Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 134/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 107/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.08.2013 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob der Rechtsstreit über eine Erhöhung des Individualbudgets erledigt ist.
Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) von zwei Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin - Kinderkardiologie -, die in L zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind.
Unter dem 27.03.2007 beantragte das spätere Mitglied der BAG Dr. H die Umwandlung der ihm als Leiter der Kinderkardiologischen Abteilung der Kliniken der Stadt L - Kinderkrankenhaus - erteilten Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in eine Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit. Diese erteilte ihm der Zulassungsausschuss (ZA) mit Beschluss vom 05.12.2007 im Rahmen des Sonderbedarfes für den Bereich Kinderkardiologie mit Wirkung vom 01.01.2008. Am 13.02.2008 genehmigte der ZA der Klägerin mit Wirkung vom 14.02.2008 die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit.
Unter dem 03.01.2008 beantragte die Klägerin die Erhöhung des Dr. H zugewiesenen Individualbudgets. Sie verwies auf den Umfang des Individualbudgets im Rahmen der Ermächtigung, der 2.000.000 Punkte betragen habe, und bat um dessen weitere Anerkennung.
Mit Bescheid vom 28.01.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den hiergegen am 10.02.2009 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010 zurück. Die Voraussetzungen für eine Erhöhung des maximal abrechenbaren individuellen Punktzahlvolumens (Individualbudget) nach § 7 Abs. 8 des zum 01.07.2007 in Kraft getretenen Honorarverteilungsvertrages zwischen der Beklagten, den nordrheinischen Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen (HVV; Rheinisches Ärzteblatt 7/2007, Seite 58 ff.) in der Fassung vom 13.03.2008 (Rheinisches Ärzteblatt 4/2008, Seite 58 f.) lägen nicht vor. Sofern die Klägerin darauf hinweise, dass die Feststellung von Individualbudgets nach dem 01.04.2005 rechtswidrig sei und das Individualbudget von daher nach oben offen gestaltet werden könne, liege kein bestandskräftiger Beschluss vor. Der bisherige Stand der Entscheidungen der Sozialgerichtsbarkeit rechtfertige keine Anpassung des Individualbudgets an sich.
Am 26.11.2010 hat die Klägerin eine Anfechtungsklage zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben und im Hinblick darauf, dass das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen mit gefestigter Rechtsprechung die Regelung des Individualbudgets als rechtswidrig bewertet habe, hilfsweise die Feststellung beantragt, dass die durch die Festlegung des Individualbudgets vorgenommenen Beschränkungen "nach oben offen" seien in dem Sinn, dass das der Klägerin im Sinne eines Individualbudgets zustehende Abrechnungsvolumen jedenfalls höher als 2.000.000 Punkte liege.
Nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14.12.2011 - B 6 KA 3/ 11 R, B 6 KA 4/11 R, B 6 KA 5/11 R und B 6 KA 6/11 R - über die Rechtswidrigkeit des mit Wirkung ab dem 01.04.2005 vereinbarten HVV hat die Klägerin entgegen der Anregung der Beklagten den Rechtsstreit nicht für erledigt erklärt sondern auf ihren Feststellungsantrag verwiesen. Anlässlich eines Termins zur mündlichen Verhandlung am 29.08.2012 hat sie den Klageantrag auf die Feststellung geändert, dass der Bescheid der Beklagten vom 28.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2010 rechtswidrig war. Im Anschluss hat das SG darauf hingewiesen, dass es die auf Grundlage von § 7 Abs. 8 HVV getroffene Ermessensentscheidung für ermessensfehlerhaft und daher rechtswidrig halte. Daraufhin hat die Klägerin eine Erledigungserklärung abgegeben, der die Beklagte widersprochen hat.
Die Klägerin hat ausgeführt, sie habe angenommen, dass auch der Beklagten an einer Erledigung des Rechtsstreits gelegen gewesen sei. Jedenfalls habe diese die Kosten des Verfahrens zu tragen. Dies ergebe sich aus dem rechtlichen Hinweis der Kammer und daraus, dass die Klage bis zur Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 14.12.2011 begründet gewesen sei. Die Beklagte habe jedenfalls durch ihr rechtswidrig bestimmtes Individualbudget ihre Klage veranlasst. Ihre Erledigungserklärung habe sie nur im Vertrauen auf eine beiderseits beabsichtigte Erledigungserklärung abgegeben. Anderenfalls müsse dem Verfahren Fortgang gegeben werden. Die Umstände der Zuweisung des Individualbudgets für Dr. H belegten die Berechtigung des streitgegenständlichen Anspruchs. Die Geltendmachung eines Anspruchs nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bleibe vorbehalten.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist,
hilfsweise, festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 28.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2010 rechtswidrig war.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, das Fortsetzungsfeststellungsbegehren der Klägerin habe sich nicht durch ein nachträgliches Ereignis erledigt. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage sei mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresses im Übrigen unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.
Das SG hat die Klage hinsichtlich des Haupt- und des Hilfsantrags durch Urteil vom 28.08.2013 abgewiesen: Es sei keine Erledigung eingetreten. Die Erledigung einer Fortsetzungsfeststellungsklage, in deren Rahmen über die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten entschieden werden solle, komme grundsätzlich nicht in Betracht. Auch hier könne über die Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Erhöhung des Individualbudgets weiterhin entschieden werden. Der Hilfsantrag der Klägerin sei ebenfalls unbegründet. Denn der Bescheid vom 28.01.2009, mit dem die Beklagte ihren Antrag auf Erhöhung des Individualbudgets abgelehnt habe, und der Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010 seien nach revidierter Auffassung des SG als rechtmäßig anzusehen.
Gegen das ihr am 24.10.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.11.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, streitig sei, ob die Beklagte mit Bescheid vom 28.01.2009 den Antrag auf Erhöhung des Individualbudgets zu Recht abgelehnt habe und der Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010 als rechtswidrig anzusehen sei. Schon angesichts des Umstands, dass Dr. H seit 2005 ein Individualbudget von 2.000.000 Punkten zugestanden habe, vermöge die Begründung des SG nicht zu überzeugen, dass ein erlaubter Zuwachs personenbezogen auf Dr. H mit 692.470 Punkten dem Sicherstellungsinteresse Rechnung trage. Die der Gemeinschaftspraxis verbleibende Quote beweise das Gegenteil. Daher hätte aus Sicherstellungsgründen der Antrag auf Erhöhung des Individualbudgets Erfolg haben müssen. Außerdem seien die angefochtenen Bescheide schon deshalb rechtswidrig, weil es nach der Leitentscheidung des BSG überhaupt keine Individualbudgets mehr hätte geben dürfen. Die angefochtenen Bescheide wären daher nur dann "richtig" und rechtmäßig gewesen, wenn seitens der Beklagten die Feststellung getroffen worden wäre, dass mangels Individualbudgets und fehlender rechtlicher Grundlagen keine Veranlassung zur Entscheidung über den Antrag auf Erhöhung des Individualbudgets gegeben gewesen sei. Über die Widersprüche gegen die Abrechnungsbescheide für die Quartale I - IV/2008 sei bis heute noch nicht entschieden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.08.2013 abzuändern und festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist,
hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 28.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2010 rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Klägerin habe kein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Vor allem sei die Fallgestaltung der Präjudizialität zur Durchsetzung von Folge-, insbesondere Schadensersatzansprüchen nicht gegeben. Ein Sachverhalt, der einen Amtshaftungsanspruch begründen könnte, sei weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Im Übrigen seien die streitgegenständlichen Bescheide nicht rechtswidrig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erhöhung des Individualbudgets gehabt. Insoweit werde auf den bisherigen Vortrag Bezug genommen. Auch daraus, dass Dr. H eine Sonderbedarfszulassung erhalten habe, folge nichts anderes. Die Sonderbedarfszulassung habe ihm nur einen Anspruch darauf verliehen, überhaupt ein Individualbudget zugeteilt zu bekommen. Der Anspruch auf darüber hinausgehende Abrechnung müsse gesondert belegt und aus Sicherstellungsgründen begründet sein. Diesen Nachweis habe die Klägerin nicht geführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn es ist keine Erledigung eingetreten (dazu I.). Die hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist unzulässig (dazu II.).
I.
Mit ihrem Hauptantrag hatte die Klägerin beantragt, festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Da sich die Beklagte der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat, handelt es sich um eine einseitige Erledigungserklärung. Durch diese ist der Rechtsstreit nicht beendet worden. Eine Erledigungserklärung, der die Gegenseite widerspricht, kann - in kostenpflichtigen Verfahren - nicht mit einer Klagerücknahme gleichgesetzt werden. Vielmehr wird der Rechtsstreit durch nur einseitige Erledigungserklärung in einen sog. Erledigungsrechtsstreit umgewandelt (BSG, Beschluss vom 15.08.2012 - B 6 KA 97/11 B -).
Die Wirkungen der einseitigen Erledigungserklärung sind unterschiedlich. Im Unterschied zum Zivil- und Verwaltungsprozess führt im kostenprivilegierten sozialgerichtlichen Verfahren bereits die einseitige Erledigungserklärung des Klägers zur Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, denn diese hat hier im Gegensatz zur Rechtslage nach §91a Zivilprozessordnung (ZPO) und § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) keine eigenständige, insbesondere kostenrechtliche Bedeutung; sie stellt sich je nach prozessualer Konstellation entweder als Klagerücknahme oder als Annahme eines von der Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses dar und führt wegen §§ 101 Abs. 2, 102 Satz 2 SGG zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (BSG, Urteile vom 20.12.1995 - 6 RKa 18/95 - und 09.06.1994 - 6/14a RKa 3/93 -; Beschluss vom 18.01.1957 - 6 RKa 7/56 -; hierzu auch Senat, Beschlüsse vom 31.01.2011 - L 11 KA 61/11 B ER - und 21.05.2010 - L 11 B 15/09 KA ER -). Für dem Kostensystem des § 197a SGG i.V.m. §§ 154 ff. VwGO unterliegende Verfahren ist diese Rechtslage zu hinterfragen (Senat, Beschlüsse vom 31.01.2011 - L 11 KA 61/11 B ER - und 21.05.2010 - L 11 B 15/09 KA ER -), da die einseitige Erledigungserklärung dann als Klage- oder Berufungsrücknahme immer zur Kostenfolge des § 155 Abs. 2 SGG führen würde. Deswegen geht der Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus (z.B. Beschlüsse vom 31.01.2011 - L 11 KA 61/11 B ER - und 21.05.2010 - L 11 B 15/09 KA ER -), dass eine einseitige, nicht widersprochene Erledigungserklärung eine Kostenentscheidung nach billigem Ermessen eröffnet (§ 161 Abs. 2 SGG). Bei einer einseitigen Erledigungserklärung, der widersprochen wurde, ist diese Möglichkeit nicht gegeben, denn sie erledigt den Rechtsstreit nicht in der Hauptsache (zutreffend BSG, Beschluss vom 15.08.2012 - B 6 KA 97/11 B -).
Aufgrund der Erledigungserklärung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2012 ist Gegenstand des anhängigen Streitverfahrens nur noch die Frage, ob sich die Hauptsache erledigt hat. Das ist dann der Fall, wenn ein nach der Klageerhebung eingetretenes außerprozessuales Ereignis dem Klagebegehren die Grundlage entzogen hat und die Klage deshalb für den Kläger gegenstandslos geworden ist. Widerspricht der Beklagte der Erledigungserklärung, so wird der Rechtsstreit fortgesetzt. Indessen hat das Gericht grundsätzlich nur noch die Frage zu prüfen, ob sich das ursprüngliche Klagebegehren durch ein nach Klageerhebung eingetretenes Ereignis außerhalb des Prozesses erledigt hat. Erweist sich das Vorbringen des Klägers über ein nachträgliches Ereignis, das seiner Klage die Grundlage entzogen habe, als richtig, so ist dem veränderten Klageantrag stattzugeben; anderenfalls ist die Klage abzuweisen (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 31.10.1990 - 4 C 7/88 -; vgl. auch Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 27.02.1992 - I ZR 35/90 -). Abzustellen ist auf den vor der Erledigungserklärung zuletzt verfolgten Klageantrag (BGH, Urteil vom 27.02.1992 - I ZR 35/90 -). Dies war hier der Antrag, festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 28.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2010 rechtswidrig war. Dieses Feststellungsbegehren hat sich nicht nachträglich erledigt. Nach Antragsstellung hat das SG lediglich darauf hingewiesen, dass es die angegriffene Entscheidung wegen Ermessensfehlern für rechtswidrig hält. Danach ist die Erledigungserklärung abgegeben worden. Der Hinweis des SG hat den Klageantrag aber weder unzulässig noch unbegründet werden lassen.
II.
Der Hilfsantrag ist unzulässig. Er stellt eine Fortsetzungsfeststellungsklage i.S.v. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG dar, der auf andere als Anfechtungsklagen analog anzuwenden ist, bei denen es um die Rechtmäßigkeit der Verfahrensweise des Beklagten im Zusammenhang mit einem Verwaltungsakt bei Erledigung des primären Rechtsschutzbegehrens geht, so - wie hier - einer Verpflichtungsklage (BSG, Urteil vom 28.09.05 - B 6 KA 73/04 R -).
Es mangelt an einem erledigenden Ereignis. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist nach Erledigung einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nur zulässig, wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Die bloße Behauptung, der Verwaltungsakt habe sich erledigt, genügt für die Zulässigkeit nicht (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, 2014, § 131 Rdn. 9; Humpert in Jansen, SGG, 4. Auflage, 2012, § 131 Rdn. 17; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage, 2014, § 113 Rdn. 99; vgl. auch BSG, Urteil vom 10.12.2014 - B 6 KA 49/13 R -). Sowohl die Verpflichtungsklage als auch die hilfsweise Feststellungsklage waren von Anfang an unbegründet, denn der Klägerin stand mangels Rechtsgrundlage kein Individualbudget - in welcher Höhe auch immer - zu. Es liegt kein nachträgliches Ereignis vor, das zur Unzulässigkeit oder Unbegründetheit der ursprünglichen Klage geführt hätte. Insbesondere ist durch die Urteile des BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 3/ 11 R, B 6 KA 4/11 R; B 6 KA 5/11 R und B 6 KA 6/11 R - keine Erledigung eingetreten. In diesen Urteilen hat das BSG festgestellt, dass der ab 01.04.2005 geltende HVV den Vorgaben des § 85 Abs. 4 Satz 7 und 8 SGB V nicht genüge. Der HVV war rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit ist aber nicht erst mit der Entscheidung des BSG eingetreten. Sie bestand von Anfang an. Das BSG hat die Rechtslage erhellt, aber keine neue geschaffen.
Im Übrigen ist das gemäß § 131 Abs 1 Satz 3 SGG erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 131 RdNr 10 ff.) der Klägerin an der hilfsweise begehrten Feststellung nicht erkennbar. Die Klägerin hat sich lediglich pauschal vorbehalten, nach Entscheidung des Gerichts von den Möglichkeiten des § 839 BGB Gebrauch zu machen. Allein die abstrakte Möglichkeit, dass ein Amtshaftungsprozess angestrengt werden könnte, genügt nicht (BSG, Urteil vom 21.10.1958 - 6 RKa 22/55 -; hierzu auch Senat, Urteil vom 27.08.2008 - L 11 KA 18/08 -). Unklar bleibt, welcher Schaden der Klägerin entstanden sein soll. Ein Anspruch auf ein Individualbudget - und damit auch dessen Erhöhung - bestand nicht. Dass der Klägerin durch die sich auf den rechtswidrigen HVV stützende und daher falsche Begründung ein Schaden entstanden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als über die Abrechnungsbescheide für 2008 noch nicht abschließend entschieden wurde. Welches Regelleistungsvolumen (RLV) der Klägerin 2008 zustand, ist im Rahmen der Abrechnung zu prüfen und nicht in einem Schadensersatzprozess.
Das Kosteninteresse ist kein Grund für die Fortführung des Rechtsstreits (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 131 RdNr 10a). Aufgabe der Kostenentscheidung kann es nicht sein, einen Rechtsstreit ungeachtet seiner Erledigung zur Hauptsache hinsichtlich aller rechtlichen Zweifelsfragen auszuschöpfen, nur um eine besser begründete Kostenentscheidung zu ermöglichen. Eine solche Auffassung würde den Willen des Gesetzes verkennen, das Gericht zu entlasten und seine Zeit und Arbeitskraft anderen, wichtigeren und vordringlicher erscheinenden Streitigkeiten zuzuwenden. Dieser Gesichtspunkt schließt es aus, dass das Rechtsschutzinteresse an der Sachentscheidung aus dem Kosteninteresse hergeleitet werden kann (BSG, Urteil vom 21.10.1958 - 6 RKa 22/55 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob der Rechtsstreit über eine Erhöhung des Individualbudgets erledigt ist.
Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) von zwei Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin - Kinderkardiologie -, die in L zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind.
Unter dem 27.03.2007 beantragte das spätere Mitglied der BAG Dr. H die Umwandlung der ihm als Leiter der Kinderkardiologischen Abteilung der Kliniken der Stadt L - Kinderkrankenhaus - erteilten Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in eine Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit. Diese erteilte ihm der Zulassungsausschuss (ZA) mit Beschluss vom 05.12.2007 im Rahmen des Sonderbedarfes für den Bereich Kinderkardiologie mit Wirkung vom 01.01.2008. Am 13.02.2008 genehmigte der ZA der Klägerin mit Wirkung vom 14.02.2008 die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit.
Unter dem 03.01.2008 beantragte die Klägerin die Erhöhung des Dr. H zugewiesenen Individualbudgets. Sie verwies auf den Umfang des Individualbudgets im Rahmen der Ermächtigung, der 2.000.000 Punkte betragen habe, und bat um dessen weitere Anerkennung.
Mit Bescheid vom 28.01.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den hiergegen am 10.02.2009 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010 zurück. Die Voraussetzungen für eine Erhöhung des maximal abrechenbaren individuellen Punktzahlvolumens (Individualbudget) nach § 7 Abs. 8 des zum 01.07.2007 in Kraft getretenen Honorarverteilungsvertrages zwischen der Beklagten, den nordrheinischen Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen (HVV; Rheinisches Ärzteblatt 7/2007, Seite 58 ff.) in der Fassung vom 13.03.2008 (Rheinisches Ärzteblatt 4/2008, Seite 58 f.) lägen nicht vor. Sofern die Klägerin darauf hinweise, dass die Feststellung von Individualbudgets nach dem 01.04.2005 rechtswidrig sei und das Individualbudget von daher nach oben offen gestaltet werden könne, liege kein bestandskräftiger Beschluss vor. Der bisherige Stand der Entscheidungen der Sozialgerichtsbarkeit rechtfertige keine Anpassung des Individualbudgets an sich.
Am 26.11.2010 hat die Klägerin eine Anfechtungsklage zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben und im Hinblick darauf, dass das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen mit gefestigter Rechtsprechung die Regelung des Individualbudgets als rechtswidrig bewertet habe, hilfsweise die Feststellung beantragt, dass die durch die Festlegung des Individualbudgets vorgenommenen Beschränkungen "nach oben offen" seien in dem Sinn, dass das der Klägerin im Sinne eines Individualbudgets zustehende Abrechnungsvolumen jedenfalls höher als 2.000.000 Punkte liege.
Nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14.12.2011 - B 6 KA 3/ 11 R, B 6 KA 4/11 R, B 6 KA 5/11 R und B 6 KA 6/11 R - über die Rechtswidrigkeit des mit Wirkung ab dem 01.04.2005 vereinbarten HVV hat die Klägerin entgegen der Anregung der Beklagten den Rechtsstreit nicht für erledigt erklärt sondern auf ihren Feststellungsantrag verwiesen. Anlässlich eines Termins zur mündlichen Verhandlung am 29.08.2012 hat sie den Klageantrag auf die Feststellung geändert, dass der Bescheid der Beklagten vom 28.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2010 rechtswidrig war. Im Anschluss hat das SG darauf hingewiesen, dass es die auf Grundlage von § 7 Abs. 8 HVV getroffene Ermessensentscheidung für ermessensfehlerhaft und daher rechtswidrig halte. Daraufhin hat die Klägerin eine Erledigungserklärung abgegeben, der die Beklagte widersprochen hat.
Die Klägerin hat ausgeführt, sie habe angenommen, dass auch der Beklagten an einer Erledigung des Rechtsstreits gelegen gewesen sei. Jedenfalls habe diese die Kosten des Verfahrens zu tragen. Dies ergebe sich aus dem rechtlichen Hinweis der Kammer und daraus, dass die Klage bis zur Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 14.12.2011 begründet gewesen sei. Die Beklagte habe jedenfalls durch ihr rechtswidrig bestimmtes Individualbudget ihre Klage veranlasst. Ihre Erledigungserklärung habe sie nur im Vertrauen auf eine beiderseits beabsichtigte Erledigungserklärung abgegeben. Anderenfalls müsse dem Verfahren Fortgang gegeben werden. Die Umstände der Zuweisung des Individualbudgets für Dr. H belegten die Berechtigung des streitgegenständlichen Anspruchs. Die Geltendmachung eines Anspruchs nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bleibe vorbehalten.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist,
hilfsweise, festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 28.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2010 rechtswidrig war.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, das Fortsetzungsfeststellungsbegehren der Klägerin habe sich nicht durch ein nachträgliches Ereignis erledigt. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage sei mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresses im Übrigen unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.
Das SG hat die Klage hinsichtlich des Haupt- und des Hilfsantrags durch Urteil vom 28.08.2013 abgewiesen: Es sei keine Erledigung eingetreten. Die Erledigung einer Fortsetzungsfeststellungsklage, in deren Rahmen über die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten entschieden werden solle, komme grundsätzlich nicht in Betracht. Auch hier könne über die Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Erhöhung des Individualbudgets weiterhin entschieden werden. Der Hilfsantrag der Klägerin sei ebenfalls unbegründet. Denn der Bescheid vom 28.01.2009, mit dem die Beklagte ihren Antrag auf Erhöhung des Individualbudgets abgelehnt habe, und der Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010 seien nach revidierter Auffassung des SG als rechtmäßig anzusehen.
Gegen das ihr am 24.10.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.11.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, streitig sei, ob die Beklagte mit Bescheid vom 28.01.2009 den Antrag auf Erhöhung des Individualbudgets zu Recht abgelehnt habe und der Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010 als rechtswidrig anzusehen sei. Schon angesichts des Umstands, dass Dr. H seit 2005 ein Individualbudget von 2.000.000 Punkten zugestanden habe, vermöge die Begründung des SG nicht zu überzeugen, dass ein erlaubter Zuwachs personenbezogen auf Dr. H mit 692.470 Punkten dem Sicherstellungsinteresse Rechnung trage. Die der Gemeinschaftspraxis verbleibende Quote beweise das Gegenteil. Daher hätte aus Sicherstellungsgründen der Antrag auf Erhöhung des Individualbudgets Erfolg haben müssen. Außerdem seien die angefochtenen Bescheide schon deshalb rechtswidrig, weil es nach der Leitentscheidung des BSG überhaupt keine Individualbudgets mehr hätte geben dürfen. Die angefochtenen Bescheide wären daher nur dann "richtig" und rechtmäßig gewesen, wenn seitens der Beklagten die Feststellung getroffen worden wäre, dass mangels Individualbudgets und fehlender rechtlicher Grundlagen keine Veranlassung zur Entscheidung über den Antrag auf Erhöhung des Individualbudgets gegeben gewesen sei. Über die Widersprüche gegen die Abrechnungsbescheide für die Quartale I - IV/2008 sei bis heute noch nicht entschieden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.08.2013 abzuändern und festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist,
hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 28.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2010 rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Klägerin habe kein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Vor allem sei die Fallgestaltung der Präjudizialität zur Durchsetzung von Folge-, insbesondere Schadensersatzansprüchen nicht gegeben. Ein Sachverhalt, der einen Amtshaftungsanspruch begründen könnte, sei weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Im Übrigen seien die streitgegenständlichen Bescheide nicht rechtswidrig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erhöhung des Individualbudgets gehabt. Insoweit werde auf den bisherigen Vortrag Bezug genommen. Auch daraus, dass Dr. H eine Sonderbedarfszulassung erhalten habe, folge nichts anderes. Die Sonderbedarfszulassung habe ihm nur einen Anspruch darauf verliehen, überhaupt ein Individualbudget zugeteilt zu bekommen. Der Anspruch auf darüber hinausgehende Abrechnung müsse gesondert belegt und aus Sicherstellungsgründen begründet sein. Diesen Nachweis habe die Klägerin nicht geführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn es ist keine Erledigung eingetreten (dazu I.). Die hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist unzulässig (dazu II.).
I.
Mit ihrem Hauptantrag hatte die Klägerin beantragt, festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Da sich die Beklagte der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat, handelt es sich um eine einseitige Erledigungserklärung. Durch diese ist der Rechtsstreit nicht beendet worden. Eine Erledigungserklärung, der die Gegenseite widerspricht, kann - in kostenpflichtigen Verfahren - nicht mit einer Klagerücknahme gleichgesetzt werden. Vielmehr wird der Rechtsstreit durch nur einseitige Erledigungserklärung in einen sog. Erledigungsrechtsstreit umgewandelt (BSG, Beschluss vom 15.08.2012 - B 6 KA 97/11 B -).
Die Wirkungen der einseitigen Erledigungserklärung sind unterschiedlich. Im Unterschied zum Zivil- und Verwaltungsprozess führt im kostenprivilegierten sozialgerichtlichen Verfahren bereits die einseitige Erledigungserklärung des Klägers zur Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, denn diese hat hier im Gegensatz zur Rechtslage nach §91a Zivilprozessordnung (ZPO) und § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) keine eigenständige, insbesondere kostenrechtliche Bedeutung; sie stellt sich je nach prozessualer Konstellation entweder als Klagerücknahme oder als Annahme eines von der Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses dar und führt wegen §§ 101 Abs. 2, 102 Satz 2 SGG zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (BSG, Urteile vom 20.12.1995 - 6 RKa 18/95 - und 09.06.1994 - 6/14a RKa 3/93 -; Beschluss vom 18.01.1957 - 6 RKa 7/56 -; hierzu auch Senat, Beschlüsse vom 31.01.2011 - L 11 KA 61/11 B ER - und 21.05.2010 - L 11 B 15/09 KA ER -). Für dem Kostensystem des § 197a SGG i.V.m. §§ 154 ff. VwGO unterliegende Verfahren ist diese Rechtslage zu hinterfragen (Senat, Beschlüsse vom 31.01.2011 - L 11 KA 61/11 B ER - und 21.05.2010 - L 11 B 15/09 KA ER -), da die einseitige Erledigungserklärung dann als Klage- oder Berufungsrücknahme immer zur Kostenfolge des § 155 Abs. 2 SGG führen würde. Deswegen geht der Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus (z.B. Beschlüsse vom 31.01.2011 - L 11 KA 61/11 B ER - und 21.05.2010 - L 11 B 15/09 KA ER -), dass eine einseitige, nicht widersprochene Erledigungserklärung eine Kostenentscheidung nach billigem Ermessen eröffnet (§ 161 Abs. 2 SGG). Bei einer einseitigen Erledigungserklärung, der widersprochen wurde, ist diese Möglichkeit nicht gegeben, denn sie erledigt den Rechtsstreit nicht in der Hauptsache (zutreffend BSG, Beschluss vom 15.08.2012 - B 6 KA 97/11 B -).
Aufgrund der Erledigungserklärung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2012 ist Gegenstand des anhängigen Streitverfahrens nur noch die Frage, ob sich die Hauptsache erledigt hat. Das ist dann der Fall, wenn ein nach der Klageerhebung eingetretenes außerprozessuales Ereignis dem Klagebegehren die Grundlage entzogen hat und die Klage deshalb für den Kläger gegenstandslos geworden ist. Widerspricht der Beklagte der Erledigungserklärung, so wird der Rechtsstreit fortgesetzt. Indessen hat das Gericht grundsätzlich nur noch die Frage zu prüfen, ob sich das ursprüngliche Klagebegehren durch ein nach Klageerhebung eingetretenes Ereignis außerhalb des Prozesses erledigt hat. Erweist sich das Vorbringen des Klägers über ein nachträgliches Ereignis, das seiner Klage die Grundlage entzogen habe, als richtig, so ist dem veränderten Klageantrag stattzugeben; anderenfalls ist die Klage abzuweisen (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 31.10.1990 - 4 C 7/88 -; vgl. auch Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 27.02.1992 - I ZR 35/90 -). Abzustellen ist auf den vor der Erledigungserklärung zuletzt verfolgten Klageantrag (BGH, Urteil vom 27.02.1992 - I ZR 35/90 -). Dies war hier der Antrag, festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 28.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2010 rechtswidrig war. Dieses Feststellungsbegehren hat sich nicht nachträglich erledigt. Nach Antragsstellung hat das SG lediglich darauf hingewiesen, dass es die angegriffene Entscheidung wegen Ermessensfehlern für rechtswidrig hält. Danach ist die Erledigungserklärung abgegeben worden. Der Hinweis des SG hat den Klageantrag aber weder unzulässig noch unbegründet werden lassen.
II.
Der Hilfsantrag ist unzulässig. Er stellt eine Fortsetzungsfeststellungsklage i.S.v. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG dar, der auf andere als Anfechtungsklagen analog anzuwenden ist, bei denen es um die Rechtmäßigkeit der Verfahrensweise des Beklagten im Zusammenhang mit einem Verwaltungsakt bei Erledigung des primären Rechtsschutzbegehrens geht, so - wie hier - einer Verpflichtungsklage (BSG, Urteil vom 28.09.05 - B 6 KA 73/04 R -).
Es mangelt an einem erledigenden Ereignis. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist nach Erledigung einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nur zulässig, wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Die bloße Behauptung, der Verwaltungsakt habe sich erledigt, genügt für die Zulässigkeit nicht (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, 2014, § 131 Rdn. 9; Humpert in Jansen, SGG, 4. Auflage, 2012, § 131 Rdn. 17; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage, 2014, § 113 Rdn. 99; vgl. auch BSG, Urteil vom 10.12.2014 - B 6 KA 49/13 R -). Sowohl die Verpflichtungsklage als auch die hilfsweise Feststellungsklage waren von Anfang an unbegründet, denn der Klägerin stand mangels Rechtsgrundlage kein Individualbudget - in welcher Höhe auch immer - zu. Es liegt kein nachträgliches Ereignis vor, das zur Unzulässigkeit oder Unbegründetheit der ursprünglichen Klage geführt hätte. Insbesondere ist durch die Urteile des BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 3/ 11 R, B 6 KA 4/11 R; B 6 KA 5/11 R und B 6 KA 6/11 R - keine Erledigung eingetreten. In diesen Urteilen hat das BSG festgestellt, dass der ab 01.04.2005 geltende HVV den Vorgaben des § 85 Abs. 4 Satz 7 und 8 SGB V nicht genüge. Der HVV war rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit ist aber nicht erst mit der Entscheidung des BSG eingetreten. Sie bestand von Anfang an. Das BSG hat die Rechtslage erhellt, aber keine neue geschaffen.
Im Übrigen ist das gemäß § 131 Abs 1 Satz 3 SGG erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 131 RdNr 10 ff.) der Klägerin an der hilfsweise begehrten Feststellung nicht erkennbar. Die Klägerin hat sich lediglich pauschal vorbehalten, nach Entscheidung des Gerichts von den Möglichkeiten des § 839 BGB Gebrauch zu machen. Allein die abstrakte Möglichkeit, dass ein Amtshaftungsprozess angestrengt werden könnte, genügt nicht (BSG, Urteil vom 21.10.1958 - 6 RKa 22/55 -; hierzu auch Senat, Urteil vom 27.08.2008 - L 11 KA 18/08 -). Unklar bleibt, welcher Schaden der Klägerin entstanden sein soll. Ein Anspruch auf ein Individualbudget - und damit auch dessen Erhöhung - bestand nicht. Dass der Klägerin durch die sich auf den rechtswidrigen HVV stützende und daher falsche Begründung ein Schaden entstanden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als über die Abrechnungsbescheide für 2008 noch nicht abschließend entschieden wurde. Welches Regelleistungsvolumen (RLV) der Klägerin 2008 zustand, ist im Rahmen der Abrechnung zu prüfen und nicht in einem Schadensersatzprozess.
Das Kosteninteresse ist kein Grund für die Fortführung des Rechtsstreits (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 131 RdNr 10a). Aufgabe der Kostenentscheidung kann es nicht sein, einen Rechtsstreit ungeachtet seiner Erledigung zur Hauptsache hinsichtlich aller rechtlichen Zweifelsfragen auszuschöpfen, nur um eine besser begründete Kostenentscheidung zu ermöglichen. Eine solche Auffassung würde den Willen des Gesetzes verkennen, das Gericht zu entlasten und seine Zeit und Arbeitskraft anderen, wichtigeren und vordringlicher erscheinenden Streitigkeiten zuzuwenden. Dieser Gesichtspunkt schließt es aus, dass das Rechtsschutzinteresse an der Sachentscheidung aus dem Kosteninteresse hergeleitet werden kann (BSG, Urteil vom 21.10.1958 - 6 RKa 22/55 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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