L 9 AS 3452/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 4445/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 3452/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Mai 2014 wird in Bezug auf den Sanktionsbescheid vom 2. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2013 als unzulässig verworfen und im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.

Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Im vorliegenden Verfahren sind ein Sanktionsbescheid vom 02.04.2013 (Widerspruchsbescheid vom 11.07.2013) sowie eine Untätigkeitsklage bzw. Leistungsklage auf Auskunft Streitgegenstand. Zudem hat der Kläger mehrere Feststellungsanträge gestellt.

Der 1962 geborene Kläger, der im EDV-Bereich als Programmierer und Elektroniker bis einschließlich 2008 selbständig tätig gewesen war, bezieht seit Januar 2005 von dem Beklagten Arbeitslosengeld II (ALG II) als laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) einschließlich Kosten für Unterkunft und Heizung für eine voll möblierte, etwa 50 Quadratmeter große Wohnung.

Seit Beginn des Leistungsbezugs trägt der Kläger vor, unter psychosomatischen bzw. psychischen Beschwerden zu leiden. Meldeaufforderungen des Beklagten kommt der Kläger seit 2005 nicht nach unter Hinweis auf seine psychischen Beschwerden und trug hierzu u.a. vor (Bl. 282 Band 1 der V-Akten), sich aufgrund seiner traumatischen Erlebnisse mit Ämtern/Behörden derzeit psychisch nicht in der Lage zu sehen, mit fremden Personen über seine Lebenssituation zu sprechen. Sein Rechtsbeistand könne dies im Zusammenhang mit Sozialamtsbesuchen bezeugen. Zunächst benötige er eine Therapie. Der Anforderung, eine Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht zu übersenden (Bl. 474 Band 2 der V-Akten), kam der Kläger mit der Begründung nicht nach, einer pauschalen Schweigepflichtsentbindung könne er nicht zustimmen, da aus dem Vordruck nicht ersichtlich sei, welche Information der Beklagte konkret zu welchem Zweck erlangen wolle und mit welchen Ärzten er hinter seinem Rücken welche Daten austauschen wolle. Einer Einladung zur psychologischen Begutachtung am 26.05.2010 folgte der Kläger nicht. Im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG, S 7 AS 4239/11 ER) legte der Kläger ein Attest der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. S. vom 07.06.2011 vor, die die Diagnose einer Angst- und Depression gemischt stellte. Im Vordergrund stünden seine Kraftlosigkeit, seine wechselhafte Stimmung, seine reduzierte Freude, ausgeprägte Grübel- und Sorgenneigung, die Ein- und Durchschlafstörungen. Vor allem stehe aber auch ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten aufgrund seiner Ängste, z. B. an einem Herzinfarkt zu leiden, im Vordergrund. Belastungen oder auch Sport führten zu Ängsten, die er deswegen zu meiden suche. Eine psychopharmakotherapeutische Behandlung und/oder eine psychotherapeutische Behandlung seien die im Vordergrund stehenden Therapiemöglichkeiten. Weiterhin legte der Kläger in dem Verfahren S 7 AS 2563/11 ER ebenfalls vor dem SG neben einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 18.04.2011 über eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 06.06.2011 einen Arztbrief von Dr. H. S. vom 28.02.2011 mit der Diagnose einer Angst- und Depression, gemischt, vor, die in weiten Teilen geschwärzt wurde. In den lesbaren Abschnitten dieses Arztbriefes führte Dr. S. aus, der Kläger habe dann 2000 gar nichts mehr machen können, habe nicht schlafen können. Es seien monatelange stationäre Aufenthalte erfolgt, danach ein Jahr lang Arbeitsunfähigkeit, seit 2000 nicht arbeitsfähig und deswegen auch Hartz IV-Empfänger; seit etwa 10 Jahren teilt Medikation mit bedarfsweise. Dr. S. vermute, dass der Kläger im Jahr 2000 eine schwere depressiv (Rest geschwärzt).

Da der Kläger seit 2005 keinen Meldeaufforderungen nachgekommen war, kam es in der Folgezeit aufgrund verhängter Sanktionen zu etlichen Klagen bzw. Eilrechtsschutzverfahren vor dem SG und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG).

Mit Schreiben vom 08.02.2013 (Blatt 1584 Band 7 der V-Akten) forderte der Beklagte den Kläger auf, am 22.02.2013 um 10 Uhr einen Termin bei ihm wahrzunehmen, um die aktuelle berufliche Situation zu besprechen. Dies sei eine Einladung nach § 59 SGB II i.V.m. § 309 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Wenn der Kläger ohne wichtigen Grund dieser Einladung nicht Folge leiste, werde sein Alg II um 10 % des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs für die Dauer von drei Monaten gemindert. Eine entsprechende Rechtsfolgenbelehrung war beigefügt.

Gegen dieses Einladungsschreiben legte der Kläger Widerspruch ein (Bl. 1587 Band 7 der V-Akten), den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2013 (Bl. 1594 Band 7 der V-Akten) zurückwies. Hiergegen hat der Kläger beim SG Klage eingereicht (S 7 AS 2434/13) und nach deren Abweisung Berufung, die beim LSG unter dem Az. L 9 AS 3450/14 geführt wird.

Nachdem der Kläger zum Termin am 22.02.2013 nicht erschienen war, gab der Beklagte ihm mit Anhörungsschreiben vom 26.02.2013 (Bl. 1604 Band 7 der V-Akten) Gelegenheit, sich zur Minderung des Alg II in Höhe von 10 % über drei Monate zu äußern, und stellte anschließend mit Bescheid vom 02.04.2013 (Bl.1601 Band 7 der V-Akten) eine entsprechende Minderung fest für den Minderungszeitraum vom 01.05.2013 bis 31.07.2013. Der Kläger sei trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zu dem Termin ohne wichtigen Grund nicht erschienen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers, er sei zum Einladungszeitpunkt medikamentenbedingt nicht wach gewesen, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2013 (W 1539/2013, B. 1606 Band 7 der V-Akten) zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 02.08.2013 Klage vor dem SG erhoben und neben der Anfechtung des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2013 beantragt, das Gericht möge die Beantwortung und Bescheidung veranlassen, dass Herr H. u.a. seinen Gesprächsleitfaden dem Kläger mit allen Fragen schriftlich zusende. Auch beantrage er Aufklärung, wofür Herr H. einen gedruckten Lebenslauf benötige, welche Ausbildung dieser habe und welche Rechtsfolgen einträten, wenn der Kläger von seinem Schweigerecht Gebrauch mache (vgl. Klageschrift vom 02.08.013). Das SG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen für den Sanktionsbescheid gemäß § 32 SGB II lägen vor, da der Kläger trotz Kenntnis der Meldeaufforderung zu dem Meldetermin am 22.02.2013 nicht erschienen sei. Die Meldeaufforderung sei rechtmäßig im Sinne des § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III, da darin ein zulässiger Meldezweck enthalten gewesen sei. Einen wichtigen Grund für sein Nichterscheinen habe der Kläger nicht nachgewiesen. Insbesondere sagten die in früheren Verfahren vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nichts darüber aus, ob der Kläger zum Meldetermin am 22.02.2013 hätte kommen können. Da der Kläger auch hinreichend über die Rechtsfolgen belehrt und die Sanktion zutreffend berechnet worden sei, sei die Klage unbegründet. Soweit der Kläger einen Antrag wegen Untätigkeit bzw. Aufklärung stelle, lägen die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage gem. § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht vor.

Gegen dieses Urteil (und gegen zwölf weitere Urteile des SG vom selben Tag) hat der Kläger am 14.08.2014 Berufung beim LSG eingelegt mit der - jeweils identischen - Begründung, die Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums sei ein unantastbares Menschenrecht, und alle Sanktionsbescheide seien nichtig, weil dieses Menschenrecht verletzt werde. Das Jobcenter und SG hätten nicht nachweisen können, dass in der Regelleistung kürzungsfähige Zulagen von 10 % – 40 % über dem Existenzminimum enthalten seien. Alle strittigen Meldeaufforderungen seien wegen erheblicher Aufklärungs- und Formmängel, unvollständiger Rechtsfolgenbelehrung und mangelnden Rechtsbehelfs nichtig. Die Beweispflicht werde überspannt. Er sei nicht verpflichtet, teure Atteste und Gutachten auf Regelleistungskosten zu erbringen. Er müsse sich nicht von Unbekannten ohne Qualifikationsnachweis psychologisch untersuchen lassen, die im Jobcenter tätig seien. Die gegenwärtige Fassung des § 31 SGB II verstoße gegen das Grundgesetz. Weil Jobcenter und Sozialgericht seine Anträge abgelehnt hätten, die Kosten für Fachgutachter zu übernehmen, mache er ab sofort von seinem Beweisführungsrecht gemäß § 294 ZPO Gebrauch. Das SG habe Verfahrens- und Beweisanträge aus den Jahren 2011 bis 2014 unterschlagen. Zitierte BGH- und Bundesverfassungsgerichtsurteile seien ignoriert, Eilrechtsschutz verweigert und Beweise unterdrückt worden. Gleiches gelte für Prozesskostenhilfe, Anwaltsbeiordnung und Fachgutachter. Das Jobcenter schulde ihm bis dato Ersatzleistungen. Lebensmittelgutscheine genügten den Anforderungen nicht. Aus § 309 SGB III ergebe sich keine Gesprächspflicht, da dieses Wort dort nirgends auftauche. Der Kläger habe sich persönlich schriftlich gemeldet und damit seiner Mitwirkung genügt und sei seiner Meldepflicht nachgekommen. Die Einladungen litten unter einem Rechtsbehelfsmangel, da nicht bürgerverständlich vermittelt werde, welche Verhaltens-, Schutz- und Abwehrrechte er habe. Der Einladungstext sei kein wichtiger Meldezweck, sondern es handle sich nur um eine pauschale Einladungsfloskel. Aus seinen vorgelegten medizinischen Unterlagen ergebe sich, dass eine neurologische Langzeiterkrankung vorliege, dass er Psychopharmaka einnehme und therapiebedürftig sei. Es sei somit von einer überwiegenden Nichtvermittelbarkeit auszugehen. Aufgrund der Unmöglichkeit, dass Ärzte seine häuslichen Medikamenteneinnahme, Schlafdauer, Tagesstruktur oder ähnliches überwachten bzw. überprüfen könnten, sei die SG-Beweisforderung ins Unmögliche überspannt worden. Er versichere gemäß § 294 ZPO an Eides statt, dass er seit 14 Jahren schwere Schlafstörungen und keine normale Tagesstruktur habe, dass er zu den meisten Jobcenter-Meldeterminen medikamentenbedingt nicht wach gewesen sei oder wegen Schlafmangels und Depression keine mentale Kraft für Zwangsgespräche gehabt habe, dass ihm seine Neurologin eine Broschüre mitgegeben habe, mit der er dem SG nachgewiesen habe, dass er bei dieser Erkrankung das Recht habe, sich zurückzuziehen, sich für sein Tun nicht zu rechtfertigen und auch zu nichts zwingen zu lassen. Auch leide er an schweren Folgeerkrankungen (u.a. Psychotrauma/PTBS, Existenzangst, Verfolgungsangst, nervösen Herzbeschwerden, nervösen Magenbeschwerden). Aufgabe seiner Ärzte sei es, die Diagnose zu stellen und ihm Behandlungen bzw. Medikamente anzubieten, nicht jedoch, gutachterlich bzw. kostenlos für das Gericht zu ermitteln, welche Folgeschäden und Traumen die Verfolgungen des Jobcenters bei ihm ausgelöst hätten und ob er belastende Behördengespräche mit bedrohenden Verfolgern führen könne. Es sei keine Rechtspflicht, einen Arzt/Facharzt mit Anamnesearchiv zu haben oder diesen nachzuweisen. Er habe selber ein Selbstbestimmungsrecht über seine Psychotherapie, Belastungsgrenzen, Einnahme und das Absetzen von Medikamenten und könne diese frei entscheiden. Diese Grundrechte müsse er nicht über Atteste/Gutachten belegen. Einer unkontrollierten Datenübermittlung hinter seinem Rücken (totale Schweigepflichtentbindung) müsse er nicht zustimmen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

1. den Bescheid vom 2. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2013 aufzuheben, 2. den Beklagten zu verpflichten, die gestellten Fragen (Ausbildungsnachweise des Herrn H., Rechtsfolgen beim Schweigerecht, Lebenslauf) zu beantworten und zu verbescheiden und einen Gesprächsleitfaden auszuhändigen.

Weiterhin beantragt der Kläger in allen Berufungsverfahren,

- die Feststellung der Rechts- und Verfassungswidrigkeit der derzeitigen Ersatzleistungspraxis, - die Feststellung aller Sätze seines Berufungsschreibens, - das Verfahren auszusetzen bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Gotha vom 26. Mai 2015 zur Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Schreiben vom 12.08.2015 hat der Senat eine Entscheidung durch Beschluss gem. § 153 Abs. SGG bzw. § 158 SGG in Aussicht gestellt und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten (7 Bände), der genannten Akten des SG sowie der Akten des Senats Bezug genommen.

II.

Die form - und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat durch Beschluss entscheidet, ist zum Teil bereits unzulässig, da der Beschwerdewert nicht erreicht wird, zum Teil unbegründet.

1. Sanktionsbescheid

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor.

Da durch den Sanktionsbescheid vom 02.04.2013 eine nur 10 %ige Herabsenkung der Leistungen erfolgt ist in Höhe von 38,20 EUR monatlich, summiert sich der Beschwerdewert auf lediglich 114,60 EUR. Der Wert des Beschwerdegegenstandes erreicht damit nicht den maßgeblichen Wert von 750,- EUR. Auch handelt es sich nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr. Da das SG die Berufung auch nicht zugelassen hat (eine nur fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung reicht hierfür nicht aus, vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 144 Rdnr. 40 unter Verweis auf die st. Rspr.), ist diese unzulässig.

Die Berufung wird auch nicht dadurch zulässig, dass mit ihr auch eine Untätigkeitsklage verfolgt wird, die berufungsfähig ist. Zwar ist der maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstandes bei mehreren geltend gemachten Ansprüchen gem. § 202 SGG i.V.m. § 5 ZPO zusammen zu rechnen. Doch gilt die Berufungsbeschränkung nur für Klagen, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt zum Gegenstand haben. Insoweit können von einer Zusammenrechnung nach § 5 ZPO auch nur Klagen erfasst sein, die auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt gerichtet sind. Andere, also nicht auf die in § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG genannten Streitgegenstände gerichtete Klagen, können hierzu nicht hinzugerechnet werden. Werden im Wege objektiver Klagehäufung - die auch durch eine Verbindung mehrerer ursprünglich selbständiger Klagen nach § 113 SGG entstehen kann - einerseits Ansprüche verfolgt, die Geldleistungen oder hierauf gerichtete Verwaltungsakte zum Gegenstand haben, und andererseits Ansprüche anderer Art, so können die auf diese verschiedenen Ansprüche entfallenden Gegenstandswerte nicht zusammengerechnet werden (s. hierzu LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.12.2010, L 13 AS 2698/09 NZB m.w.N.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.04.2013, L 5 AS 434/13 B ER, beide Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 144 Rdnr. 16 m.w.N). Eine solche Zusammenrechnung schließen Wortlaut und Zweck des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGG aus. Sie ziehen der sonst geltenden Grundregel des § 202 SGG i.V.m. §§ 2, 5 ZPO für ihren Sachbereich Schranken. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG regelt das Rechtsmittelverfahren unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um eine Klage handelt, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, oder um eine Klage mit einem anderen Streitgegenstand. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG knüpft für diese Differenzierung an den Streitgegenstand an und erst innerhalb der dort beschriebenen Klagen an den Wert des Beschwerdegegenstandes (s. LSG Baden-Württemberg a.a.O.). Die Beschränkung der Berufungsmöglichkeit hängt also zunächst nicht vom Wert des Beschwerdegegenstandes, sondern vom Streitgegenstand der Klage ab. Damit mag es noch vereinbar sein, den Wert des Beschwerdegegenstandes mehrerer Klagen zusammenzurechnen, die Geldleistungen oder hierauf gerichtete Verwaltungsakte betreffen. Das System des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG würde indes durchbrochen, wenn zum Wert des Beschwerdegegenstandes auch noch der Streitwert von Ansprüchen hinzugerechnet wird, die durch § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht erfasst werden, und es gibt auch kein "Mitziehen" eines zulassungsbedürftigen Teils der Berufung durch einen zulassungsfreien Teil (s. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.09.2010, L 10 AS 886/10, Juris). Damit führt die hier vorliegende objektive Klagehäufung (Klage gegen die Sanktion und Untätigkeit) nicht dazu, dass die Berufung des Klägers in Bezug auf den Sanktionsbescheid deshalb zulässig wäre, weil die Klage im Übrigen berufungsfähig ist, weil sie nicht von § 144 SGG erfasst wird.

Die Berufung ist im Übrigen in Bezug auf den Sanktionsbescheid auch unbegründet.

Anders als nach der alten Rechtslage folgt aus dem Wortlaut des § 31 b Abs. 1 Satz 1, § 39 Nr. 1 SGB II in der ab dem 01.04.2011 geltenden Fassung, dass Sanktionsbescheide isoliert mit der Anfechtungsklage angefochten werden können und keine rechtliche Einheit mit dem anschließenden Bewilligungsbescheid bzw. mit dem Absenkungsbescheid mehr besteht (s. hierzu Terminbericht des BSG zu B 14 AS 19/14 R vom 29.04.2015, Nr. 18/15; s. auch LSG Bayern, Urteil vom 30.01.2014, L 7 AS 85/13, Juris).

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für den Erlass des Sanktionsbescheides dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Einladung rechtmäßig war, der Kläger hinreichend belehrt worden ist und ihm kein wichtiger Grund für das Nichterscheinen zur Seite stand, so dass die vom Beklagten bestimmte Sanktion nicht zu beanstanden ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an.

Nicht zu überzeugen vermag der Kläger insbesondere mit seinem Vortrag, die Einladungen seien nur nach § 309 Abs. 1 SGB III erfolgt, sodass nachträglich nicht auf § 309 Abs. 2 SGB III verwiesen werden könne, die Einladungen enthielten nur einen Gesprächswunsch und keine -pflicht, ein wichtiger Meldezweck liege nicht vor, die Rechtsfolgenbelehrungen seien unzutreffend und der Begriff "Einladung" sei irreführend, sodass die Meldeaufforderungen allesamt rechtsunwirksam und nichtig seien. Zu Recht hat der Beklagte auf § 309 Abs. 1 SGB III (i.V.m. § 59 SGB II) verwiesen, weil darin die allgemeine Meldepflicht definiert wird. Abs. 2 dieser Vorschrift konkretisiert lediglich, zu welchen Zwecken die Aufforderung zur Meldung erfolgen kann. Dass es sich nicht nur um einen "Gesprächswunsch" handelt, ist aus dem klaren Wortlaut der Einladung unschwer ersichtlich (Hinweis auf die Folgen bei Nichterscheinen, gesonderte Rechtsfolgenbelehrung in der Anlage). Insofern ist auch der Begriff "Einladung" nicht irreführend, sondern lediglich höflicher formuliert als "Aufforderung". Die Rechtsfolgenbelehrung ist ausführlich und zutreffend dargestellt. Es liegt auch ein wichtiger Meldezweck vor, da nach jahrelanger Arbeitslosigkeit ein Gespräch über die berufliche Situation Aussicht bietet, den Kläger entweder in eine passende Arbeitsstelle zu vermitteln, ihn ggf. zu schulen oder auf andere Weise zu fördern, um die Arbeitslosigkeit zu beenden. Insofern dient die Einladung sogar mehreren Zwecken, nämlich der Berufsberatung, Vermittlung in Arbeit sowie der Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen. Angesichts des Umstandes, dass der Kläger seit 2005 keinen Meldeterminen nachgekommen ist, war es dem Beklagten kaum möglich, einen konkreteren Meldezweck anzugeben, da - auch für das Gericht - nicht erkennbar ist, für welche Tätigkeiten am Arbeitsmarkt der Kläger sich eignet, ob Schulungsbedarf besteht oder sonstige Maßnahmen seitens des Beklagten zu ergreifen sind.

Wie das SG ausführlich und zutreffend begründet hat, steht dem Kläger auch kein wichtiger Grund für sein Nichterscheinen zu Seite, weil die von ihm wiederholt vorgetragene gesundheitsbedingte Unmöglichkeit eines Erscheinens nicht nachgewiesen worden ist. Zwar hat der Senat eine Befragung seiner Ärzte erwogen, um die gesundheitlichen Beschwerden des Klägers nachprüfen zu können. Jedoch hat sich der Kläger - wie bereits in den Jahren zuvor - bisher ausdrücklich geweigert, eine Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht vorzulegen, sodass es dem Senat verwehrt ist, eine Beweisaufnahme in Form der Befragung der behandelnden Ärzte durchzuführen. Die fehlende Nachweisbarkeit eines wichtigen Grundes für das Meldeversäumnis aber geht zu Lasten des Klägers.

Der Kläger kann auch nicht mit dem Argument gehört werden, es müsse ein Sachverständigengutachten eingeholt werden, um seine gesundheitlichen Beschwerden nachzuweisen. Vorliegend ist nicht Streitgegenstand, ob der Kläger zum heutigen Zeitpunkt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht oder ob er heute zu Meldeterminen erscheinen kann, sondern betrifft das Verfahren einen Meldetermin aus 2013, mithin aus einer Zeit, die zwei Jahre zurückliegt. Ein Gutachter, dem keinerlei Auskünfte der behandelnden Ärzte und auch sonst keine ärztlichen Unterlagen über den streitgegenständlichen Zeitraum zur Verfügung stehen, mag zwar den Gesundheitszustand am Tag der Untersuchung beurteilen können, nicht aber den von vor zwei Jahren und schon gar nicht den konkreten Gesundheitszustand des Klägers an den einzelnen Meldeterminen. Deshalb sind vor Einholung eines Sachverständigengutachtens Informationen über den Gesundheitszustand durch Beiziehung ärztlicher Unterlagen - wie Befundberichte und Krankenhausunterlagen oder sachverständige Zeugenaussagen - unerlässlich. Ohne diese Vorermittlungen ist eine Gutachtenseinholung nicht sinnvoll (s. hierzu auch Bayerisches LSG, Urteil vom 22.10.1997, L 13 An 19/96, Juris).

Nach § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt worden ist. Die Entscheidung kann nach § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss ergehen. Der Senat hat hiervon nach dem ihm eingeräumten Ermessen und nach Anhörung der Beteiligten Gebrauch gemacht. Gründe, die gegen eine Entscheidung durch Beschluss sprechen, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Die Berufung war somit gem. § 158 Satz 1 SGG in Bezug auf den Sanktionsbescheid als unzulässig zu verwerfen.

Da die Berufung in Bezug auf den Sanktionsbescheid bereits unzulässig war, war der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gemäß § 114 SGG bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Rechtmäßigkeit der Sanktionsregelungen durch unanfechtbaren Beschluss (§ 177 SGG) abzulehnen, da es auf die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen vorliegend nicht ankommt.

2. Untätigkeitsklage/Leistungsklage auf Aushändigung eines Gesprächsleitfadens, Auskunft

Soweit der Kläger die Vorlage eines Gesprächsleitfadens verlangt bzw. sich mit einem Aufklärungsantrag an das Jobcenter richtet, deren Beantwortung/Bescheidung das Gericht veranlassen soll, ist die Klage als Untätigkeitsklage im Sinne des § 88 SGG unzulässig, da es bereits an einem begehrten Verwaltungsakt fehlt, wie das SG zutreffend dargelegt hat.

Aber auch als Leistungsklage auf Auskunftserteilung hat das Begehren des Klägers keinen Erfolg. Zwar hat gemäß § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch, doch besteht ein solcher Anspruch nur, wenn ein berechtigtes Interesse an den gewünschten Informationen besteht und der Anspruch auf Beratung nicht bereits erfüllt worden ist (vgl. Seewald in Kassler Kommentar, Sozialversicherungsrecht Band 1, Stand Oktober 2014, § 14 Rdnr. 18). Vorliegend ist ein solches berechtigtes Interesse zu verneinen. Der berufliche Werdegang des Herrn H. ist für die Durchsetzung der klägerischen Anspräche gegenüber dem Jobcenter irrelevant. Aus welchen Gründen die Vorlage eines Lebenslaufes verlangt wird, liegt auf der Hand, nämlich um die berufliche Zukunft des Klägers besprechen zu können. Einer Aufklärung zum medizinischen Schweigerecht bedarf es ebenfalls nicht: Zum einen ist nicht davon auszugehen, dass ein nichtärztlicher Mitarbeiter des Beklagten überhaupt nach medizinischen Einzelheiten gefragt hätte, da er deren Auswirkung auf das klägerische Leistungsvermögen ohnehin nicht beurteilen kann. Zum anderen hätte möglicherweise im Rahmen eines Meldetermins ein Weg gefunden werden können, den Kläger zu schulen oder anderweitig zu fördern, ohne dass gesundheitliche Einschränkungen dem im Wege gestanden oder auch nur im Einzelnen hätten beleuchtet werden müssen. Insofern lässt sich im Vorfeld nicht abstrakt klären, ob es auf die Einzelheiten der klägerischen Erkrankung überhaupt ankommt. Ein berechtigtes Interesse an einer Auskunft über Schweigerechte ist daher zu verneinen, sondern der Kläger hätte abwarten müssen, welche Themen im Meldetermin überhaupt zur Sprache kommen. Es besteht auch kein berechtigtes Interesse, die zu erörternden Themen vorab zu erfahren, so dass der Kläger auch nicht die Aushändigung eines Gesprächsleitfadens verlangen kann. Worum es in den Meldeterminen gehen soll, wird in den Einladungsschreiben grob umrissen. Einer detaillierteren Ankündigung der Gesprächsthemen bedarf es nicht, zumal sich solche erst im Rahmen des Gesprächs ergeben. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger bisher keinen einzigen Termin beim Beklagten wahrgenommen hat, ist es auch kaum möglich, im Vorfeld zu beurteilen, welchen Verlauf der Meldetermin nehmen wird. Im Übrigen erwartet niemand eine besondere Vorbereitung des Termins seitens des Klägers.

Mangels berechtigten Interesses bestand somit kein Anspruch auf Auskunft.

3. Feststellungsanträge Soweit der Kläger "sämtliche Sätze seines Berufungsschreibens nicht nur als Begründung, sondern auch als Feststellungsanträge" verstanden haben und Rechtswidrigkeit der Ersatzleistungspraxis festgestellt haben will, ist die Klage unzulässig. Zum einen beinhalten diese neuen Anträge eine Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG, die nicht sachdienlich ist. Zum anderen kann zwar gemäß § 55 Abs. 1 Ziffer 1 SGG mit der Klage auch die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Jedoch ist die Feststellungsklage unzulässig, wenn bereits im Rahmen einer anhängigen Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Leistungsklage über die Sach- und Rechtsfragen zu entscheiden ist, die der begehrten Feststellung zugrunde liegen, ohne dass ein weitergehendes Feststellungsinteresse besteht (Subsidiarität der Feststellungsklage; vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 55 Rdnr. 19 f. m.w.N.). Vorliegend hat der Kläger allein beim LSG 13 Berufungen anhängig gemacht und darin annähernd sämtliche Bescheide (und auch sonstige Schreiben des Beklagte) aus den Jahren 2010 bis 2013 vor allem im Rahmen von Anfechtungsklagen der gerichtlichen Überprüfung unterworfen, so dass nicht ersichtlich ist, worin noch ein weitergehendes Feststellungsinteresse liegen soll.

Da das SG somit im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen hat, war auch die Berufung zurückzuweisen. In Bezug auf die Feststellungsklage/Leistungsklage/Untätigkeitsklage konnte diese Berufungszurückweisung durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 SGG erfolgen. Hiernach kann das LSG nach vorheriger Anhörung der Beteiligen die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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