Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3708/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2711/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 13.06.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 310,54 EUR ab dem 01.12.2011.
Die 1953 geborene Klägerin ist Dipl.-Psychologin und begann 1988 eine psychotherapeutische Fort- und Weiterbildung mit dem Ziel der Approbation als Psychotherapeutin. Nach verschiedenen Unterbrechungen setzte sie die Fortbildung im Oktober 2003 fort. Ausweislich ihres Lebenslaufs war sie in ihrem Beruf als Diplom-Psychologin unter anderem für ein Jahr in einer Suchtklinik, 1¾ Jahre in einer gynäkologischen Praxis, einen Monat in einer psychiatrischen Praxis tätig sowie freiberuflich auf dem Gebiet der Verkehrspsychologie tätig. Ferner war sie mehrere Jahre als Familienhelferin und ehrenamtlich im Rahmen eines Hilfsprojekts für R. mit der Betreuung behinderter Kinder und Jugendlicher sowie psychisch Kranker in einem Kinderheim in R. tätig.
Die Klägerin leidet seit ihrem dritten Lebensjahr an Poliomyelitis. Bei ihr besteht eine inkomplette, beinbetonte, motorische Tetraplegie ohne Steh- und Gehfähigkeit. Die Klägerin ist auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Des Weiteren besteht eine hohe rechtskonvexe thorakale Skoliose sowie eine Displasiecoxarthrose beiderseits gegeben. Die Klägerin ist schwerstpflegebedürftig (Pflegestufe III) und bedarf rund um die Uhr der Hilfe zweier Pflegekräfte. Es ist seit 08.04.1986 ein GdB von 100 anerkannt mit den Merkzeichen G, aG, B, H und RF.
Die Klägerin bezog seit dem 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. In diesem Zusammenhang wurde ein fachorthopädisches Gutachtens durch Dr. Sp.-F., Facharzt für Orthopädie, veranlasst. Dieser kam im Gutachten vom 07.02.2011 zum Ergebnis, dass die Klägerin schwerstpflegebedürftig sei und rund um die Uhr fremder Hilfe bedürfe. Aufgrund der hochgradigen Behinderungen sei sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen nicht erwerbsfähig. Unter entsprechender Hilfeleistung durch anwesendes Pflege-/Assistenzpersonal bestehe für die Tätigkeit als Psychotherapeutin eine vier- bis sechsstündige Erwerbsfähigkeit. Nachdem das Jobcenter H. der Klägerin daraufhin Leistungen versagte, folgte ein Widerspruchs- und Klageverfahren (S 8 AS 1507/11). In diesem Klageverfahren legte die Klägerin ein sozialmedizinisches Gutachten des Arztes für Allgemeinmedizin und Arbeitsrecht Dr. K. vom 09.11.2011 aus einem beim Sozialgericht Mannheim (SG) gegen den Sozialhilfeträger geführten Rechtsstreit (S 9 SO 3889/10) vor. Dieser war zu dem Ergebnis gelangt, unter Beachtung bestehender Leistungseinschränkungen bestehe für die Tätigkeit als Psychotherapeutin ein Leistungsvermögen von vier bis sechs Stunden am Tag. Damit liege zwar keine Erwerbsunfähigkeit vor. Aus arbeits- und sozialmedizinischer Sicht sei aber eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nur theoretisch denkbar und liege fern jeder Lebenswirklichkeit. Den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes könne die Klägerin aufgrund ihrer Behinderung nicht gerecht werden. Bei einem Beschäftigungsverhältnis bräuchte sie nicht nur einen barrierefreien Zugang, sondern ständige persönliche Arbeitsassistenz am Arbeitsplatz, beim Toilettengang seien zwei Assistenten erforderlich. Solche Arbeitsplätze seien zurückliegend offenbar aufgrund persönlicher Beziehungen und bei Kostenbeteiligung von Sozialeinrichtungen zeitlich begrenzt verfügbar gewesen, würden jedoch nach seiner Kenntnis nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angeboten. Das körperliche Leistungsvermögen habe sich im Sinne einer Behinderung auf sehr niedrigem Niveau eingestellt und begründe das Vorliegen von Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III) mit einem außergewöhnlich hohen Pflegeaufwand (Härtefall). Mit Gerichtsbescheid vom 01.06.2012 wies das SG die Klage ab. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde mit Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 18.01.2013 zurückgewiesen (L 12 AS 2588/12).
Seit dem 01.04.2011 bezieht die Klägerin Leistungen der beigeladenen Stadt H. nach dem SGB XII (AS 78 Vw-Akte).
Auf ein Ersuchen der Beigeladenen vom 19.05.2011 nach § 45 SGB XII hatte die Beklagte im Rahmen der Prüfung der in § 41 Abs. 3 SGB XII genannten Voraussetzungen der Beigeladenen unter dem 22.08.2011 aufgrund einer gutachterlichen Stellungnahme der beratenden Ärztin H. vom 17.08.2011 mitgeteilt, dass die Klägerin zumindest seit 0l.01.2003 unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI sei und es unwahrscheinlich sei, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne. Die Beratungsärztin H. war zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin zwar keine kognitiven Einschränkungen habe und sehr intelligent sei, jedoch 24 Stunden am Tag bezüglich der körperlichen Gebrechen einer Pflege bedürfe. Bei einer Tätigkeit als Psychotherapeutin sei ebenfalls eine ständige Arbeitsassistenz notwendig, selbst Aktenbearbeitung sei nicht ohne Hilfe möglich. Nach ihrer Einschätzung bestehe für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein unter dreistündiges Leistungsvermögen, an einem leidensgerechten Arbeitsplatz mit Arbeitsassistenz ein drei bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen.
Mit Schreiben vom 28.09.2011 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten nach § 95 SGB XII unter Bezugnahme auf die Stellungnahme vom 22.08.2011 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Klägerin durch die Beklagte. Zugleich wurde ein Erstattungsanspruch geltend gemacht. Die Beklagte leitete daraufhin ein Rentenverfahren ein.
Mit Bescheid vom 07.02.2012 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da die Klägerin trotz Aufforderung die Antragsvordrucke nicht ausgefüllt hatte. Gegen die Ablehnung legte die Beigeladene am 05.03.2012 Widerspruch ein und reichte die von ihr selbst ausgefüllten Antragsvordrucke nach.
Mit Bescheid vom 14.05.2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.12.2011 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 310,54 EUR.
Hiergegen legte die Klägerin am 01.08.2012 Widerspruch ein. Sie verwies auf den Rechtsstreit S 8 AS 1507/11, in dem es um die Frage gehe, ob und inwieweit sie ggf. unter Hinzuziehung von Arbeitsassistenz in der Lage sei, einer Tätigkeit nachzugehen. Sie fühle sich zwangsberentet. Sie sei durch den Rentenbescheid nicht nur begünstigt, sondern auch insoweit beschwert, als dieser die Feststellung enthalte, dass sie nicht mehr arbeitsfähig sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.11.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen erhob die Klägerin am 16.11.2012 Klage vor dem SG. Sie habe die Pflegestufe III und erhalte Leistungen der Pflegeversicherung und ergänzend solche des Sozialamtes, ihre Versorgung stelle sie durch das Assistenzmodell sicher. Ihr stünden nach wie vor Leistungen nach dem SGB II zu. Auf die im Zusammenhang mit dem Verfahren S 8 AS 1507/11 vorgetragene Begründung werde umfassend Bezug genommen. Allein der Umstand, dass sie auf Unterstützungsleistungen umfangreich angewiesen sei, bedeute nicht, dass sie erwerbsunfähig sei. Gerade die im Gesetz verankerten Leistungen der Arbeitsassistenz bedingten es, dass auch Menschen mit Behinderungen Anspruch darauf hätten, durch entsprechende Hilfestellungen einer Tätigkeit nachzugehen und nicht als arbeitsunfähig beurteilt zu werden.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG befragte den behandelnden Facharzt für Innere Medizin Dr. S. als sachverständigen Zeugen. Dr. S. teilte unter dem 09.04.2013 mit, die Klägerin sei von ihm seit August 2011 drei Mal wegen fieberhafter Infekte durch Hausbesuche behandelt worden. In der Praxis hätten keine Behandlungen stattgefunden. Darüber hinaus seien in jedem Quartal Rezepte für Krankengymnastik und blutdrucksenkende Medikamente ausgestellt worden. Im Laufe der letzten Jahre habe sich keine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes eingestellt. Die Klägerin habe trotz ihrer schweren körperlichen Behinderung bis 2009 ganztägig als Psychologin gearbeitet. Es habe sich keine wesentliche Verschlechterung eingestellt, so dass sie auch jetzt noch acht Stunden täglich als Psychologin arbeiten könne. Die einzige Bedingung sei ein behindertengerechter Arbeitsplatz, also rollstuhlgeeigneter Zugang, Behindertentoilette usw ...
Das SG befragte die Klägerin, ob sie die Ausbildung als psychologische Psychotherapeutin abgeschlossen habe. Die Klägerin teilte hierauf am 06.05.2013 mit, dass die Zulassung zur Prüfung als psychologische Psychotherapeutin eine Vielzahl schriftlicher Ausarbeitungen erfordere. Sie habe ihre Ausbildung mit Unterstützung auch von Arbeitsassistenz bis zu einem gewissen Stand gebracht, die Assistenzleistungen seien ihr dann aber versagt worden, so dass bislang die Voraussetzungen für die Überprüfung nicht hätten geschafft werden können. Mittlerweile habe sie sich jedoch ein Datenverarbeitungssystem beschaffen können, dass es ihr ermögliche, zumindest zum Großteil ohne fremde Hilfe diese Arbeiten zu bewältigen, das werde allerdings noch einige Zeit in Anspruch nehmen, da die Daten der einzelnen Patienten nun wieder aktualisiert werden müssten.
Das SG wies die Klage durch Gerichtsbescheid vom 13.06.2013 ab. Die Beklagte habe zu Recht Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI hätten Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie neben der Erfüllung sonstiger Voraussetzungen voll erwerbsgemindert seien. Voll erwerbsgemindert seien Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande seien, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Klägerin könne unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarktes eine Beschäftigung von mindestens drei Stunden täglich nicht ausüben. Sie habe zwar ein Leistungsvermögen, das ihr durchaus Arbeiten ermögliche. Aufgrund ihrer erheblichen Behinderungen sei jedoch nicht davon auszugehen, dass sie damit entsprechend den üblichen Bedingungen des für sie in Frage kommenden Arbeitsmarktes beschäftigt werden könne. Dr. Sp.-F. habe in seinem Gutachten vom 07.02.2011 zutreffend dargestellt, dass die Klägerin zwar durchaus sitzend arbeiten könne, sie brauche jedoch eine Rundumbetreuung, da sie nicht in der Lage sei, selbst einfachste Tätigkeiten, wie z. B. das Herausziehen einer Akte aus dem Schrank, alleine zu bewältigen. Es genüge mithin nicht ein behindertengerechter Arbeitsplatz, sondern erforderlich seien Bedingungen, wie sie in nennenswerter Anzahl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht aufzufinden seien. Unter dem Begriff "Arbeitsmarkt" werde der Ort verstanden, an dem das Angebot von Arbeitsplätzen und die Nachfrage nach Arbeit zusammenträfen. Maßgeblich sei der sogenannte "erste Arbeitsmarkt", der das betriebswirtschaftlich begründete Angebot an Arbeitsplätzen von Unternehmen mit der Nachfrage nach Arbeit zusammenbringe. Nicht zum allgemeinen Arbeitsmarkt gehörten in negativer Abgrenzung Arbeitsplätze in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder sogenannte Schonarbeitsplätze (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19.12.2006, GS 2/95, BSGE 80, 24). Unter dem Begriff "übliche Bedingungen des Arbeitsmarktes" sei das tatsächliche Geschehen auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben zu verstehen, d.h. unter welchen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt die Entgelterzielung üblicherweise tatsächlich erfolge. Hierzu gehörten sowohl rechtliche Bedingungen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche und tarifvertragliche Vorschriften als auch tatsächliche Umstände, wie z. B. die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz. Üblich seien Bedingungen, wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen seien, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl (vgl. BSG, Urteil vom 14.05.1996, 4 RA 60/94, BSGE 78, 207; Gürtner, in: Kasseler Kommentar, SGB VI, § 43 Rdnr. 37 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Auf diesem allgemeinen Arbeitsmarkt gebe es üblicherweise keine Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl für Menschen, die schwerstpflegebedürftig seien und in ihrer alltäglichen Lebensgestaltung ständig auf die Anwesenheit von Hilfspersonen angewiesen seien. Das SG habe im Gerichtsbescheid vom 15.02.2012 (S 8 AS 1507/11) zutreffend festgestellt, dass die Klägerin einen Arbeitsplatz für eine Tätigkeit als Psychotherapeutin, wie er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorhanden sei, nicht eigenständig ausfüllen könne. Aus der Entscheidung des SG wird die folgende Passage wörtlich zitiert "Das eigenständige Ausfüllen eines Arbeitsplatzes ist der Klägerin in keinster Weise möglich. Die Klägerin bräuchte eine eigens für sie konfigurierte Arbeitsumgebung mit einem geschützten Rahmen (wie wohl zeitweilig in der Vergangenheit unter erheblicher Kostenbeteiligung weiterer Sozialleistungsträger geschehen). Ein auf die Klägerin zugeschnittener Arbeitsplatz würde aber gerade nicht den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entsprechen, sondern eher einen geschützten Rahmen wie bei einem Schonarbeitsplatz oder in einer Einrichtung für behinderte Menschen. Derartige Arbeitsplatzgestaltungen unterfallen aber gerade nicht den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Zwar trägt die Klägerin vor, dass sie mit entsprechender Arbeitsassistenz in ihrem angestrebten Beruf als Psychotherapeutin täglich 4 bis 6 Stunden arbeiten könne; dies wird auch von dem orthopädischen Gutachter Dr. Sp.-F. bestätigt, jedoch bezieht sich diese Annahme nicht auf einen derzeit konkret vorhandenen Arbeitsplatz bzw. eine konkret ausgeübte selbstständige Tätigkeit, sondern wird erst für die Zukunft angestrebt. Das BSG misst nur dem Umstand, dass jemand eine Tätigkeit konkret ausübt, einen stärkeren Beweiswert zu (BSG, SGB 1976, 158). Das Gericht stellt nicht in Abrede, dass die Klägerin ggfs. tatsächlich in der Lage ist, 4 bis 6 Stunden täglich in ihrem angestrebten Beruf als Psychotherapeutin zu arbeiten. Derzeit gibt es jedoch keine Anhaltspunkte dafür, ob sich dies realisieren lässt. Der Gutachter Dr. K. sieht in dem beigezogenen Pflegegutachten vom 09.11.2011 (S 9 SO 3889/10) hierfür nur eine theoretische Möglichkeit. Die Klägerin hat ihre Zusatzausbildung noch nicht beendet. Insofern ist nicht auf zukünftige Pläne, sondern auf die gegenwärtige Situation abzustellen. Nach alledem ist die Klägerin nicht in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein."
Diesen Ausführungen schließe sich das SG für den vorliegenden Fall vollinhaltlich an. Das LSG habe auf die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 15.02.2012 in seinem Urteil vom 18.01.2013 (L 12 AS 2558/12) Folgendes festgestellt: "Die Frage, ob jemand eine Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann, stellt sich immer, wenn ein Arbeitsuchender trotz gesundheitlicher Probleme an sich bestimmte Verrichtungen im erforderlichen zeitlichen Umfang noch ausüben könnte, aber nur unter Umständen, die eine Verwertung seiner Resterwerbsfähigkeit am Arbeitsmarkt von vornherein als unrealistisch und die Eingliederungsbemühungen der Agentur für Arbeit als sinnlos erscheinen lassen. Trotz einer etwa noch bestehenden "theoretischen" Resterwerbsfähigkeit ist in solchen Fällen das Sozialhilfesystem zuständig (Bender in Gagel, SGB II/SGB III, § 8 SGB II Rdnr. 28). Es genügt also nicht, dass die für eine Erwerbstätigkeit erforderlichen Verrichtungen mindestens 3 Stunden am Tag bewältigt werden können. Dies muss vielmehr auch unter Umständen möglich sein, wie sie am allgemeinen Arbeitsmarkt üblich sind. Dabei ist die Üblichkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt insbesondere von den einschlägigen Regelwerken (Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen) geprägt. In quantitativer Hinsicht genügt es zur Annahme von Üblichkeit, dass es eine beachtliche Zahl von Arbeitsverhältnissen gibt, in denen unter den jeweils fraglichen Umständen gearbeitet wird (Bender a.a.O. Rdnr. 29 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind im Fall der Klägerin nicht erfüllt, wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat. Die Umstände des Falles lassen nicht die Feststellung zu, dass trotz der gravierenden Leistungseinschränkungen der Klägerin von einer Erwerbsfähigkeit der Klägerin aufgrund tatsächlicher Erwerbstätigkeit ausgegangen werden könnte, wie das SG bereits ausgeführt hat. Erwerbsfähigkeit setzt nicht nur voraus, dass der Versicherte in der Lage ist, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes eine Tätigkeit zu verrichten", sondern darüber hinaus, dass er damit in der Lage ist, "erwerbstätig" zu sein, d.h. unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ein Erwerbseinkommen zu erzielen (vgl. zu § 43 Abs. 3 SGB VI: BSG, Beschluss vom 31. Oktober 2012 - B 13 R 107/12 B - und Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R -BSGE 109, 189). Diese Voraussetzung ist bei der Klägerin nicht gegeben. Sie übt weder in der Zeit seit April 2011 noch hat sie während des SGB II-Leistungsbezuges von Januar 2005 bis März 2011 eine Tätigkeit ausgeübt, mit der sie ein Erwerbseinkommen erzielt hätte, das zur Reduzierung ihrer Hilfebedürftigkeit hätte beitragen können. Zwar trägt sie vor, nach Abschluss ihrer Zusatzausbildung eine Tätigkeit als Psychotherapeutin - ggfs. mit entsprechender Unterstützung - ausüben zu können, doch diesen Abschluss hat sie noch immer nicht erreicht. Damit fehlt es an der Möglichkeit der Ausübung einer solchen Tätigkeit derzeit bereits deshalb, weil die Klägerin nicht über die erforderliche Approbation verfügt. Auch die Tatsache, dass die Klägerin trotz ihrer Einschränkungen ein Psychologie-Studium absolviert hat und eine Ausbildung zur Psychotherapeutin macht, lässt entgegen dem Vorbringen der Klägerin gerade nicht den Schluss auf ihre Erwerbsfähigkeit zu. Im Gegenteil legt der Umstand, dass die Klägerin die Mindestdauer der Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin im Sinne des § 5 Abs. 1 des Gesetzes über die Berufe der psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten von 3 Jahren (in Vollzeit) bzw. von 5 Jahren (in Teilzeit) bereits um viele Jahre überschritten hat, ohne bislang den Abschluss erlangt zu haben, den Schluss näher, dass bereits die Ausbildung für die Klägerin eine gravierende Belastung darstellt."
Auch diesen Ausführungen schließe sich das SG vollumfänglich an. Die vom LSG für die dort zugrundeliegende Fragestellung der Zuordnung der Klägerin zum SGB II bzw. zum SGB XII nur entsprechend gemachten Ausführungen zum SGB VI seien im vorliegenden Fall direkt anzuwenden. Dem stehe auch nicht die Beurteilung des behandelnden Arztes Dr. S. entgegen. Auch dieser komme, wie der Orthopäde Dr. Sp.-F. in seinem orthopädischen Gutachten vom 07.02.2011, zum Ergebnis, dass die Klägerin durchaus eine Tätigkeit als Psychologin verrichten könne. Für die Frage, ob Erwerbsminderung bestehe, komme es jedoch maßgeblich auch darauf an, ob ein Restleistungsvermögen für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe. Dies sei eine juristische Frage. Soweit Dr. S. zu den Bedingungen der Arbeitsplatzumgebung nur mitteile, ein behindertengerechter Arbeitsplatz (Zugang mit Rollstuhl möglich, Behindertentoilette usw.) sei erforderlich, sei dies untertrieben. Wie dargestellt, bedürfe die Klägerin erheblicher Unterstützungsleistungen für die Ausübung einer Tätigkeit. Dies sei mit den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes - wie dargestellt - nicht in Einklang zu bringen.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 19.06.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 02.07.2013 Berufung eingelegt. Sie macht erneut geltend, sie könne ihren Beruf als Psychologin bzw. den angestrebten Fortbildungsbereich als psychologische Psychotherapeutin mit entsprechenden Hilfeleistungen wahrnehmen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) habe das Leistungsbild der Arbeitsplatzassistenz definiert als eine über gelegentliche Handreichungen hinausgehende, zeitlich wie tätigkeitsbezogen regelmäßig wiederkehrende Unterstützung von schwerbehinderten Menschen bei der Arbeitsausführung in Form einer von ihnen beauftragten Assistenzkraft im Rahmen der Erlangung oder Erhaltung eines Arbeitsplatzes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Diese Leistung sei daher im Sinne der Empfehlung der BIH die direkte personale Unterstützung am Arbeitsplatz wie beispielsweise eine Vorlesekraft für blinde Arbeitnehmer oder auch eine Hilfskraft für körperbehinderte Arbeitnehmer. Entscheidend sei, dass die Kerntätigkeit der Arbeitsaufgabe jedoch der Arbeitnehmer selbst erledigen könne. Bereits aus dieser Formulierung werde ersichtlich, dass eine von der angestrebten Tätigkeit völlig losgelöste Betrachtungsweise einer Leistungsmöglichkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als nicht zulässig erscheine. Ansonsten würden Leistungen der Arbeitsassistenz nur für solche Personen in Betracht kommen, die nur im geringeren Umfang auf Hilfeleistungen und Unterstützung angewiesen seien. Gerade der Hinweis auf die Kerntätigkeit zeige jedoch, dass abzustellen sei auf die tatsächlich mögliche Leistung eines Menschen mit Behinderungen. Im vorliegenden Fall gehe es um eine rein geistige Tätigkeit. Sie benötige Unterstützung insoweit, als beispielsweise eine Computeranlage hochgefahren werde, schwere Bücher und Akten gereicht werden müssten und im gewissen Umfang auch schriftliche Tätigkeiten nach ihrer Anweisung und nach Diktat erledigt werden müssten. Es handele sich insoweit um Tätigkeiten, für die ein Mensch ohne Behinderungen keine größere Anstrengung benötige bzw. unter Einsatz technischer Geräte diese Aufgaben ohne weiteres bewältigen könne. Ein Eingriff der genannten Assistenzleistung in die Kerntätigkeit der Arbeitsaufgabe sei damit jedoch gerade nicht verbunden. Auch der Umstand, dass sie schwerstpflegebedürftig und in pflegerischer Hinsicht rund um die Uhr auf die Anwesenheit von Pflegekräften angewiesen sei, stehe einer solchen Betrachtung nicht entgegen. Es handele sich hierbei um ein völlig anderes Bedarfsmoment mit unterschiedlichen Leistungen von einem unterschiedlichen Leistungsträger. Es sei in diesem Zusammenhang nicht zulässig, dass eine Arbeitsassistenz sich gleichzeitig auch als pflegerische Unterstützung darstelle.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 13.06.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 14.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Klägerin habe keine neuen medizinischen Befunde mitgeteilt. Auch andere Leistungsträger hätten eine Leistungsminderung auf Dauer festgestellt. Das SG habe selbst bei angenommener bewilligter Arbeitsplatzassistenz keine Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes angenommen.
Mit Beschluss vom 06.07.2015 hat der Senat die Stadt H. zum Verfahren beigeladen. Diese hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
Mit Schreiben vom 30.07.2013,20.08.2013 und 24.09.2015 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligen wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG zu den Aktenzeichen S 4 R 3708/12 und S 8 AS 1507/11 sowie auf die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht Rente wegen Erwerbsminderung bewilligt. Das SG hat die Klage mit zutreffender und überzeugender Begründung abgewiesen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Gerichtsbescheides Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG entsprechend).
Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin noch auszuführen, dass es für die im Rahmen der Frage des Vorliegens von Erwerbsunfähigkeit allein streitige Voraussetzung, ob die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes eine Tätigkeit verrichten kann, maßgeblich gerade darauf ankommt, dass sie für die Ausübung einer Tätigkeit als Psychologin/Psychotherapeutin stets nicht nur einer Arbeitsassistenz, sondern auch der Betreuung durch zwei Pflegekräfte bedarf. Dies ergibt sich eindeutig aus den Gutachten von Dr. F.-Sp. und Dr. K. sowie aus der sozialmedizinischen Beurteilung durch Dr. H ... Der Senat stellt es keinesfalls in Abrede, dass die Klägerin bei entsprechender Unterstützung durchaus in ihrem Beruf als Psychologin bzw. nach Abschluss ihrer Ausbildung zur Psychotherapeutin erwerbstätig sein kann. Allerdings ist sie aufgrund ihrer körperlichen Behinderung und der Schwerstpflegebedürftigkeit auch bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit auf entsprechende Unterstützungsleistungen und pflegerische Begleitung angewiesen. Nur unter diesen Voraussetzungen ist für sie eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt denkbar und eben dies steht einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entgegen. Die Klägerin kann nur an einem speziell für sie eingerichteten Arbeitsplatz, der auf ihre individuellen Anforderungen einschließlich der Anwesenheit der erforderlichen Unterstützer zugeschnitten ist, tätig werden. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass ein solcher Arbeitsplatz mit Unterstützung der zuständigen Sozialleistungsträger für die Klägerin eingerichtet werden kann. Diese besonderen Voraussetzungen, unter denen eine Erwerbstätigkeit der Klägerin denkbar ist, entsprechen den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes aber gerade nicht.
Die Berufung der Klägerin kann deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 310,54 EUR ab dem 01.12.2011.
Die 1953 geborene Klägerin ist Dipl.-Psychologin und begann 1988 eine psychotherapeutische Fort- und Weiterbildung mit dem Ziel der Approbation als Psychotherapeutin. Nach verschiedenen Unterbrechungen setzte sie die Fortbildung im Oktober 2003 fort. Ausweislich ihres Lebenslaufs war sie in ihrem Beruf als Diplom-Psychologin unter anderem für ein Jahr in einer Suchtklinik, 1¾ Jahre in einer gynäkologischen Praxis, einen Monat in einer psychiatrischen Praxis tätig sowie freiberuflich auf dem Gebiet der Verkehrspsychologie tätig. Ferner war sie mehrere Jahre als Familienhelferin und ehrenamtlich im Rahmen eines Hilfsprojekts für R. mit der Betreuung behinderter Kinder und Jugendlicher sowie psychisch Kranker in einem Kinderheim in R. tätig.
Die Klägerin leidet seit ihrem dritten Lebensjahr an Poliomyelitis. Bei ihr besteht eine inkomplette, beinbetonte, motorische Tetraplegie ohne Steh- und Gehfähigkeit. Die Klägerin ist auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Des Weiteren besteht eine hohe rechtskonvexe thorakale Skoliose sowie eine Displasiecoxarthrose beiderseits gegeben. Die Klägerin ist schwerstpflegebedürftig (Pflegestufe III) und bedarf rund um die Uhr der Hilfe zweier Pflegekräfte. Es ist seit 08.04.1986 ein GdB von 100 anerkannt mit den Merkzeichen G, aG, B, H und RF.
Die Klägerin bezog seit dem 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. In diesem Zusammenhang wurde ein fachorthopädisches Gutachtens durch Dr. Sp.-F., Facharzt für Orthopädie, veranlasst. Dieser kam im Gutachten vom 07.02.2011 zum Ergebnis, dass die Klägerin schwerstpflegebedürftig sei und rund um die Uhr fremder Hilfe bedürfe. Aufgrund der hochgradigen Behinderungen sei sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen nicht erwerbsfähig. Unter entsprechender Hilfeleistung durch anwesendes Pflege-/Assistenzpersonal bestehe für die Tätigkeit als Psychotherapeutin eine vier- bis sechsstündige Erwerbsfähigkeit. Nachdem das Jobcenter H. der Klägerin daraufhin Leistungen versagte, folgte ein Widerspruchs- und Klageverfahren (S 8 AS 1507/11). In diesem Klageverfahren legte die Klägerin ein sozialmedizinisches Gutachten des Arztes für Allgemeinmedizin und Arbeitsrecht Dr. K. vom 09.11.2011 aus einem beim Sozialgericht Mannheim (SG) gegen den Sozialhilfeträger geführten Rechtsstreit (S 9 SO 3889/10) vor. Dieser war zu dem Ergebnis gelangt, unter Beachtung bestehender Leistungseinschränkungen bestehe für die Tätigkeit als Psychotherapeutin ein Leistungsvermögen von vier bis sechs Stunden am Tag. Damit liege zwar keine Erwerbsunfähigkeit vor. Aus arbeits- und sozialmedizinischer Sicht sei aber eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nur theoretisch denkbar und liege fern jeder Lebenswirklichkeit. Den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes könne die Klägerin aufgrund ihrer Behinderung nicht gerecht werden. Bei einem Beschäftigungsverhältnis bräuchte sie nicht nur einen barrierefreien Zugang, sondern ständige persönliche Arbeitsassistenz am Arbeitsplatz, beim Toilettengang seien zwei Assistenten erforderlich. Solche Arbeitsplätze seien zurückliegend offenbar aufgrund persönlicher Beziehungen und bei Kostenbeteiligung von Sozialeinrichtungen zeitlich begrenzt verfügbar gewesen, würden jedoch nach seiner Kenntnis nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angeboten. Das körperliche Leistungsvermögen habe sich im Sinne einer Behinderung auf sehr niedrigem Niveau eingestellt und begründe das Vorliegen von Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III) mit einem außergewöhnlich hohen Pflegeaufwand (Härtefall). Mit Gerichtsbescheid vom 01.06.2012 wies das SG die Klage ab. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde mit Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 18.01.2013 zurückgewiesen (L 12 AS 2588/12).
Seit dem 01.04.2011 bezieht die Klägerin Leistungen der beigeladenen Stadt H. nach dem SGB XII (AS 78 Vw-Akte).
Auf ein Ersuchen der Beigeladenen vom 19.05.2011 nach § 45 SGB XII hatte die Beklagte im Rahmen der Prüfung der in § 41 Abs. 3 SGB XII genannten Voraussetzungen der Beigeladenen unter dem 22.08.2011 aufgrund einer gutachterlichen Stellungnahme der beratenden Ärztin H. vom 17.08.2011 mitgeteilt, dass die Klägerin zumindest seit 0l.01.2003 unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI sei und es unwahrscheinlich sei, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne. Die Beratungsärztin H. war zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin zwar keine kognitiven Einschränkungen habe und sehr intelligent sei, jedoch 24 Stunden am Tag bezüglich der körperlichen Gebrechen einer Pflege bedürfe. Bei einer Tätigkeit als Psychotherapeutin sei ebenfalls eine ständige Arbeitsassistenz notwendig, selbst Aktenbearbeitung sei nicht ohne Hilfe möglich. Nach ihrer Einschätzung bestehe für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein unter dreistündiges Leistungsvermögen, an einem leidensgerechten Arbeitsplatz mit Arbeitsassistenz ein drei bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen.
Mit Schreiben vom 28.09.2011 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten nach § 95 SGB XII unter Bezugnahme auf die Stellungnahme vom 22.08.2011 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Klägerin durch die Beklagte. Zugleich wurde ein Erstattungsanspruch geltend gemacht. Die Beklagte leitete daraufhin ein Rentenverfahren ein.
Mit Bescheid vom 07.02.2012 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da die Klägerin trotz Aufforderung die Antragsvordrucke nicht ausgefüllt hatte. Gegen die Ablehnung legte die Beigeladene am 05.03.2012 Widerspruch ein und reichte die von ihr selbst ausgefüllten Antragsvordrucke nach.
Mit Bescheid vom 14.05.2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.12.2011 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 310,54 EUR.
Hiergegen legte die Klägerin am 01.08.2012 Widerspruch ein. Sie verwies auf den Rechtsstreit S 8 AS 1507/11, in dem es um die Frage gehe, ob und inwieweit sie ggf. unter Hinzuziehung von Arbeitsassistenz in der Lage sei, einer Tätigkeit nachzugehen. Sie fühle sich zwangsberentet. Sie sei durch den Rentenbescheid nicht nur begünstigt, sondern auch insoweit beschwert, als dieser die Feststellung enthalte, dass sie nicht mehr arbeitsfähig sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.11.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen erhob die Klägerin am 16.11.2012 Klage vor dem SG. Sie habe die Pflegestufe III und erhalte Leistungen der Pflegeversicherung und ergänzend solche des Sozialamtes, ihre Versorgung stelle sie durch das Assistenzmodell sicher. Ihr stünden nach wie vor Leistungen nach dem SGB II zu. Auf die im Zusammenhang mit dem Verfahren S 8 AS 1507/11 vorgetragene Begründung werde umfassend Bezug genommen. Allein der Umstand, dass sie auf Unterstützungsleistungen umfangreich angewiesen sei, bedeute nicht, dass sie erwerbsunfähig sei. Gerade die im Gesetz verankerten Leistungen der Arbeitsassistenz bedingten es, dass auch Menschen mit Behinderungen Anspruch darauf hätten, durch entsprechende Hilfestellungen einer Tätigkeit nachzugehen und nicht als arbeitsunfähig beurteilt zu werden.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG befragte den behandelnden Facharzt für Innere Medizin Dr. S. als sachverständigen Zeugen. Dr. S. teilte unter dem 09.04.2013 mit, die Klägerin sei von ihm seit August 2011 drei Mal wegen fieberhafter Infekte durch Hausbesuche behandelt worden. In der Praxis hätten keine Behandlungen stattgefunden. Darüber hinaus seien in jedem Quartal Rezepte für Krankengymnastik und blutdrucksenkende Medikamente ausgestellt worden. Im Laufe der letzten Jahre habe sich keine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes eingestellt. Die Klägerin habe trotz ihrer schweren körperlichen Behinderung bis 2009 ganztägig als Psychologin gearbeitet. Es habe sich keine wesentliche Verschlechterung eingestellt, so dass sie auch jetzt noch acht Stunden täglich als Psychologin arbeiten könne. Die einzige Bedingung sei ein behindertengerechter Arbeitsplatz, also rollstuhlgeeigneter Zugang, Behindertentoilette usw ...
Das SG befragte die Klägerin, ob sie die Ausbildung als psychologische Psychotherapeutin abgeschlossen habe. Die Klägerin teilte hierauf am 06.05.2013 mit, dass die Zulassung zur Prüfung als psychologische Psychotherapeutin eine Vielzahl schriftlicher Ausarbeitungen erfordere. Sie habe ihre Ausbildung mit Unterstützung auch von Arbeitsassistenz bis zu einem gewissen Stand gebracht, die Assistenzleistungen seien ihr dann aber versagt worden, so dass bislang die Voraussetzungen für die Überprüfung nicht hätten geschafft werden können. Mittlerweile habe sie sich jedoch ein Datenverarbeitungssystem beschaffen können, dass es ihr ermögliche, zumindest zum Großteil ohne fremde Hilfe diese Arbeiten zu bewältigen, das werde allerdings noch einige Zeit in Anspruch nehmen, da die Daten der einzelnen Patienten nun wieder aktualisiert werden müssten.
Das SG wies die Klage durch Gerichtsbescheid vom 13.06.2013 ab. Die Beklagte habe zu Recht Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI hätten Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie neben der Erfüllung sonstiger Voraussetzungen voll erwerbsgemindert seien. Voll erwerbsgemindert seien Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande seien, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Klägerin könne unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarktes eine Beschäftigung von mindestens drei Stunden täglich nicht ausüben. Sie habe zwar ein Leistungsvermögen, das ihr durchaus Arbeiten ermögliche. Aufgrund ihrer erheblichen Behinderungen sei jedoch nicht davon auszugehen, dass sie damit entsprechend den üblichen Bedingungen des für sie in Frage kommenden Arbeitsmarktes beschäftigt werden könne. Dr. Sp.-F. habe in seinem Gutachten vom 07.02.2011 zutreffend dargestellt, dass die Klägerin zwar durchaus sitzend arbeiten könne, sie brauche jedoch eine Rundumbetreuung, da sie nicht in der Lage sei, selbst einfachste Tätigkeiten, wie z. B. das Herausziehen einer Akte aus dem Schrank, alleine zu bewältigen. Es genüge mithin nicht ein behindertengerechter Arbeitsplatz, sondern erforderlich seien Bedingungen, wie sie in nennenswerter Anzahl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht aufzufinden seien. Unter dem Begriff "Arbeitsmarkt" werde der Ort verstanden, an dem das Angebot von Arbeitsplätzen und die Nachfrage nach Arbeit zusammenträfen. Maßgeblich sei der sogenannte "erste Arbeitsmarkt", der das betriebswirtschaftlich begründete Angebot an Arbeitsplätzen von Unternehmen mit der Nachfrage nach Arbeit zusammenbringe. Nicht zum allgemeinen Arbeitsmarkt gehörten in negativer Abgrenzung Arbeitsplätze in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder sogenannte Schonarbeitsplätze (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19.12.2006, GS 2/95, BSGE 80, 24). Unter dem Begriff "übliche Bedingungen des Arbeitsmarktes" sei das tatsächliche Geschehen auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben zu verstehen, d.h. unter welchen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt die Entgelterzielung üblicherweise tatsächlich erfolge. Hierzu gehörten sowohl rechtliche Bedingungen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche und tarifvertragliche Vorschriften als auch tatsächliche Umstände, wie z. B. die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz. Üblich seien Bedingungen, wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen seien, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl (vgl. BSG, Urteil vom 14.05.1996, 4 RA 60/94, BSGE 78, 207; Gürtner, in: Kasseler Kommentar, SGB VI, § 43 Rdnr. 37 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Auf diesem allgemeinen Arbeitsmarkt gebe es üblicherweise keine Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl für Menschen, die schwerstpflegebedürftig seien und in ihrer alltäglichen Lebensgestaltung ständig auf die Anwesenheit von Hilfspersonen angewiesen seien. Das SG habe im Gerichtsbescheid vom 15.02.2012 (S 8 AS 1507/11) zutreffend festgestellt, dass die Klägerin einen Arbeitsplatz für eine Tätigkeit als Psychotherapeutin, wie er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorhanden sei, nicht eigenständig ausfüllen könne. Aus der Entscheidung des SG wird die folgende Passage wörtlich zitiert "Das eigenständige Ausfüllen eines Arbeitsplatzes ist der Klägerin in keinster Weise möglich. Die Klägerin bräuchte eine eigens für sie konfigurierte Arbeitsumgebung mit einem geschützten Rahmen (wie wohl zeitweilig in der Vergangenheit unter erheblicher Kostenbeteiligung weiterer Sozialleistungsträger geschehen). Ein auf die Klägerin zugeschnittener Arbeitsplatz würde aber gerade nicht den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entsprechen, sondern eher einen geschützten Rahmen wie bei einem Schonarbeitsplatz oder in einer Einrichtung für behinderte Menschen. Derartige Arbeitsplatzgestaltungen unterfallen aber gerade nicht den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Zwar trägt die Klägerin vor, dass sie mit entsprechender Arbeitsassistenz in ihrem angestrebten Beruf als Psychotherapeutin täglich 4 bis 6 Stunden arbeiten könne; dies wird auch von dem orthopädischen Gutachter Dr. Sp.-F. bestätigt, jedoch bezieht sich diese Annahme nicht auf einen derzeit konkret vorhandenen Arbeitsplatz bzw. eine konkret ausgeübte selbstständige Tätigkeit, sondern wird erst für die Zukunft angestrebt. Das BSG misst nur dem Umstand, dass jemand eine Tätigkeit konkret ausübt, einen stärkeren Beweiswert zu (BSG, SGB 1976, 158). Das Gericht stellt nicht in Abrede, dass die Klägerin ggfs. tatsächlich in der Lage ist, 4 bis 6 Stunden täglich in ihrem angestrebten Beruf als Psychotherapeutin zu arbeiten. Derzeit gibt es jedoch keine Anhaltspunkte dafür, ob sich dies realisieren lässt. Der Gutachter Dr. K. sieht in dem beigezogenen Pflegegutachten vom 09.11.2011 (S 9 SO 3889/10) hierfür nur eine theoretische Möglichkeit. Die Klägerin hat ihre Zusatzausbildung noch nicht beendet. Insofern ist nicht auf zukünftige Pläne, sondern auf die gegenwärtige Situation abzustellen. Nach alledem ist die Klägerin nicht in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein."
Diesen Ausführungen schließe sich das SG für den vorliegenden Fall vollinhaltlich an. Das LSG habe auf die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 15.02.2012 in seinem Urteil vom 18.01.2013 (L 12 AS 2558/12) Folgendes festgestellt: "Die Frage, ob jemand eine Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann, stellt sich immer, wenn ein Arbeitsuchender trotz gesundheitlicher Probleme an sich bestimmte Verrichtungen im erforderlichen zeitlichen Umfang noch ausüben könnte, aber nur unter Umständen, die eine Verwertung seiner Resterwerbsfähigkeit am Arbeitsmarkt von vornherein als unrealistisch und die Eingliederungsbemühungen der Agentur für Arbeit als sinnlos erscheinen lassen. Trotz einer etwa noch bestehenden "theoretischen" Resterwerbsfähigkeit ist in solchen Fällen das Sozialhilfesystem zuständig (Bender in Gagel, SGB II/SGB III, § 8 SGB II Rdnr. 28). Es genügt also nicht, dass die für eine Erwerbstätigkeit erforderlichen Verrichtungen mindestens 3 Stunden am Tag bewältigt werden können. Dies muss vielmehr auch unter Umständen möglich sein, wie sie am allgemeinen Arbeitsmarkt üblich sind. Dabei ist die Üblichkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt insbesondere von den einschlägigen Regelwerken (Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen) geprägt. In quantitativer Hinsicht genügt es zur Annahme von Üblichkeit, dass es eine beachtliche Zahl von Arbeitsverhältnissen gibt, in denen unter den jeweils fraglichen Umständen gearbeitet wird (Bender a.a.O. Rdnr. 29 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind im Fall der Klägerin nicht erfüllt, wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat. Die Umstände des Falles lassen nicht die Feststellung zu, dass trotz der gravierenden Leistungseinschränkungen der Klägerin von einer Erwerbsfähigkeit der Klägerin aufgrund tatsächlicher Erwerbstätigkeit ausgegangen werden könnte, wie das SG bereits ausgeführt hat. Erwerbsfähigkeit setzt nicht nur voraus, dass der Versicherte in der Lage ist, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes eine Tätigkeit zu verrichten", sondern darüber hinaus, dass er damit in der Lage ist, "erwerbstätig" zu sein, d.h. unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ein Erwerbseinkommen zu erzielen (vgl. zu § 43 Abs. 3 SGB VI: BSG, Beschluss vom 31. Oktober 2012 - B 13 R 107/12 B - und Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R -BSGE 109, 189). Diese Voraussetzung ist bei der Klägerin nicht gegeben. Sie übt weder in der Zeit seit April 2011 noch hat sie während des SGB II-Leistungsbezuges von Januar 2005 bis März 2011 eine Tätigkeit ausgeübt, mit der sie ein Erwerbseinkommen erzielt hätte, das zur Reduzierung ihrer Hilfebedürftigkeit hätte beitragen können. Zwar trägt sie vor, nach Abschluss ihrer Zusatzausbildung eine Tätigkeit als Psychotherapeutin - ggfs. mit entsprechender Unterstützung - ausüben zu können, doch diesen Abschluss hat sie noch immer nicht erreicht. Damit fehlt es an der Möglichkeit der Ausübung einer solchen Tätigkeit derzeit bereits deshalb, weil die Klägerin nicht über die erforderliche Approbation verfügt. Auch die Tatsache, dass die Klägerin trotz ihrer Einschränkungen ein Psychologie-Studium absolviert hat und eine Ausbildung zur Psychotherapeutin macht, lässt entgegen dem Vorbringen der Klägerin gerade nicht den Schluss auf ihre Erwerbsfähigkeit zu. Im Gegenteil legt der Umstand, dass die Klägerin die Mindestdauer der Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin im Sinne des § 5 Abs. 1 des Gesetzes über die Berufe der psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten von 3 Jahren (in Vollzeit) bzw. von 5 Jahren (in Teilzeit) bereits um viele Jahre überschritten hat, ohne bislang den Abschluss erlangt zu haben, den Schluss näher, dass bereits die Ausbildung für die Klägerin eine gravierende Belastung darstellt."
Auch diesen Ausführungen schließe sich das SG vollumfänglich an. Die vom LSG für die dort zugrundeliegende Fragestellung der Zuordnung der Klägerin zum SGB II bzw. zum SGB XII nur entsprechend gemachten Ausführungen zum SGB VI seien im vorliegenden Fall direkt anzuwenden. Dem stehe auch nicht die Beurteilung des behandelnden Arztes Dr. S. entgegen. Auch dieser komme, wie der Orthopäde Dr. Sp.-F. in seinem orthopädischen Gutachten vom 07.02.2011, zum Ergebnis, dass die Klägerin durchaus eine Tätigkeit als Psychologin verrichten könne. Für die Frage, ob Erwerbsminderung bestehe, komme es jedoch maßgeblich auch darauf an, ob ein Restleistungsvermögen für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe. Dies sei eine juristische Frage. Soweit Dr. S. zu den Bedingungen der Arbeitsplatzumgebung nur mitteile, ein behindertengerechter Arbeitsplatz (Zugang mit Rollstuhl möglich, Behindertentoilette usw.) sei erforderlich, sei dies untertrieben. Wie dargestellt, bedürfe die Klägerin erheblicher Unterstützungsleistungen für die Ausübung einer Tätigkeit. Dies sei mit den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes - wie dargestellt - nicht in Einklang zu bringen.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 19.06.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 02.07.2013 Berufung eingelegt. Sie macht erneut geltend, sie könne ihren Beruf als Psychologin bzw. den angestrebten Fortbildungsbereich als psychologische Psychotherapeutin mit entsprechenden Hilfeleistungen wahrnehmen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) habe das Leistungsbild der Arbeitsplatzassistenz definiert als eine über gelegentliche Handreichungen hinausgehende, zeitlich wie tätigkeitsbezogen regelmäßig wiederkehrende Unterstützung von schwerbehinderten Menschen bei der Arbeitsausführung in Form einer von ihnen beauftragten Assistenzkraft im Rahmen der Erlangung oder Erhaltung eines Arbeitsplatzes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Diese Leistung sei daher im Sinne der Empfehlung der BIH die direkte personale Unterstützung am Arbeitsplatz wie beispielsweise eine Vorlesekraft für blinde Arbeitnehmer oder auch eine Hilfskraft für körperbehinderte Arbeitnehmer. Entscheidend sei, dass die Kerntätigkeit der Arbeitsaufgabe jedoch der Arbeitnehmer selbst erledigen könne. Bereits aus dieser Formulierung werde ersichtlich, dass eine von der angestrebten Tätigkeit völlig losgelöste Betrachtungsweise einer Leistungsmöglichkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als nicht zulässig erscheine. Ansonsten würden Leistungen der Arbeitsassistenz nur für solche Personen in Betracht kommen, die nur im geringeren Umfang auf Hilfeleistungen und Unterstützung angewiesen seien. Gerade der Hinweis auf die Kerntätigkeit zeige jedoch, dass abzustellen sei auf die tatsächlich mögliche Leistung eines Menschen mit Behinderungen. Im vorliegenden Fall gehe es um eine rein geistige Tätigkeit. Sie benötige Unterstützung insoweit, als beispielsweise eine Computeranlage hochgefahren werde, schwere Bücher und Akten gereicht werden müssten und im gewissen Umfang auch schriftliche Tätigkeiten nach ihrer Anweisung und nach Diktat erledigt werden müssten. Es handele sich insoweit um Tätigkeiten, für die ein Mensch ohne Behinderungen keine größere Anstrengung benötige bzw. unter Einsatz technischer Geräte diese Aufgaben ohne weiteres bewältigen könne. Ein Eingriff der genannten Assistenzleistung in die Kerntätigkeit der Arbeitsaufgabe sei damit jedoch gerade nicht verbunden. Auch der Umstand, dass sie schwerstpflegebedürftig und in pflegerischer Hinsicht rund um die Uhr auf die Anwesenheit von Pflegekräften angewiesen sei, stehe einer solchen Betrachtung nicht entgegen. Es handele sich hierbei um ein völlig anderes Bedarfsmoment mit unterschiedlichen Leistungen von einem unterschiedlichen Leistungsträger. Es sei in diesem Zusammenhang nicht zulässig, dass eine Arbeitsassistenz sich gleichzeitig auch als pflegerische Unterstützung darstelle.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 13.06.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 14.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Klägerin habe keine neuen medizinischen Befunde mitgeteilt. Auch andere Leistungsträger hätten eine Leistungsminderung auf Dauer festgestellt. Das SG habe selbst bei angenommener bewilligter Arbeitsplatzassistenz keine Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes angenommen.
Mit Beschluss vom 06.07.2015 hat der Senat die Stadt H. zum Verfahren beigeladen. Diese hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
Mit Schreiben vom 30.07.2013,20.08.2013 und 24.09.2015 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligen wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG zu den Aktenzeichen S 4 R 3708/12 und S 8 AS 1507/11 sowie auf die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht Rente wegen Erwerbsminderung bewilligt. Das SG hat die Klage mit zutreffender und überzeugender Begründung abgewiesen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Gerichtsbescheides Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG entsprechend).
Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin noch auszuführen, dass es für die im Rahmen der Frage des Vorliegens von Erwerbsunfähigkeit allein streitige Voraussetzung, ob die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes eine Tätigkeit verrichten kann, maßgeblich gerade darauf ankommt, dass sie für die Ausübung einer Tätigkeit als Psychologin/Psychotherapeutin stets nicht nur einer Arbeitsassistenz, sondern auch der Betreuung durch zwei Pflegekräfte bedarf. Dies ergibt sich eindeutig aus den Gutachten von Dr. F.-Sp. und Dr. K. sowie aus der sozialmedizinischen Beurteilung durch Dr. H ... Der Senat stellt es keinesfalls in Abrede, dass die Klägerin bei entsprechender Unterstützung durchaus in ihrem Beruf als Psychologin bzw. nach Abschluss ihrer Ausbildung zur Psychotherapeutin erwerbstätig sein kann. Allerdings ist sie aufgrund ihrer körperlichen Behinderung und der Schwerstpflegebedürftigkeit auch bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit auf entsprechende Unterstützungsleistungen und pflegerische Begleitung angewiesen. Nur unter diesen Voraussetzungen ist für sie eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt denkbar und eben dies steht einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entgegen. Die Klägerin kann nur an einem speziell für sie eingerichteten Arbeitsplatz, der auf ihre individuellen Anforderungen einschließlich der Anwesenheit der erforderlichen Unterstützer zugeschnitten ist, tätig werden. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass ein solcher Arbeitsplatz mit Unterstützung der zuständigen Sozialleistungsträger für die Klägerin eingerichtet werden kann. Diese besonderen Voraussetzungen, unter denen eine Erwerbstätigkeit der Klägerin denkbar ist, entsprechen den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes aber gerade nicht.
Die Berufung der Klägerin kann deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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