L 5 EG 23/14

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 12 EG 9/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 EG 23/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 19. September 2014 und der Bescheid des Beklagten vom 20. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2013 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin höheres Elterngeld für das Kind D. unter Berücksichtigung der für die Monate September, Oktober und Dezember 2012 im Mai 2013 geleisteten Lohnnachzahlungen als im Bemessungszeitraum erzieltes Erwerbseinkommen für die Zeit vom 14. Juni 2013 bis 13. Juni 2014 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

II. Der Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des für die Zeit vom 14. Juni 2013 bis 13. Juni 2014 zu zahlenden Elterngeldes nach den Vorschriften des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) streitig. Dabei ist insbesondere die Berücksichtigung einer Gehaltsnachzahlung streitig, die die Klägerin aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs von ihrem Arbeitgeber im Mai 2013 erhalten hat.

Die 1988 geborene Klägerin und ihr 1988 geborener Ehemann, E. A., sind Eltern der 2013 geborenen Tochter D. Die Klägerin ist türkische Staatsangehörige und besitzt seit dem 20. September 2005 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis mit der Nebenbestimmung "Erwerbstätigkeit gestattet". Die Klägerin und ihr Ehemann stellten am 30. August 2013 Antrag auf Elterngeld und legten für die Klägerin als Bezugszeitraum den 1. bis 12. Lebensmonat des Kindes fest. Aus einem Schreiben der Bahn-BKK vom 29. Juli 2013 geht hervor, dass die Klägerin für die Zeit vom 23. April 2013 bis 9. August 2013 Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,00 EUR kalendertäglich bezogen hat (zeitgleich bezog sie einen Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld). Ergänzend legte die Klägerin Verdienstbescheinigungen für die Monate März 2012 bis August 2013 vor. Die Verdienstbescheinigung für Mai 2013 weist Gehaltsnachzahlungen bzw. Korrekturen für die Monate September bis Dezember 2012 und Januar bis April 2013 aus. Hintergrund sind zu niedrige Zahlungen an die Klägerin durch den Arbeitgeber, was zu einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung führte. Das Verfahren vor dem Arbeitsgericht Gießen (5 Ca 383/12) wurde durch Vergleich vom 16. April 2013 dergestalt beendet, dass sich der Arbeitgeber verpflichtete, die Vergütung der Klägerin auf der Grundlage eines monatlichen Bruttolohns in Höhe von 1.202,20 EUR abzüglich der bereits geleisteten Zahlungen neu zu berechnen und entsprechende Nachzahlungen zu leisten. Für die genannten Monate des Jahres 2012 sind folgende (Netto-) Nachzahlungen erfolgt: September - 499,43 EUR, Oktober - 309,17 EUR, November - 772,13 EUR und Dezember 309,17 EUR. Hierbei ging der Arbeitgeber abweichend von dem arbeitsgerichtlichen Vergleich von einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von jeweils 1.454,00 EUR aus.

Durch Bescheid vom 20. September 2013 bewilligte der Beklagte Elterngeld für die Zeit vom 14. Juni 2013 bis 13. Juni 2014 unter Berücksichtigung des Bezugs von Mutterschaftsgeld. Für die Zeit vom 10. bis 13. August 2013 stellte der Beklagte einen Anspruch in Höhe von 84,40 EUR und für den 3. bis 12. Lebensmonat jeweils in Höhe von 653,97 EUR fest. Dabei berücksichtigte der Beklagte als Bemessungszeitraum die Monate März bis Oktober 2012 und Dezember 2012 bis März 2013. Den Monat November 2012 ließ der Beklagte aufgrund einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung der Klägerin mit der Folge eines geringeren Einkommens in diesem Monat unberücksichtigt. Zur Höhe des Elterngelds führte der Beklagte aus, das der Klägerin zustehende Elterngeld belaufe sich angesichts eines durchschnittlichen monatlichen Nettoerwerbseinkommens im Bemessungszeitraum von 923,69 EUR auf den Betrag von 653,97 EUR (70,8 % unter Berücksichtigung eines Erhöhungswertes von 3,8 %). Im Bescheid wies der Beklagte darauf hin, dass es sich gemäß § 39b 2 Lohnsteuerrichtlinien 2011 (LStR) bei Nachzahlungen, die für Lohnzeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als 3 Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließen würden, um sonstige Bezüge und nicht um laufenden Arbeitslohn handele. Dementsprechend hat der Beklagte die im Mai 2013 erfolgten Nachzahlungen für die Monate September bis Dezember 2012 bei der Ermittlung des durchschnittlichen Einkommens im Bemessungszeitraum nicht berücksichtigt.

Die Klägerin erhob Widerspruch am 25. September 2013 und machte geltend, die Nachzahlungen für die Monate September bis Dezember 2012 im Mai 2013 stellten nach ihrer Auffassung keine sonstigen Bezüge dar und seien deshalb zu berücksichtigen.

Durch Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2013 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, nach § 2c Abs. 1 BEEG seien Einnahmen nicht zu berücksichtigen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt würden. Im Lohnsteuerabzugsverfahren nach § 38a Abs. 1 Satz 3 und § 39b EStG steuerrechtlich als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen seien dementsprechend bei der Elterngeldberechnung nicht zu berücksichtigen. Maßgeblich sei die tatsächliche steuerliche Verbuchung. Zu den sonstigen Bezügen zählten insbesondere auch Nachzahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung auf Lohnzahlungszeiträume beziehe, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung endeten (Hinweis auf LStR 2011 § 39b 2 Abs. 2 Satz 2). Als laufender Arbeitslohn zu berücksichtigen sei lediglich Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres, der innerhalb der ersten 3 Wochen des nachfolgenden Kalenderjahres zufließe. Hier seien die Nachzahlungen für die Kalendermonate September bis Dezember 2012 erst im Mai 2013 gezahlt worden und hätten deshalb von dem Arbeitgeber steuerrechtlich als sonstige Bezüge versteuert werden müssen. Dies habe zur Folge, dass die Nachzahlungen bei der Berechnung des Elterngeldes nicht zu berücksichtigen seien.

Mit der am 28. Oktober 2013 erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter und vertrat die Auffassung, sie habe Anspruch auf Einbeziehung der Entgeltnachzahlungen für die Monate September bis einschließlich Dezember 2012 in die Berechnung der Höhe des Elterngeldes. Insoweit sei zunächst von einem Bemessungszeitraum vom Juni 2012 bis Mai 2013, den letzten 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes, auszugehen. Soweit das im Bemessungszeitraum erzielte laufende Arbeitsentgelt zu berücksichtigen sei, gehörten hierzu auch die erfolgten Nachzahlungen. Dies ergebe sich aus dem mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelten sog. modifizierten Zuflussprinzip, wonach für die Bemessung des Elterngeldes nicht nur das im Bemessungszeitraum tatsächlich zugewandte, sondern auch das in diesem erarbeitete und erst nach Ablauf des Bemessungszeitraums infolge nachträglicher Vertragserfüllung gezahlte Arbeitsentgelt zu Grunde gelegt werden müsse. Dies sei nach Sinn und Zweck des Elterngelds und im Übrigen zur Vermeidung von Zufallsergebnissen geboten. Der Gesetzgeber könne nicht gewollt haben, die Einkommensbemessung von rechtswidrigen Verhaltensweisen des Arbeitgebers abhängig zu machen.

Demgegenüber verwies der Beklagte darauf, dass vorliegend gemäß § 27 BEEG das seit dem 1. Januar 2013 geltende neue Elterngeldrecht und damit § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG anzuwenden sei. Daran gemessen sei der Widerspruchsbescheid nicht zu beanstanden. Insoweit komme es entscheidend darauf an, wie die betroffene Einnahme behandelt worden sei. Dies entspreche der von dem Gesetzgeber gewollten Verwaltungsvereinfachung. Im Übrigen sei auch durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anerkannt, als sonstiger Bezug behandelte Nachzahlungen weiterhin unbeachtet zu lassen, wenn dadurch der Bemessungszeitraum verzerrt würde. So liege der Fall hier, so dass sich der geltend gemachte Anspruch auch aus einem "modifizierten Blick" ergebe.

Hierauf replizierte die Klägerin, die synoptische Betrachtung der Wortlaute des § 2 Abs. 7 BEEG a.F. und des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG zeige, dass das modifizierte Zuflussprinzip weiterhin anzuwenden sei. Hierdurch werde vorliegend auch nicht der Bemessungszeitraum verzerrt. Abschließend verwies die Klägerin auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 20. Mai 2014 (B 10 EG 11/13 R) und des Sozialgerichts Aachen vom 16. Dezember 2008 (S 13 EG 30/07).

Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 19. September 2014 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Bemessungszeitraum umfasse vorliegend unstreitig gemäß § 2b Abs. 1 Satz 1 BEEG die letzten 12 Kalendermonate vor dem Monat der Geburt der Tochter der Klägerin am xx. xxx 2013, mithin den Zeitraum vom Juni 2012 bis Mai 2013. Für die Elterngeldberechnung zu berücksichtigen sei nach § 2c Abs. 1 BEEG das Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit. Zu ermitteln sei der durchschnittliche monatliche Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den §§ 2e und 2f BEEG. Nicht zu berücksichtigen seien nach § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt würden. Die von der Klägerin aufgrund des arbeitsgerichtlichen Vergleichs von ihrem Arbeitgeber erhaltene Lohnnachzahlung im Mai 2013 werde im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstiger Bezug behandelt und sei daher nicht als Einnahme zu berücksichtigen. Bereits § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG in der bis zum 31. Dezember 2010 gültigen Fassung knüpfe zur Bestimmung des Einkommens aus nichtselbstständiger Arbeit an die lohnsteuerrechtliche Differenzierung zwischen laufendem Arbeitslohn (§ 39b Abs. 2 EStG) und sonstigen Bezügen (§ 39b Abs. 3 EStG) an. Ab dem 1. Januar 2011 habe § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG in der Neufassung durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 (HBeglG 2011) sodann den Wortlaut "Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt." erhalten. § 39b EStG definiere die Begriffe "laufender Arbeitslohn" und "sonstige Bezüge" nicht selbst, eine Konkretisierung erfolge vielmehr durch die Lohnsteuer-Richtlinien (LStR R 39b.2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2). In seiner neueren Rechtsprechung zu § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG i.d.F. durch das HBeglG 2011, gleichwohl nach Einführung des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG, führe das Bundessozialgericht aus (Hinweis auf das Urteil vom 26. März 2014, B 10 EG 14/13 R), der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität müsse hinter einer besonderen Wertentscheidung wie derjenigen des Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG), die den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum des Art. 3 Abs. 1 GG einschränke, zurücktreten. Zu vermeiden seien Zufallsergebnisse, die sich mit den Zielen des BEEG nicht mehr in Einklang bringen ließen. Mit Wirkung zum 18. September 2011 habe der Gesetzgeber den Wortlaut erneut geändert und statt § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG einen neuen § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG eingeführt, wobei der Wortlaut nur geringfügig in "Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden." geändert worden sei. Vor diesem Hintergrund sehe die Kammer die an die Klägerin erfolgte Lohnnachzahlung nach § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG i.V.m. § 39b EStG als einen "sonstigen Bezug" im Sinne des Lohnsteuerabzugsverfahrens an. Bei der von dem Arbeitgeber geleisteten Nachzahlung mit Zugang im Mai 2013 handele es sich um eine Nachzahlung von Arbeitslohn für Zeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres 2012, die später als 3 Wochen nach Ablauf des Jahres 2012 zugeflossen seien. Nach dem Wortlaut des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG sei die Nachzahlung daher bei der Berechnung der Höhe des Elterngelds nicht zu berücksichtigen. Die Kammer sehe sich an einer teleologischen Reduktion des Wortlauts der Vorschrift für Fälle einer Lohnnachzahlung mit Zufluss später als 3 Wochen nach Ablauf des vorangegangenen Kalenderjahres aber noch innerhalb des Bemessungszeitraums aufgrund des entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens gehindert. Aus den Gesetzesmaterialien (Hinweis auf Bundestags-Drucksache - BT-Drucks - 17/3030, Seite 48) ergebe sich, dass die Neufassung des § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG in der ab dem 1. Januar 2011 gültigen Fassung - und damit auch § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG - der Sicherstellung einer verwaltungspraktikablen Feststellbarkeit von sonstigen Bezügen im Sinne des Einkommensteuergesetzes dienen solle. Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen seien bei der Elterngeldberechnung nicht zu berücksichtigen. Dabei werde vom Gesetzgeber ausdrücklich auf die bis dahin andere bisherige Rechtslage aufgrund der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 3. Dezember 2009 (B 10 EG 3/09 R) Bezug genommen. Eine teleologische Reduktion des Wortlauts komme jedoch nur in Betracht, wenn der Wortlaut dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers widerspreche. Ansonsten sei das Gericht gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden und habe im Sinne der Gewaltenteilung die Entscheidung des Gesetzgebers zu respektieren. Vor dem Hintergrund des vom Gesetzgeber beabsichtigten zwecks der Verwaltungspraktikabilität liege auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG zwischen Elterngeldberechtigten mit und ohne Nachzahlungen bei in der Summe gleichem Gehaltseingang im Bemessungszeitraum vor. Die Rechtfertigung der höheren Verwaltungspraktikabilität bei schlichter Bezugnahme auf die Zuordnung von Einnahmen im Lohnsteuerabzugsverfahren nach dem EStG halte sich im Rahmen des dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Elterngelds zustehenden Gestaltungsspielraums. Insofern sei auch keine verfassungskonforme Auslegung des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG dahingehend geboten, die im vorliegenden Fall erfolgte Lohnnachzahlung als Einnahme im Bemessungszeitraum zu berücksichtigen. Abschließend hat das Sozialgericht die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Gegen das der Klägerin am 3. November 2014 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 3. Dezember 2014 zum Hessischen Landessozialgericht eingelegte Berufung. Sie trägt unter Wiederholung ihres bisherigen Vortrags ergänzend vor, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts komme es für die Bemessung des Elterngelds nicht ausschließlich auf den Zeitpunkt des Zuflusses von Lohnzahlungen an, sondern auch auf den Zeitpunkt, in welchem der jeweilige Lohn erarbeitet worden sei. Die im Mai 2013 erhaltenen Nachzahlungen beruhten auf Arbeitsleistungen, die sie im September bis Dezember 2012 erbracht habe, ohne jedoch den entsprechenden Lohn von ihrem Arbeitgeber erhalten zu haben. Es könne nicht der Intention des Gesetzgebers entsprechen, diesen widerrechtlich vorenthalten Lohn bei der Elterngeldberechnung unberücksichtigt zu lassen. Durch die entsprechende Einbeziehung werde auch nicht der Bemessungszeitraum verzerrt. Soweit im Übrigen das Sozialgericht die Nachzahlungen als sonstige Bezüge bewertet habe, schließe dies nicht aus, dass die Lohnnachzahlungen für die Bemessung des Elterngeldes relevant seien. Vielmehr sei entscheidend zu berücksichtigen, dass die Lohnansprüche ihr im Bemessungszeitraum zugestanden hätten. Insofern sei der Wortlaut des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG i.V.m. § 39b EStG entgegen des zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willens teleologisch zu reduzieren. Nach Hinweis des Senats auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 26. März 2014 (B 10 EG 7/13 R, B 10 EG 12/13 R und B 10 EG 14/13 R) trägt die Klägerin ergänzend vor, das Urteil des Sozialgerichts stehe nicht im Einklang mit dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung, der zur Vermeidung von Zufallsergebnissen zu folgen sei. Eine Lohnnachzahlung dürfe nicht allein unter steuerrechtlichen Aspekten behandelt werden, sondern sei sozialrechtlich differenziert zu betrachten. Zweck des BEEG sei die Schaffung eines Ausgleichs für wirtschaftliche Einbußen. Eine wortlautgetreue Anwendung des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG i.V.m. § 39b EStG sei hiermit nicht kongruent.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 19. September 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 20. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2013 zu verurteilen, ihr höheres Elterngeld für das Kind D. unter Einbeziehung der für die Monate September, Oktober und Dezember 2012 im Mai 2013 geleisteten Lohnnachzahlungen als im Bemessungszeitraum erzieltes Erwerbseinkommen in gesetzlichem Umfang zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält an seiner Auffassung fest, dass die im Mai 2013 erhaltenen Lohnnachzahlungen steuerrechtlich zu den sonstigen Bezügen gehörten und deshalb bei der Elterngeld Berechnung nicht berücksichtigt werden könnten. Die Klägerin sei auf einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Arbeitgeber zu verweisen.

Beide Beteiligte haben übereinstimmend erklärt, dass sie mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.

Die Berufung der Klägerin ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht durch Urteil vom 19. September 2014 abgewiesen. Es kann ebenso wie der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 20. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2013 nicht aufrechterhalten bleiben. Der Klägerin steht antragsgemäß ein Anspruch auf höheres Elterngeld für ihre Tochter D. unter Berücksichtigung eines höheren im Bemessungszeitraum erzielten Erwerbseinkommens zu.

Nach § 1 Abs. 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr. 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr. 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr. 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr. 4). Diese Voraussetzungen sind für den Bezugszeitraum vom 14. Juni 2013 bis 13. Juni 2014 erfüllt, was sich aus den Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren ergibt und auch nicht streitig ist. Streitig ist allein noch die Frage, ob für die Berechnung der Höhe des Elterngeldes die im Mai 2013 geleisteten Lohnnachzahlungen für die Monate September, Oktober und Dezember 2012 zu berücksichtigen sind. Dies ist nach Auffassung des Senates zu bejahen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BEEG wird Elterngeld in Höhe von 67 % des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BEEG erhöht sich in den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1.000,00 EUR war, der maßgebliche Prozentsatz für die Bemessung des Elterngeldes von 67 % um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1.000,00 EUR unterschreitet, auf bis zu 100 %. Der Bemessungszeitraum umfasst gemäß § 2b Abs. 1 Satz 1 BEEG die 12 Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes und unterliegt den Einschränkungen des § 2b Abs. 1 Satz 2 BEEG, wonach u.a. Kalendermonate unberücksichtigt bleiben, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch bezogen hat (Nr. 2) oder eine Krankheit hatte, die maßgeblich durch eine Schwangerschaft bedingt war (Nr. 3), mit der Folge eines geringeren Einkommens aus Erwerbstätigkeit. Schließlich regelt § 2c Abs. 1 Satz 1 BEEG, dass als Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrages, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den §§ 2e und 2f, zu berücksichtigen ist. Dabei werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden, nicht berücksichtigt (§ 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung). Grundlage der Ermittlung der Einnahmen sind die Angaben in dem für die maßgeblichen Monate erstellten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers (§ 2c Abs. 2 Satz 1 BEEG).

Davon ausgehend ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Klägerin ausweislich der Bestätigung der Bahn-BKK vom 29. Juli 2013 in der Zeit vom 23. April bis 9. August 2013 Mutterschaftsgeld bezogen hat. Dementsprechend verschiebt sich der Bemessungszeitraum der letzten 12 Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes (Juni 2012 bis Mai 2013) aufgrund des im April 2013 einsetzenden Bezugs von Mutterschaftsgeld um zwei Monate, mithin auf die Zeit vom April 2012 bis März 2013. Darüber hinaus ist jedoch zu beachten, dass die Klägerin in der Zeit vom 27. September bis 15. November 2012 schwangerschaftsbedingt arbeitsunfähig war, wie sich dies aus der Bestätigung der AOK Hessen vom 11. Dezember 2012 ergibt. Als Diagnosen werden u.a. "Drohender Abort" sowie "Hyperemesis gravidarum" genannt, so dass für den Senat nicht zweifelhaft ist, dass insoweit die Voraussetzungen des § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG erfüllt sind. Dies entspricht im Übrigen auch der Einschätzung des Beklagten. Weiter hat die schwangerschaftsbedingte Erkrankung auch zu einem geringeren Erwerbseinkommen geführt, allerdings lediglich im November 2012, da die Klägerin zunächst Lohnfortzahlung erhalten und nach der Bescheinigung der AOK Hessen vom 1. Februar 2013 Krankengeld lediglich in der Zeit vom 8. bis 15. November 2012 bezogen hat. Ein geringeres Einkommen ergibt sich selbst dann, wenn die im Mai 2013 erhaltene Nachzahlung für November 2012 berücksichtigt wird. Auszugehen ist von einem Bruttoeinkommen in Höhe von 1.454,00 EUR abzüglich eines Betrages von 533,13 EUR, der auf die Zeit des Krankengeldbezuges entfällt. Damit verbleibt ein Bruttobetrag von lediglich 920,87 EUR. Im Ergebnis hat auch der Monat November 2012 unberücksichtigt zu bleiben, so dass sich der Bemessungszeitraum auf die Monate März bis Oktober 2012 und Dezember 2012 bis März 2013 erstreckt. Dies entspricht im Übrigen auch der Handhabung des Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 20. September 2013.

Dies vorausgeschickt sind nach Auffassung des Senates auch die im Mai 2013 erhaltenen Nachzahlungen für die Monate September, Oktober und Dezember 2012 als im Bemessungszeitraum erzieltes Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit für die Berechnung der Höhe des Elterngeldes zu berücksichtigen. Dem steht die Vorschrift des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG (in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden und hier anzuwendenden Fassung) nicht entgegen, wonach Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden, nicht berücksichtigt werden. Mit der Regelung betreffend die Nichtberücksichtigung von "sonstigen Bezügen" (Gesetzesfassung bis zum 17. September 2012: § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG), die durch den Gesetzgeber mehrfach geändert worden ist, hat sich das Bundessozialgericht wiederholt in richtungweisenden Urteilen befasst, so dass zunächst auf die entsprechende Entwicklung einzugehen ist.

Mit Inkrafttreten des BEEG zum 1. Januar 2007 hatte § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG folgende Fassung: "Sonstige Bezüge im Sinne von § 38a Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes werden nicht als Einnahmen berücksichtigt." Der Hintergrund dieser Vorschrift wird durch die Gesetzesmaterialien erhellt. Nach den Motiven des Gesetzgebers soll mit dem Elterngeld das während der Betreuung und Erziehung des Kindes ausfallende Einkommen, das vorher regelmäßig erzielt worden ist, (teilweise) ersetzt werden. Insoweit ist Ziel des Elterngeldes vor allem, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sich die Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern (vgl. BT-Drucks. 16/1889, Seite 2, 15; BT-Drucks. 16/2454, Seite 2). Jeder betreuende Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, soll einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für die finanziellen Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes erhalten (vgl. BT-Drucks. 16/1889, Seite 2, 15; BT-Drucks. 16/2454, Seite 2). Nach dem ursprünglichen Gesetzesentwurf (BT-Drucks. 16/1889) sollte auf den Einkommensbegriff des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) zurückgegriffen werden. Auf Wunsch des Bundesrates wurde letztlich ein am Steuerrecht orientierter Einkommensbegriff in § 2 BEEG geregelt. Sowohl der Begründung des ursprünglichen Gesetzesentwurfs als auch der späteren Beschlussempfehlung des Bundestags-Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend lässt sich entnehmen, dass einmalige Einnahmen (beispielhaft in der Begründung zum Entwurf werden erwähnt: Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Prämien, Erfolgsbeteiligungen; beispielhaft in der Beschlussempfehlung werden erwähnt: 13. und 14. Monatsgehälter, Gratifikationen und Weihnachtszuwendungen), die die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern nicht mit der gleichen Nachhaltigkeit wie die monatlichen Einnahmen aus Erwerbstätigkeit prägen, unberücksichtigt bleiben sollen (vgl. BT-Drucks. 16/1889, Seite 21; BT-Drucks. 16/2785, Seite 37).

Mit Urteil vom 3. Dezember 2009 (B 10 EG 3/09 R) hatte das Bundessozialgericht in Anwendung der ursprünglichen Fassung von § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG zu entscheiden, ob neben einem monatlichen Grundgehalt eine Umsatzbeteiligung bei der Berechnung der Höhe des Elterngeldes zu berücksichtigen war. Das Bundessozialgericht ging davon aus, dass nach der Legaldefinition des § 38a Abs. 1 S. 3 EStG unter "sonstige Bezüge" Arbeitslohn zu verstehen ist, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird. Allerdings definiert das EStG den Begriff des laufenden Arbeitslohns nicht ausdrücklich. Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sowie die steuerrechtliche Literatur hat das Bundessozialgericht ausgeführt, dass Arbeitslohn laufend ist, wenn er zeitraumbezogen und regelmäßig wiederkehrend gezahlt wird, wobei ein rein zeitliches Verständnis zu Grunde zu legen ist. Das Kriterium der regelmäßig wiederkehrenden Zahlung ist erfüllt, wenn im Kalenderjahr zumindest zwei Zahlungen erfolgen. Im Hinblick auf den für die Abgrenzung des laufenden Arbeitslohns von den sonstigen Bezügen maßgeblichen Zeitraum ist allerdings im Anwendungsbereich des BEEG nicht auf das Kalenderjahr, wie im Steuerrecht, sondern auf den in § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG (a.F.) i.V.m. § 2 Abs. 7 Sätze 5 und 6 BEEG (a. F.) gesetzlich vorgesehenen zwölfmonatigen Bemessungszeitraum abzustellen. Danach kommt es im Ergebnis für die Qualifizierung als laufender Arbeitslohn (u.a.) auf eine Zahlung mit zumindest zwei Fälligkeitszeitpunkten im Bemessungszeitraum an. Bezüge, die dagegen im Bemessungszeitraum nur einmal geleistet werden, stellen sonstige Bezüge dar, auch wenn sie sich in späteren Kalenderjahren wiederholen (vgl. zu allem: BSG vom 3. Dezember 2009 a.a.O. m.w.N., bestätigt durch Urteil vom 29. August 2012, B 10 EG 20/11 R m.w.N.).

Mit dem weiteren Urteil vom 30. September 2010 (B 10 EG 19/09 R) hat das Bundessozialgericht entschieden, dass für die Bemessung des Elterngeldes aus nichtselbstständiger Tätigkeit nicht nur das im Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossene, sondern auch das darin erarbeitete und erst nach dessen Ablauf infolge nachträglicher Vertragserfüllung gezahlte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen ist, mithin insoweit das modifizierte Zuflussprinzip gelte. Hierdurch solle der Vermeidung von Zufallsergebnissen entgegengewirkt werden. Insoweit könne nicht maßgeblich darauf abgestellt werden, ob die Nachzahlung vorenthaltenen Arbeitsentgeltes noch innerhalb des Bemessungszeitraums erfolge. Vielmehr erscheine es nicht angebracht, die Einkommensbemessung von rechtswidrigen Verhaltensweisen des Arbeitgebers abhängig zu machen. Nach Sinn und Zweck des Elterngeldes sei es deshalb geboten, das modifizierte Zuflussprinzip auch im Bereich des BEEG anzuwenden. In diesem Zusammenhang hat das Bundesozialgericht weiter ausgeführt, dass § 2 Abs. 7 Satz 4 BEEG (in der bis zum 17. September 2012 geltenden Fassung), wonach Grundlage der Einkommensermittlung die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers sind, lediglich der Erleichterung der Sachverhaltsaufklärung dient und die Vorschrift keine rechtliche Bindung an die Feststellungen des Arbeitgebers begründet. In Fortführung dieser Rechtsprechung hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 18. August 2011 (B 10 EG 5/11 R) an der Geltung des modifizierten Zuflussprinzips festgehalten und bekräftigt, dass Arbeitsentgelt in dem Zeitraum erzielt ist, in dem es erarbeitet und für den es tatsächlich gezahlt worden ist. Insbesondere wurde daran festgehalten, dass die am Jahresprinzip des § 2 Abs. 2 EStG orientierte lohnsteuerrechtliche Zuordnung, wonach später als 3 Wochen nach Jahresende für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Jahres zugeflossener Arbeitslohn als sonstiger Bezug im Folgejahr bezeichnet sei, im Rahmen des § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG nicht zu übernehmen sei.

Mit dem Haushaltsbegleitgesetz (HBeglG) 2011 hat der Gesetzgeber zum 1. Januar 2011 den Wortlaut von § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG wie folgt geändert: "Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt." Den Gesetzesmaterialien (Gesetzentwurf der Bundesregierung) ist zu entnehmen, dass die Neufassung u.a. der Sicherstellung einer "verwaltungspraktikablen Feststellbarkeit von sonstigen Bezügen i.S. des Einkommensteuergesetzes" dienen sollte und insoweit im Lohnsteuerabzugsverfahren nach §§ 38a Abs. 1 Satz 3, 39b EStG als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen bei der Elterngeldberechnung nicht zu berücksichtigen seien (BT-Drucks. 17/3030, Seite 48 zu Nr. 1 - § 2 - zu Buchst. c - Abs. 7 - zu Buchst. bb). Hierbei ist im Gesetzentwurf ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass es sich um eine Abkehr von der bisherigen Rechtslage aufgrund des Urteils des Bundessozialgerichts vom 3. Dezember 2009, B 10 EG 3/09 R handelt.

Dies berücksichtigend ist das Bundesozialgericht im Urteil vom 18. August 2011 (a.a.O.) in einem obiter dictum noch davon ausgegangen, dass die Neufassung des § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG aus der Sicht der Bundesregierung eine inhaltliche Änderung des Gesetzes bzw. eine Neuregelung darstellt, die die bisherige ersetzt und nicht lediglich deren Inhalt verdeutlicht, wobei es nach dem neuen Wortlaut eindeutig und allein auf die lohnsteuerrechtliche Behandlung der Einnahmen ankomme. Hiervon ist das Bundessozialgericht allerdings mit den richtungweisenden Urteilen vom 26. März 2014 (B 10 EG 7/13 R, 12/13 R und 14/13 R, letzteres vollständig dokumentiert) wieder abgerückt und hat ausgeführt, § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG stelle durch den Anknüpfungspunkt der Behandlung von Einnahmen als sonstige Bezüge auf die Unterscheidung zwischen laufendem Arbeitslohn und Einnahmen ab, die nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt würden. Mangels entsprechender Definition im § 39b EStG seien die Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) zu beachten. Davon ausgehend hat das Bundesozialgericht weiter ausgeführt, der Umstand allein, dass der Arbeitgeber bestimmte Einnahmen im Lohnsteuerabzugsverfahren faktisch als sonstige Bezüge behandelt habe, rechtfertige es nicht, diese bei der Berechnung des Elterngeldes unberücksichtigt zu lassen. Insoweit sei zwar zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG durch das HBeglG 2011, die nunmehr auf die Behandlung der Einnahmen im Lohnsteuerabzugsverfahren abstelle, mehr Verwaltungspraktikabilität schaffen wollte, auch als Reaktion auf die bisherige BSG-Rechtsprechung. Diese Überlegungen hätten indessen keinen hinreichenden Eingang in den Normtext gefunden. Hätte der Gesetzgeber darauf abstellen wollen, dass es nur darauf ankomme, ob der Arbeitgeber bestimmte Einnahmen tatsächlich als sonstige Bezüge behandelt habe, hätte die Norm etwa lauten müssen: "Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die der Arbeitgeber im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt hat." Mit einer solchen Formulierung werde präzise an das von dem Arbeitgeber im Einzelfall praktizierte Lohnsteuerabzugsverfahren angeknüpft. Die Vorschrift führte dann aber zu Ergebnissen, für die es keine sachliche Rechtfertigung gebe, weil die Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung von Einnahmen allein von der tatsächlichen Handhabung des Arbeitgebers abhänge und Einnahmen selbst dann bei der Elterngeldberechnung unberücksichtigt bleiben müssten, wenn der Arbeitgeber versehentlich regelmäßiges Arbeitsentgelt unzutreffend als sonstige Bezüge behandelt habe. Eine so weitgehende Anknüpfung an das Handeln des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugsverfahren und erst recht eine rechtliche Bindung der zuständigen Elterngeldstellen und Gerichte an dessen Entscheidungen sei allein aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität nicht zu rechtfertigen. Praktikabilitätserwägungen seien hier nicht lediglich am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG zu prüfen, sondern auch unter Beachtung der besonderen Wertentscheidungen des Art. 6 Abs. 1 GG, die den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum des Art. 3 Abs. 1 GG einschränkten. Der Vorrang verfassungsrechtlicher Wertentscheidungen verbiete es, Zweckmäßigkeitserwägungen unter Verletzung solcher Wertungen voranzustellen (Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1969, 1 BvL 22/65). Davon ausgehend hält das Bundessozialgericht nur eine Auslegung des § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG für vertretbar, die sich typisierend am normgemäßen Ablauf der Besteuerung orientiere und danach frage, wie die einzelnen Entgeltkomponenten im Lohnsteuerabzugsverfahren zu behandeln seien. Unter dieser Prämisse schließe § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG Einnahmen nur insoweit von der Elterngeldberechnung aus, als die steuerrechtlich motivierte Differenzierung auch mit Blick auf den Zweck des Elterngeldes sachlich gerechtfertigt sei. Im Ergebnis hat das Bundessozialgericht ausdrücklich an der bisherigen Rechtsprechung (Urteil vom 3. Dezember 2009 a.a.O.) festgehalten, der durch die Neufassung des § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG a.F. nicht die Grundlage entzogen worden sei (vgl. zu allem BSG vom 26. März 2014 a.a.O.).

Mit Wirkung zum 18. September 2012 hat der Gesetzgeber § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG durch § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG ersetzt mit folgendem Wortlaut: "Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden." Eine abermalige Änderung erfolgte mit Wirkung zum 1. Januar 2015. § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG hat nunmehr folgenden Wortlaut: "Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind."

Nach Auffassung des erkennenden Senates, der die ausgeführte Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes für überzeugend hält (so bereits Urteil vom 27. Februar 2015, L 5 EG 15/12), ist diese auch auf die Rechtslage seit dem 18. September 2012 (bis zum 31. Dezember 2014) übertragbar, denn eine maßgebliche inhaltliche Änderung hat der Gesetzgeber nicht herbeigeführt, so dass die aufgezeigten Argumente weiterhin Geltung beanspruchen.

Zunächst ist festzustellen, dass vorliegend § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung zur Anwendung kommt. § 27 Abs. 1 BEEG (in der aktuellen und seit dem 1. Januar 2015 geltenden Fassung) bestimmt, dass für die vor dem 1. Januar 2015 geborenen oder mit dem Ziel der Adoption aufgenommenen Kinder § 1 in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist (Satz 1). Für die vor dem 1. Juli 2015 geborenen oder mit dem Ziel der Adoption aufgenommenen Kinder sind die §§ 2 bis 22 in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung weiter anzuwenden (Satz 2). Davon abweichend ist allerdings geregelt, dass Satz 2 nicht für § 2c Abs. 1 Satz 2 und § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 gilt (Satz 3). Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass auf den Anspruch der Klägerin § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG in der seit dem 1. Januar 2015 geltenden Fassung anzuwenden wäre. Der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zur Einführung des Elterngeld plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BT-Drucks. 18/2583), lässt sich zu § 27 BEEG entnehmen, dass die Neuregelungen, insbesondere diejenigen zur Einführung des Elterngeld plus und des Partnerschaftsbonus, erst für ab dem 1. Juli 2015 geborene Kinder gelten, so dass mit Satz 2 der Vorschrift geregelt ist, dass für vor dem 1. Juli 2015 geborene Kinder das bis zum 31. Dezember 2014 geltende Recht gilt. Zu § 27 Abs. 1 Satz 3 BEEG ist ausgeführt, dass danach Regelungen von der Übergangsregelung in Satz 2 ausgenommen werden, die keinen Bezug zu den neuen Leistungselementen haben. § 2c BEEG diene der Klarstellung und trete damit ohne Übergangsregelung in Kraft (vgl. zu allem BT-Drucks. a.a.O. Seite 38 zu § 27). Trifft aber der Gesetzgeber keine Übergangsregelung, insbesondere auch keine Regelung für die rückwirkende Anwendung vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens, gelten die Grundsätze des intertemporalen Rechts. Danach ist ein Rechtssatz grundsätzlich nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Dementsprechend hat das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass sich die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche bzw. Rechtsverhältnisse nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat, soweit nicht später in Kraft getretenes Recht etwas anderes bestimmt (Urteil vom 27. August 2010, B 11 AL 11/07 R; vgl. auch Urteil vom 11. Juli 1985, 5b/1 RJ 92/84, Urteile vom 26. November 1991, 1/3 RK 25/90 und 1 RK 1/91 jeweils m.w.N., Urteil vom 12. Mai 1999, B 7 AL 70/98 R). Davon ausgehend ist zu berücksichtigen, dass das Kind D. 2013 geboren ist und dementsprechend ein Bezugszeitraum vom 14. Juni 2013 bis 13. Juni 2014 in Betracht kommt, der vollständig vor dem Inkrafttreten der Änderung am 1. Januar 2015 liegt. Alle anspruchsbegründenden Ereignisse und Umstände waren damit vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung eingetreten.

Findet demnach für die Beurteilung der im Mai 2013 erfolgten Lohnnachzahlungen § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG in der in der Zeit vom 18. September 2012 bis 31. Dezember 2014 geltenden Fassung Anwendung, ist festzustellen, dass die zu der Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG ergangene und ausgeführte Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes auch auf die Nachfolgeregelung übertragbar ist. Denn beide Fassungen weichen im Wortlaut nur unwesentlich und nicht inhaltlich voneinander ab (bis 17. September 2012: "Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt.", ab 18. September 2012: "Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden."). Dementsprechend ist in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 29. Mai 2012 zu § 2c Abs. 1 Satz 2 ausgeführt, dass hiermit der Regelungsgehalt des bisherigen § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG übernommen wird und die Änderungen redaktionell bedingt sind (BT-Drucks. 17/9841, Seite 22).

Im Ergebnis folgt der Senat der aufgezeigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes weiterhin, zumindest im Hinblick auf die bis zum 31. Dezember 2014 geltende Rechtslage. Dementsprechend ist das modifizierte Zuflussprinzip bzw. ein von den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben abweichender elterngeldrechtlicher Einkommensbegriff insbesondere im Fall von leistungsbezogenen Umsatzbeteiligungen (Provisionen) mit zumindest zwei Zahlungen im Bemessungszeitraum und von Nachzahlungen aufgrund vorenthaltenen Arbeitslohns, der im Bemessungszeitraum erarbeitet und der für Lohnzahlungszeiträume innerhalb des Bemessungszeitraumes tatsächlich gezahlt wird, weiterhin zugrunde zu legen. Entscheidend ist damit hier in Anwendung des modifizierten Zuflussprinzips zu berücksichtigen, dass die im Mai 2013 erfolgten Nachzahlungen Einkommen darstellen, das (u.a.) in den Monaten September, Oktober und Dezember 2012 erzielt worden ist, weil es in diesen Monaten erarbeitet und für diese Monate tatsächlich gezahlt worden ist. Nicht maßgeblich ist der späte Zeitpunkt der Auszahlung, der hier auf einer vertragswidrigen Vorenthaltung des Lohnes durch den Arbeitgeber und einer nachträglichen arbeitsgerichtlichen Klärung beruht. Dementsprechend ist unbeachtlich, dass die Nachzahlungen nach lohnsteuerrechtlichen Gesichtspunkten als sonstige Bezüge behandelt worden sind.

Nach alledem sind die im Mai 2013 bei der Klägerin eingegangenen Nachzahlungen für die Monate September, Oktober und Dezember 2012 für die Ermittlung des durchschnittlichen Erwerbseinkommens der Klägerin im Bemessungszeitraum zu berücksichtigen und das Urteil des Sozialgerichts sowie der angefochtene Bescheid des Beklagten waren entsprechend zu ändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen. Insoweit weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ab (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Zudem ist grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) nicht zu bejahen, da eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Gesetzeslage bereits vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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