Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
33
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 33 KR 822/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 19.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2013 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten für eine stationäre Liposuktionsbehandlung der Klägerin zu übernehmen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme einer stationären Liposuktionsbehandlung.
Die 1981 geborene Klägerin leidet an einem so genannten Lipödem der Beine, einer Fettverteilungsstörung mit meist symmetrischer Unterhautfettgewebevermehrung. Die Krankheit verläuft chronisch- progedient, sie führt zur Flüssigkeitseinlagerung in das Gewebe, einer Degeneration der Lymphgefäße mit einem gestörten Lymphabfluss und zusätzlich liegt eine Störung der feinsten Blutgefäße (Kapillaren) vor.
Am 1. November 2012 ging bei der Beklagten ein Antrag auf Kostenübernahme einer Liposuktionsbehandlung zur Reduktion des Fettgewebes bei Erhalt der lymphatischen Gewebestruktur ein, der von der Klinik P., gestellt wurde. Eine stationäre Behandlung der Klägerin sei nach diversen Richtlinien aufgrund der Menge des abzusaugenden Fettgewebes zwingend erforderlich.
Mit Bescheid vom 19. November 2012 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Die Liposuktionsbehandlung sei keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Der gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (gBA) habe diese Behandlung nicht in seine Richtlinien aufgenommen.
Mit Widerspruch vom 26. November 2012 verwies die Klägerin auf ihre erheblichen Beschwerden und Einschränkungen und legte Fotos und weitere Befundberichte vor. Auf Veranlassung der Beklagten erfolgte eine Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Beklagten (MD). Dieser kam in seinem Gutachten vom 3. Januar 2013 zu dem Ergebnis, dass nicht von einer lebensbedrohlichen Erkrankung ausgegangen werden könne, kosmetische Gesichtspunkte stünden im Vordergrund.
Die Klägerin legte daraufhin eine Stellungnahme der behandelnden Ärzte vom 16. Januar 2013 (Professor Dr. Dr. H. u.a., Fachärzte für plastische und ästhetische Chirurgie) vor. Danach handele es sich um eine chronische Erkrankung. Bei erfolgloser konservativer Therapie seien chirurgische Maßnahmen erforderlich. Gegenüber der klassischen Fettabsonderung habe die Methode der Liposuktion den Vorteil, das Lymphgewebe zu schonen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Kostenübernahme für eine stationäre Behandlung komme nicht in Betracht, weil vorrangig ambulante Maßnahmen wie Bewegungstherapie, Ernährungsberatung und eine Entstauchungstherapie durchzuführen seien. Ambulant sei kein Anspruch gegeben, weil ein positives Votum des gBA fehle.
Hiergegen richtet sich die am 12. Juli 2013 erhobene Klage, mit der die Klägerin die Kostenübernahme für eine stationäre Liposuktionsbehandlung begehrt. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten seien in Ihrem Fall ausgeschöpft. Kompressionsstrümpfe vertrage sie wegen ihrer Neurodermitis schlecht. Sie leide unter erheblichen Schmerzen und Einschränkungen. Die Behandlung sei leitliniengerecht und es gebe diverse positive gerichtliche Entscheidungen. Begehrt werde eine stationäre Behandlung, bei der eine positive Stellungnahme des gBA nicht erforderlich sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 19.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2013 aufzuheben, und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für eine stationäre Liposuktionsbehandlung der Klägerin zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den Widerspruchsbescheid und die dort aufgeführten alternativen Behandlungsmöglichkeiten.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte beigezogen und Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Es hat ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt und der Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. K. ist in seinem Sachverständigengutachten vom 26. August 2014 zu dem Ergebnis gelangt, dass die beantragte Liposuktionsbehandlung medizinisch erforderlich sei. Die Klägerin leide an einem Lipödem im Stadium II-III. Die Erkrankung bereite erhebliche Einschränkungen und Beschwerden, die Lebensqualität werde auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt und die Klägerin leide aufgrund der Ödeme an erheblichen Schmerzen. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten seien ausgeschöpft. In Betracht kämen manuelle Lymphdrainagen, Kompressionsbehandlung, Bewegungstherapie und besondere Hautpflege. All dies werde von der Klägerin bereits durchgeführt. Eine Reduzierung des Fettgewebes sei hierdurch nicht zu erreichen, Die Erkrankung verlaufe chronisch-progedient und befände sich fast im Zustand III. Aufgrund der positiven Studienlage und einer positiven AWMF- Stellungnahme (Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften e.V.), die allerdings derzeit überarbeitet werde, sei davon auszugehen, dass die Liposuktionsbehandlung Erfolg haben werde.
Der MD der Beklagten hat am 21. Oktober 2014 dargelegt, dass ein Wirksamkeitsnachweis im Sinne der Rechtsprechung des BSG nicht angenommen werden könne. Die Leistungsvoraussetzungen seien nach wie vor nicht gegeben. Eine stationäre Behandlung komme nicht in Betracht, da die Liposuktion auch ambulant durchgeführt werden könne.
Daraufhin hat die Klägerin eine ärztliche Stellungnahme vom 25. Februar 2015 von Dr. H., Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie, vorgelegt, wonach wegen der Menge des abzusagenden Fettgewebes (mehr als 2 Liter) nur eine stationäre Behandlung in Betracht komme.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kostenübernahme einer stationären Liposuktionsbehandlung
Der Anspruch folgt aus § 27 Sozialgesetzbuch- Fünftes Buch (SGB V). Danach haben Versicherte einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die ärztliche Behandlung (§ 28 SGB V) und die Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Behandlung erforderlich ist und nicht durch teilstationäre, vor-und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.
Die durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass eine behandlungsbedürftige Erkrankung bei der Klägerin vorliegt und die in Rede stehende stationäre Liposuktionsbehandlung erforderlich ist, um diese Erkrankung zu behandeln.
(1) Eine behandlungsbedürftige Erkrankung im Sinne von § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V liegt vor. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter Krankheit ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Gesundheitszustand zu verstehen, der ärztlicher Behandlung bedarf oder arbeitsunfähig macht (BSG vom 10. Februar 1993, BSGE 72, 1996; BSG vom 30. September 1999, BSGE 85, 36). Eine körperliche Funktionsbeeinträchtigung liegt nicht nur beim Verlust oder einer Störung der Körperteile wie Gliedmaßen oder Sinnesorgane, sondern auch bei Krankheiten oder Verletzung mit entstellender Wirkung vor (BSG vom 23. Juli 2002, SozR 3-2500, § 33 Nr. 45).
Diese Voraussetzungen sind gegeben, denn die nicht übergewichtige Klägerin leidet an einem schmerzhaften und ausgeprägten Lipödem beider Beine. Die Erkrankung bereitet aufgrund der Wassereinlagerung im Gewebe Schmerzen, die wiederum zu Bewegungseinschränkungen führen, wie die Klägerin anschaulich geschildert und der Sachverständige plausibel dargelegt hat. Danach ist bei der Klägerin von einer Erkrankung im Stadium II bis III auszugehen, das Gewebe war nicht nur grobknotig, sondern auch derber und härter, was nach der Darlegung des Sachverständigen dazu führt, dass das Stadium II bereits überschritten worden ist. Die massiven Wassereinlagerungen sind in der Untersuchungssituation zu tasten gewesen, ebenso ist vom Sachverständigen die geklagte Druckschmerzhaftigkeit festgestellt worden. Der Sachverständige hat weiter dargelegt, dass die Schmerzen zu einer Minderbelastung der Beine führen können, obwohl gerade ein entsprechendes Training erforderlich sei. Auch die erforderlichen Lymphdrainagen hätten aufgrund der Manipulationen einen erhöhten Druckschmerz zur Folge. Der Sachverständige hat die Erkrankung zusammenfassend als die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigend eingeordnet und beschrieben.
(2) Die in Rede stehende Behandlung ist nicht durch § 137 c SGB V bzw. das Wirtschaftlichkeitsgebot gemäß § 12 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit § 2 Absatz 1 S. 2 SGB V ausgeschlossen.
§ 137 c SGB V wurde mit Wirkung zum 23. Juli 2015 geändert. § 137 Abs. 3 SGB V in der Fassung vom 16. Juli 2015 sieht nunmehr vor, dass Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden dürfen, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 durch den gBA noch nicht abgeschlossen ist.
Mit dem neu geschaffenen Abs. 3 hat der Gesetzgeber klargestellt, dass im stationären Bereich auch Leistungen beansprucht werden können, deren Wirksamkeit noch nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB V nachgewiesen sind. Die Änderung ist als Reaktion auf die Rechtsprechung des BSG (ausdrücklicher Verweis in der Gesetzesbegründung auf BSG v. 21.03.2013 – B 3 KR 2/12 R) erfolgt, was sich unzweifelhaft aus den Gesetzesmaterialien ergibt. Der Gesetzgeber hat damit klargestellt, dass die Auslegung des BSG nicht dem gesetzgeberischen Willen entspricht und entsprochen hat. Die alleinige Ausrichtung am Qualitätsmaßstab des § 2 Abs. 1 SGB V und der Ausschluss jeglicher innovativer neuer Behandlungsmethoden im stationären Bereich durch die höchstrichterliche Rechtsprechung stand mit der gesetzgeberischen Intention nicht im Einklang.
Damit ist der Anwendungsbereich dieser Regelung vom Grundsatz her eröffnet. Denn für die Liposuktion wurde ein Antrag gestellt, der noch nicht beschieden wurde. Es handelt sich um eine Methode, deren Bewertung nach Abs. 1 noch nicht abgeschlossen ist und für die § 137 Abs. 3 SGB V ebenfalls gilt.
(a) Auch die weiteren Voraussetzungen liegen vor.
Nach dem Gesetzeswortlaut ist es erforderlich, dass es sich um eine Behandlungsmethode handelt, die das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet. Das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative wird in § 137 Absatz 1 SGB V ebenso wenig wie in § 137e SGB V definiert.
Gesetzessystematisch und aus der Gesetzesbegründung lassen sich verschiedene Voraussetzungen ableiten. Unschädlich ist zunächst, dass der Nutzen der Methode noch nicht hinreichend belegt ist. Mit den bisherigen Erwägungen des BSG kann der Anspruch gerade nicht abgelehnt werden, denn die Qualitätsanforderungen des § 2 Abs. 1 S. 2 SGB V müssen nicht vorliegen. Es handelt sich insoweit um eine Konkretisierung des allgemeinen Qualitätsgebot (und damit auch des Wirtschaftlichkeitsgebots), was sich ausdrücklich aus der Gesetzesbegründung ergibt (BT-Drs. 18/4095 S. 121). Die Gesetzesbegründung enthält weiterhin Beispiele, in denen ein solches Potenzial vorliegen soll. Das soll der Fall sein, wenn die Methode aufgrund ihres Wirkprinzips, oder bisher vorliegenden Erkenntnisse mit der Erwartung verbunden ist, dass andere aufwendigere, für die Patientin oder den Patienten invasivere oder bei bestimmten Patienten nicht erfolgreichen Methoden ersetzt werden können oder die Methode in sonstiger Weise eine effektivere Behandlung ermöglichen kann. Weiter wird eine Negativabgrenzung vorgenommen, indem die Voraussetzung einer Behandlungsalternative verneint wird, wenn die Methode schädlich oder unwirksam ist.
Eine Annäherung der Tatbestandsvoraussetzung "Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative" ist möglich, wenn man die Bandbreite der bisherigen Regelungen betrachtet. Auf der einen Seite ergeben sich die allgemeinen Qualitätsanforderungen des § 2 Abs. 1 S. 2 SGB V, auf die das BSG bislang im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes zur Begrenzung des Leistungskatalogs abgestellt hat. Hier muss neben einem Konsens der Fachgesellschaften und Ärzte ein Wirksamkeitsnachweis durch nach wissenschaftlichen Erkenntnissen durchgeführte Studien geführt werden können. Die Untergrenze für im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung stehende Behandlungsmöglichkeiten ergibt sich aus § 2 Abs. 1a SGB V für den Fall einer unmittelbar tödlichen Erkrankung, die auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beruht. Hier ist lediglich eine spürbar positive Einwirkung auf den Behandlungsverlauf erforderlich, Erkenntnisse können sich - je nach Schwere der Erkrankung - auch aus dem individuellen Krankheitsverlauf und der Empfehlung des behandelnden Arztes ergeben. Diese geringeren Voraussetzungen werden im Rahmen der Prüfung, ob das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative gegeben ist, nicht ausreichen, während ein Wirksamkeitsnachweis nach dem allgemeinen Qualitätsgebot gerade nicht erforderlich ist.
Hieraus lässt sich ableiten, dass zunächst keine negativen Erkenntnisse z.B. durch Studien vorhanden sein dürfen, die den Rückschluss auf die Unwirksamkeit der Methode zulassen. Ein Zirkelschluss wäre es, aus dieser Negativabgrenzung den Rückschluss zu ziehen, dass wiederum nur geeignete Methoden in Betracht kommen können. Denn die Eignung nach den Qualitätskriterien des § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V steht gerade noch nicht fest. Das ergibt sich auch direkt aus dem Wortlaut der Norm, wenn auf das Potential einer Behandlungsalternative abgestellt wird. Das beinhaltet gerade eine gegenwärtige Unsicherheit im Hinblick auf Eignung und Nutzen. Soweit allerdings (gewichtige) negative Erkenntnisse vorhanden sind, die gegen eine Eignung sprechen, kann nicht mehr von dem Potential einer Behandlungsalternative ausgegangen werden. Weiter kann es nicht ausreichen, dass gar keine Erkenntnisse zur Wirksamkeit und dem Nutzen der Methode vorhanden sind. Das Potential einer Behandlungsalternative besteht nur, wenn es Anhaltpunkte dafür gibt, dass die in Rede stehende Behandlungsmethode einen Nutzen hat und wirksam ist. Demnach muss im Rahmen einer Prognose ermittelt werden, ob es Prüfungen/Studien/Untersuchungen oder allgemeine Erkenntnisse gibt, die den Rückschluss auf einen Nutzen bzw. die Wirksamkeit der Behandlungs- oder Untersuchungsmethode zulassen. Als Mindestvoraussetzung könnte auch auf die Verfahrensordnung des gemeinsamen Bundesausschusses zurückgegriffen werden, in welcher gefordert wird, dass so aussagefähige wissenschaftliche Unterlagen vorliegen müssen, auf deren Grundlage eine Studie geplant werden kann, die eine Bewertung des Nutzens der Methode auf einem ausreichend sicheren Kenntnisstand erlaubt (Zweites Kapitel § 14 Abs. 4 VerfO GBA – s. auch Vossen in Krauskopf, § 137e SGB V Rn. 4).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, dass bislang ein Wirksamkeitsnachweis vorliegt - insoweit mangelt es an aussagefähigen größeren Studien. Auf der anderen Seite hat der Sachverständige zu Recht darauf verwiesen, dass über die Erforderlichkeit des Eingriffs bzw. der Behandlung im Rahmen einer (derzeit in Bearbeitung befindlichen) S 1 AWMF - Leitlinie Konsens besteht. Die Behandlungsmethode wird seit etwa zehn Jahren durchgeführt, es liegen mehrere kleinere Studien vor, die eine positive Wirkung gezeigt haben und die zu einer erforderliche positive Prognose hinsichtlich eines möglichen Nutzens führen (s. auch LSG Hessen v. 05.02.2013 – L 1 KR 391/12 in juris, Rn. 20). Der Sachverständige hat insoweit auch auf eine weitere (positive) Studie mit mehreren 100 Patienten verwiesen. Damit ergeben sich genügend Anhaltspunkte für einen möglichen Nutzen und es dürften zumindest so aussagefähige wissenschaftliche Unterlagen vorhanden sein, auf deren Grundlage wiederum Studien geplant werden können, mit denen ein Wirksamkeitsnachweis im Sinne einer evidenzbasierten Medizin möglich ist. Hierfür spricht auch, dass bereits ein Prüfungsverfahren eingeleitet wurde. Auch der Sachverständige beurteilt die Behandlungsmethode positiv und hat herausgestellt, dass es sich auch nicht um eine kosmetische Behandlung handele.
(b) Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist die Behandlung medizinisch indiziert. Er hat dargelegt, dass bei der Klägerin die ambulanten bzw. konservativen Behandlungsmöglichkeiten wie manuelle Lymphdrainage, Kompressionsbehandlung, Bewegungstherapie und Hautpflege durchgeführt worden und ausgeschöpft sind. Die Klägerin leidet seit mehreren Jahren unter der Erkrankung, treibt regelmäßig Sport und versucht mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, die Krankheitssymptome und die Schmerzen zu lindern. Sie trägt Kompressionsstrümpfe und es wird regelmäßig zweimal die Woche eine Lymphdrainage durchgeführt. Der Sachverständige hat weiter dargelegt, dass es sich um eine progredient verlaufende Erkrankung handelt und mit den bisherigen Behandlungen keine Heilung oder wesentliche Besserung erzielt werden kann. Die Erkrankung ist von ihm als gravierend und auf Dauer nachhaltig beeinträchtigend beschrieben wurden. Hierzu passt die Klassifizierung als Übergangsstadium zwischen Stufe II und III, bei der das Gewebe zusätzlich derber und härter ausgeprägt ist und großlappig deformierende Fettlappen vorliegen. Damit besteht auch eine individuelle Indikation für die Liposuktion.
(3) Dass die Behandlung grundsätzlich auch ambulant durchgeführt werden kann ist ohne Belang. Denn hierdurch wird keine Aussage zur Erforderlichkeit einer Behandlung im stationären Bereich getroffen. Allerdings muss zwingend eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit bestehen. Hiervon ist auszugehen. Der Sachverständige hat sich zwar zu dieser Fragestellung nicht geäußert, da aber der Streitgegenstand ganz klar auf eine stationäre Behandlung ausgerichtet ist, kann aus dem Schweigen hierzu abgeleitet werden, dass die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit grundsätzlich gegeben ist. Dies wird auch dadurch plausibel, dass der behandelnde Arzt in seiner Stellungnahme vom 25. Februar 2015 dargelegt hat, dass aufgrund der Menge der abzusaugen Fettmasse von mehr als 2 Litern eine Überwachungsbedürftigkeit im Sinne einer stationären Nachbetreuung besteht (s. hierzu auch LSG Hessen v. 05.02.2013 – L 1 KR 391/12 in juris, Rn.16 unter Verweis auf GÄCD- Leitlinien (Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie Deutschland) zur Liposuktion, die im ambulanten Bereich eine maximale Aspirationsmenge von 2.000 ml reinem Fettgewebe im ambulanten Bereich vorsehen). Denn es ist nachvollziehbar, dass bei einem intensiveren Eingriff eine höhere Gefahr besteht und die besonderen Mittel eines Krankenhauses mit jederzeit rufbereiten Ärzten im Sinne des § 39 SGB V erforderlich sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme einer stationären Liposuktionsbehandlung.
Die 1981 geborene Klägerin leidet an einem so genannten Lipödem der Beine, einer Fettverteilungsstörung mit meist symmetrischer Unterhautfettgewebevermehrung. Die Krankheit verläuft chronisch- progedient, sie führt zur Flüssigkeitseinlagerung in das Gewebe, einer Degeneration der Lymphgefäße mit einem gestörten Lymphabfluss und zusätzlich liegt eine Störung der feinsten Blutgefäße (Kapillaren) vor.
Am 1. November 2012 ging bei der Beklagten ein Antrag auf Kostenübernahme einer Liposuktionsbehandlung zur Reduktion des Fettgewebes bei Erhalt der lymphatischen Gewebestruktur ein, der von der Klinik P., gestellt wurde. Eine stationäre Behandlung der Klägerin sei nach diversen Richtlinien aufgrund der Menge des abzusaugenden Fettgewebes zwingend erforderlich.
Mit Bescheid vom 19. November 2012 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Die Liposuktionsbehandlung sei keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Der gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (gBA) habe diese Behandlung nicht in seine Richtlinien aufgenommen.
Mit Widerspruch vom 26. November 2012 verwies die Klägerin auf ihre erheblichen Beschwerden und Einschränkungen und legte Fotos und weitere Befundberichte vor. Auf Veranlassung der Beklagten erfolgte eine Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Beklagten (MD). Dieser kam in seinem Gutachten vom 3. Januar 2013 zu dem Ergebnis, dass nicht von einer lebensbedrohlichen Erkrankung ausgegangen werden könne, kosmetische Gesichtspunkte stünden im Vordergrund.
Die Klägerin legte daraufhin eine Stellungnahme der behandelnden Ärzte vom 16. Januar 2013 (Professor Dr. Dr. H. u.a., Fachärzte für plastische und ästhetische Chirurgie) vor. Danach handele es sich um eine chronische Erkrankung. Bei erfolgloser konservativer Therapie seien chirurgische Maßnahmen erforderlich. Gegenüber der klassischen Fettabsonderung habe die Methode der Liposuktion den Vorteil, das Lymphgewebe zu schonen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Kostenübernahme für eine stationäre Behandlung komme nicht in Betracht, weil vorrangig ambulante Maßnahmen wie Bewegungstherapie, Ernährungsberatung und eine Entstauchungstherapie durchzuführen seien. Ambulant sei kein Anspruch gegeben, weil ein positives Votum des gBA fehle.
Hiergegen richtet sich die am 12. Juli 2013 erhobene Klage, mit der die Klägerin die Kostenübernahme für eine stationäre Liposuktionsbehandlung begehrt. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten seien in Ihrem Fall ausgeschöpft. Kompressionsstrümpfe vertrage sie wegen ihrer Neurodermitis schlecht. Sie leide unter erheblichen Schmerzen und Einschränkungen. Die Behandlung sei leitliniengerecht und es gebe diverse positive gerichtliche Entscheidungen. Begehrt werde eine stationäre Behandlung, bei der eine positive Stellungnahme des gBA nicht erforderlich sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 19.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2013 aufzuheben, und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für eine stationäre Liposuktionsbehandlung der Klägerin zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den Widerspruchsbescheid und die dort aufgeführten alternativen Behandlungsmöglichkeiten.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte beigezogen und Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Es hat ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt und der Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. K. ist in seinem Sachverständigengutachten vom 26. August 2014 zu dem Ergebnis gelangt, dass die beantragte Liposuktionsbehandlung medizinisch erforderlich sei. Die Klägerin leide an einem Lipödem im Stadium II-III. Die Erkrankung bereite erhebliche Einschränkungen und Beschwerden, die Lebensqualität werde auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt und die Klägerin leide aufgrund der Ödeme an erheblichen Schmerzen. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten seien ausgeschöpft. In Betracht kämen manuelle Lymphdrainagen, Kompressionsbehandlung, Bewegungstherapie und besondere Hautpflege. All dies werde von der Klägerin bereits durchgeführt. Eine Reduzierung des Fettgewebes sei hierdurch nicht zu erreichen, Die Erkrankung verlaufe chronisch-progedient und befände sich fast im Zustand III. Aufgrund der positiven Studienlage und einer positiven AWMF- Stellungnahme (Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften e.V.), die allerdings derzeit überarbeitet werde, sei davon auszugehen, dass die Liposuktionsbehandlung Erfolg haben werde.
Der MD der Beklagten hat am 21. Oktober 2014 dargelegt, dass ein Wirksamkeitsnachweis im Sinne der Rechtsprechung des BSG nicht angenommen werden könne. Die Leistungsvoraussetzungen seien nach wie vor nicht gegeben. Eine stationäre Behandlung komme nicht in Betracht, da die Liposuktion auch ambulant durchgeführt werden könne.
Daraufhin hat die Klägerin eine ärztliche Stellungnahme vom 25. Februar 2015 von Dr. H., Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie, vorgelegt, wonach wegen der Menge des abzusagenden Fettgewebes (mehr als 2 Liter) nur eine stationäre Behandlung in Betracht komme.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kostenübernahme einer stationären Liposuktionsbehandlung
Der Anspruch folgt aus § 27 Sozialgesetzbuch- Fünftes Buch (SGB V). Danach haben Versicherte einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die ärztliche Behandlung (§ 28 SGB V) und die Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Behandlung erforderlich ist und nicht durch teilstationäre, vor-und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.
Die durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass eine behandlungsbedürftige Erkrankung bei der Klägerin vorliegt und die in Rede stehende stationäre Liposuktionsbehandlung erforderlich ist, um diese Erkrankung zu behandeln.
(1) Eine behandlungsbedürftige Erkrankung im Sinne von § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V liegt vor. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter Krankheit ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Gesundheitszustand zu verstehen, der ärztlicher Behandlung bedarf oder arbeitsunfähig macht (BSG vom 10. Februar 1993, BSGE 72, 1996; BSG vom 30. September 1999, BSGE 85, 36). Eine körperliche Funktionsbeeinträchtigung liegt nicht nur beim Verlust oder einer Störung der Körperteile wie Gliedmaßen oder Sinnesorgane, sondern auch bei Krankheiten oder Verletzung mit entstellender Wirkung vor (BSG vom 23. Juli 2002, SozR 3-2500, § 33 Nr. 45).
Diese Voraussetzungen sind gegeben, denn die nicht übergewichtige Klägerin leidet an einem schmerzhaften und ausgeprägten Lipödem beider Beine. Die Erkrankung bereitet aufgrund der Wassereinlagerung im Gewebe Schmerzen, die wiederum zu Bewegungseinschränkungen führen, wie die Klägerin anschaulich geschildert und der Sachverständige plausibel dargelegt hat. Danach ist bei der Klägerin von einer Erkrankung im Stadium II bis III auszugehen, das Gewebe war nicht nur grobknotig, sondern auch derber und härter, was nach der Darlegung des Sachverständigen dazu führt, dass das Stadium II bereits überschritten worden ist. Die massiven Wassereinlagerungen sind in der Untersuchungssituation zu tasten gewesen, ebenso ist vom Sachverständigen die geklagte Druckschmerzhaftigkeit festgestellt worden. Der Sachverständige hat weiter dargelegt, dass die Schmerzen zu einer Minderbelastung der Beine führen können, obwohl gerade ein entsprechendes Training erforderlich sei. Auch die erforderlichen Lymphdrainagen hätten aufgrund der Manipulationen einen erhöhten Druckschmerz zur Folge. Der Sachverständige hat die Erkrankung zusammenfassend als die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigend eingeordnet und beschrieben.
(2) Die in Rede stehende Behandlung ist nicht durch § 137 c SGB V bzw. das Wirtschaftlichkeitsgebot gemäß § 12 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit § 2 Absatz 1 S. 2 SGB V ausgeschlossen.
§ 137 c SGB V wurde mit Wirkung zum 23. Juli 2015 geändert. § 137 Abs. 3 SGB V in der Fassung vom 16. Juli 2015 sieht nunmehr vor, dass Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden dürfen, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 durch den gBA noch nicht abgeschlossen ist.
Mit dem neu geschaffenen Abs. 3 hat der Gesetzgeber klargestellt, dass im stationären Bereich auch Leistungen beansprucht werden können, deren Wirksamkeit noch nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB V nachgewiesen sind. Die Änderung ist als Reaktion auf die Rechtsprechung des BSG (ausdrücklicher Verweis in der Gesetzesbegründung auf BSG v. 21.03.2013 – B 3 KR 2/12 R) erfolgt, was sich unzweifelhaft aus den Gesetzesmaterialien ergibt. Der Gesetzgeber hat damit klargestellt, dass die Auslegung des BSG nicht dem gesetzgeberischen Willen entspricht und entsprochen hat. Die alleinige Ausrichtung am Qualitätsmaßstab des § 2 Abs. 1 SGB V und der Ausschluss jeglicher innovativer neuer Behandlungsmethoden im stationären Bereich durch die höchstrichterliche Rechtsprechung stand mit der gesetzgeberischen Intention nicht im Einklang.
Damit ist der Anwendungsbereich dieser Regelung vom Grundsatz her eröffnet. Denn für die Liposuktion wurde ein Antrag gestellt, der noch nicht beschieden wurde. Es handelt sich um eine Methode, deren Bewertung nach Abs. 1 noch nicht abgeschlossen ist und für die § 137 Abs. 3 SGB V ebenfalls gilt.
(a) Auch die weiteren Voraussetzungen liegen vor.
Nach dem Gesetzeswortlaut ist es erforderlich, dass es sich um eine Behandlungsmethode handelt, die das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet. Das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative wird in § 137 Absatz 1 SGB V ebenso wenig wie in § 137e SGB V definiert.
Gesetzessystematisch und aus der Gesetzesbegründung lassen sich verschiedene Voraussetzungen ableiten. Unschädlich ist zunächst, dass der Nutzen der Methode noch nicht hinreichend belegt ist. Mit den bisherigen Erwägungen des BSG kann der Anspruch gerade nicht abgelehnt werden, denn die Qualitätsanforderungen des § 2 Abs. 1 S. 2 SGB V müssen nicht vorliegen. Es handelt sich insoweit um eine Konkretisierung des allgemeinen Qualitätsgebot (und damit auch des Wirtschaftlichkeitsgebots), was sich ausdrücklich aus der Gesetzesbegründung ergibt (BT-Drs. 18/4095 S. 121). Die Gesetzesbegründung enthält weiterhin Beispiele, in denen ein solches Potenzial vorliegen soll. Das soll der Fall sein, wenn die Methode aufgrund ihres Wirkprinzips, oder bisher vorliegenden Erkenntnisse mit der Erwartung verbunden ist, dass andere aufwendigere, für die Patientin oder den Patienten invasivere oder bei bestimmten Patienten nicht erfolgreichen Methoden ersetzt werden können oder die Methode in sonstiger Weise eine effektivere Behandlung ermöglichen kann. Weiter wird eine Negativabgrenzung vorgenommen, indem die Voraussetzung einer Behandlungsalternative verneint wird, wenn die Methode schädlich oder unwirksam ist.
Eine Annäherung der Tatbestandsvoraussetzung "Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative" ist möglich, wenn man die Bandbreite der bisherigen Regelungen betrachtet. Auf der einen Seite ergeben sich die allgemeinen Qualitätsanforderungen des § 2 Abs. 1 S. 2 SGB V, auf die das BSG bislang im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes zur Begrenzung des Leistungskatalogs abgestellt hat. Hier muss neben einem Konsens der Fachgesellschaften und Ärzte ein Wirksamkeitsnachweis durch nach wissenschaftlichen Erkenntnissen durchgeführte Studien geführt werden können. Die Untergrenze für im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung stehende Behandlungsmöglichkeiten ergibt sich aus § 2 Abs. 1a SGB V für den Fall einer unmittelbar tödlichen Erkrankung, die auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beruht. Hier ist lediglich eine spürbar positive Einwirkung auf den Behandlungsverlauf erforderlich, Erkenntnisse können sich - je nach Schwere der Erkrankung - auch aus dem individuellen Krankheitsverlauf und der Empfehlung des behandelnden Arztes ergeben. Diese geringeren Voraussetzungen werden im Rahmen der Prüfung, ob das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative gegeben ist, nicht ausreichen, während ein Wirksamkeitsnachweis nach dem allgemeinen Qualitätsgebot gerade nicht erforderlich ist.
Hieraus lässt sich ableiten, dass zunächst keine negativen Erkenntnisse z.B. durch Studien vorhanden sein dürfen, die den Rückschluss auf die Unwirksamkeit der Methode zulassen. Ein Zirkelschluss wäre es, aus dieser Negativabgrenzung den Rückschluss zu ziehen, dass wiederum nur geeignete Methoden in Betracht kommen können. Denn die Eignung nach den Qualitätskriterien des § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V steht gerade noch nicht fest. Das ergibt sich auch direkt aus dem Wortlaut der Norm, wenn auf das Potential einer Behandlungsalternative abgestellt wird. Das beinhaltet gerade eine gegenwärtige Unsicherheit im Hinblick auf Eignung und Nutzen. Soweit allerdings (gewichtige) negative Erkenntnisse vorhanden sind, die gegen eine Eignung sprechen, kann nicht mehr von dem Potential einer Behandlungsalternative ausgegangen werden. Weiter kann es nicht ausreichen, dass gar keine Erkenntnisse zur Wirksamkeit und dem Nutzen der Methode vorhanden sind. Das Potential einer Behandlungsalternative besteht nur, wenn es Anhaltpunkte dafür gibt, dass die in Rede stehende Behandlungsmethode einen Nutzen hat und wirksam ist. Demnach muss im Rahmen einer Prognose ermittelt werden, ob es Prüfungen/Studien/Untersuchungen oder allgemeine Erkenntnisse gibt, die den Rückschluss auf einen Nutzen bzw. die Wirksamkeit der Behandlungs- oder Untersuchungsmethode zulassen. Als Mindestvoraussetzung könnte auch auf die Verfahrensordnung des gemeinsamen Bundesausschusses zurückgegriffen werden, in welcher gefordert wird, dass so aussagefähige wissenschaftliche Unterlagen vorliegen müssen, auf deren Grundlage eine Studie geplant werden kann, die eine Bewertung des Nutzens der Methode auf einem ausreichend sicheren Kenntnisstand erlaubt (Zweites Kapitel § 14 Abs. 4 VerfO GBA – s. auch Vossen in Krauskopf, § 137e SGB V Rn. 4).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, dass bislang ein Wirksamkeitsnachweis vorliegt - insoweit mangelt es an aussagefähigen größeren Studien. Auf der anderen Seite hat der Sachverständige zu Recht darauf verwiesen, dass über die Erforderlichkeit des Eingriffs bzw. der Behandlung im Rahmen einer (derzeit in Bearbeitung befindlichen) S 1 AWMF - Leitlinie Konsens besteht. Die Behandlungsmethode wird seit etwa zehn Jahren durchgeführt, es liegen mehrere kleinere Studien vor, die eine positive Wirkung gezeigt haben und die zu einer erforderliche positive Prognose hinsichtlich eines möglichen Nutzens führen (s. auch LSG Hessen v. 05.02.2013 – L 1 KR 391/12 in juris, Rn. 20). Der Sachverständige hat insoweit auch auf eine weitere (positive) Studie mit mehreren 100 Patienten verwiesen. Damit ergeben sich genügend Anhaltspunkte für einen möglichen Nutzen und es dürften zumindest so aussagefähige wissenschaftliche Unterlagen vorhanden sein, auf deren Grundlage wiederum Studien geplant werden können, mit denen ein Wirksamkeitsnachweis im Sinne einer evidenzbasierten Medizin möglich ist. Hierfür spricht auch, dass bereits ein Prüfungsverfahren eingeleitet wurde. Auch der Sachverständige beurteilt die Behandlungsmethode positiv und hat herausgestellt, dass es sich auch nicht um eine kosmetische Behandlung handele.
(b) Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist die Behandlung medizinisch indiziert. Er hat dargelegt, dass bei der Klägerin die ambulanten bzw. konservativen Behandlungsmöglichkeiten wie manuelle Lymphdrainage, Kompressionsbehandlung, Bewegungstherapie und Hautpflege durchgeführt worden und ausgeschöpft sind. Die Klägerin leidet seit mehreren Jahren unter der Erkrankung, treibt regelmäßig Sport und versucht mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, die Krankheitssymptome und die Schmerzen zu lindern. Sie trägt Kompressionsstrümpfe und es wird regelmäßig zweimal die Woche eine Lymphdrainage durchgeführt. Der Sachverständige hat weiter dargelegt, dass es sich um eine progredient verlaufende Erkrankung handelt und mit den bisherigen Behandlungen keine Heilung oder wesentliche Besserung erzielt werden kann. Die Erkrankung ist von ihm als gravierend und auf Dauer nachhaltig beeinträchtigend beschrieben wurden. Hierzu passt die Klassifizierung als Übergangsstadium zwischen Stufe II und III, bei der das Gewebe zusätzlich derber und härter ausgeprägt ist und großlappig deformierende Fettlappen vorliegen. Damit besteht auch eine individuelle Indikation für die Liposuktion.
(3) Dass die Behandlung grundsätzlich auch ambulant durchgeführt werden kann ist ohne Belang. Denn hierdurch wird keine Aussage zur Erforderlichkeit einer Behandlung im stationären Bereich getroffen. Allerdings muss zwingend eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit bestehen. Hiervon ist auszugehen. Der Sachverständige hat sich zwar zu dieser Fragestellung nicht geäußert, da aber der Streitgegenstand ganz klar auf eine stationäre Behandlung ausgerichtet ist, kann aus dem Schweigen hierzu abgeleitet werden, dass die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit grundsätzlich gegeben ist. Dies wird auch dadurch plausibel, dass der behandelnde Arzt in seiner Stellungnahme vom 25. Februar 2015 dargelegt hat, dass aufgrund der Menge der abzusaugen Fettmasse von mehr als 2 Litern eine Überwachungsbedürftigkeit im Sinne einer stationären Nachbetreuung besteht (s. hierzu auch LSG Hessen v. 05.02.2013 – L 1 KR 391/12 in juris, Rn.16 unter Verweis auf GÄCD- Leitlinien (Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie Deutschland) zur Liposuktion, die im ambulanten Bereich eine maximale Aspirationsmenge von 2.000 ml reinem Fettgewebe im ambulanten Bereich vorsehen). Denn es ist nachvollziehbar, dass bei einem intensiveren Eingriff eine höhere Gefahr besteht und die besonderen Mittel eines Krankenhauses mit jederzeit rufbereiten Ärzten im Sinne des § 39 SGB V erforderlich sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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