L 10 R 2453/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1004/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2453/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 05.05.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1967 geborene Kläger war mit zum Teil jahrelangen Unterbrechungen als Dachdeckergehilfe, Maschinist und Zeitungszusteller beschäftigt, zuletzt im September 2011. Auf seinen Rentenantrag vom August 2012 in dem er sich als seit 1983 erwerbsgemindert bezeichnete und zur Begründung eine Vielzahl an gesundheitlichen Einschränkungen und Erkrankungen aufführte, holte die Beklagte beim Arzt für Innere Medizin und (u.a.) Allergologe Dr. R. ein Gutachten auf Grund Untersuchung des Klägers ein. Dr. R. fand im Bereich der Wirbelsäule und der Gliedmaßen keine Auffälligkeiten und sah in internistischer Hinsicht keine schwerwiegenden organischen Veränderungen. Er diagnostizierte eine polyvalente Sensibilisierung mit Rhinokonjunktivitis, bronchialer Hyperreagibilität und atopischer Dermatitis sowie akzentuierte Persönlichkeitszüge. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit lang anhaltender Exposition gegenüber den bekannten Allergenen, soweit kein ausreichender Schutz möglich sei. Dies gelte auch für Schmutzarbeiten und Nässe bei fehlendem Hautschutz. Psychischerseits liege eine akzentuierte Persönlichkeitsstruktur mit Neigung zur verstärkten Selbstbeobachtung mit hypochondrischen Zügen vor, die allerdings nicht schwerwiegend sei. Dem Kläger seien selbst schwere Arbeiten sechs Stunden und mehr zumutbar. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 25.10.2012 und Widerspruchsbescheid vom 19.03.2012 ab.

Hiergegen hat der Kläger am 17.04.2013 beim Sozialgericht Konstanz Klage erhoben und geltend gemacht, die gesundheitlichen Beschwerden hätten bereits mit der Geburt angefangen. Er hat seine bisherigen, auch behandelten Erkrankungen geschildert und ausgeführt, Dr. R. habe seinen Gesundheitszustand nicht hinreichend gewürdigt. Das Sozialgericht hat zunächst die den Kläger behandelnden Ärzte um schriftliche sachverständige Zeugenauskünfte gebeten. Dr. Knaps, u.a. Arzt für Psychiatrie, hat von einem depressiven Erschöpfungszustand und verschiedenen körperlichen Erkrankungen berichtet und selbst für leichte Tätigkeiten ein Leistungsvermögen bis lediglich vier Stunden täglich angenommen. Der Orthopäde Dr. F. hat über Ellenbogenbeschwerden und ein Halswirbelsäulen(HWS)-Syndrom berichtet und leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden für möglich erachtet, dabei aber Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel mit dem linken Arm mit einem Gewicht von über fünf bis zehn Kilogramm, einförmige Bewegungsabläufe des linken Armes, lange Zwangshaltungen, Überkopf-Arbeiten oder Arbeiten, die rasche und häufige Kopfbewegungen erforderten, ausgeschlossen. Der HNO-Arzt Dr. P. hat über einen Tinnitus und über einen Verdacht auf eine obstruktive Schlafapnoe berichtet, aus denen Tagesmüdigkeit und Konzentrationsprobleme folgen könnten.

Daraufhin hat das Sozialgericht ein Gutachten beim Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. eingeholt, der nach Untersuchung des Klägers im November 2014 eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit ängstlich-vermeidenden, schizoiden und hypochondrischen Anteilen, eine Dysthymie und ein Wirbelsäulensyndrom ohne neurologisches Defizit diagnostiziert und den Kläger für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden arbeitstäglich leistungsfähig erachtet hat. Zu vermeiden seien wegen des Wirbelsäulensyndroms besondere Absturz- und Unfallgefahren (keine Arbeiten auf Leitern, Treppen, Gerüsten), Wirbelsäulenzwangshaltungen und das Heben, Tragen oder Bewegen schwerer Gegenstände sowie wegen der psychischen Gesundheitsstörungen besonderer Zeitdruck (Akkordtätigkeiten, taktgebundene Tätigkeiten), Tätigkeiten in Nacht- oder Wechselschicht sowie häufiger Publikumsverkehr.

Mit Urteil vom 05.05.2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich auf das Gutachten von Dr. D. gestützt. Die Leistungsbeurteilung von Dr. K. sei durch das Gutachten widerlegt.

Gegen das ihm am 12.05.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.06.2015 Berufung eingelegt. Er verweist darauf, dass er an einer Vielzahl organischer Erkrankungen und an den Folgen einiger Unfälle leide, die vom Sozialgericht nicht hinreichend gewürdigt worden seien. Zur weiteren Begründung seines Anspruchs hat er einen Befundbericht von Dr. F. vorgelegt, in dem Beschwerden seitens der HWS mit der Diagnose einer Osteochondrose und Spondylose beschrieben sind.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 05.05.2015 und den Bescheid vom 25.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die rechtlichen Grundlagen für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung zutreffend wiedergegeben ( § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) und ebenso zutreffend dargelegt, dass dem Kläger ein derartiger Rentenanspruch nicht zusteht, weil er trotz der bei ihm vorhandenen gesundheitlichen Einschränkungen noch zumindest sechs Stunden arbeitstäglich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der von Dr. D. aufgeführten qualitativen Einschränkungen verrichten kann. Es hat sich dabei zutreffend den Ausführungen von Dr. D. angeschlossen und die gegenteilige Leistungsbeurteilung des behandelnden Arztes für Psychiatrie Dr. K. für widerlegt erachtet. Der Senat sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Zu ergänzen sind die Ausführungen des Sozialgerichts dahingehend, dass auch die von Dr. R. aufgeführten qualitativen Einschränkungen in Bezug auf Expositionen gegenüber Allergenen und hautbelastende Tätigkeiten zu beachten sind.

Soweit der Kläger in der Berufung eine unzureichende Aufklärung des Sachverhaltes rügt, trifft dies nicht zu. Das Sozialgericht hat vielmehr die nach den Auskünften der behandelnden Ärzte nur auf nervenärztlichem Gebiet notwendige Sachaufklärung mit der Einholung des Gutachtens von Dr. D. durchgeführt. Denn nur der behandelnde Arzt für Psychiatrie Dr. K. hat eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens angenommen, so dass insoweit eine weitere, gutachterliche Abklärung erforderlich gewesen ist. Dass diese weitere Sachaufklärung zu keinem dem Kläger günstigen Ergebnis, sondern zur Widerlegung der Leistungsbeurteilung von Dr. K. geführt hat, liegt in der Natur der Sache, nämlich im Rahmen der Ergebnisse einer ergebnisoffenen Begutachtung. Anders als der behandelnde Arzt, der den Kläger unter therapeutischen Gesichtspunkten beurteilt, ist es die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, eine kritische Prüfung des Beschwerdevorbringens des Versicherten unter anderem anhand der objektivierbaren Befunde vorzunehmen und somit eine möglichst unabhängige Leistungsbeurteilung abzugeben. Dabei hat Dr. D. neben einer - vom Sozialgericht im angefochtenen Urteil auf Grund seines Eindrucks in der mündlichen Verhandlung bestätigten - starken Verschwielung im Bereich der Hände in Bezug auf die Wirbelsäule keinerlei neurologische Auffälligkeiten gefunden. Er hat lediglich Verspannungen der Nackenmuskulatur beschrieben, wie sie auch in dem vom Kläger vorgelegten Befundbericht des Dr. F. aufgeführt sind. Wesentliche Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit hat Dr. D. nicht dokumentiert. Auch die Konzentration und die Aufmerksamkeit sind in der Untersuchungssituation unbeeinträchtigt gewesen, der Kläger hat auch keine vorzeitigen Ermüdungserscheinungen nach ca. 75 minütiger Exploration gezeigt. Damit hat sich auch der vom HNO-Arzt Dr. P. geäußerte Verdacht auf Konzentrationsstörungen bzw. Tagesmüdigkeit in Gefolge des Tinnitus bzw. des Verdachtes auf Schlaf-Apnoe gutachterlich nicht bestätigt. Vor diesem Hintergrund ist es auch für den Senat überzeugend, wenn Dr. D. eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers lediglich auf leichte Tätigkeiten mit einigen qualitativen Einschränkungen annimmt, im Übrigen aber ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen bejaht.

Soweit der Kläger auch in der Berufung auf "unwahre Behauptungen" im Gutachten des Dr. D. hinweist, hat bereits das Sozialgericht im angefochtenen Urteil hierzu zutreffend ausgeführt, dass sich diese Einwände hauptsächlich auf die Anamnese des Gutachtens beziehen und deshalb keinen Zweifel an der auf die Befunde gestützten Leistungseinschätzung aufkommen lassen.

Soweit der Kläger auf Gesundheitsstörungen anderer medizinischer Fachgebiete verweist und eine Liste an Diagnosen ausführt, vermag das Vorliegen bloßer Diagnosen allein einen Rentenanspruch nicht zu begründen. Allein maßgebend sind die funktionellen Einschränkungen bestehender Erkrankungen, die gegebenenfalls gutachterlich abzuklären sind. Deshalb holte die Beklagte das internistische Gutachten des Dr. R. im Hinblick auf die allergologischen bzw. internistischen Störungen ein, das jedoch keine relevanten Einschränkungen erbrachte. Im Hinblick auf das orthopädische Fachgebiet ist eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich, nachdem der behandelnde Orthopäde Dr. F. bereits gegenüber dem Sozialgericht trotz der beim Kläger vorliegenden orthopädischen Störungen (HWS-Syndrom und Epicondylitis des linken Ellenbogens) ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten von mindestens sechs Stunden bejaht hat, wobei die von ihm aufgeführten qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen jenen entsprechen, die Dr. D. im Hinblick auf das Wirbelsäulensyndrom aufgeführt hat. Soweit der Kläger unter Vorlage des Befundberichtes des Dr. F. seinen Leistungsanspruch auf eine dort diagnostizierte Spondylose und Osteochondrose stützt, verkennt er wiederum, dass der Rentenanspruch sich nicht auf Diagnosen stützen kann, sondern auf funktionelle Einschränkungen. Insoweit aber ergibt sich aus dem Befundbericht des Dr. Fürst, dass vor allem Nackenschmerzen vorliegen mit Bewegungseinschränkungen der HWS, Motorik, inklusive Reflexe sowie die Sensibilität der oberen Extremitäten aber unauffällig sind und keine Koordinationsstörungen vorliegen. Damit enthält der vom Kläger vorgelegte Befundbericht exakt jene Beschreibungen, wie sie Dr. F. gegenüber dem Sozialgericht bereits im Oktober 2013 mitgeteilt hat, so dass seine damalige Leistungsbeurteilung unverändert Gültigkeit hat. Vor diesem Hintergrund ist eine weitere Sachaufklärung, insbesondere die Einholung eines orthopädischen Gutachtens nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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