ehefrau gewährten SGB II-Leistungen.

Ist ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft - hier der Kläger - nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II, ist § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II einschränkend dahingehend auszulegen, dass als Gesamtbedarf nur der Bedarf der hilfebedürftigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzusehen ist. Diesem Gesamtbedarf ist das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft gegenüberzustellen, das sich nach Abzug des eigenen Bedarfs des nicht hilfebedürftigen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft ergibt (vgl zum Ganzen grundlegend BSG, Urteil vom 15. April 2008 – B 14/7b AS 58/06 R = SozR 4-4200 § 9 Nr 5). Grund hierfür ist, dass der vom Leistungsbezug nach dem SGB II Ausgeschlossene ansonsten den auf ihn entfallenden Anteil am Gesamtbedarf nicht geltend machen könnte und auch Sozialhilfe nicht beanspruchen könnte, weil sein Einkommen nach § 19 SGB XII zuerst auf seinen eigenen Bedarf angerechnet würde. Vorliegend deckten die bewilligten EM-Rentenzahlbeträge in der Zeit vom 1. November 2010 bis 31. August 2011 iHv durchweg weniger als 700,- EUR monatlich nicht den SGB II-Bedarf des Klägers in diesem Zeitraum; dieser belief sich ausweislich der vorliegenden Leistungsbescheide auf deutlich mehr als 700,- EUR monatlich. Ein "überschießendes" Renteneinkommen, das auf den Bedarf der Ehefrau anzurechnen gewesen wäre, lag daher nicht vor. Die SGB II-Leistungen an die Ehefrau waren daher nicht wegen der nachträglich festgestellten vollen EM des Klägers auf Dauer "rechtswidrig" iSv § 40a SGB II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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