Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 6853/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 3440/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Übernahme der Kosten für einen Aktenvernichter und höherer Nebenkosten für 2009, eine Sanktion für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.01.2011 in Höhe von 40 % sowie die Ablehnung einer Aufhebung eines Sanktionsbescheides nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Der am 1962 geborene Kläger, der im EDV-Bereich als Programmierer und Elektroniker bis einschließlich 2008 selbständig tätig gewesen war, bezieht seit Januar 2005 von dem Beklagten Arbeitslosengeld II (ALG II) als laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) einschließlich Kosten für Unterkunft und Heizung.
Seit Beginn des Leistungsbezugs trägt der Kläger vor, unter psychosomatischen bzw. psychischen Beschwerden zu leiden. Meldeaufforderungen des Beklagten kommt der Kläger seit 2005 nicht nach unter Hinweis auf seine psychischen Beschwerden und trug hierzu u.a. vor (Bl. 282 Band 1 der V-Akten), sich aufgrund seiner traumatischen Erlebnisse mit Ämtern/Behörden derzeit psychisch nicht in der Lage zu sehen, mit fremden Personen über seine Lebenssituation zu sprechen. Sein Rechtsbeistand könne dies im Zusammenhang mit Sozialamtsbesuchen bezeugen. Zunächst benötige er eine Therapie. Der Anforderung, eine Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht zu übersenden (Bl. 474 Band 2 der V-Akten), kam der Kläger mit der Begründung nicht nach, einer pauschalen Schweigepflichtsentbindung könne er nicht zustimmen, da aus dem Vordruck nicht ersichtlich sei, welche Information der Beklagte konkret zu welchem Zweck erlangen wolle und mit welchen Ärzten er hinter seinem Rücken welche Daten austauschen wolle. Einer Einladung zur psychologischen Begutachtung am 26.05.2010 folgte der Kläger nicht. Im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG, S 7 AS 4239/11 ER) legte der Kläger ein Attest der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. S. vom 07.06.2011 vor, die die Diagnose einer Angst- und Depression gemischt stellte. Im Vordergrund stünden seine Kraftlosigkeit, seine wechselhafte Stimmung, seine reduzierte Freude, ausgeprägte Grübel- und Sorgenneigung, die Ein- und Durchschlafstörungen. Vor allem stehe aber auch ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten aufgrund seiner Ängste, z. B. an einem Herzinfarkt zu leiden, im Vordergrund. Belastungen oder auch Sport führten zu Ängsten, die er deswegen zu meiden suche. Eine psychopharmakotherapeutische Behandlung und/oder eine psychotherapeutische Behandlung seien die im Vordergrund stehenden Therapiemöglichkeiten. Weiterhin legte der Kläger in dem Verfahren S 7 AS 2563/11 ER ebenfalls vor dem SG neben einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 18.04.2011 über eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 06.06.2011 einen Arztbrief von Dr. H. S. vom 28.02.2011 mit der Diagnose einer Angst- und Depression, gemischt, vor, die in weiten Teilen geschwärzt wurde. In den lesbaren Abschnitten dieses Arztbriefes führte Dr. S. aus, der Kläger habe dann 2000 gar nichts mehr machen können, habe nicht schlafen können. Es seien monatelange stationäre Aufenthalte erfolgt, danach ein Jahr lang Arbeitsunfähigkeit, seit 2000 nicht arbeitsfähig und deswegen auch Hartz IV-Empfänger; seit etwa 10 Jahren teilt Medikation mit bedarfsweise. Dr. S. vermute, dass der Kläger im Jahr 2000 eine schwere depressiv (Rest geschwärzt).
Da der Kläger seit 2005 keinen Meldeaufforderungen nachgekommen war, kam es in der Folgezeit aufgrund verhängter Sanktionen zu etlichen Klagen bzw. Eilrechtsschutzverfahren vor dem SG und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG).
Mit Bescheid vom 16.07.2010 wurden dem Kläger vorläufig für die Zeit vom 01.07.2010 bis 30.09.2010 Leistungen unter Berücksichtigung vorangegangener Sanktionen bewilligt (Bl. 1127 Band 5 der V-Akte). Dieser Bewilligungsbescheid ist Gegenstand des derzeit beim LSG anhängigen Verfahrens L 9 AS 3432/14.
Mit Schreiben vom 02.08.2010 (Bl. 104 der KdU-Teilakte zu Band 6 der V-Akte) beantragte der Kläger die Kostenübernahme bzw. Erstattung einer Mietnebenkostenabrechnung 2009 i.H.v. 354,77 EUR. Beigefügt war eine Mietnebenkostenabrechnung der Vermieter vom 28.07.2010, wonach insgesamt Nebenkosten in Höhe von 1365,77 EUR angefallen seien, wovon bisher 1011,00 EUR an Abschlägen bezahlt worden seien (Restbetrag 354,77 EUR).
Die Übernahme dieses Restbetrages lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.08.2010 (Bl. 110 der KdU-Teilakte Band 6 der V-Akte) mit der Begründung ab, der Jahresbetrag in Höhe von insgesamt 1365,77 EUR abzgl. der Warmwasserkosten in Höhe von insgesamt 162,26 EUR, der Kontoführungskosten in Höhe von 8,90 EUR und der Gebäudeversicherung in Höhe von 22,75 EUR ergebe den anzuerkennenden Jahresbetrag von 1171,86 EUR. Für das Jahr 2009 seien bereits Nebenkosten in Höhe von insgesamt 1230,24 EUR erstattet worden. Außerdem habe der Kläger eine Nachzahlung in Höhe von 58,32 EUR für die nachträgliche Bewilligung der Gebäudeversicherung erhalten. Aufgrund dessen ergebe sich kein zu übernehmender Betrag.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2010 (W 2496/2010, Bl. 1264 Band 6 der V-Akte) zurück.
Weiterhin beantragte der Kläger mit Schreiben vom 23.08.2010 (Bl. 1214 Band 6 der V-Akte) einen leistungsfähigen Aktenvernichter, um die über Jahre angewachsenen Massen an Papiermüll (Schriftverkehr ARGE, GEZ, Gericht etc.) datengeschützt entsorgen zu können. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.09.2010 (Bl. 1217 Band 6 der V-Akten) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2010 (W 2743/2010, Bl. 1260 Band 6 der V-Akte) mit der Begründung ab, bei einem Aktenvernichter handele es sich nicht um einen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes und er gehöre auch nicht zur existentiellen Grundversorgung. Im Übrigen könnten Dokumente auch mit den Händen oder einer Schere vernichtet werden. Die Voraussetzungen von § 23 Abs. 1 und 3 SGB II (in der damaligen Fassung) lägen nicht vor.
Bereits mit Bescheid vom 19.03.2010 (Bl. 958 Band 5 der V-Akte) war für die Zeit vom 01.04.2010 bis 30.06.2010 Alg II wegen eines Meldeversäumnisses um 20 % abgesenkt worden und der Bewilligungsbescheid vom 13.01.2010 gem. § 48 SGB X entsprechend teilweise aufgehoben worden. Am 27.07.2010 stellte der Kläger einen Antrag nach § 44 SGB X auf Überprüfung dieses Sanktionsbescheides, den der Beklagte mit Bescheid vom 01.10.2010 ablehnte, da keine neuen Tatsachen vorgebracht worden seien (Bl. 1257 Band 6 der V-Akte). Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2010 (W 3068/2010, Bl. 1290 Band 6 der V-Akte) zurück.
Nachdem der Kläger einer Einladung zu einem Termin am 13.08.2010 nicht gefolgt war, erging am 13.09.2010 ein Sanktionsbescheid (Bl. 1229 Band 6 der V-Akte), wonach das Alg II für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.12.2010 monatlich um 10 % gesenkt werde, woraus sich eine Absenkung in Höhe von insgesamt 143,60 EUR monatlich ergebe. Dementsprechend erging am 23.09.2010 (Bl. 1250 Band 6 der V-Akte) ein Bewilligungsbescheid über Leistungen ab dem 01.10.2010 bis 31.03.2011 unter Berücksichtigung eines Minderungsbetrages für Oktober bis Dezember 2010 in Höhe von 143,60 EUR. Im Widerspruchsverfahren gegen den Sanktionsbescheid hob der Beklagte mit Bescheid vom 08.10.2010 den Sanktionsbescheid vom 13.09.2010 aus formellen Gründen auf (Bl. 1259 Band 6 der V-Akte).
Aufgrund eines weiteren Meldeversäumnisses erging am 21.10.2010 ein Sanktionsbescheid (Bl. 1278 Band 6 der V-Akte), wonach das Alg II für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.01.2011 monatlich um 40 % der maßgebenden Regelleistung abgesenkt werde. Der Bewilligungsbescheid vom 23.09.2010 werde insoweit nach § 48 SGB X aufgehoben. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.10.2010, W 3067/2010, Bl. 1286 Band 6 der V-Akte). Im hiergegen gerichteten Eilrechtsschutzverfahren (S 7 AS 6638/10) obsiegte der Kläger wegen mangelhafter Rechtsfolgenbelehrung.
Am 03.11.2010 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage gegen die o.a. Bescheide in Form der Widerspruchsbescheide vom 08.10.2010 (Aktenvernichter, Nebenkostennachzahlung) und 29.10.2010 (Sanktionsbescheid vom 21.10.2010 sowie § 44 -Bescheid zum Sanktionsbescheid vom 19.03.2010) erhoben und zugleich einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt (S 7 AS 6850/10 ER).
Mit Schreiben vom 24.11.2010 hat der Beklagte in den Verfahren S 7 AS 6853/10 und S 7 AS 6850/10 ER ein Teilanerkenntnis abgegeben, wonach der Sanktionsbescheid vom 19.03.2010 (in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2010) und der Überprüfungsbescheid vom 01.10.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2010 aufgehoben und für Mai 2010 Leistungen in Höhe von 35,90 EUR nachgezahlt werden. Anschließend hat der Beklagte am 26.11.2010 mehrere Änderungsbescheide erlassen (Bl. 1328 ff. Band 6 der V-Akte) und darin u.a. - im Hinblick auf das vom Kläger gewonnene Eilrechtsschutzverfahren S 7 AS 6638/10 ER - den Sanktionsbescheid vom 21.10.2010 aufgehoben (Bl. 1330 Band 6 der V-Akte). Leistungen nach dem SGB II würden nunmehr für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.03.2011 in Höhe von insgesamt 784,99 EUR bewilligt (ohne Sanktion). Mit Urteil vom 23.05.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Eine Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten für einen Aktenvernichter bestehe nicht, da es sich bei einem solchen nicht um einen unabweisbaren Bedarf handele (§ 23 Abs. 1 SGB II) und er auch nicht zur existentiellen Grundversorgung gehöre (§ 23 Abs. 3 SGB II). Ein Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten Nebenkostennachzahlung für 2009 in Höhe von 354,77 EUR sei zu verneinen. Von den geltend gemachten Heizkosten seien die Kosten für die Warmwasserbereitung abzuziehen, da diese bereits in der Regelleistung enthalten seien, so dass von den Heizkosten nur ein Betrag von 596,57 EUR übernahmefähig sei. Insgesamt errechne sich selbst unter Berücksichtigung der nicht nachgewiesenen Kosten ein Anspruch auf Nebenkosten in Höhe von 1203,51 EUR, während der Beklagte bereits 1288,56 EUR an den Kläger bezahlt habe.
Hinsichtlich des Antrags nach § 44 SGB X sei die Klage unzulässig, da der Sanktionsbescheid vom 19.03.2010 aufgehoben worden sei. Auch in Bezug auf den Sanktionsbescheid vom 21.11.2010 habe sich der Rechtsstreit wegen Aufhebung des Bescheides durch den Beklagten erledigt.
Gegen dieses Urteil (und gegen zwölf weitere Urteile des SG vom selben Tag) hat der Kläger am 14.08.2014 Berufung beim LSG eingelegt mit der - jeweils identischen - Begründung, die Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums sei ein unantastbares Menschenrecht, und alle Sanktionsbescheide seien nichtig, weil dieses Menschenrecht verletzt werde. Das Jobcenter und SG hätten nicht nachweisen können, dass in der Regelleistung kürzungsfähige Zulagen von 10 % – 40 % über dem Existenzminimum enthalten seien. Alle strittigen Meldeaufforderungen seien wegen erheblicher Aufklärungs- und Formmängel, unvollständiger Rechtsfolgenbelehrung und mangelnden Rechtsbehelfs nichtig. Die Beweispflicht werde überspannt. Er sei nicht verpflichtet, teure Atteste und Gutachten auf Regelleistungskosten zu erbringen. Er müsse sich nicht von Unbekannten ohne Qualifikationsnachweis psychologisch untersuchen lassen, die im Jobcenter tätig seien. Die gegenwärtige Fassung des § 31 SGB II verstoße gegen das Grundgesetz. Weil Jobcenter und Sozialgericht seine Anträge abgelehnt hätten, die Kosten für Fachgutachter zu übernehmen, mache er ab sofort von seinem Beweisführungsrecht gemäß § 294 ZPO Gebrauch. Das SG habe Verfahrens- und Beweisanträge aus den Jahren 2011 bis 2014 unterschlagen. Zitierte BGH- und Bundesverfassungsgerichtsurteile seien ignoriert, Eilrechtsschutz verweigert und Beweise unterdrückt worden. Gleiches gelte für Prozesskostenhilfe, Anwaltsbeiordnung und Fachgutachter. Das Jobcenter schulde ihm bis dato Ersatzleistungen. Lebensmittelgutscheine genügten den Anforderungen nicht. Aus § 309 SGB III ergebe sich keine Gesprächspflicht, da dieses Wort dort nirgends auftauche. Der Kläger habe sich persönlich schriftlich gemeldet und damit seiner Mitwirkung genügt und sei seiner Meldepflicht nachgekommen. Die Einladungen litten unter einem Rechtsbehelfsmangel, da nicht bürgerverständlich vermittelt werde, welche Verhaltens-, Schutz- und Abwehrrechte er habe. Der Einladungstext sei kein wichtiger Meldezweck, sondern es handle sich nur um eine pauschale Einladungsfloskel. Aus seinen vorgelegten medizinischen Unterlagen ergebe sich, dass eine neurologische Langzeiterkrankung vorliege, dass er Psychopharmaka einnehme und therapiebedürftig sei. Es sei somit von einer überwiegenden Nichtvermittelbarkeit auszugehen. Aufgrund der Unmöglichkeit, dass Ärzte seine häuslichen Medikamenteneinnahme, Schlafdauer, Tagesstruktur oder ähnliches überwachten bzw. überprüfen könnten, sei die SG-Beweisforderung ins Unmögliche überspannt worden. Er versichere gemäß § 294 ZPO an Eides statt, dass er seit 14 Jahren schwere Schlafstörungen und keine normale Tagesstruktur habe, dass er zu den meisten Jobcenter-Meldeterminen medikamentenbedingt nicht wach gewesen sei oder wegen Schlafmangels und Depression keine mentale Kraft für Zwangsgespräche gehabt habe, dass ihm seine Neurologin eine Broschüre mitgegeben habe, mit der er dem SG nachgewiesen habe, dass er bei dieser Erkrankung das Recht habe, sich zurückzuziehen, sich für sein Tun nicht zu rechtfertigen und auch zu nichts zwingen zu lassen. Auch leide er an schweren Folgeerkrankungen (u.a. Psychotrauma/PTBS, Existenzangst, Verfolgungsangst, nervösen Herzbeschwerden, nervösen Magenbeschwerden). Aufgabe seiner Ärzte sei es, die Diagnose zu stellen und ihm Behandlungen bzw. Medikamente anzubieten, nicht jedoch, gutachterlich bzw. kostenlos für das Gericht zu ermitteln, welche Folgeschäden und Traumen die Verfolgungen des Jobcenters bei ihm ausgelöst hätten und ob er belastende Behördengespräche mit bedrohenden Verfolgern führen könne. Es sei keine Rechtspflicht, einen Arzt/Facharzt mit Anamnesearchiv zu haben oder diesen nachzuweisen. Er habe selber ein Selbstbestimmungsrecht über seine Psychotherapie, Belastungsgrenzen, Einnahme und das Absetzen von Medikamenten und könne diese frei entscheiden. Diese Grundrechte müsse er nicht über Atteste/Gutachten belegen. Einer unkontrollierten Datenübermittlung hinter seinem Rücken (totale Schweigepflichtentbindung) müsse er nicht zustimmen. Auf die weitere ausführliche Begründung wird verwiesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
1. das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Mai 2014 aufzuheben, 2. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 6. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2010 zu verurteilen, ihm die Kosten für die Anschaffung eines Aktenvernichters zu gewähren, 3. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 6. August 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2010 zu verurteilen, Nebenkosten in Höhe von zusätzlich 354,77 EUR zu gewähren, 4. den Bescheid vom 21. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2010 aufzuheben (Sanktionsbescheid), 5. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2010 zu verpflichten, den Bescheid vom 19. März 2010 aufzuheben (§ 44 - Antrag bzgl. Sanktionsbescheid).
Weiterhin beantragt der Kläger in allen Berufungsverfahren,
- die Feststellung der Rechts- und Verfassungswidrigkeit der derzeitigen Ersatzleistungspraxis, - die Feststellung aller Sätze seines Berufungsschreibens, - das Verfahren auszusetzen bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Vorlagebeschluss des Sozialgerichts G. vom 26. Mai 2015 zur Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Schreiben vom 12.08.2015 hat der Senat eine Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Aussicht gestellt und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten (7 Bände), der genannten Akten des SG sowie der Akten des Senats Bezug genommen.
II.
Die form - und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG nach vorheriger Anhörung der Beteiligen die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
1. Nebenkostennachzahlung Soweit sich die Klage gegen die abgelehnte Nebenkostennachzahlung richtet, ist sie bereits unzulässig. Nebenkostennachzahlungen sind einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung i.S.d. § 22 Abs. 1 SGB II, die, soweit die Nachforderung in einer Summe fällig wird, als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen sind (vgl. BSG, Urteil vom 20.12.2011, B 4 AS 9/11 R m.w.N., Juris). Die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides misst sich an § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB II und § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, weil der Beklagte bei der Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 16.07.2010 (Bl. 1127 Band V der V-Akte) für den Zeitraum vom 01.07.2010 bis 30.09.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligt hat und die Betriebskostenabrechnung zeitlich in diesen Bewilligungsabschnitt fällt. Da aber der genannte Bewilligungsbescheid vom 16.07.2010 Gegenstand des (verbundenen) Verfahrens L 9 AS 3432/14 ist, ist gem. § 96 SGG auch dieser hier angefochtene Ablehnungsbescheid vom 06.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2010 Gegenstand des Verfahrens L 9 AS 3432/14. Damit ist das streitgegenständliche Klageverfahren in Bezug auf die Nebenkostenabrechnung wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig (§ 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz [GVG]).
2. Aktenvernichter Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für einen Aktenvernichter gem. § 23 SGB II in der bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung besteht nicht. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid und des SG im angefochtenen Urteil verwiesen, denen sich der Senat nach eigener Überprüfung vollumfänglich anschließt (§ 153 Abs. 2 , § 136 Abs. 3 SGG i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG). Soweit die Kosten als Mehrbedarf geltend gemacht werden, ist dies nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern betrifft als nicht abtrennbarer Streitgegenstand den Bewilligungsabschnitt Juli bis September 2010 (Bewilligungsbescheid vom 16.07.2010), der Gegenstand des - verbundenen - Verfahrens L 9 AS 3432/14 ist.
3. Sanktionsbescheid vom 21.10.2010, Antrag nach § 44 SGB X bzgl. Sanktionsbescheid vom 19.03.2010 Soweit sich der Kläger gegen den Sanktionsbescheid vom 21.10.2010 richtet, ist die als (reine) Anfechtungsklage erhobene und nicht umgestellte Klage bereits unzulässig. Diesen Bescheid hat der Beklagte mittlerweile mit Bescheid vom 26.11.2010 aufgehoben, so dass keine Beschwer mehr vorliegt. Gleiches gilt für den Sanktionsbescheid vom 19.03.2010, den aufzuheben der Beklagte zunächst im Rahmen des Verfahrens nach § 44 SGB X abgelehnt hat, den er jedoch im Rahmen eines Teilanerkenntnisses im vorliegenden Verfahren aufgehoben hat.
4. Feststellungsanträge Soweit der Kläger "sämtliche Sätze seines Berufungsschreibens nicht nur als Begründung, sondern auch als Feststellungsanträge" verstanden haben und Rechtswidrigkeit der Ersatzleistungspraxis festgestellt haben will, ist die Klage unzulässig. Zum einen beinhalten diese neuen Anträge eine Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG, die nicht sachdienlich ist. Zum anderen kann zwar gem. § 55 Abs. 1 Ziffer 1 SGG mit der Klage auch die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Jedoch ist die Feststellungsklage unzulässig, wenn bereits im Rahmen einer anhängigen Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Leistungsklage über die Sach- und Rechtsfragen zu entscheiden ist, die der begehrten Feststellung zugrunde liegen, ohne dass ein weitergehendes Feststellungsinteresse besteht (Subsidiarität der Feststellungsklage; vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 55 Rdnr. 19 f. m.w.N.). Vorliegend sind allein beim LSG 13 Berufungen anhängig und darin annähernd sämtliche Bescheide (und auch sonstige Schreiben des Beklagte) aus den Jahren 2010 bis 2013 vor allem im Rahmen von Anfechtungsklagen der gerichtlichen Überprüfung unterworfen, so dass nicht ersichtlich ist, worin noch ein weitergehendes Feststellungsinteresse liegen soll.
5. Aussetzungsantrag
Der Aussetzungsantrag gemäß § 114 SGG war schon deshalb durch unanfechtbaren Beschluss (§ 177 SGG) abzulehnen, weil es im vorliegenden Verfahren mangels noch bestehender Sanktionsbescheide nicht auf die Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen ankam.
Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Übernahme der Kosten für einen Aktenvernichter und höherer Nebenkosten für 2009, eine Sanktion für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.01.2011 in Höhe von 40 % sowie die Ablehnung einer Aufhebung eines Sanktionsbescheides nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Der am 1962 geborene Kläger, der im EDV-Bereich als Programmierer und Elektroniker bis einschließlich 2008 selbständig tätig gewesen war, bezieht seit Januar 2005 von dem Beklagten Arbeitslosengeld II (ALG II) als laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) einschließlich Kosten für Unterkunft und Heizung.
Seit Beginn des Leistungsbezugs trägt der Kläger vor, unter psychosomatischen bzw. psychischen Beschwerden zu leiden. Meldeaufforderungen des Beklagten kommt der Kläger seit 2005 nicht nach unter Hinweis auf seine psychischen Beschwerden und trug hierzu u.a. vor (Bl. 282 Band 1 der V-Akten), sich aufgrund seiner traumatischen Erlebnisse mit Ämtern/Behörden derzeit psychisch nicht in der Lage zu sehen, mit fremden Personen über seine Lebenssituation zu sprechen. Sein Rechtsbeistand könne dies im Zusammenhang mit Sozialamtsbesuchen bezeugen. Zunächst benötige er eine Therapie. Der Anforderung, eine Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht zu übersenden (Bl. 474 Band 2 der V-Akten), kam der Kläger mit der Begründung nicht nach, einer pauschalen Schweigepflichtsentbindung könne er nicht zustimmen, da aus dem Vordruck nicht ersichtlich sei, welche Information der Beklagte konkret zu welchem Zweck erlangen wolle und mit welchen Ärzten er hinter seinem Rücken welche Daten austauschen wolle. Einer Einladung zur psychologischen Begutachtung am 26.05.2010 folgte der Kläger nicht. Im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG, S 7 AS 4239/11 ER) legte der Kläger ein Attest der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. S. vom 07.06.2011 vor, die die Diagnose einer Angst- und Depression gemischt stellte. Im Vordergrund stünden seine Kraftlosigkeit, seine wechselhafte Stimmung, seine reduzierte Freude, ausgeprägte Grübel- und Sorgenneigung, die Ein- und Durchschlafstörungen. Vor allem stehe aber auch ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten aufgrund seiner Ängste, z. B. an einem Herzinfarkt zu leiden, im Vordergrund. Belastungen oder auch Sport führten zu Ängsten, die er deswegen zu meiden suche. Eine psychopharmakotherapeutische Behandlung und/oder eine psychotherapeutische Behandlung seien die im Vordergrund stehenden Therapiemöglichkeiten. Weiterhin legte der Kläger in dem Verfahren S 7 AS 2563/11 ER ebenfalls vor dem SG neben einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 18.04.2011 über eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 06.06.2011 einen Arztbrief von Dr. H. S. vom 28.02.2011 mit der Diagnose einer Angst- und Depression, gemischt, vor, die in weiten Teilen geschwärzt wurde. In den lesbaren Abschnitten dieses Arztbriefes führte Dr. S. aus, der Kläger habe dann 2000 gar nichts mehr machen können, habe nicht schlafen können. Es seien monatelange stationäre Aufenthalte erfolgt, danach ein Jahr lang Arbeitsunfähigkeit, seit 2000 nicht arbeitsfähig und deswegen auch Hartz IV-Empfänger; seit etwa 10 Jahren teilt Medikation mit bedarfsweise. Dr. S. vermute, dass der Kläger im Jahr 2000 eine schwere depressiv (Rest geschwärzt).
Da der Kläger seit 2005 keinen Meldeaufforderungen nachgekommen war, kam es in der Folgezeit aufgrund verhängter Sanktionen zu etlichen Klagen bzw. Eilrechtsschutzverfahren vor dem SG und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG).
Mit Bescheid vom 16.07.2010 wurden dem Kläger vorläufig für die Zeit vom 01.07.2010 bis 30.09.2010 Leistungen unter Berücksichtigung vorangegangener Sanktionen bewilligt (Bl. 1127 Band 5 der V-Akte). Dieser Bewilligungsbescheid ist Gegenstand des derzeit beim LSG anhängigen Verfahrens L 9 AS 3432/14.
Mit Schreiben vom 02.08.2010 (Bl. 104 der KdU-Teilakte zu Band 6 der V-Akte) beantragte der Kläger die Kostenübernahme bzw. Erstattung einer Mietnebenkostenabrechnung 2009 i.H.v. 354,77 EUR. Beigefügt war eine Mietnebenkostenabrechnung der Vermieter vom 28.07.2010, wonach insgesamt Nebenkosten in Höhe von 1365,77 EUR angefallen seien, wovon bisher 1011,00 EUR an Abschlägen bezahlt worden seien (Restbetrag 354,77 EUR).
Die Übernahme dieses Restbetrages lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.08.2010 (Bl. 110 der KdU-Teilakte Band 6 der V-Akte) mit der Begründung ab, der Jahresbetrag in Höhe von insgesamt 1365,77 EUR abzgl. der Warmwasserkosten in Höhe von insgesamt 162,26 EUR, der Kontoführungskosten in Höhe von 8,90 EUR und der Gebäudeversicherung in Höhe von 22,75 EUR ergebe den anzuerkennenden Jahresbetrag von 1171,86 EUR. Für das Jahr 2009 seien bereits Nebenkosten in Höhe von insgesamt 1230,24 EUR erstattet worden. Außerdem habe der Kläger eine Nachzahlung in Höhe von 58,32 EUR für die nachträgliche Bewilligung der Gebäudeversicherung erhalten. Aufgrund dessen ergebe sich kein zu übernehmender Betrag.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2010 (W 2496/2010, Bl. 1264 Band 6 der V-Akte) zurück.
Weiterhin beantragte der Kläger mit Schreiben vom 23.08.2010 (Bl. 1214 Band 6 der V-Akte) einen leistungsfähigen Aktenvernichter, um die über Jahre angewachsenen Massen an Papiermüll (Schriftverkehr ARGE, GEZ, Gericht etc.) datengeschützt entsorgen zu können. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.09.2010 (Bl. 1217 Band 6 der V-Akten) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2010 (W 2743/2010, Bl. 1260 Band 6 der V-Akte) mit der Begründung ab, bei einem Aktenvernichter handele es sich nicht um einen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes und er gehöre auch nicht zur existentiellen Grundversorgung. Im Übrigen könnten Dokumente auch mit den Händen oder einer Schere vernichtet werden. Die Voraussetzungen von § 23 Abs. 1 und 3 SGB II (in der damaligen Fassung) lägen nicht vor.
Bereits mit Bescheid vom 19.03.2010 (Bl. 958 Band 5 der V-Akte) war für die Zeit vom 01.04.2010 bis 30.06.2010 Alg II wegen eines Meldeversäumnisses um 20 % abgesenkt worden und der Bewilligungsbescheid vom 13.01.2010 gem. § 48 SGB X entsprechend teilweise aufgehoben worden. Am 27.07.2010 stellte der Kläger einen Antrag nach § 44 SGB X auf Überprüfung dieses Sanktionsbescheides, den der Beklagte mit Bescheid vom 01.10.2010 ablehnte, da keine neuen Tatsachen vorgebracht worden seien (Bl. 1257 Band 6 der V-Akte). Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2010 (W 3068/2010, Bl. 1290 Band 6 der V-Akte) zurück.
Nachdem der Kläger einer Einladung zu einem Termin am 13.08.2010 nicht gefolgt war, erging am 13.09.2010 ein Sanktionsbescheid (Bl. 1229 Band 6 der V-Akte), wonach das Alg II für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.12.2010 monatlich um 10 % gesenkt werde, woraus sich eine Absenkung in Höhe von insgesamt 143,60 EUR monatlich ergebe. Dementsprechend erging am 23.09.2010 (Bl. 1250 Band 6 der V-Akte) ein Bewilligungsbescheid über Leistungen ab dem 01.10.2010 bis 31.03.2011 unter Berücksichtigung eines Minderungsbetrages für Oktober bis Dezember 2010 in Höhe von 143,60 EUR. Im Widerspruchsverfahren gegen den Sanktionsbescheid hob der Beklagte mit Bescheid vom 08.10.2010 den Sanktionsbescheid vom 13.09.2010 aus formellen Gründen auf (Bl. 1259 Band 6 der V-Akte).
Aufgrund eines weiteren Meldeversäumnisses erging am 21.10.2010 ein Sanktionsbescheid (Bl. 1278 Band 6 der V-Akte), wonach das Alg II für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.01.2011 monatlich um 40 % der maßgebenden Regelleistung abgesenkt werde. Der Bewilligungsbescheid vom 23.09.2010 werde insoweit nach § 48 SGB X aufgehoben. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.10.2010, W 3067/2010, Bl. 1286 Band 6 der V-Akte). Im hiergegen gerichteten Eilrechtsschutzverfahren (S 7 AS 6638/10) obsiegte der Kläger wegen mangelhafter Rechtsfolgenbelehrung.
Am 03.11.2010 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage gegen die o.a. Bescheide in Form der Widerspruchsbescheide vom 08.10.2010 (Aktenvernichter, Nebenkostennachzahlung) und 29.10.2010 (Sanktionsbescheid vom 21.10.2010 sowie § 44 -Bescheid zum Sanktionsbescheid vom 19.03.2010) erhoben und zugleich einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt (S 7 AS 6850/10 ER).
Mit Schreiben vom 24.11.2010 hat der Beklagte in den Verfahren S 7 AS 6853/10 und S 7 AS 6850/10 ER ein Teilanerkenntnis abgegeben, wonach der Sanktionsbescheid vom 19.03.2010 (in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2010) und der Überprüfungsbescheid vom 01.10.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2010 aufgehoben und für Mai 2010 Leistungen in Höhe von 35,90 EUR nachgezahlt werden. Anschließend hat der Beklagte am 26.11.2010 mehrere Änderungsbescheide erlassen (Bl. 1328 ff. Band 6 der V-Akte) und darin u.a. - im Hinblick auf das vom Kläger gewonnene Eilrechtsschutzverfahren S 7 AS 6638/10 ER - den Sanktionsbescheid vom 21.10.2010 aufgehoben (Bl. 1330 Band 6 der V-Akte). Leistungen nach dem SGB II würden nunmehr für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.03.2011 in Höhe von insgesamt 784,99 EUR bewilligt (ohne Sanktion). Mit Urteil vom 23.05.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Eine Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten für einen Aktenvernichter bestehe nicht, da es sich bei einem solchen nicht um einen unabweisbaren Bedarf handele (§ 23 Abs. 1 SGB II) und er auch nicht zur existentiellen Grundversorgung gehöre (§ 23 Abs. 3 SGB II). Ein Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten Nebenkostennachzahlung für 2009 in Höhe von 354,77 EUR sei zu verneinen. Von den geltend gemachten Heizkosten seien die Kosten für die Warmwasserbereitung abzuziehen, da diese bereits in der Regelleistung enthalten seien, so dass von den Heizkosten nur ein Betrag von 596,57 EUR übernahmefähig sei. Insgesamt errechne sich selbst unter Berücksichtigung der nicht nachgewiesenen Kosten ein Anspruch auf Nebenkosten in Höhe von 1203,51 EUR, während der Beklagte bereits 1288,56 EUR an den Kläger bezahlt habe.
Hinsichtlich des Antrags nach § 44 SGB X sei die Klage unzulässig, da der Sanktionsbescheid vom 19.03.2010 aufgehoben worden sei. Auch in Bezug auf den Sanktionsbescheid vom 21.11.2010 habe sich der Rechtsstreit wegen Aufhebung des Bescheides durch den Beklagten erledigt.
Gegen dieses Urteil (und gegen zwölf weitere Urteile des SG vom selben Tag) hat der Kläger am 14.08.2014 Berufung beim LSG eingelegt mit der - jeweils identischen - Begründung, die Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums sei ein unantastbares Menschenrecht, und alle Sanktionsbescheide seien nichtig, weil dieses Menschenrecht verletzt werde. Das Jobcenter und SG hätten nicht nachweisen können, dass in der Regelleistung kürzungsfähige Zulagen von 10 % – 40 % über dem Existenzminimum enthalten seien. Alle strittigen Meldeaufforderungen seien wegen erheblicher Aufklärungs- und Formmängel, unvollständiger Rechtsfolgenbelehrung und mangelnden Rechtsbehelfs nichtig. Die Beweispflicht werde überspannt. Er sei nicht verpflichtet, teure Atteste und Gutachten auf Regelleistungskosten zu erbringen. Er müsse sich nicht von Unbekannten ohne Qualifikationsnachweis psychologisch untersuchen lassen, die im Jobcenter tätig seien. Die gegenwärtige Fassung des § 31 SGB II verstoße gegen das Grundgesetz. Weil Jobcenter und Sozialgericht seine Anträge abgelehnt hätten, die Kosten für Fachgutachter zu übernehmen, mache er ab sofort von seinem Beweisführungsrecht gemäß § 294 ZPO Gebrauch. Das SG habe Verfahrens- und Beweisanträge aus den Jahren 2011 bis 2014 unterschlagen. Zitierte BGH- und Bundesverfassungsgerichtsurteile seien ignoriert, Eilrechtsschutz verweigert und Beweise unterdrückt worden. Gleiches gelte für Prozesskostenhilfe, Anwaltsbeiordnung und Fachgutachter. Das Jobcenter schulde ihm bis dato Ersatzleistungen. Lebensmittelgutscheine genügten den Anforderungen nicht. Aus § 309 SGB III ergebe sich keine Gesprächspflicht, da dieses Wort dort nirgends auftauche. Der Kläger habe sich persönlich schriftlich gemeldet und damit seiner Mitwirkung genügt und sei seiner Meldepflicht nachgekommen. Die Einladungen litten unter einem Rechtsbehelfsmangel, da nicht bürgerverständlich vermittelt werde, welche Verhaltens-, Schutz- und Abwehrrechte er habe. Der Einladungstext sei kein wichtiger Meldezweck, sondern es handle sich nur um eine pauschale Einladungsfloskel. Aus seinen vorgelegten medizinischen Unterlagen ergebe sich, dass eine neurologische Langzeiterkrankung vorliege, dass er Psychopharmaka einnehme und therapiebedürftig sei. Es sei somit von einer überwiegenden Nichtvermittelbarkeit auszugehen. Aufgrund der Unmöglichkeit, dass Ärzte seine häuslichen Medikamenteneinnahme, Schlafdauer, Tagesstruktur oder ähnliches überwachten bzw. überprüfen könnten, sei die SG-Beweisforderung ins Unmögliche überspannt worden. Er versichere gemäß § 294 ZPO an Eides statt, dass er seit 14 Jahren schwere Schlafstörungen und keine normale Tagesstruktur habe, dass er zu den meisten Jobcenter-Meldeterminen medikamentenbedingt nicht wach gewesen sei oder wegen Schlafmangels und Depression keine mentale Kraft für Zwangsgespräche gehabt habe, dass ihm seine Neurologin eine Broschüre mitgegeben habe, mit der er dem SG nachgewiesen habe, dass er bei dieser Erkrankung das Recht habe, sich zurückzuziehen, sich für sein Tun nicht zu rechtfertigen und auch zu nichts zwingen zu lassen. Auch leide er an schweren Folgeerkrankungen (u.a. Psychotrauma/PTBS, Existenzangst, Verfolgungsangst, nervösen Herzbeschwerden, nervösen Magenbeschwerden). Aufgabe seiner Ärzte sei es, die Diagnose zu stellen und ihm Behandlungen bzw. Medikamente anzubieten, nicht jedoch, gutachterlich bzw. kostenlos für das Gericht zu ermitteln, welche Folgeschäden und Traumen die Verfolgungen des Jobcenters bei ihm ausgelöst hätten und ob er belastende Behördengespräche mit bedrohenden Verfolgern führen könne. Es sei keine Rechtspflicht, einen Arzt/Facharzt mit Anamnesearchiv zu haben oder diesen nachzuweisen. Er habe selber ein Selbstbestimmungsrecht über seine Psychotherapie, Belastungsgrenzen, Einnahme und das Absetzen von Medikamenten und könne diese frei entscheiden. Diese Grundrechte müsse er nicht über Atteste/Gutachten belegen. Einer unkontrollierten Datenübermittlung hinter seinem Rücken (totale Schweigepflichtentbindung) müsse er nicht zustimmen. Auf die weitere ausführliche Begründung wird verwiesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
1. das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Mai 2014 aufzuheben, 2. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 6. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2010 zu verurteilen, ihm die Kosten für die Anschaffung eines Aktenvernichters zu gewähren, 3. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 6. August 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2010 zu verurteilen, Nebenkosten in Höhe von zusätzlich 354,77 EUR zu gewähren, 4. den Bescheid vom 21. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2010 aufzuheben (Sanktionsbescheid), 5. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2010 zu verpflichten, den Bescheid vom 19. März 2010 aufzuheben (§ 44 - Antrag bzgl. Sanktionsbescheid).
Weiterhin beantragt der Kläger in allen Berufungsverfahren,
- die Feststellung der Rechts- und Verfassungswidrigkeit der derzeitigen Ersatzleistungspraxis, - die Feststellung aller Sätze seines Berufungsschreibens, - das Verfahren auszusetzen bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Vorlagebeschluss des Sozialgerichts G. vom 26. Mai 2015 zur Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Schreiben vom 12.08.2015 hat der Senat eine Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Aussicht gestellt und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten (7 Bände), der genannten Akten des SG sowie der Akten des Senats Bezug genommen.
II.
Die form - und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG nach vorheriger Anhörung der Beteiligen die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
1. Nebenkostennachzahlung Soweit sich die Klage gegen die abgelehnte Nebenkostennachzahlung richtet, ist sie bereits unzulässig. Nebenkostennachzahlungen sind einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung i.S.d. § 22 Abs. 1 SGB II, die, soweit die Nachforderung in einer Summe fällig wird, als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen sind (vgl. BSG, Urteil vom 20.12.2011, B 4 AS 9/11 R m.w.N., Juris). Die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides misst sich an § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB II und § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, weil der Beklagte bei der Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 16.07.2010 (Bl. 1127 Band V der V-Akte) für den Zeitraum vom 01.07.2010 bis 30.09.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligt hat und die Betriebskostenabrechnung zeitlich in diesen Bewilligungsabschnitt fällt. Da aber der genannte Bewilligungsbescheid vom 16.07.2010 Gegenstand des (verbundenen) Verfahrens L 9 AS 3432/14 ist, ist gem. § 96 SGG auch dieser hier angefochtene Ablehnungsbescheid vom 06.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2010 Gegenstand des Verfahrens L 9 AS 3432/14. Damit ist das streitgegenständliche Klageverfahren in Bezug auf die Nebenkostenabrechnung wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig (§ 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz [GVG]).
2. Aktenvernichter Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für einen Aktenvernichter gem. § 23 SGB II in der bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung besteht nicht. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid und des SG im angefochtenen Urteil verwiesen, denen sich der Senat nach eigener Überprüfung vollumfänglich anschließt (§ 153 Abs. 2 , § 136 Abs. 3 SGG i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG). Soweit die Kosten als Mehrbedarf geltend gemacht werden, ist dies nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern betrifft als nicht abtrennbarer Streitgegenstand den Bewilligungsabschnitt Juli bis September 2010 (Bewilligungsbescheid vom 16.07.2010), der Gegenstand des - verbundenen - Verfahrens L 9 AS 3432/14 ist.
3. Sanktionsbescheid vom 21.10.2010, Antrag nach § 44 SGB X bzgl. Sanktionsbescheid vom 19.03.2010 Soweit sich der Kläger gegen den Sanktionsbescheid vom 21.10.2010 richtet, ist die als (reine) Anfechtungsklage erhobene und nicht umgestellte Klage bereits unzulässig. Diesen Bescheid hat der Beklagte mittlerweile mit Bescheid vom 26.11.2010 aufgehoben, so dass keine Beschwer mehr vorliegt. Gleiches gilt für den Sanktionsbescheid vom 19.03.2010, den aufzuheben der Beklagte zunächst im Rahmen des Verfahrens nach § 44 SGB X abgelehnt hat, den er jedoch im Rahmen eines Teilanerkenntnisses im vorliegenden Verfahren aufgehoben hat.
4. Feststellungsanträge Soweit der Kläger "sämtliche Sätze seines Berufungsschreibens nicht nur als Begründung, sondern auch als Feststellungsanträge" verstanden haben und Rechtswidrigkeit der Ersatzleistungspraxis festgestellt haben will, ist die Klage unzulässig. Zum einen beinhalten diese neuen Anträge eine Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG, die nicht sachdienlich ist. Zum anderen kann zwar gem. § 55 Abs. 1 Ziffer 1 SGG mit der Klage auch die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Jedoch ist die Feststellungsklage unzulässig, wenn bereits im Rahmen einer anhängigen Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Leistungsklage über die Sach- und Rechtsfragen zu entscheiden ist, die der begehrten Feststellung zugrunde liegen, ohne dass ein weitergehendes Feststellungsinteresse besteht (Subsidiarität der Feststellungsklage; vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 55 Rdnr. 19 f. m.w.N.). Vorliegend sind allein beim LSG 13 Berufungen anhängig und darin annähernd sämtliche Bescheide (und auch sonstige Schreiben des Beklagte) aus den Jahren 2010 bis 2013 vor allem im Rahmen von Anfechtungsklagen der gerichtlichen Überprüfung unterworfen, so dass nicht ersichtlich ist, worin noch ein weitergehendes Feststellungsinteresse liegen soll.
5. Aussetzungsantrag
Der Aussetzungsantrag gemäß § 114 SGG war schon deshalb durch unanfechtbaren Beschluss (§ 177 SGG) abzulehnen, weil es im vorliegenden Verfahren mangels noch bestehender Sanktionsbescheide nicht auf die Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen ankam.
Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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