L 1 U 2911/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 1683/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2911/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 27. März 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Anerkennung der Erkrankungen des Klägers als Berufskrankheiten (BK) nach 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe), 1310 (Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide) und 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der Kläger ist 1942 geboren. Nach einer Tätigkeit als Elektriker in verschiedenen Betrieben wurde er von 1977 bis 1979 zum Medizinisch-Technischen Assistenten (MTA) umgeschult. Von 1980 bis 1997 arbeitete er in leitender Funktion im Labor der Rehaklinik I ... Ab 1. November 1997 bezog der Kläger Erwerbsunfähigkeitsrente.

Am 22. Juli 1997 ging bei der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik (BGFE), einer der Rechtsvorgängerinnen der Beigeladenen, die Anzeige des Dr. B., Nervenarzt in T., vom 17. Juli 1997 über eine BK ein. Der Kläger leide unter Polyneuropathie, schwerer Myopathie, schwerer Leistungs- und Wesensänderung nach langjähriger Tätigkeit mit toxischen Stoffen (BK-Nr. 13, 1302). Beigefügt war der Arztbrief an Dr. M. vom 20. Februar 1997. Darin wurde u.a. ausgeführt, seit Beginn der 90er Jahre bemerke der Kläger einen drastischen, schleichenden Abbau der kognitiven Leistungsfähigkeit. Beigefügt war auch der Befund einer neuropsychologischen Untersuchung durch Dr. K ...

Da für die letzte Tätigkeit des Klägers zuständige Berufsgenossenschaft die Beklagte war, leitete die Beigeladene die Anzeige an diese weiter. Diese nahm weitere Ermittlungen auf.

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Landesversicherungsanstalt Württemberg als Träger der Rehaklinik mit, dass dort seit 1995 außer Urinscreening mit Papignost-Teststreifen keine weiteren Laboruntersuchungen mehr stattfinden würden. Vor Juli 1995 seien noch andere Untersuchungen vorgenommen worden. Da das Labor jedoch vom Kläger eigenverantwortlich geleitet worden sei, könnten zur Art der Untersuchungen keine Angaben gemacht werden. Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis von der Krankenkasse bei und besichtigte den ehemaligen Arbeitsplatz des Klägers (Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes vom 14. Januar 1998). In persönlichen Schreiben an die Beklagte führte der Kläger ergänzend aus, er sei schon während seiner Tätigkeit als Elektriker erheblichen Einwirkungen u.a. von Schweißdämpfen und Lösungsmitteln ausgesetzt gewesen, ebenso von sog. Trafo-Öl (PCB-haltig). Während seiner Zeit als MTA habe er jeden Tag mit Desinfektionsmittel zu tun gehabt. Seine Hände seien auch immer wieder mit vielfältigen Färbelösungen aus Hämatologie, Histologie und Mikrobiologie gefärbt gewesen. Er habe auch Kontakt mit Lösemitteln gehabt und vermute, dass ohne sein Wissen den ganzen Sommer hindurch ständig Insektenmittel im Labor der Rehaklinik versprüht worden sei. Es seien von der benachbarten Wiese täglich viele Schmeißfliegen in das Labor geflogen, dort jedoch spätestens am nächsten Morgen tot aufgefunden worden. Entsprechendes gelte für den regelmäßig tätigen Kammerjäger.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 1998 gab die Beklagte das Verfahren an die Beigeladene als erstangegangenen Unfallversicherungsträger ab, nachdem Dr. R., Arbeitsmediziner in der Hauptverwaltung der Beklagten, beratungsärztlich die Auffassung vertreten hatte, der Kläger sei hypochondrisch, eine BK liege nicht vor. Selbst bei der in Anlage zu seiner Stellungnahme beigefügten beispielhaften worst-case-Betrachtung eines histologischen Labors sei nur 1/4 bis 1/10 des höchstzulässigen Wertes an Schadstoffen erreicht.

Nachdem sich die Beigeladene erneut nicht für zuständig erklärt hatte, lehnte die Beklagte nach Beteiligung des staatlichen Gewerbearztes mit Bescheid vom 21. Mai 1999 die Anerkennung einer BK nach Nr. 1102, 1302, 1303, 1310 sowie 1317 der Anlage zur BKV ab. Es habe nicht nachgewiesen werden können, dass der Kläger an einer berufsbedingten Erkrankung leide. Darüber hinaus habe keine relevante Exposition gegenüber Schadstoffen vorgelegen. Die Schadstoffbelastung sowohl in der Klinik I. als auch während der Umschulung erreiche nur einen Bruchteil des zulässigen Grenzwertes, da in beiden Fällen von einer noch geringeren Belastung als in einem Routinelabor ausgegangen werden könne. Auch seien keine wesentlichen Expositionen gegenüber Desinfektionsmitteln anzunehmen. Die großflächige Reinigung des Fußbodens mit Desinfektionsmitteln sei nach Arbeitsende durch das Reinigungspersonal durchgeführt worden. Ein nennenswertes regelmäßiges Versprühen von Insektiziden im Laborbereich sei vom Verwaltungsleiter der Klinik nicht bestätigt worden. Auch die Vermutung, dass Imersionsöle PCB-belastet gewesen seien, habe der TAD nicht bestätigen können. Relevante Belastungen mit Quecksilber seien nicht nachweisbar, da entsprechende Belege (z.B. Laboruntersuchungen) fehlten. Nicht zuletzt fehle es an neurotoxischen Krankheitssymptomen. Ob der Kläger bei seiner Tätigkeit als Elektroinstallateur vor 1977 gesundheitsschädigenden Expositionen ausgesetzt gewesen sei, könne nicht beurteilt werden. Es werde anheimgestellt, sich deshalb an die Beigeladene zu wenden.

Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, es müsse berücksichtigt werden, dass bei ihm eine Kombinationsbelastung vorgelegen habe, so dass die für einzelne Schadstoffe geltenden MAK-Werte für die Beurteilung ohne Belang wären. Auch sei unberücksichtigt geblieben, dass er im sog. Aktenkeller hohen Konzentrationen von Glasfaserstaub ausgesetzt gewesen sei. Er machte noch weitere Fehler im Prüfbericht des TAD geltend, die die tatsächliche Belastung verharmlosen würden, und übersandte zahlreiche Unterlagen in Anlage.

Der dazu um Stellungnahme gebetene Dr. R. verblieb bei seiner Einschätzung und führte aus, der Kläger habe bei seiner Darstellung übersehen, dass nicht sein konkreter Arbeitsplatz, sondern ein histologisches Labor als Berechnungsbeispiel für den worst-case-Fall herangezogen worden sei. Glasfaser sei nach dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand im Zusammenhang mit dem Entstehen von Tumoren bekannt, nicht aber für die hier zur Anerkennung geltend gemachten BKen. Nach Einholung einer Stellungnahme des Technischen Aufsichtsbeamten wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 1999).

Dagegen hat der Kläger am 22. November 1999 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) (Az.: S 1 U 2160/99) erhoben und zugleich die Anordnung des Ruhens des Verfahrens beantragt, da noch ein Feststellungsverfahren bei der Beigeladenen laufe. Mit Beschluss vom 14. Dezember 1999 hat das SG das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Die Beklagte hat erstmals mit Schriftsatz vom 22. Juni 2001 beantragt, das ruhende Verfahren wieder anzurufen (Az.: S 4 U 1244/01). Mit Beschluss vom 13. September 2001 hat das SG jedoch erneut das Ruhen des Verfahrens angeordnet, da das Feststellungsverfahren bei der Beigeladenen noch nicht abgeschlossen war.

Mit Schriftsatz vom 30. September 2002 hat die Beklagte erneut das Verfahren wieder angerufen (Az.: S 4 U 1868/02). Das Verfahren ist jedoch nochmals ruhend gestellt worden.

Zuletzt hat der Kläger mit Schriftsatz vom 29. Juli 2003 das ruhende Verfahren wieder angerufen (Az: S 5 U 1683/03) und das Gutachten des Dr. Schwinger, Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 9. Mai 2002, gerichtet an die Beigeladene, vorgelegt, das als "freies fachärztliches Gutachten ... insbesondere zur Frage des Hörschadens" bezeichnet ist, den Arztbrief des HNO-Arztes Dr. K. vom 17. Oktober 2001 an Dr. Schwinger sowie den Bericht über eine SPECT-Untersuchung vom 17. November 1994.

Auf Anfrage des SG hat die Beigeladene mitgeteilt, der Kläger habe dort Verfahren um die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 und 2301 der Anlage zur BKV geführt, die jedoch nicht anerkannt worden seien. Klage sei nicht erhoben worden.

Das SG hat die Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Zeit vor 1977 veranlasst. Der Technische Aufsichtsbeamte der Beigeladenen hat in seinem Bericht vom 7. September 2005 ausgeführt, der Kläger habe vom 30. Juli 1962 bis 31. März 1963 bei der Fa. R. und S.als Elektromechaniker in der Drahterei gearbeitet. Er habe den Beschäftigungsbetrieb besucht, vor Ort Erhebungen durchgeführt (der ehemalige Arbeitsplatz existiere nicht mehr) und am 5. September 2005 auch den Kläger zum Sachverhalt befragt. Einwirkungen im Sinne der BK 1302 und 1317 hätten vorgelegen, da Halogenkohlenwasserstoffe bzw. Lösungsmittel zum Reinigen von Metallen verwendet worden seien. Angaben zur Höhe der Expositionen seien jedoch nicht mehr möglich; hinsichtlich der BKen Nr. 1102, 1303 und 1310 lägen keine Einwirkungen vor. Beispielhaft beigefügt hat der Aufsichtsbeamte Sicherheitsdatenblätter von ab 1986 verwendeten Arbeitsstoffen. Mit Bericht vom 6. Februar 2006 hat der Technische Aufsichtsbeamte über die Belastungen während der Tätigkeit für die AEG-Hausgeräte AG von 1964 bis 1977, die Lehre bei der Fa. Elektro-M. von 1959 bis 1962 unter Einbeziehung der Tätigkeit bei der Fa. R. berichtet. Er ist dabei, da die Arbeitsplätze nicht mehr existierten, von den Angaben des Klägers zu den durchgeführten Verrichtungen ausgegangen, die von Monteuren und Elektrofachkräften, die in der damaligen Zeit tätig gewesen seien, bestätigt worden seien. Danach habe der Kläger von 1959 bis 1977 regelmäßig täglich Umgang mit Lösungsmitteln gehabt. Angesichts des damals üblichen sorglosen Umgangs damit sei von einer Gefährdung im Sinne der BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV auszugehen. Entsprechendes gelte für eine BK nach Nr. 1302 der Anlage zur BKV. Bei der Tätigkeit des "Lampenentsorgens" während der Lehrzeit sei nicht von einer relevanten Gefährdung durch Quecksilber auszugehen, wie Messungen in Recyclingbetrieben gezeigt hätten. Es bestehe kein Anhaltspunkt für die Verwendung von Benzol und Styrol (Gefahrstoffe der BK nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV), jedoch sei der Umgang mit Toluol und Xylol bei Lackarbeiten denkbar, jedoch so geringfügig, dass nicht von einer Gefährdung auszugehen sei. Auch sei eine Gefährdung durch gelegentliches Abbrennen von Isolieröl (Einatmen von dabei entstehenden Dioxinen) nicht wahrscheinlich. Der Kontakt mit Schweißgasen stelle keine Gefährdung im Sinne der BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV dar; dies hätten Messungen an Vollzeitschweißarbeitsplätzen im Schiffsbau (unter ungünstigen Arbeitsbedingungen) belegt, denn in keinem Fall sei der relevante Grenzwert auch nur annähernd erreicht worden.

Mit Beschluss vom 19. Juni 2006 hat das SG die BGFE zum Verfahren notwendig beigeladen.

Im Auftrag des SG hat unter dem 9. April 2007 K., Institut für Medizinische Begutachtung und Prävention, K., ein Gutachten erstattet. Darin führt er aus, dass beim Kläger aus einer Vielzahl unspezifischer Befunde Erkrankungen abgeleitet worden und diese in Zusammenhang mit beruflichen Schadstoffeinflüssen gestellt worden seien. Tatsächlich leide der Kläger an einer psychosomatischen Störung mit Hypochondrie, paranoiden Elementen und depressiven Episoden, einem chronischen Lendenwirbelsäulensyndrom, Coxarthrose links, Schlafapnoe-Syndrom, Tinnitus aurium, chronisch rezidivierender Prostatitis bei Prostatahyperplasie sowie Onychomykose. Hinsichtlich der BK Nr. 1102 der Anlage zur BKV (Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen) seien weder in der Vergangenheit noch derzeit für eine Quecksilbervergiftung typische Symptome festzustellen. Darüber hinaus seien relevante Expositionen durch die Technischen Aufsichtsdienste beider Berufsgenossenschaften ausgeschlossen worden. Die Existenz einer peripheren Polyneuropathie im Sinne der BK Nr. 1317 der Anlage zur BKV (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) könne nicht vollständig ausgeschlossen werden. Diese könne Folge einer Trichlorethenexposition sein. Diese könnte aber auch zu einer Enzephalopathie führen. Maßgebliche Expositionen gegenüber Halogenkohlenwasserstoffen seien bis Mitte der 80er Jahre anzunehmen. Die vom Kläger angegebenen, in den 90er Jahren beginnenden Hirnleistungsstörungen könnten deshalb nach dem medizinisch-wissenschaftlich gesicherten Krankheitsverlauf nicht auf die Schadstoffbelastung zurückgeführt werden. Soweit die BK nach Nr. 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) im Streit stehe seien relevante Expositionen weitgehend ausgeschlossen wie auch bei der BK Nr. 1303 (Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol) und der BK 1310 (Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide). Die geltend gemachten BKen seien daher nicht wahrscheinlich zu machen. Die von Dr. Binz noch 1997 gesehenen körperlichen und kognitiven Leistungseinschränkungen hätten bei der von ihm durchgeführten Untersuchung nicht nachgewiesen werden können. Die vom Kläger behauptete Glasfaserbelastung habe keine toxische Wirkung und könne allenfalls zu Hautirritationen führen. Er gehe vielmehr davon aus, dass der Kläger unter einer MCS, einer Multiple Chemical Sensitivity, leide. Dieser Erkrankung liege keine gesicherte patho-physiologische oder patho-psychologische Basis zugrunde; beim Kläger bestehe eine psychosomatische Störung, die auch augenfällig werde durch das deutliche Missverhältnis zwischen der (eingebildeten) Krankheit und dem guten Allgemein- und Ernährungszustand des Klägers. Letztlich könne aber aufgrund der unklaren Ätiologie der MCS nicht von einer wesentlichen Mitursächlichkeit berufseigentümlicher Faktoren in der Entstehung und Verursachung der vielfältigen Beschwerden ausgegangen werden.

Dazu hat der Kläger die Stellungnahme des Dr. M. vom 14. August 2007 vorgelegt, der insbesondere ausgeführt hat, K. habe die Kumulation von ggf. nur geringfügigen Schadstoffexpositionen bei seiner Betrachtung außen vor gelassen. Er hat des Weiteren zu seinen Untersuchungsmethoden und den dabei erhobenen Befunden Stellung genommen und diese insbesondere gegen den Vorwurf verteidigt, sei seien nicht hinreichend qualifiziert.

In der daraufhin von K. erbetenen ergänzenden Stellungnahme vom 12. Dezember 2007 führt dieser aus, dass es selbstverständlich eine akkumulierende Wirkung von Chemikalien gebe, soweit deren Einwirkung nachgewiesen sei. Dies sei aber nur bei einem geringen Teil der vom Kläger aufgeführten der Fall. Die von Dr. M. mittels anerkannter Analyseverfahren erhobenen Ergebnisse würden überinterpretiert.

Mit Urteil vom 27. März 2008 hat das SG die Klage abgewiesen, gestützt im Wesentlichen auf das Gutachten von K ... Die bloße Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs genüge nicht zur Bejahung der geltend gemachten Erkrankungen als Berufskrankheiten.

Gegen das ihm am 2. Juni 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. Juni 2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, er gehe davon aus, dass alle arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten BKen erfüllt seien. Dem Gutachten von K. sei nicht zu folgen. Es berücksichtige zum Einen einen Befundbericht der Deutschen Rentenversicherung, dessen Verwertung er ausdrücklich widersprochen habe. Auch sei die SPECT-Untersuchung geeignet, eine toxische Enzephalopathie nachzuweisen. Auch sei er während seiner beruflichen Tätigkeit erheblichen Giften ausgesetzt gewesen, die jedenfalls in ihrer Kumulation zu massiven Austauschstörungen im Gehirn geführt hätten. Diese seien auch die Ursache für einige der von ihm vorgebrachten Störungen. Auch die Belastung durch Insektizide und Schädlingsbekämpfungsmittel habe sich negativ auf seine Gesundheit ausgewirkt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 27. März 2008 und den Bescheid vom 21. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach 1302, 1310 und 1317 der Anlage zur BKV anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen und führt ergänzend aus, es sei keineswegs davon auszugehen, dass die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen unstreitig seien. Das Gegenteil sei der Fall.

Die Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.

Auf Antrag des Klägers hat der Senat nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Prof. Dr. Wolfgang Huber vom 23. November 2009 sowie das neuropsychologische Zusatzgutachten der Dipl.Psych. Dr.phil. V., Universitätsklinik H., vom 15. Juli 2009 eingeholt. Unter dem 25. November 2009 hat Prof. Dr. H. die gutachterliche Stellungnahme des neurologischen Zusatzgutachters Dr. E.vom 22. November 2009 vorgelegt. Dr. V. führt in ihrem Gutachten zusammenfassend aus, das durchgeführte Verfahren zur Anstrengungsbereitschaft lasse Zweifel an der Validität der ermittelten Einbußen aufkommen. Der Kläger habe bei einfachen Aufgaben Ergebnisse geboten, die man nur in der Gruppe fortgeschritten Dementer bzw. schwer Hirnverletzter finde. Dieses Ergebnis stehe jedoch in Widerspruch zu den guten Ergebnissen in deutlich komplexeren Aufgabenstellungen. Deshalb erübrige sich auch eine Diskussion des einzigen neuropsychologischen Vorbefunds von Dr. K., da dieser ungeprüft sowohl von einer optimalen Anpassungsbereitschaft ausgegangen sei als auch die ermittelten Testbefunde nicht richtig diskutiere. Berücksichtige man nur die als unauffällig zu behandelnden Leistungsprofilwerte liege ein normentsprechendes Leistungsvermögen vor. Dr. E. hat in seinem Zusatzgutachten ausgeführt, der neurologische Befund des Klägers sei auffällig, vor allem im optokinetischen Bereich und bezüglich der Gleichgewichtsreaktionen. Klinisch könne es sich wegen der Lateralisation um eine Hirnstammläsion/Kleinhirnläsion handelt. Die Lateralisation spreche aber auch gegen eine toxische Genese. Letzten Endes sei dies nur durch ein bildgebendes Verfahren zu klären, da im Alter des Klägers auch eine ischämische Läsion aufgrund einer Arteriosklerose vorliegen könne.

Prof. Dr. H. hat zusammenfassend als Diagnosen mitgeteilt: Zustand nach Belastung mit Lösungsmitteln, Zustand nach Belastung mit PCB, Multiples Chemikaliensyndrom, degeneratives Cervikalsyndrom und Lumbalsyndrom, Coxarthrose rechts sowie Prostata-Adenom. Er gehe davon aus, dass der Kläger erheblicher Exposition gegenüber Lösungsmittel ausgesetzt gewesen sei, wie letztlich die Tests von Dr. K. 1997 bestätigt hätten. Soweit von Dr. V. eine hirnorganisch begründete Störung der kognitiven Leistungsfähigkeit nicht bestätigt worden sei, sei dies als Rückbildung "der Enzephalopathie" nach Beendigung der Lösungsmittelexposition zu interpretieren. Er bewerte den Einsatz von Desinfektionsmitteln und Bioziden bei der Tätigkeit als MTA als additive Belastung. Die Kriterien einer toxischen Enzephalopathie Grad IIa sei für die Zeit von 1977 bis 1997 erfüllt. Daneben bestehe eine BK nach Nr. 1302 der Anlage zur BKV. Eine Gefährdung im Sinne der BK nach Nr. 1102 und 1303 sei auch nach den Ausführungen des TAD nicht wahrscheinlich. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 30 v.H. ab 1975.

Der Kläger hat noch die ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. H. vom 19. Februar 2010 vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Die Erkrankungen des Klägers sind nicht als BK anzuerkennen. Der Senat hat, nachdem der Kläger sein Berufungsbegehren auf die Anerkennung der BK Nr. 1302, 1310 und 1317 beschränkt hat, nur noch darüber zu entscheiden. Das Nichtvorliegen einer BK nach Nr. 1102 und 1303 ist damit durch das SG rechtskräftig festgestellt.

Ob im vorliegenden Fall die bis zum 31.12.1996 geltenden Rechtsvorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder die zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Vorschriften des SGB VII (BGBl. I 1996 S. 1254) anzuwenden sind, hängt davon ab, wann der Versicherungsfall eingetreten ist (vgl. §§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII. Bei einem Eintreten vor dem 31. Dezember 1996 wäre nicht die BKV vom 31.10.1997, die aufgrund der Vorschriften des SGB VII erlassen worden ist, sondern die bis 30.11.1997 geltende Siebte Berufskrankheiten Verordnung (BKVO) vom 20.06.1968 maßgebend. Der Senat lässt diese Frage offen, da sowohl bei Anwendung der Vorschriften der RVO als auch des SGB VII der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung der geltend gemachten BKen und die beantragte Rente hat.

Gem. §§ 580, 581 RVO bzw. § 56 SGB VII wird eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge eines Arbeitsunfalls über die 13. bzw. (nach SGB VII) über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Als Arbeitsunfall gilt gem. § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO bzw. § 7 Abs. 1 SGB VII auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO bzw. § 9 Abs.1 Satz 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, solche Krankheiten als Berufskrankheit zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 551 Abs. 1 Satz 3 RVO bzw. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).

In der BKV sind u.a. folgende Berufskrankheiten aufgeführt:

Nr. 1302: Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe. Nr. 1310: Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide. Nr. 1317: Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.

Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 2. April 2009 (B 2 U 9/08 R = SGb 2009, 355) ausgeführt hat (was gleichermaßen für die Prüfung nach Maßgabe der Vorschriften der RVO gilt), lassen sich aus der gesetzlichen Formulierung bei einer BK, die in der BKV aufgeführt ist (sog. Listen-BK) im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (unter Verweis auf BSG vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, jeweils RdNr. 15; BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 13 ff).

Klarstellend und abweichend von der früheren gelegentlichen Verwendung des Begriffs durch den 2. Senat des BSG (vgl. BSG vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSG vom 4. Dezember 2001 - B 2 U 37/00 R - SozR 3-5671 Anl. 1 Nr. 4104 Nr. 1) hat das BSG in der genannten Entscheidung betont, dass im BK-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall (vgl. nur BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 10) ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann ggf. zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.

Nach Maßgabe dieser für das BK-Recht modifizierten Terminologie des BSG ist eine BK beim Kläger nicht festzustellen.

Soweit auch die BK nach Nr. 1310 der Anlage zur BKV im Streit steht, macht der Kläger zwar geltend, er sei beim Abbrennen von Kabeln massiv Dioxin und anderen Gefahrstoffen, die in der BK nach Nr. 1310 der Anlage zur BKV aufgeführt sind, ausgesetzt gewesen. Insoweit hat der Technische Aufsichtsdienst der Beigeladenen eine über den Grenzwerten liegende Belastung jedoch nach ausführlichen Recherchen nicht als wahrscheinlich bezeichnet. Dr. M. hat in seiner Stellungnahme zum Gutachten von K. dieser Einschätzung zwar widersprochen, dies allerdings nur mit allgemeinen Erwägungen und nicht mit konkreten Messdaten oder anderen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen belegt. Auch wenn der Senat die Beurteilung des Technischen Aufsichtsdienstes grundsätzlich teilt, konnte aber letztendlich offen bleiben, ob von hinreichenden Einwirkungen auszugehen ist. Denn unabhängig von der Frage der Einwirkungskausalität fehlt es, worauf K. zutreffend hingewiesen hat, auch insoweit an einem Krankheitsbild, das durch die genannten Schadstoffe verursacht werden kann. Die in der BK-Ziffer 1310 der Anlage zur BKV aufgeführten Schadstoffe führen bei lokaler Einwirkung zu mehr oder weniger starken Reizerscheinungen an Haut und Schleimhäuten; bei perkutaner Einwirkung kann es zu Stoffwechsel- sowie Leber- und Nierenschädigungen kommen (Merkblatt des BMA zur BK nach Nr. 1310, BArbBl 7/8/1979). Eine Erkrankung an diesen Zielorganen/Zielsystemen ist jedoch beim Kläger nicht nachgewiesen.

Beim Kläger liegt aber auch keine lösungsmittelbedingte Polyneuropathie oder Enzephalopathie im Sinne der BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV vor, auch wenn grundsätzlich von der Einwirkungskausalität nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsbeamten jedenfalls bis Mitte der 80er Jahre ausgegangen werden kann.

K. hat bei seiner Untersuchung beim Kläger Anzeichen einer möglicherweise bestehenden Polyneuropathie festgestellt; eine Enzephalopathie konnten weder er noch die nach § 109 SGG beauftragte Zusatzgutachterin Dr. V. feststellen. Ganz im Gegenteil hat diese ausgeführt, dass der Kläger bewusst Testverfahren nicht mit der nötigen Objektivität bearbeitet hat. Soweit allerdings durch entsprechende Gegentestungen valide Ergebnisse erzielt werden konnten, lagen diese ohne jegliche Auffälligkeiten in der Altersnorm. Soweit Prof. Dr. H. davon abweichend jedenfalls für die Vergangenheit eine Enzephalopathie Schweregrad II b annimmt und dies insbesondere auf den Arztbrief von Dr. Binz aus dem Jahr 1997 stützt, überzeugt dies den Senat nicht. Denn wie auch die Zusatzgutachterin Dr. V. ausgeführt hat, ist Dr. Binz bei seiner Beurteilung u.a. von Testergebnissen ausgegangen, die Dr. K. ermittelt, deren Validität er jedoch nicht überprüft hat. Wie Dr. V. zutreffend darstellt, sind die von Dr. K. dokumentierten Testergebnisse jedoch in sich so widersprüchlich, dass gerade nicht von validen Daten ausgegangen werden kann. Unabhängig von der wissenschaftlichen Begründetheit der niedergelegten Diagnosen ist deshalb weder den Ausführungen von Dr. Binz noch den von Prof. Dr. H. daraus gezogenen Schlussfolgerungen zu folgen.

Auch wenn der Kläger möglicherweise unter einer Polyneuropathie leidet, kommt eine Anerkennung nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV nicht in Betracht.

Gegen eine ursächliche Verbindung zu beruflichen Einwirkungen (Lösungsmitteln) spricht bereits der Krankheitsverlauf. Wie im aktuellen Merkblatt zur BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV (BArbBl. 3/2005 S. 49) in Übereinstimmung mit dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand ausgeführt ist, entwickeln sich Polyneuropathien im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Lösemittelexposition, d.h. in der Regel mit einer Latenz von wenigen Tagen. Allerdings wurden vereinzelt Krankheitsverläufe berichtet, bei denen es 2-3 Monate nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu einer Verschlechterung der Bewegungsfähigkeit kommt, so dass die klinische Diagnose der Polyneuropathie auch 2-3 Monate nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit erstmals gestellt werden kann. Lösungsmittelbedingte Polyneuropathien verbessern sich nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit häufig, nicht selten bleibt die lösungsmittelbedingte Polyneuropathie jedoch klinisch nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit konstant oder verschlechtert sich. Eine Persistenz oder eine Verschlechterung der Erkrankung nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit schließt eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht aus. Berücksichtigt man jedoch, dass von der Einwirkung der Lösungsmittel allenfalls bis Ende der 80er Jahre ausgegangen werden kann, aus dieser Zeit aber keine Befunde vorliegen, die das Bestehen einer Polyneuropathie belegen würden, ist die haftungsbegründende Kausalität zwischen der beruflichen Einwirkung und der erst deutlich später erstmals festgestellten Erkrankung nicht überwiegend wahrscheinlich. Soweit Prof. Dr. H. in seinem Gutachten offenbar davon ausgeht, dass auch lange Jahre nach Expositionskarenz eine entsprechende Erkrankung (erstmals) auftreten kann, stimmt dies nicht mit den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen überein und vermag deshalb nicht zu überzeugen.

Auch eine BK nach Nr. 1302 der Anlage zur BKV kann nicht festgestellt werden. Von Einwirkungen durch Halogenkohlenwasserstoffe (BK nach Nr. 1302 der Anlage zur BKV) kann nach der Gefährdungsanalyse des Technischen Aufsichtsdienstes der Beigeladenen für die Zeit vor 1977 zwar ausgegangen werden, da u.a. Halogenkohlenwasserstoffe zum Reinigen von Metallen bzw. als Bestandteil von Flussmitteln regelmäßig im Einsatz waren. Soweit der Kläger sinngemäß behauptet, durch die regelmäßige Tätigkeit eines Kammerjägers bzw. das Versprühen von Insektiziden auch während seiner Tätigkeit als MTA Halogenkohlenwasserstoffen als Bestandteil von Insektiziden (vgl. dazu Merkblatt zur ärztlichen Untersuchung vom 29. März 1987, BArbBl. 6/1985) ausgesetzt gewesen zu sein, ist jedoch weder der Einsatz von Insektiziden zur Bekämpfung von Schmeißfliegen während der Sommermonate noch der Einsatz von Kammerjägern bzw. die Verwendung von Insektiziden durch diese nachgewiesen. Deshalb ist von schädlichen Einwirkungen lediglich bis 1977 auszugehen.

Wie K. in seinem Gutachten in Übereinstimmung mit der aktuellen wissenschaftlichen Lehrmeinung (vgl. Mehrtens/Perlebach, die Berufskrankheitenverordnung M 1302) ausgeführt hat, fehlt es trotz der gegebenen Belastung aber auch im Rahmen der BK Nr. 1302 der Anlage zur BKV am Nachweis einer Erkrankung, die durch die angeschuldigten Stoffe verursacht sein könnte. Soweit als Zielorgane die Haut (sog. "Chlorakne"), Leber, Herz oder Nieren in Betracht kommen, ist der Kläger an diesen Organen nicht erkrankt. Soweit sich solche Stoffe auf das zentrale Nervensystem auswirken können, wird auf die Ausführungen zur BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV verwiesen.

Wenn der Kläger vorbringt, dass er zwar auch davon ausgehe, dass die Belastungen an seinen Arbeitsplätzen regelmäßig die maßgeblichen Grenzwerte eingehalten hätten, er jedoch durch die Kumulation der Schadstoffe erkrankt sei, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Zum einen sind bereits nicht alle Schadstoffe, mit denen der Kläger behauptet, Umgang gehabt zu haben, tatsächlich nachgewiesen, wie bereits dargestellt ist. Vielmehr sind lediglich nachgewiesen Lösungsmittel und Halogenkohlenwasserstoffe. Es liegen jedoch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber vor, ob (es handelt sich in beiden Fällen um organische Lösungsmittel) und ggf. wie diese Stoffe kumulierend wirken. Soweit Dr. M. aufgrund der SPECT-Untersuchungen aus den Jahren 1994 und 1997 davon ausgeht, dass aufgrund kumulierend wirkenden Schadstoffexpositionen Gehirnfunktionen beeinträchtigt worden sind, misst die SPECT-Untersuchung zwar den hämodynamischen und metabolischen Funktionszustand einzelner Hirnregionen, also Störungen und momentane Änderungen des Hirnsauerstoffwechsels und Hirnzuckerstoffwechsels unter verschiedenen Bedingungen, bildet jedoch kein diagnostisches Instrument zur Feststellung der Ursächlichkeit einer Erkrankung (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003 S. 190, 270, 323 m.w.N.).

Soweit der Kläger weiter vorbringt, er sei durch Glasfaserstaub geschädigt worden, kann unterstellt werden, dass er Glasfaserstäuben zeitweise ausgesetzt war. Doch diese wirken nicht toxisch und sind daher für die geltend gemachten Berufskrankheiten ohne Belang. Soweit der Zusatzgutachter Dr. E. aus den von ihm erhobenen Befunden neben Störungen im neurologischen Bereich, auf die bei der BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV schon eingegangen worden ist, auch eine Hirnleistungsschwäche für fraglich gegeben erachtet, wird auf die Ausführungen der Zusatzgutachterin Dr. V. verwiesen.

Ob der Kläger, wie K. ausgeführt hat, tatsächlich an MCS leidet, kann offen bleiben. Denn MCS ist keine sogenannte Listen-Berufskrankheit; die Frage der Anerkennung einer Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII ist nicht Streitgegenstand des Verfahrens.

Auch die weiteren Ausführungen des Klägerbevollmächtigten, zuletzt im Schriftsatz vom 26. Februar 2010, gestützt auch auf die ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. H., vermögen eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen.

Wenn Prof. Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme ausführt, eine kognitive Leistungsminderung sei durch Dr. K. 1997 gerade festgestellt worden, lässt er die schlüssigen und überzeugenden Feststellungen der Dr. V. in ihrem Zusatzgutachten außer Betracht. Diese hat dem gegenüber gerade deutlich gemacht, dass die Ergebnisse des Dr. K. nicht valide sind, da er entscheidende objektivierende Testverfahren zur Messung der tatsächlich bestehenden kognitiven Leistungsminderung nicht durchgeführt hat und die von ihm erhobenen Testergebnisse so widersprüchlich sind, dass daraus ein belastbarer Schluss auf die tatsächlich bestehenden kognitiven Einbußen nicht gezogen werden kann.

Wenn vorgebracht wird, der Kläger habe der Einbeziehung von Rentenunterlagen in das Gutachten von K. widersprochen, ist dieser Vortrag nicht geeignet, Zweifel an der Verwertbarkeit des Gutachtens zu begründen. Dieser Widerspruch ist nicht in den Akten dokumentiert und steht im Widerspruch zur Entbindung der Ärzte von ihrer Schweigepflicht sowie der Zustimmung zur Beiziehung von Akten anderer Versicherungsträger. Des weiteren hat das SG keine Akten aus dem Rentenverfahren beigezogen (es finden sich lediglich in den Verwaltungsakten der Beklagten Auszüge aus den Rentenakten) und K. hat in seinem Gutachten allein einen ärztlichen Befundbericht des behandelnden Arztes zum Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung zitiert, ohne dass dieser Befundbericht für die Ausführungen von K. oder das SG von Bedeutung gewesen sei.

Da schon eine BK nicht festgestellt werden kann und darüber hinaus der Kläger lediglich die Feststellung der BKen und nicht auch Leistungsansprüche daraus beantragt hat, kann die Frage, ob den Ausführungen des Prof. Dr. H. zu Beginn, Höhe und Ende einer rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit gefolgt werden kann, offen bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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