L 15 VK 16/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VK 16/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
1. Der Senat lässt es dahingestellt, ob sich im sozialgerichtlichen Verfahren die Rechtsgrundlage für einen Fahrtkostenvorschuss auch aus einer (analogen) Anwendung des PKH-Rechts oder nur aus den Regelungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes ergeben kann, das in gerichtskostenfreien Verfahren im Sinn des § 183 SGG gemäß § 191 SGG eine Entschädigung der Beteiligten wie von Zeugen vorsieht und das in § 3 JVEG eine ausdrückliche Regelung zur Gewährung eines Vorschusses enthält.
2. Die Gewährung eines Fahrtkostenvorschusses in analoger Anwendung der Vorschriften zur Prozesskostenhilfe kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Partei die aus eigenen Mitteln nicht zu bestreitende Anreise zum Termin nach den Grundsätzen eines fairen Verfahrens billigerweise nicht abgeschlagen werden kann, also auch eine vermögende Partei aus verständlichen Erwägungen und nach einer Gesamtabwägung aller Umstände an dem Termin teilnehmen würde.
Die Gewährung eines Fahrtkostenvorschusses im Rahmen bzw. analog der Regelungen zur Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt einen Fahrtkostenvorschuss bzw. die Übersendung von Fahrkarten zwecks Teilnahme an der für den 29.07.2014 angesetzten mündlichen Verhandlung.

Zugrunde liegt ein Streit aus dem Versorgungsrecht. Der Kläger macht die Verschlimmerung von Folgen einer im Krieg erlittenen Schädigung geltend.

Dem Kläger ist Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und Rechtsanwalt B. beigeordnet worden. Für den 29.07.2014 ist zur mündlichen Verhandlung geladen worden. Das persönliche Erscheinen des Klägers ist nicht angeordnet.

Mit Schreiben vom 11.07.2014 hat der Bevollmächtige des Klägers um einen Fahrtkostenvorschuss gebeten, da der Kläger Leistungen nach dem SGB XII beziehe und daher auf Hilfeleistung bezüglich der Fahrtkosten angewiesen sei.

Der Berichterstatter des Senats hat dem Bevollmächtigten mit Schreiben vom selben Tag erläutert, warum die Anordnung des persönlichen Erscheinens und ein Fahrtkostenvorschuss nicht in Betracht kämen.

Dazu hat der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 14.07.2014 seine Ansicht kundgetan, dass er eine Inaugenscheinnahme des Klägers durch den Senat für geboten halte und sich ein Anspruch auf Fahrtkostenzuschuss auch aus einer (analogen) Anwendung der Regelungen zur PKH ergebe.

Der Berichterstatter hat daraufhin mit Schreiben vom 17.07.2014 mitgeteilt, dass er sich weiterhin außerstande sehe, das persönliche Erscheinen anzuordnen, und für einen Fahrtkostenvorschuss keinen Raum sehe.

Mit Schreiben vom 23.07.2014 hat der Bevollmächtigte des Klägers "Gegenvorstellung" erhoben und seinen bisherigen Vortrag sinngemäß nochmals wiederholt.

II.

Die Gewährung eines Fahrtkostenvorschuss im Rahmen bzw. analog der Regelungen zur PKH kann nicht erfolgen, da die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind.

Der Senat lässt es dahingestellt, ob sich im sozialgerichtlichen Verfahren die Rechtsgrundlage für einen Fahrtkostenvorschuss auch aus einer (analogen) Anwendung des PKH-Rechts oder nur aus den Regelungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) ergeben kann, das in gerichtskostenfreien Verfahren im Sinn des § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gemäß § 191 SGG eine Entschädigung der Beteiligten wie von Zeugen vorsieht und das in § 3 JVEG eine ausdrückliche Regelung zur Gewährung eines Vorschusses enthält (zum Meinungsstreit vgl. Bundesgerichtshof - BGH -, Beschluss vom 19.03.1975, Az.: IV ARZ (VZ) 29/74). Er geht in der Folge - zugunsten des Klägers - davon aus, dass sich ein Anspruch auf einen Reisekostenvorschuss auch aus einer (analogen) Anwendung der Vorschriften zur PKH ergeben kann.

Auf die Bewilligung eines Reisekostenvorschusses sind damit die Regelungen der §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (analog) anzuwenden. Dabei ist auch die Notwendigkeit der Fahrt zum Gericht zu prüfen, denn nur die Kosten einer notwendigen Teilnahme können erstattet werden (vgl. Oberlandesgericht München, Beschluss vom 30.10.1984, Az.: 25 W 2718/84). Von einer solchen Notwendigkeit ist immer dann auszugehen, wenn das Erscheinen der Partei zu dem Termin angeordnet worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19.03.1975, Az.: IV ARZ (VZ) 29/74). Ist das nicht der Fall, so hat das Gericht zu prüfen, ob der Partei die aus eigenen Mitteln nicht zu bestreitende Anreise zum Termin nach den Grundsätzen eines fairen Verfahrens billigerweise abgeschlagen werden kann. Als notwendig ist die persönliche Anwesenheit der Partei daher auch dann anzusehen, wenn eine vermögende Partei aus verständlichen Erwägungen und nach einer Gesamtabwägung aller Umstände an dem Termin teilnehmen würde; denn durch die Gewährung von PKH soll die bedürftige Partei hinsichtlich ihres Rechtsschutzes in die gleiche Lage wie eine vermögende versetzt werden (vgl. OLG München, Beschluss vom 21.11.1996, Az.: 25 W 2981/96; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.03.2007, Az.: L 7 SO 258/07 NZB). In diesem Zusammenhang sind auch verfassungsrechtliche Gesichtspunkte von Belang, nämlich der allgemeine grundgesetzliche Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.06.2006, Az.: VII B 323/05) und der allgemeine Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, das in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet, die das PKH-Recht maßgeblich prägen (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 13.06.1979, Az.: 1 BvL 97/78).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG (vgl. z.B. Beschluss vom 22.06.2007, Az.: 1 BvR 681/07) ist Sinn und Zweck des PKH-Rechts eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Dies bedeutet aber auch, dass mit der Gewährung von PKH keine Besserstellung des PKH-Empfängers gegenüber einem vernünftig denkenden bemittelten Kläger erzeugt werden oder ein Anreiz zu einem Prozessverhalten gesetzt werden darf, das ein vernünftig denkender bemittelter Kläger so nicht wählen würde (ähnlich vgl. Beschluss des Senats vom 03.05.2012, Az.: L 15 SB 53/12 B PKH).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Antrag; auf einen früheren Zeitpunkt, nämlich den Zeitpunkt der Entscheidungsreife, ist nur dann abzustellen, wenn die Entscheidung durch das Gericht grundlos verzögert worden ist und sich zwischenzeitlich die Sach- oder Rechtslage zum Nachteil des Antragstellers geändert hat (vgl. Beschluss des Senats vom 08.08.2011, Az.: L 15 SB 107/11 B PKH; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 10. Aufl. 2012, § 73 a, Rn. 7d).

Unter Beachtung dieser Vorgaben kann dem Kläger ein Reiskostenvorschuss nicht gewährt werden. Wie bereits mehrfach im Verfahren erläutert worden ist (vgl. z.B. Schreiben vom 25.02.2014, Beschluss vom 18.03.2014), stehen weitgehend rechtliche Fragen als entscheidungserheblich im Raum. Sofern der zu treffenden Entscheidung die Frage der tatsächlich eingetretenen Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers zugrunde liegt, ist dies eine medizinisch zu beurteilende Frage, auf die auch eine persönliche Inaugenscheinnahme des Klägers durch das Gericht, dem die medizinischen Kenntnisse zur Beurteilung insbesondere psychischer Gesundheitsstörungen fehlen, keinen Einfluss haben kann. Aus diesen Gründen würde ein verständiger bemittelter Kläger, der die Kosten der Anreise zum Termin selbst zu tragen hätte, auf eine Anreise verzichten und die Vertretung seinem rechtlich versierten Bevollmächtigten überlassen. Auch im Rahmen des verfassungsrechtlich geschützten Anspruchs auf rechtliches Gehör wäre für einen verständigen bemittelten Kläger kein Bedürfnis ersichtlich, das eine Anwesenheit im Termin der mündlichen Verhandlung erfordern würde; dem Gebot des rechtlichen Gehörs ist durch die Anwesenheit des im Rahmen der PKH beigeordneten Rechtsanwalts ausreichend und umfassend Rechnung getragen. Dass zum Zeitpunkt der Beantragung des Fahrtkostenvorschusses für das Begehren des Klägers in der Hauptsache keine Erfolgsaussichten mehr bestehen, wie sich aus den bereits erwähnten Hinweisen des Gerichts ergibt, bestätigt nur das Ergebnis des Senats, dass dem Kläger ein Fahrtkostenvorschuss nicht zusteht.

Die Voraussetzungen, unter denen eine bemittelte und vernünftig denkende Partei an der mündlichen Verhandlung teilnehmen würde, liegen hier nicht vor. Ein Fahrtkostenvorschuss in (analoger) Anwendung der Vorschriften der PKH kann nicht gewährt werden.

Über die Frage, ob dem Kläger ein Fahrkostenvorschuss nach den Vorschriften des JVEG zusteht, wird in einem gesonderten Beschluss entschieden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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