Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 185/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 KR 708/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 4.415,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.08.2014 zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Der Streitwert wird auf 4.415,58 EUR festgestellt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe einer vollstationären Krankenhausbehandlung. Die Klägerin fordert von dem Beklagten die Rückzahlung von 4.415,58 EUR.
Der Beklagte betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Dort behandelten seine Ärzte vom 26.10. bis 06.11.2009 den am 00.00.0000 geborenen bei der Klägerin versicherten I. S. (im Folgenden: Versicherte). Bei diesem war im November 2008 eine Femoralis-TEA (Thrombenarteriektomie) mit Dacron-Patchplastik links durchgeführt worden. Bei der Dacron-Patchplastik handelt es sich um eine Flickenplastik, bei der ein Kunststoffstreifen aus Dacron in ein eröffnetes Blutgefäß zur Abdeckung von Defekten und Erweiterung des Gefäßlumens eingenäht wird (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, S. 1446 zu "Patch-Plastik"). Am 26.10.2009 stellte sich der Versicherte im Krankenhaus des Beklagten "mit einem seit knapp drei Tagen bestehendem kalten, lividen (= blassbläulichen) Fuß" vor. Die Krankenhausärzten diagnostierten einen subakuten Verschluss der linken Arteria femoralis superficialis; noch am 26.10.2009 führten sie in diesem Bereich eine Thrombektomie durch.
Die Klägerin erkannte zunächst unter Vorbehalt die von dem Beklagten erstellte – überarbeitete dritte – Rechnung vom 31.12.2010 an und beglich die geforderte Vergütung für die Krankenhausbehandlung in Höhe von 8.671,21 EUR. Grundlage der Rechnung waren u.a. die Kodierung &61485; der Hauptdiagnose I74.3 (Embolie und Thrombose der Arterien der unteren Extremitäten), &61485; der Nebendiagnose D68.3 (Hämorrhagische Diathese durch Antikoagulanzien und Antikörper ), &61485; des Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 5-380.70 (Inzision, Embolektomie und Thrombektomie von Blutgefäßen: Arterien/Oberschenkel: A-femoralis) und &61485; des OPS 5-394.2 (Revision einer Blutgefäßoperation: Revision eines vaskulären Implantats). Unter Berücksichtigung dieser und weiterer (unstreitiger) Kodierungen rechnete der Beklagte die Fallpauschale (DRG = Diagnosis Related Group) F14A (Komplexe oder mehrfache Gefäßeingriffe außer große rekonstruktive Eingriffe mit komplizierender Konstellation oder Revision oder komplizierender Diagnose oder Alter ( 3 Jahre, mit äußerst schweren CC).
Im Rahmen des bereits im Januar 2010 eingeleiteten Prüfverfahrens kam der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) in gutachterlichen Stellungnahmen vom 31.03.2010, 13./14.10.2010 und 12.06.2013 zum Ergebnis, dass zwar die Kodierung u.a. der Hauptdiagnose I74.3 korrekt, dagegen die Kodierung der Nebendiagnose D68.3 und des OPS 5-394.2 nicht korrekt gewesen sei; dies habe zur Folge, dass die DRG F54Z (Komplexe oder mehrfache Gefäßeingriffe ohne komplizierende Konstellation, ohne Revision, ohne komplizierende Diagnose, Alter ) 2 Jahre oder mäßig komplexe Gefäßeingriffe mit komplizierender Diagnose, ohne äußerst schwere CC, ohne Rotationsthrombektomie) abzurechnen gewesen sei. Aus dieser DRG errechnete die Klägerin ein gegenüber der in Rechnung gestellte Vergütung um etwa die Hälfte niedrigeres Entgelt, nämlich 4.255,63 EUR.
Nach Abgabe einer bis 31.12.2014 geltenden Verjährungseinredeverzichtserklärung nahm der Beklagte durch seinen Oberarzt Q. und den Medizincontroller L. Stellung und meinte unter Hinweis auf medizinische Einzelheiten, die Kodierung des OPS 5-394.2 sei nicht zu streichen.
Am 01.08.2014 hat die Klägerin Klage auf Zahlung der Differenz zwischen den Entgelten für die DRG F14A und die DRG F54Z, nämlich 4.415,58 EUR erhoben. Sie meint, weder die Nebendiagnose D68.3 noch der OPS 5-394.2 hätten kodiert werden dürfen, weshalb (nur) die DRG F54Z hätte abgerechnet werden können. Die Beklage beruft sich für ihre Auffassung auf die Stellungnahmen des MDK.
In der Klageerwiderung vom 15.07.2014 hat der Beklagte erklärt, bei der Überprüfung der Kodierung sei aufgefallen, dass die Nebendiagnose I47.1 (supraventikuläre Trachykardie) fehle. Im Übrigen hat der Beklagte an seiner Auffassung festgehalten.
Daraufhin hat die Klägerin – unter Bezugnahme auf eine MDK-Stellungnahme vom 12.09.2014 – erklärt, dass sie zwar weiterhin die Nebendiagnose D68.3 und den OPS 5-394.2 für nicht kodierbar halte; unter Berücksichtigung der nun nachkodierten Nebendiagose I47.1 ergebe sich jedoch die DRG F59A und daraus ein Entgelt von 6.103,05 EUR, sodass unter Berücksichtigung aller Zu- und Abschläge eine Klageforderung von 2.489,04 EUR verbleibe.
Auf Anfrage der Klägerin und des Gerichts, ob der Behandlungsfall auf der Basis der DRG F59A abgerechnet werde und der Rechtsstreit dementsprechend seine Erledigung finden könne, erklärte sich der Beklagte damit nicht einverstanden. Er trug vor, dass bei dem Versicherten eine "Embolektomie bzw. Thrombektomie der Arteria femoralis" durchgeführt und der alte Patch wieder eröffnet worden sei; vor diesem Hintergrund sei der OPS 5-394.2 für die "Revision" sachgerecht.
Daraufhin hat das Gericht zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts ein Gutachten von dem Facharzt für Innere Medizin, medizinische Informatik und Leiter-Medizincontrolling bei der Caritasträgergesellschaft West, Dr. E., eingeholt. Dieser hat u.a. ausgeführt und begründet, dass die Nebendiagnosen D68.3 und I47.1 nicht zu kodieren gewesen seien; das Gleiche gelte für den OPS 5-394.2. Hierzu hat der Sachverständige ausgeführt, eine Revisionsoperation sei eine Operation mit der Zielsetzung der Behandlung einer Komplikation oder einer Wiederherstellung des ursprünglich vorhandenen beabsichtigten Zustandes; aus den Feststellungen im Operationsbericht (Patientenakte S. 19f) sei eine Maßnahme im Sinne einer Revision zur Behandlung einer Komplikation oder Wiederherstellung des ursprünglichen Therapieergebnisses im Bereich des Dacron-Patches nicht erkennbar. Der Sachverständige ist abschließend zum Ergebnis gekommen, dass die abzurechnende Fallpauschale die DRG F54Z gewesen sei. Wegen des weiteren Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 15.06.2015 verwiesen.
Die Klägerin sieht sich durch das Ergebnis des Gutachtens in ihrer Rechtsauffassung bestätigt. Sie hält die DRG F54Z und einen Vergütungsanspruch in Höhe von 4.255,63 EUR für zutreffend und deshalb ihren Anspruch auf Erstattung des Differenzbetrages zu der mit 8.671,21 EUR abgerechneten DRG F14A für begründet.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihr 4.415,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 01.08.2014 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, das Gutachten von Dr. E. weise in verschiedenen Punkten ein nicht ausreichendes chirurgisches Verständnis des Sachverhaltes auf. Aus der "ex ante"-Sicht der behandelnden Ärzte habe es realistisch erschienen, dass zur Behandlung des akuten Gefäßverschlusses eine Kontrolle und gegebenenfalls Behandlung des früheren Dacron-Patches ausreichen würde, d.h. keine weiteren, insbesondere auch keine kathedergestützten Maßnahmen erforderlich sein würden. Der Dacron-Patch sei quer eröffnet worden; dies habe nicht allein der Schaffung eines Zugangs zur verschlossenen Arterie gedient, sondern es seien auch wandständige Speckthromben im Bereich des Dacron-Patches entfernt worden; dieses Vorgehen stelle eine Revision des Dacron-Patches dar und sei abrechnungstechnisch durch Kodierung des OPS 5-394.2 darzustellen. Der OPS enthalte keine Definition des Begriffs "Revision". Die vom Gutachter angeführte Definition werde weder begründet noch belegt. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeute "Revision" eine prüfende Wiederdurchsicht. Das lateinische "revidere", auf das der Begriff zurückgehe, bedeute "wieder ansehen". Auch in anderen Zusammenhängen beinhalte eine Revision die Überprüfung, nicht jedoch zwingend die Änderung einer Beurteilung oder eines Verhaltens. Dass weitere Behandlungsmaßnahmen erforderlich gewesen und durchgeführt worden seien, ändere nichts daran, dass tatsächlich eine Revision des Dacron-Patches stattgefunden habe. Im Übrigen ist der Beklagte weiter der Auffassung, dass – entgegen der Feststellung des MDK und des Sachverständigen Dr. E. – auch die Nebendiagnose D68.3 zu kodieren gewesen sei. Die Angabe dieser Nebendiagnose sei schon deshalb erforderlich gewesen, um den durch die jüngere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) herausgearbeiteten umfassenden Informationspflichten des Beklagten gegenüber der Klägerin nachzukommen. Der Beklagte meint in diesem Zusammenhang, das Hämatom stelle eine Komplikation nach der durchgeführten Operation dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Klägerin sowie den vom Beklagten vorgelegten Kopien aus der den Versicherten betreffenden Patientenakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Bei einer auf Erstattung überzahlter Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage einer Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger geht es um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2000 – B 3 KR 33/99 R = BSGE 86,166 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1; Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.
Die Klage ist auch begründet
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs des Beklagten ist § 109 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch der Versicherten. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten (BSG, Urteil vom 13.12.2001 – B 3 KR 11/01 R = SozR 3-2500 § 112 Nr. 2; Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Die näheren Einzelheiten über Aufnahme und Entlassung der Versicherten, Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte sowie die Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung ist in den zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen einerseits und verschiedenen Krankenkassen sowie Landesverbänden der Krankenkassen andererseits geschlossenen Verträge nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB V geregelt.
Der Beklagte hat der Klägerin zu Unrecht für die Behandlung des Versicherten 8.671,21 EUR in Rechnung gestellt. Der Vergütungsanspruch ist auf 4.255,63 EUR begrenzt. Da die Klägerin auf die Rechnung des Beklagten vom 31.12.2012 bereits den darin geforderten Betrag gezahlt hat, steht ihr ein Anspruch auf Erstattung der überzahlten 4.415,58 EUR zu. Die konkrete Anspruchshöhe ergibt sich aus der Fallpauschale DRG F54Z und nicht – wie der Beklagte meint – aus der höher vergüteten DRG F14A. Dies folgt sich aus dem für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend begründeten Abrechnungsgutachten des Sachverständigen Dr. E. vom 15.06.2015. Der Sachverständige hat die vom Beklagten vorgelegten Krankenhausunterlagen ausgewertet und sich mit den Argumenten des MDK und der Ärzte des Krankenhauses auseinandergesetzt. Er hat dabei auch die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) beachtet und richtig angewandt. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf die Beurteilung der zwischen den Beteiligten streitigen Nebendiagnosen D68.3 und I47.1 sowie den OPS 5-394.2.
Zu der Nebendiagnose D68.3 (Hämorrhagische Diathese durch Antikoagulanzien und Antikörper) hat der Sachverständige auf den Seiten 30 bis 32 seines Gutachtens ausgeführt: "Diese Diagnose kennzeichnet eine durch Antikörper und gerinnungshemmende Medikamente ausgelöste Blutung. Für die Kodierung muss entsprechend den Kodierrichtlinien ein entsprechender Aufwand nachweisbar sein. Im Sinne der Kodierrichtlinien handelt es sich zunächst um einen abnormen Befund. Dieser wurde mittels Ultraschall kontrolliert. (4.11.2009 und 5.11.2009 vgl. die Krankenakte S. 43 und S. 44). Am 4.11. wird der Befund als "Serom" bezeichnet und am 5.11. als Hämatom. Ein Serom ist definiert als "Verhaltung von Wundsekret im Bereich einer oberflächlich verschlossenen Wunde (z. B. postoperativ). Ein Hämatom ist definiert als "durch Trauma, nach op. Eingriff od. bei Gerinnungsstörungen auch spontan entstandene Blutansammlung im Gewebe od. in einer anat. präformierten Körperhöhle (z. B. Hämarthros, Hämatothorax, Hämoperitoneum);". Die ausschließliche Kontrolle mittels Ultraschall stellt eine diagnostische Maßnahme dar, die entsprechend den Kodierrichtlinien ("abnorme Befunde") die Kodierung nicht rechtfertigt, da weitere Maßnahmen diesbezüglich nicht durchgeführt wurden. Eine erkennbare Modifikation der Gerinnungsmedikation erfolgte nicht. Der Patient wurde per Anordnung nach der Operation auf eine PTT-gesteuerte Heparingabe mit dem Zielbereich 60 - 80 sec. eingestellt (vgl. die Krankenakte S. 22), diese wurde nicht verändert, bis zum 3.11. erfolgte eine Antikoagulation mit 25.000 i.E. Heparin (vgl. die Krankenakte S. 38. bis 39). Entsprechende Laborwertkontrollen wurden durchgeführt, bei diesen lagen die Gerinnungswerte im hochnormalen Zielbereich (PTT bis 102,0 sec vgl. die Krankenakte S. 63). Durch eine höhere PTT wird eine Blutung eher begünstigt, zu erwarten wäre hier eine Anpassung des Wertes nach unten gewesen. Erst am 6.11. wird der Zielbereich nicht mehr erreicht, da parallel zur Heparingabe eine Marcumarisierung (orale Antikoagulation) durchgeführt wurde. Entsprechende Anordnungen der Gabe von Marcumar finden sich auf den Ausdrucken der Laborwerte (vgl. die Krankenakte S. 63 ff). Am 5.11. wurde Heparin abgesetzt, da sich der Quick-Wert im therapeutischen Bereich befand (38%, vgl. die Krankenakte S. 64, handschriftliche Notiz). Am 6.11. wurden dann für den folgenden Samstag und Sonntag die vorgegebenen Dosen von Marcumar bis zu Entlassung festgelegt. Ein erkennbarer dokumentierter Zusammenhang mit dem Hämatom/Serom, geht aus der Dokumentation nicht hervor, dies wird weder in den ärztlichen noch den pflegerischen Bestandteilen der Dokumentation angegeben. Die PTT Werte lagen eher über den Zielwerten die vom Krankenhaus festgelegt wurden, eine Reduktion der Heparingabe erfolgte offensichtlich nicht. Vielmehr ist aus gutachterlicher Sicht eine reguläre Umstellung von einer intravenösen auf eine orale Medikation der Antikoagulanzien erfolgt, wie sie üblicherweise vor der Entlassung erfolgt. Die Diagnose D68.3 Hämorrhagische Diathese durch Antikoagulanzien und Antikörper ist somit nicht zu kodieren, da sie keinen Aufwand im Sinne der Kodierrichtiinien darstellt."
Zu der Nebendiagnose I47.1 (Supraventrikuläre Trachykardie) hat der Sachverständige auf den Seiten 39 und 40 seines Gutachtens ausgeführt: "Diese Diagnose ist anhand der Dokumentation nicht nachvollziehbar. Eine Tachykardie ist ein anhaltend beschleunigter Puls auf über 100 Schläge pro Minute in Ruhe beim erwachsenen Menschen (vgl. z. B. die Lehrbücher der Inneren Medizin). Eine supraventrikuläre Tachykardie hat ihren Ursprungsort im Bereich oberhalb der Herzkammern. Rhythmusstörungen dieser Art werden im EKG bzw. im Langzeit-EKG (über 24 Stunden) festgestellt. Diese Untersuchungen wurden bei dem Patienten durchgeführt (vgl. die Seiten 2, 40ff der Krankenakte). Im Ruhe-EKG ist keine Tachykardie erkennbar, im Langzeit-EKG (Seite 2 der Krankenakte) findet sich die Angabe 14 SVT (Supraventrikuläre Tachykardien), die mittlere Herzfrequenz über den Untersuchungszeitraum beträgt 78/min am Tag und 65/min von einer anhaltenden Tachykardie kann anhand der festgestellten Werte nicht gesprochen werden. Der Untersucher vor Ort (C.) stellt keine Tachykardie in seiner Beurteilung fest, es erfolgte keine Therapieempfehlung und auch keine entsprechende Therapie (Seite 2 der Krankenakte). Auch bei den manuellen Pulskontrollen durch das Pflegepersonal ist keine anhaltende Tachykardie dokumentiert (vgl. die Seiten 38-39 der Krankenakte). Der MDK übernimmt diese Diagnose in seinem Gutachten vom 11.09.2014 offensichtlich ohne Prüfung (vgl. S. 11 ff der Gerichtsakte). An zwei Stellen in der Krankenakte ist eine "perioperative SVT", d. h. im Rahmen einer Operation aufgetretenen supraventrikulären Tachycardie vermerkt, diese ist allerdings für den aktuellen Aufenthalt nicht dokumentiert (keine Frequenzangabe, keine Angabe der Dauer, keine Therapie), es finden sich keine entsprechenden Anästhesieprotokolle. Eine erkennbare therapeutische Konsequenz ist ebenfalls nicht dokumentiert (vgl. hierzu S. 53 u. 54 der Krankenakte). Wie oben dargestellt ist in der Krankenakte kein Aufwand feststellbar, der im Sinne der Nebendiagnosedefinition die Kodierung der "I47.1 Supraventrikuläre Tachykardie" rechtfertigen würde. Mithin handelt es sich um einen abnormen Befund, der nicht zu kodieren ist. Da diese Diagnose nicht zu kodieren ist, wird auch die DRG F59A nicht erreicht und ist damit auch nicht abrechenbar."
Gegenüber diesen ausführlichen und anhand der vorliegenden Patientenakte nachvollziehbaren Ausführungen hat der Beklagte nichts Überzeugendes vorgetragen. Er kritisiert das Gutachten mit dem Hinweis, dass dieses "in verschiedenen Punkten ein nicht ausreichendes chirurgisches Verständnis des Sachverhaltes" aufweise; als Beleg dafür hat der Beklagte Kopien der Seiten 13, 15, 16 und 18 des Gutachtens übersandt und darauf Ausführungen des Sachverständigen gelb markiert (vgl. Schriftsatz des Beklagten vom 27.08.2015 nebst Anlagen). Diese "kritische" Stellungnahme offenbart allerdings, wie wenig sich der Beklagte bis dahin mit dem ausführlichen Gutachten befasst hat. Denn die dem Schriftsatz beigefügten Gutachtenseiten geben nicht etwa eigene medizinische Äußerungen des Sachverständigen Dr. E. wieder, sondern enthalten Zitate aus der Klageschrift vom 29.07.2014 (Seite 13 des Gutachtens), aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 28.11.2014 (Seite 18 des Gutachtens) und aus der MDK-Stellungnahme vom 12.09.2014 (Seiten 15 und 16 des Gutachtens)! Soweit sich der Beklagte zuletzt noch einmal inhaltlich im Schriftsatz vom 25.09.2015 mit der Nebendiagnose D68.3. auseinandergesetzt hat, vermochte auch dies die Kammer nicht zu überzeugen. Anders als der Sachverständige Dr. E., der sich eng am Inhalt der Patientenakte und den dortigen Daten orientiert hat, bezieht sich der Beklagte im Wesentlichen auf die Regelung der DKR D003d und eine dazu vorliegende Kommentierung, ohne seine vom Gutachten abweichende Auffassung konkret mit aus der Patientenakte ersichtlichen Angaben zu belegen. Die Kammer schließt sich daher der Beurteilung des Sachverständigen an, dass die Nebendiagnosen D68.3 und I47.1 in dem hier zu beurteilenden Abrechnungsfall nicht zu kodieren sind.
Ebenso schließt sich die Kammer der Beurteilung des Sachverständigen zum OPS 5-394.2 (Revision einer Blutgefäßoperation: Revision eines vaskulären Implantates) an. Der Sachverständige hat zunächst den Begriff "Revisionsoperation" definiert: "Eine Revisionsoperation ist eine Operation mit der Zielsetzung der Behandlung einer Komplikation oder einer Wiederherstellung des ursprünglich vorhandenen beabsichtigten Zustandes." Er hat sodann ausgeführt (vgl. Seite 37,38 des Gutachtens): "Eine Behandlungsbedürftigkeit oder eine Komplikation im Bereich des vaskulären Implantates ist nicht beschrieben, auch in dem vorausgegangenen MR Angio (Darstellung der Gefäße von der Beckenetage bis zum Sprunggelenk (vgl. Seite 9 oben) ist kein pathologischer Befund im Bereich des Patches beschrieben. Im OP-Bericht wird festgestellt (vgl. die Krankenakte S. 19f): "[ ...] Sukzessive Freipräparation der Arteria femoralis communis mit dem dort befindlichen Dacronpatch. Das Gefäß ist hier kaliberkräftig und gut pulsatil. Weitere Präparation nach distal mit Darstellen der Arteria femoralis superficialis, die gesondert angeschlungen wird. Auch der Abgang der Arteria profunda femoris wird dargestellt, sodass eine Ausklemmung möglich ist. Nach systemischer Gabe von 3000 E Heparin Ausklemmen der Gefäße und quere Eröffnung des Dacron-Patches. Von zentral zeigt sich ein kräftig pulsatiler Einstrom nach Entfernung geringfügiger wandständiger Speckthromben. [ ...]". Am Ende des Eingriffs wird der zu Beginn der OP eröffnete Patch mit einer Prolene-Naht verschlossen. Weitere Maßnahmen bezüglich des vorhandenen Dacron-Patches lassen sich nicht erkennen. Die Präparation des Narbengewebes, um zur betroffen Gefäßregion zu gelangen, ist entsprechend des o. g. monokausalen Abbildungsprinzips im OPS enthalten, der OPS selbst enthält auch keine Hinweise, dass ggf. ein erschwerter Zugangsweg zum Operationsgebiet gesondert zu kodieren sei. Maßnahmen im Sinne einer Revision zur Behandlung einer Komplikation oder zur Wiederherstellung des ursprünglichen Therapieergebnisses im Bereich des Dacron-Patches lassen sich wie oben dargestellt nicht erkennen. Aus gutachterlicher Sicht ist damit die Kodierung des OPS 5-394.2 Revision einer Blutgefäßoperation: Revision eines vaskulären Implantates nicht zu kodieren."
Dem Beklagten ist zuzugeben, dass der Begriff "Revision" in verschiedenen Bereichen unterschiedlich gebraucht und verstanden wird. Dabei ist der Rekurs auf den Wortstamm, dass lateinische Wort "revidere", das wörtlich übersetzt "wieder an-/hinsehen" (vgl. PONS, online-Wörterbuch Latein-Deutsch) bedeutet, wenig zielführend. Die Bedeutung des Begriffes "Revision" reicht von der bloßen Überprüfung, z.B. im Bibliothekswesen die Überprüfung des Bestandes, über die Wartung, z.B. die Wartung eines Uhrwerks, bis zur erneuten Durchführung einer Behandlung im Bereich der Medizin (zitiert nach: Wikipedia, freie Enzyklopädie, Stichwort "Revision"). Speziell unter dem Stichwort "Revision (Medizin)" heißt es bei Wikipedia: "Revision bezeichnet in der Medizin die Wiederholung oder Erweiterung eines zuvor durchgeführten Eingriffs (Revisionsoperation). Der häufigste Grund für eine Revision ist der unzureichende Erfolg des vorangegangenen Eingriffs oder auftretenden Komplikationen. Mit der Revision soll der ursprünglich angestrebte Behandlungserfolg oder zumindest eine Verbesserung des aktuellen Zustandes erreicht werden." Nach der im Internet abrufbaren Definition der DocCheck Medical Services GmbH versteht man unter einer Revision in der Medizin sowohl "die primär chirurgische Einsicht zur Abklärung des Vorliegens und Umfanges pathologischer Veränderungen, einschließlich ihrer Behandlung, als auch die erneute, in der Regel chirurgische Behandlung nach bereits erfolgter Therapie. Indikationen zu einem solchen "Wiedereingriff" sind postoperative Komplikationen, rezidive oder Wundheilungsstörungen". Laut DUDEN (Die deutsche Rechtschreibung, 24. Auflage, S. 852) kann "Revision" die Bedeutungen "Durchsicht", "Prüfung" oder "Änderung (einer Ansicht)" haben.
Wäre eine Revision im Sinne des OPS 5-394.2 bereits eine Durchsicht, (Über-)Prüfung oder Wartung, so erfüllten die bei der Operation des Versicherten am 26.10.2009 im Bereich des Dacron-Patches vorgenommenen Maßnahmen (queres Eröffnen des Patches und Entfernen geringfügiger wandständiger Speckthromben) die Voraussetzungen dieses OPS. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass dieser Ansatz dem OPS 5-394.2 nicht gerecht wird. Die bei dem Versicherten durchgeführten Operationsmaßnahmen erfüllten unzweifelhaft – darin stimmen Klägerin, Beklagte, MDK und Sachverständige Dr. E. überein – die Voraussetzungen des OPS 5-380.7 (Inzision, Embolektomie und Thrombektomie von Blutgefäßen). Der OPS 5-380.7 differenziert sodann weiter unter den Endziffern.70 (A. femoralis),.71 (A. profunda femoris),.72 (A. poplitea),.73 (Gefäßprothese) und.7x (Sonstige). Ausgehend von diesen OPS-Beschreibungen war nach dem Inhalt des Operationsberichtes vom 26.10.2009 der OPS 5-380. mit den Endziffern 70, 72 und auch 73 (weil eine Embolektomie/Thrombektomie im Bereich der Gefäßprothese, des Dracon-Patches, stattfand) kodierfähig. In der Kodierempfehlung KDE) 373 der Sozialmedizinischen Expertengruppe "Vergütung und Abrechnung (SEG-4) des MDK heißt es dazu: "Problem/Erläuterung: Bei liegender Gefäßprothese (femoro-poplitealer Bypass) wird nach subfaszialer Freipräparation des femoro-poplitealen Bypasses mittels Fogarty-Katheter thrombotisches Material entfernt. Ist zusätzlich zu 5-380.73 (Inzision, Embolektomie und Thrombektomie von Blutgefäßen, Arterien Oberschenkel, Gefäßprothese) der OPS-Kode 5-394.2 (Revision einer Blutgefäßoperation, Revision eines vaskulären Implantates) zu kodieren? Kodierempfehlung: Nur 5-380.73 (Inzision, Embolektomie und Thrombektomie von Blutgefäßen, Arterien Oberschenkel, Gefäßprothese) ist zu kodieren (DKR P013)."
Auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen bedeutet dies: Der OPS 5-394.2 ist daneben nicht zusätzlich zu kodieren, wenn das Implantat – hier: der Dacron-Patch – zwar wiedereröffnet wird, aber nicht zum Zwecke der Neubehandlung/Änderung, sondern zwecks Embolektomie/Thrombektomie an anderen Stellen mittels eines an der Schnittstelle des Patches eingebrachten Katheders. Dass die Ärzte des Beklagten vor der Operation ("ex ante") als Ursache des akuten Gefäßverschlusses einen Defekt des Dacron-Patches für realistisch hielten, begründet ebenfalls nicht die Kodierung des OPS 5-394.2. Der Oberarzt des Beklagten, der Gefäßchirurg Q., hat in der mündlichen Verhandlung die Umstände und den Verlauf der konkreten Operation am 26.10.2009 anhand einer Skizze und eines radiologischen Bildes anschaulich erläutert. Wäre der Dacron-Patch defekt und zu erneuern oder zu reparieren gewesen (was unzweifelhaft eine Revision im Sinne des OPS 5.394.2 dargestellt hätte), so wäre der Patch mittels eines Längsschnittes eröffnet worden. Dass der Patch überhaupt eröffnet wurde, war der Notwendigkeit eines Zugangs zu den tiefer gelegenen Bereichen der Arterie geschuldet. Zwar hätte die Arterie auch an anderer (tieferer) Stelle geöffnet werden können, jedoch hätte dies einen Schnitt an intakter Stelle der Arterie notwendig gemacht. Ist jedoch bereits ein Patch (Flicken) vorhanden, ist es lege artis, diesen zwecks Einbringung des Fogarty-Katheders zu öffnen, wie dies laut OP-Bericht auch geschehen ist. Allein der Umstand, dass gelegentlich dieser – notwendigen – Eröffnung des Patches von dessen Wand "geringfügige wandständige Speckthromben" (vgl. OP-Bericht) entfernt wurden, rechtfertigt aber noch nicht, von einer "Revision" des Implantates (hier: des Dacron-Patches) im Sinne des OPS 5-394.2 zu sprechen. Um diesen OPS zusätzlich neben dem OPS 5-380.73 kodieren zu können, bedarf es nicht nur einer Wiederöffnung des Patches, sondern dessen Erneuerung oder zumindest Reparatur. Anderenfalls wäre neben dem OPS 5-380.73 jede Wiedereröffnung eines solchen Patches mit dem OPS 5-394.2 zu kodieren mit der Konsequenz einer erheblich höher abrechenbaren DRG.
Nach alledem konnte, wie der Sachverständige Dr. E. für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend begründet hat, der zu beurteilende Behandlungsfall weder nach der DRG F14A (oder – wie von dem Beklagten ohne nähere Begründung zuletzt im Schriftsatz vom 25.09.2015 "angesteuert" – F14B) noch nach der DRG F59A, sondern zutreffend nur nach der DRG F54Z abgerechnet werden. Die Differenz zwischen der sich aus der abgerechneten DRG F14A ergebenden Vergütung (8.671,21 EUR) und dem nach der abrechenbaren DRG F54Z zustehenden Entgelt (4.255,63 EUR), d.i. der Betrag von 4.415,58 EUR, hat der Beklagte der Klägerin zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe einer vollstationären Krankenhausbehandlung. Die Klägerin fordert von dem Beklagten die Rückzahlung von 4.415,58 EUR.
Der Beklagte betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Dort behandelten seine Ärzte vom 26.10. bis 06.11.2009 den am 00.00.0000 geborenen bei der Klägerin versicherten I. S. (im Folgenden: Versicherte). Bei diesem war im November 2008 eine Femoralis-TEA (Thrombenarteriektomie) mit Dacron-Patchplastik links durchgeführt worden. Bei der Dacron-Patchplastik handelt es sich um eine Flickenplastik, bei der ein Kunststoffstreifen aus Dacron in ein eröffnetes Blutgefäß zur Abdeckung von Defekten und Erweiterung des Gefäßlumens eingenäht wird (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, S. 1446 zu "Patch-Plastik"). Am 26.10.2009 stellte sich der Versicherte im Krankenhaus des Beklagten "mit einem seit knapp drei Tagen bestehendem kalten, lividen (= blassbläulichen) Fuß" vor. Die Krankenhausärzten diagnostierten einen subakuten Verschluss der linken Arteria femoralis superficialis; noch am 26.10.2009 führten sie in diesem Bereich eine Thrombektomie durch.
Die Klägerin erkannte zunächst unter Vorbehalt die von dem Beklagten erstellte – überarbeitete dritte – Rechnung vom 31.12.2010 an und beglich die geforderte Vergütung für die Krankenhausbehandlung in Höhe von 8.671,21 EUR. Grundlage der Rechnung waren u.a. die Kodierung &61485; der Hauptdiagnose I74.3 (Embolie und Thrombose der Arterien der unteren Extremitäten), &61485; der Nebendiagnose D68.3 (Hämorrhagische Diathese durch Antikoagulanzien und Antikörper ), &61485; des Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 5-380.70 (Inzision, Embolektomie und Thrombektomie von Blutgefäßen: Arterien/Oberschenkel: A-femoralis) und &61485; des OPS 5-394.2 (Revision einer Blutgefäßoperation: Revision eines vaskulären Implantats). Unter Berücksichtigung dieser und weiterer (unstreitiger) Kodierungen rechnete der Beklagte die Fallpauschale (DRG = Diagnosis Related Group) F14A (Komplexe oder mehrfache Gefäßeingriffe außer große rekonstruktive Eingriffe mit komplizierender Konstellation oder Revision oder komplizierender Diagnose oder Alter ( 3 Jahre, mit äußerst schweren CC).
Im Rahmen des bereits im Januar 2010 eingeleiteten Prüfverfahrens kam der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) in gutachterlichen Stellungnahmen vom 31.03.2010, 13./14.10.2010 und 12.06.2013 zum Ergebnis, dass zwar die Kodierung u.a. der Hauptdiagnose I74.3 korrekt, dagegen die Kodierung der Nebendiagnose D68.3 und des OPS 5-394.2 nicht korrekt gewesen sei; dies habe zur Folge, dass die DRG F54Z (Komplexe oder mehrfache Gefäßeingriffe ohne komplizierende Konstellation, ohne Revision, ohne komplizierende Diagnose, Alter ) 2 Jahre oder mäßig komplexe Gefäßeingriffe mit komplizierender Diagnose, ohne äußerst schwere CC, ohne Rotationsthrombektomie) abzurechnen gewesen sei. Aus dieser DRG errechnete die Klägerin ein gegenüber der in Rechnung gestellte Vergütung um etwa die Hälfte niedrigeres Entgelt, nämlich 4.255,63 EUR.
Nach Abgabe einer bis 31.12.2014 geltenden Verjährungseinredeverzichtserklärung nahm der Beklagte durch seinen Oberarzt Q. und den Medizincontroller L. Stellung und meinte unter Hinweis auf medizinische Einzelheiten, die Kodierung des OPS 5-394.2 sei nicht zu streichen.
Am 01.08.2014 hat die Klägerin Klage auf Zahlung der Differenz zwischen den Entgelten für die DRG F14A und die DRG F54Z, nämlich 4.415,58 EUR erhoben. Sie meint, weder die Nebendiagnose D68.3 noch der OPS 5-394.2 hätten kodiert werden dürfen, weshalb (nur) die DRG F54Z hätte abgerechnet werden können. Die Beklage beruft sich für ihre Auffassung auf die Stellungnahmen des MDK.
In der Klageerwiderung vom 15.07.2014 hat der Beklagte erklärt, bei der Überprüfung der Kodierung sei aufgefallen, dass die Nebendiagnose I47.1 (supraventikuläre Trachykardie) fehle. Im Übrigen hat der Beklagte an seiner Auffassung festgehalten.
Daraufhin hat die Klägerin – unter Bezugnahme auf eine MDK-Stellungnahme vom 12.09.2014 – erklärt, dass sie zwar weiterhin die Nebendiagnose D68.3 und den OPS 5-394.2 für nicht kodierbar halte; unter Berücksichtigung der nun nachkodierten Nebendiagose I47.1 ergebe sich jedoch die DRG F59A und daraus ein Entgelt von 6.103,05 EUR, sodass unter Berücksichtigung aller Zu- und Abschläge eine Klageforderung von 2.489,04 EUR verbleibe.
Auf Anfrage der Klägerin und des Gerichts, ob der Behandlungsfall auf der Basis der DRG F59A abgerechnet werde und der Rechtsstreit dementsprechend seine Erledigung finden könne, erklärte sich der Beklagte damit nicht einverstanden. Er trug vor, dass bei dem Versicherten eine "Embolektomie bzw. Thrombektomie der Arteria femoralis" durchgeführt und der alte Patch wieder eröffnet worden sei; vor diesem Hintergrund sei der OPS 5-394.2 für die "Revision" sachgerecht.
Daraufhin hat das Gericht zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts ein Gutachten von dem Facharzt für Innere Medizin, medizinische Informatik und Leiter-Medizincontrolling bei der Caritasträgergesellschaft West, Dr. E., eingeholt. Dieser hat u.a. ausgeführt und begründet, dass die Nebendiagnosen D68.3 und I47.1 nicht zu kodieren gewesen seien; das Gleiche gelte für den OPS 5-394.2. Hierzu hat der Sachverständige ausgeführt, eine Revisionsoperation sei eine Operation mit der Zielsetzung der Behandlung einer Komplikation oder einer Wiederherstellung des ursprünglich vorhandenen beabsichtigten Zustandes; aus den Feststellungen im Operationsbericht (Patientenakte S. 19f) sei eine Maßnahme im Sinne einer Revision zur Behandlung einer Komplikation oder Wiederherstellung des ursprünglichen Therapieergebnisses im Bereich des Dacron-Patches nicht erkennbar. Der Sachverständige ist abschließend zum Ergebnis gekommen, dass die abzurechnende Fallpauschale die DRG F54Z gewesen sei. Wegen des weiteren Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 15.06.2015 verwiesen.
Die Klägerin sieht sich durch das Ergebnis des Gutachtens in ihrer Rechtsauffassung bestätigt. Sie hält die DRG F54Z und einen Vergütungsanspruch in Höhe von 4.255,63 EUR für zutreffend und deshalb ihren Anspruch auf Erstattung des Differenzbetrages zu der mit 8.671,21 EUR abgerechneten DRG F14A für begründet.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihr 4.415,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 01.08.2014 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, das Gutachten von Dr. E. weise in verschiedenen Punkten ein nicht ausreichendes chirurgisches Verständnis des Sachverhaltes auf. Aus der "ex ante"-Sicht der behandelnden Ärzte habe es realistisch erschienen, dass zur Behandlung des akuten Gefäßverschlusses eine Kontrolle und gegebenenfalls Behandlung des früheren Dacron-Patches ausreichen würde, d.h. keine weiteren, insbesondere auch keine kathedergestützten Maßnahmen erforderlich sein würden. Der Dacron-Patch sei quer eröffnet worden; dies habe nicht allein der Schaffung eines Zugangs zur verschlossenen Arterie gedient, sondern es seien auch wandständige Speckthromben im Bereich des Dacron-Patches entfernt worden; dieses Vorgehen stelle eine Revision des Dacron-Patches dar und sei abrechnungstechnisch durch Kodierung des OPS 5-394.2 darzustellen. Der OPS enthalte keine Definition des Begriffs "Revision". Die vom Gutachter angeführte Definition werde weder begründet noch belegt. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeute "Revision" eine prüfende Wiederdurchsicht. Das lateinische "revidere", auf das der Begriff zurückgehe, bedeute "wieder ansehen". Auch in anderen Zusammenhängen beinhalte eine Revision die Überprüfung, nicht jedoch zwingend die Änderung einer Beurteilung oder eines Verhaltens. Dass weitere Behandlungsmaßnahmen erforderlich gewesen und durchgeführt worden seien, ändere nichts daran, dass tatsächlich eine Revision des Dacron-Patches stattgefunden habe. Im Übrigen ist der Beklagte weiter der Auffassung, dass – entgegen der Feststellung des MDK und des Sachverständigen Dr. E. – auch die Nebendiagnose D68.3 zu kodieren gewesen sei. Die Angabe dieser Nebendiagnose sei schon deshalb erforderlich gewesen, um den durch die jüngere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) herausgearbeiteten umfassenden Informationspflichten des Beklagten gegenüber der Klägerin nachzukommen. Der Beklagte meint in diesem Zusammenhang, das Hämatom stelle eine Komplikation nach der durchgeführten Operation dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Klägerin sowie den vom Beklagten vorgelegten Kopien aus der den Versicherten betreffenden Patientenakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Bei einer auf Erstattung überzahlter Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage einer Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger geht es um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2000 – B 3 KR 33/99 R = BSGE 86,166 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1; Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.
Die Klage ist auch begründet
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs des Beklagten ist § 109 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch der Versicherten. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten (BSG, Urteil vom 13.12.2001 – B 3 KR 11/01 R = SozR 3-2500 § 112 Nr. 2; Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Die näheren Einzelheiten über Aufnahme und Entlassung der Versicherten, Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte sowie die Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung ist in den zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen einerseits und verschiedenen Krankenkassen sowie Landesverbänden der Krankenkassen andererseits geschlossenen Verträge nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB V geregelt.
Der Beklagte hat der Klägerin zu Unrecht für die Behandlung des Versicherten 8.671,21 EUR in Rechnung gestellt. Der Vergütungsanspruch ist auf 4.255,63 EUR begrenzt. Da die Klägerin auf die Rechnung des Beklagten vom 31.12.2012 bereits den darin geforderten Betrag gezahlt hat, steht ihr ein Anspruch auf Erstattung der überzahlten 4.415,58 EUR zu. Die konkrete Anspruchshöhe ergibt sich aus der Fallpauschale DRG F54Z und nicht – wie der Beklagte meint – aus der höher vergüteten DRG F14A. Dies folgt sich aus dem für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend begründeten Abrechnungsgutachten des Sachverständigen Dr. E. vom 15.06.2015. Der Sachverständige hat die vom Beklagten vorgelegten Krankenhausunterlagen ausgewertet und sich mit den Argumenten des MDK und der Ärzte des Krankenhauses auseinandergesetzt. Er hat dabei auch die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) beachtet und richtig angewandt. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf die Beurteilung der zwischen den Beteiligten streitigen Nebendiagnosen D68.3 und I47.1 sowie den OPS 5-394.2.
Zu der Nebendiagnose D68.3 (Hämorrhagische Diathese durch Antikoagulanzien und Antikörper) hat der Sachverständige auf den Seiten 30 bis 32 seines Gutachtens ausgeführt: "Diese Diagnose kennzeichnet eine durch Antikörper und gerinnungshemmende Medikamente ausgelöste Blutung. Für die Kodierung muss entsprechend den Kodierrichtlinien ein entsprechender Aufwand nachweisbar sein. Im Sinne der Kodierrichtlinien handelt es sich zunächst um einen abnormen Befund. Dieser wurde mittels Ultraschall kontrolliert. (4.11.2009 und 5.11.2009 vgl. die Krankenakte S. 43 und S. 44). Am 4.11. wird der Befund als "Serom" bezeichnet und am 5.11. als Hämatom. Ein Serom ist definiert als "Verhaltung von Wundsekret im Bereich einer oberflächlich verschlossenen Wunde (z. B. postoperativ). Ein Hämatom ist definiert als "durch Trauma, nach op. Eingriff od. bei Gerinnungsstörungen auch spontan entstandene Blutansammlung im Gewebe od. in einer anat. präformierten Körperhöhle (z. B. Hämarthros, Hämatothorax, Hämoperitoneum);". Die ausschließliche Kontrolle mittels Ultraschall stellt eine diagnostische Maßnahme dar, die entsprechend den Kodierrichtlinien ("abnorme Befunde") die Kodierung nicht rechtfertigt, da weitere Maßnahmen diesbezüglich nicht durchgeführt wurden. Eine erkennbare Modifikation der Gerinnungsmedikation erfolgte nicht. Der Patient wurde per Anordnung nach der Operation auf eine PTT-gesteuerte Heparingabe mit dem Zielbereich 60 - 80 sec. eingestellt (vgl. die Krankenakte S. 22), diese wurde nicht verändert, bis zum 3.11. erfolgte eine Antikoagulation mit 25.000 i.E. Heparin (vgl. die Krankenakte S. 38. bis 39). Entsprechende Laborwertkontrollen wurden durchgeführt, bei diesen lagen die Gerinnungswerte im hochnormalen Zielbereich (PTT bis 102,0 sec vgl. die Krankenakte S. 63). Durch eine höhere PTT wird eine Blutung eher begünstigt, zu erwarten wäre hier eine Anpassung des Wertes nach unten gewesen. Erst am 6.11. wird der Zielbereich nicht mehr erreicht, da parallel zur Heparingabe eine Marcumarisierung (orale Antikoagulation) durchgeführt wurde. Entsprechende Anordnungen der Gabe von Marcumar finden sich auf den Ausdrucken der Laborwerte (vgl. die Krankenakte S. 63 ff). Am 5.11. wurde Heparin abgesetzt, da sich der Quick-Wert im therapeutischen Bereich befand (38%, vgl. die Krankenakte S. 64, handschriftliche Notiz). Am 6.11. wurden dann für den folgenden Samstag und Sonntag die vorgegebenen Dosen von Marcumar bis zu Entlassung festgelegt. Ein erkennbarer dokumentierter Zusammenhang mit dem Hämatom/Serom, geht aus der Dokumentation nicht hervor, dies wird weder in den ärztlichen noch den pflegerischen Bestandteilen der Dokumentation angegeben. Die PTT Werte lagen eher über den Zielwerten die vom Krankenhaus festgelegt wurden, eine Reduktion der Heparingabe erfolgte offensichtlich nicht. Vielmehr ist aus gutachterlicher Sicht eine reguläre Umstellung von einer intravenösen auf eine orale Medikation der Antikoagulanzien erfolgt, wie sie üblicherweise vor der Entlassung erfolgt. Die Diagnose D68.3 Hämorrhagische Diathese durch Antikoagulanzien und Antikörper ist somit nicht zu kodieren, da sie keinen Aufwand im Sinne der Kodierrichtiinien darstellt."
Zu der Nebendiagnose I47.1 (Supraventrikuläre Trachykardie) hat der Sachverständige auf den Seiten 39 und 40 seines Gutachtens ausgeführt: "Diese Diagnose ist anhand der Dokumentation nicht nachvollziehbar. Eine Tachykardie ist ein anhaltend beschleunigter Puls auf über 100 Schläge pro Minute in Ruhe beim erwachsenen Menschen (vgl. z. B. die Lehrbücher der Inneren Medizin). Eine supraventrikuläre Tachykardie hat ihren Ursprungsort im Bereich oberhalb der Herzkammern. Rhythmusstörungen dieser Art werden im EKG bzw. im Langzeit-EKG (über 24 Stunden) festgestellt. Diese Untersuchungen wurden bei dem Patienten durchgeführt (vgl. die Seiten 2, 40ff der Krankenakte). Im Ruhe-EKG ist keine Tachykardie erkennbar, im Langzeit-EKG (Seite 2 der Krankenakte) findet sich die Angabe 14 SVT (Supraventrikuläre Tachykardien), die mittlere Herzfrequenz über den Untersuchungszeitraum beträgt 78/min am Tag und 65/min von einer anhaltenden Tachykardie kann anhand der festgestellten Werte nicht gesprochen werden. Der Untersucher vor Ort (C.) stellt keine Tachykardie in seiner Beurteilung fest, es erfolgte keine Therapieempfehlung und auch keine entsprechende Therapie (Seite 2 der Krankenakte). Auch bei den manuellen Pulskontrollen durch das Pflegepersonal ist keine anhaltende Tachykardie dokumentiert (vgl. die Seiten 38-39 der Krankenakte). Der MDK übernimmt diese Diagnose in seinem Gutachten vom 11.09.2014 offensichtlich ohne Prüfung (vgl. S. 11 ff der Gerichtsakte). An zwei Stellen in der Krankenakte ist eine "perioperative SVT", d. h. im Rahmen einer Operation aufgetretenen supraventrikulären Tachycardie vermerkt, diese ist allerdings für den aktuellen Aufenthalt nicht dokumentiert (keine Frequenzangabe, keine Angabe der Dauer, keine Therapie), es finden sich keine entsprechenden Anästhesieprotokolle. Eine erkennbare therapeutische Konsequenz ist ebenfalls nicht dokumentiert (vgl. hierzu S. 53 u. 54 der Krankenakte). Wie oben dargestellt ist in der Krankenakte kein Aufwand feststellbar, der im Sinne der Nebendiagnosedefinition die Kodierung der "I47.1 Supraventrikuläre Tachykardie" rechtfertigen würde. Mithin handelt es sich um einen abnormen Befund, der nicht zu kodieren ist. Da diese Diagnose nicht zu kodieren ist, wird auch die DRG F59A nicht erreicht und ist damit auch nicht abrechenbar."
Gegenüber diesen ausführlichen und anhand der vorliegenden Patientenakte nachvollziehbaren Ausführungen hat der Beklagte nichts Überzeugendes vorgetragen. Er kritisiert das Gutachten mit dem Hinweis, dass dieses "in verschiedenen Punkten ein nicht ausreichendes chirurgisches Verständnis des Sachverhaltes" aufweise; als Beleg dafür hat der Beklagte Kopien der Seiten 13, 15, 16 und 18 des Gutachtens übersandt und darauf Ausführungen des Sachverständigen gelb markiert (vgl. Schriftsatz des Beklagten vom 27.08.2015 nebst Anlagen). Diese "kritische" Stellungnahme offenbart allerdings, wie wenig sich der Beklagte bis dahin mit dem ausführlichen Gutachten befasst hat. Denn die dem Schriftsatz beigefügten Gutachtenseiten geben nicht etwa eigene medizinische Äußerungen des Sachverständigen Dr. E. wieder, sondern enthalten Zitate aus der Klageschrift vom 29.07.2014 (Seite 13 des Gutachtens), aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 28.11.2014 (Seite 18 des Gutachtens) und aus der MDK-Stellungnahme vom 12.09.2014 (Seiten 15 und 16 des Gutachtens)! Soweit sich der Beklagte zuletzt noch einmal inhaltlich im Schriftsatz vom 25.09.2015 mit der Nebendiagnose D68.3. auseinandergesetzt hat, vermochte auch dies die Kammer nicht zu überzeugen. Anders als der Sachverständige Dr. E., der sich eng am Inhalt der Patientenakte und den dortigen Daten orientiert hat, bezieht sich der Beklagte im Wesentlichen auf die Regelung der DKR D003d und eine dazu vorliegende Kommentierung, ohne seine vom Gutachten abweichende Auffassung konkret mit aus der Patientenakte ersichtlichen Angaben zu belegen. Die Kammer schließt sich daher der Beurteilung des Sachverständigen an, dass die Nebendiagnosen D68.3 und I47.1 in dem hier zu beurteilenden Abrechnungsfall nicht zu kodieren sind.
Ebenso schließt sich die Kammer der Beurteilung des Sachverständigen zum OPS 5-394.2 (Revision einer Blutgefäßoperation: Revision eines vaskulären Implantates) an. Der Sachverständige hat zunächst den Begriff "Revisionsoperation" definiert: "Eine Revisionsoperation ist eine Operation mit der Zielsetzung der Behandlung einer Komplikation oder einer Wiederherstellung des ursprünglich vorhandenen beabsichtigten Zustandes." Er hat sodann ausgeführt (vgl. Seite 37,38 des Gutachtens): "Eine Behandlungsbedürftigkeit oder eine Komplikation im Bereich des vaskulären Implantates ist nicht beschrieben, auch in dem vorausgegangenen MR Angio (Darstellung der Gefäße von der Beckenetage bis zum Sprunggelenk (vgl. Seite 9 oben) ist kein pathologischer Befund im Bereich des Patches beschrieben. Im OP-Bericht wird festgestellt (vgl. die Krankenakte S. 19f): "[ ...] Sukzessive Freipräparation der Arteria femoralis communis mit dem dort befindlichen Dacronpatch. Das Gefäß ist hier kaliberkräftig und gut pulsatil. Weitere Präparation nach distal mit Darstellen der Arteria femoralis superficialis, die gesondert angeschlungen wird. Auch der Abgang der Arteria profunda femoris wird dargestellt, sodass eine Ausklemmung möglich ist. Nach systemischer Gabe von 3000 E Heparin Ausklemmen der Gefäße und quere Eröffnung des Dacron-Patches. Von zentral zeigt sich ein kräftig pulsatiler Einstrom nach Entfernung geringfügiger wandständiger Speckthromben. [ ...]". Am Ende des Eingriffs wird der zu Beginn der OP eröffnete Patch mit einer Prolene-Naht verschlossen. Weitere Maßnahmen bezüglich des vorhandenen Dacron-Patches lassen sich nicht erkennen. Die Präparation des Narbengewebes, um zur betroffen Gefäßregion zu gelangen, ist entsprechend des o. g. monokausalen Abbildungsprinzips im OPS enthalten, der OPS selbst enthält auch keine Hinweise, dass ggf. ein erschwerter Zugangsweg zum Operationsgebiet gesondert zu kodieren sei. Maßnahmen im Sinne einer Revision zur Behandlung einer Komplikation oder zur Wiederherstellung des ursprünglichen Therapieergebnisses im Bereich des Dacron-Patches lassen sich wie oben dargestellt nicht erkennen. Aus gutachterlicher Sicht ist damit die Kodierung des OPS 5-394.2 Revision einer Blutgefäßoperation: Revision eines vaskulären Implantates nicht zu kodieren."
Dem Beklagten ist zuzugeben, dass der Begriff "Revision" in verschiedenen Bereichen unterschiedlich gebraucht und verstanden wird. Dabei ist der Rekurs auf den Wortstamm, dass lateinische Wort "revidere", das wörtlich übersetzt "wieder an-/hinsehen" (vgl. PONS, online-Wörterbuch Latein-Deutsch) bedeutet, wenig zielführend. Die Bedeutung des Begriffes "Revision" reicht von der bloßen Überprüfung, z.B. im Bibliothekswesen die Überprüfung des Bestandes, über die Wartung, z.B. die Wartung eines Uhrwerks, bis zur erneuten Durchführung einer Behandlung im Bereich der Medizin (zitiert nach: Wikipedia, freie Enzyklopädie, Stichwort "Revision"). Speziell unter dem Stichwort "Revision (Medizin)" heißt es bei Wikipedia: "Revision bezeichnet in der Medizin die Wiederholung oder Erweiterung eines zuvor durchgeführten Eingriffs (Revisionsoperation). Der häufigste Grund für eine Revision ist der unzureichende Erfolg des vorangegangenen Eingriffs oder auftretenden Komplikationen. Mit der Revision soll der ursprünglich angestrebte Behandlungserfolg oder zumindest eine Verbesserung des aktuellen Zustandes erreicht werden." Nach der im Internet abrufbaren Definition der DocCheck Medical Services GmbH versteht man unter einer Revision in der Medizin sowohl "die primär chirurgische Einsicht zur Abklärung des Vorliegens und Umfanges pathologischer Veränderungen, einschließlich ihrer Behandlung, als auch die erneute, in der Regel chirurgische Behandlung nach bereits erfolgter Therapie. Indikationen zu einem solchen "Wiedereingriff" sind postoperative Komplikationen, rezidive oder Wundheilungsstörungen". Laut DUDEN (Die deutsche Rechtschreibung, 24. Auflage, S. 852) kann "Revision" die Bedeutungen "Durchsicht", "Prüfung" oder "Änderung (einer Ansicht)" haben.
Wäre eine Revision im Sinne des OPS 5-394.2 bereits eine Durchsicht, (Über-)Prüfung oder Wartung, so erfüllten die bei der Operation des Versicherten am 26.10.2009 im Bereich des Dacron-Patches vorgenommenen Maßnahmen (queres Eröffnen des Patches und Entfernen geringfügiger wandständiger Speckthromben) die Voraussetzungen dieses OPS. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass dieser Ansatz dem OPS 5-394.2 nicht gerecht wird. Die bei dem Versicherten durchgeführten Operationsmaßnahmen erfüllten unzweifelhaft – darin stimmen Klägerin, Beklagte, MDK und Sachverständige Dr. E. überein – die Voraussetzungen des OPS 5-380.7 (Inzision, Embolektomie und Thrombektomie von Blutgefäßen). Der OPS 5-380.7 differenziert sodann weiter unter den Endziffern.70 (A. femoralis),.71 (A. profunda femoris),.72 (A. poplitea),.73 (Gefäßprothese) und.7x (Sonstige). Ausgehend von diesen OPS-Beschreibungen war nach dem Inhalt des Operationsberichtes vom 26.10.2009 der OPS 5-380. mit den Endziffern 70, 72 und auch 73 (weil eine Embolektomie/Thrombektomie im Bereich der Gefäßprothese, des Dracon-Patches, stattfand) kodierfähig. In der Kodierempfehlung KDE) 373 der Sozialmedizinischen Expertengruppe "Vergütung und Abrechnung (SEG-4) des MDK heißt es dazu: "Problem/Erläuterung: Bei liegender Gefäßprothese (femoro-poplitealer Bypass) wird nach subfaszialer Freipräparation des femoro-poplitealen Bypasses mittels Fogarty-Katheter thrombotisches Material entfernt. Ist zusätzlich zu 5-380.73 (Inzision, Embolektomie und Thrombektomie von Blutgefäßen, Arterien Oberschenkel, Gefäßprothese) der OPS-Kode 5-394.2 (Revision einer Blutgefäßoperation, Revision eines vaskulären Implantates) zu kodieren? Kodierempfehlung: Nur 5-380.73 (Inzision, Embolektomie und Thrombektomie von Blutgefäßen, Arterien Oberschenkel, Gefäßprothese) ist zu kodieren (DKR P013)."
Auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen bedeutet dies: Der OPS 5-394.2 ist daneben nicht zusätzlich zu kodieren, wenn das Implantat – hier: der Dacron-Patch – zwar wiedereröffnet wird, aber nicht zum Zwecke der Neubehandlung/Änderung, sondern zwecks Embolektomie/Thrombektomie an anderen Stellen mittels eines an der Schnittstelle des Patches eingebrachten Katheders. Dass die Ärzte des Beklagten vor der Operation ("ex ante") als Ursache des akuten Gefäßverschlusses einen Defekt des Dacron-Patches für realistisch hielten, begründet ebenfalls nicht die Kodierung des OPS 5-394.2. Der Oberarzt des Beklagten, der Gefäßchirurg Q., hat in der mündlichen Verhandlung die Umstände und den Verlauf der konkreten Operation am 26.10.2009 anhand einer Skizze und eines radiologischen Bildes anschaulich erläutert. Wäre der Dacron-Patch defekt und zu erneuern oder zu reparieren gewesen (was unzweifelhaft eine Revision im Sinne des OPS 5.394.2 dargestellt hätte), so wäre der Patch mittels eines Längsschnittes eröffnet worden. Dass der Patch überhaupt eröffnet wurde, war der Notwendigkeit eines Zugangs zu den tiefer gelegenen Bereichen der Arterie geschuldet. Zwar hätte die Arterie auch an anderer (tieferer) Stelle geöffnet werden können, jedoch hätte dies einen Schnitt an intakter Stelle der Arterie notwendig gemacht. Ist jedoch bereits ein Patch (Flicken) vorhanden, ist es lege artis, diesen zwecks Einbringung des Fogarty-Katheders zu öffnen, wie dies laut OP-Bericht auch geschehen ist. Allein der Umstand, dass gelegentlich dieser – notwendigen – Eröffnung des Patches von dessen Wand "geringfügige wandständige Speckthromben" (vgl. OP-Bericht) entfernt wurden, rechtfertigt aber noch nicht, von einer "Revision" des Implantates (hier: des Dacron-Patches) im Sinne des OPS 5-394.2 zu sprechen. Um diesen OPS zusätzlich neben dem OPS 5-380.73 kodieren zu können, bedarf es nicht nur einer Wiederöffnung des Patches, sondern dessen Erneuerung oder zumindest Reparatur. Anderenfalls wäre neben dem OPS 5-380.73 jede Wiedereröffnung eines solchen Patches mit dem OPS 5-394.2 zu kodieren mit der Konsequenz einer erheblich höher abrechenbaren DRG.
Nach alledem konnte, wie der Sachverständige Dr. E. für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend begründet hat, der zu beurteilende Behandlungsfall weder nach der DRG F14A (oder – wie von dem Beklagten ohne nähere Begründung zuletzt im Schriftsatz vom 25.09.2015 "angesteuert" – F14B) noch nach der DRG F59A, sondern zutreffend nur nach der DRG F54Z abgerechnet werden. Die Differenz zwischen der sich aus der abgerechneten DRG F14A ergebenden Vergütung (8.671,21 EUR) und dem nach der abrechenbaren DRG F54Z zustehenden Entgelt (4.255,63 EUR), d.i. der Betrag von 4.415,58 EUR, hat der Beklagte der Klägerin zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved