L 4 R 2942/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 25 R 1331/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2942/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger und der Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter und Prokurist bei der Beigeladenen seit 1. Juli 2011 abhängig beschäftigt ist.

Die Beigeladene wurde durch notariellen Gesellschaftsvertrag vom 29. November 2010 errichtet. Dieser Gesellschaftsvertrag enthält unter anderem folgende Regelungen:

§ 2 Gegenstand des Unternehmens (1) Gegenstand bzw. Zweck des Unternehmens ist der Kauf und Verkauf von Immobilien für eigene Rechnung und in eigenem Namen, Vermittlung von Immobilien sowie Darlehen zu deren Finanzierung, die Verwaltung von Immobilien im privaten und gewerblichen Bereich und die Vermittlung von Vermietungen. [ ]

§ 4 Stammkapital und Stammeinlagen (1) Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt EUR 25.000,00 [ ]. (2) Aus dem Stammkapital übernehmen die Gesellschafter hiermit folgende Stammeinlagen: a) [Der Kläger] eine Stammeinlage im Nennbetrag von EUR 12.500,00 [ ], b) Herr A. K. (im Folgenden K.) eine Stammeinlage im Nennbetrag von EUR 12.500,00 [ ]. [ ]

§ 5 Verfügungen über Geschäftsanteile Jede Verfügung über einen Geschäftsanteil oder über Teile eines Geschäftsanteils, insbesondere die Abtretung an einen Erwerber, der nicht Gesellschafter ist, oder die Verpfändung oder Belastung bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

§ 6 Geschäftsführung und Vertretung (1) Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. [ ] (2) Rechte und Pflichten der Geschäftsführer ergeben sich aus dem Gesetz, dem Anstellungsvertrag und den von den Gesellschaftern erteilten Weisungen. (3) Der/die Geschäftsführer bedürfen im Innenverhältnis der Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit der in § 9 Abs. 9 vorgesehenen Mehrheit des gesamten Stammkapitals bei Maßnahmen, die über den gewöhnlichen Geschäftsverkehr hinausgehen, insbesondere in folgenden Fällen: a) Erwerb und Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, b) Aufnahme und Hingabe von Krediten außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs sowie die Übernahme von Bürgschaften und Garantien bzw. Anschaffungen und Investitionen gleichen Umfangs, c) Einstellung von Prokuristen und Führungskräften, d) Zustimmung zur Veräußerung, Abtretung und Verpfändung von Geschäftsanteilen, e) der Erwerb anderer Unternehmen sowie der Erwerb, die Veräußerung, Änderung oder Kündigung von Beteiligungen einschließlich des Erwerbs von Geschäftsanteilen der Gesellschaft, sowie deren Abtretung, f) Errichtung und Auflösung von Zweigniederlassungen, g) Aufnahme neuer und Aufgabe vorhandener Geschäftszweige und Tätigkeitsgebiete, h) Aufstellung des Jahresbudgets und des Finanzplans. [ ]

§ 9 Gesellschafterversammlung [ ] (6) Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte des Stammkapitals vertreten sind. Erweist sich die Versammlung nicht als beschlussfähig, so ist unter Beachtung der vorstehenden Bestimmungen eine zweite Versammlung mit gleicher Tagesordnung binnen 14 Tagen einzuberufen. Diese ist ohne Rücksicht auf die Höhe des vertretenen Stammkapitals beschlussfähig. [ ] (7) Die Stimmberechtigung richtet sich nach der Kapitalbeteiligung. Auf je EUR 100,00 entfällt eine Stimme. (8) Beschlüsse kommen mit einfacher Mehrheit zustande, soweit die Satzung oder das Gesetz nicht zwingend eine größere Mehrheit vorschreiben. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt. (9) Die Gesellschafterversammlung beschließt außer über die ihr in der Satzung zugeteilten Gegenstände insbesondere über a) die Genehmigung des Jahresabschlusses, b) die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie deren Entlastung (die Abberufung eines Geschäftsführers ist nur aus einem wichtigen Grund zulässig), c) die Auflösung der Gesellschaft, d) die Erhöhung und Herabsetzung des Stammkapitals, e) die Einstellung von Prokuristen und Führungskräften sowie die Erteilung von Prokura und den Widerruf derselben, f) Erwerb oder Belastung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten, g) Veräußerung des Unternehmens im Ganzen oder von Teilen hiervon, h) Errichtung und Auflösung von Zweigniederlassungen, i) Beteiligungen der Gesellschaft an anderen Unternehmen, j) Aufnahme und Hingabe von Krediten außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs sowie die Übernahme von Bürgschaften und Garantien bzw. Anschaffungen und Investitionen gleichen Umfangs, k) Aufnahme neuer und Aufgabe vorhandener Geschäftszweige und Tätigkeitsgebiete, l) Aufstellung des Jahresbudgets und des Finanzplanes m) Zustimmung zur Veräußerung, Abtretung und Verpfändung von Geschäftsanteilen. In Entscheidungen zu lit. c), d) und g) sowie zu Änderungen des Gesellschaftsvertrags bedarf es einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen. [ ].

§ 10 Jahresabschluss und Ergebnisverwendung (2) Die Gesellschafter haben Anspruch auf den Jahresüberschuss zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags, soweit der sich ergebende Betrag nicht durch Beschluss von der Verteilung ausgeschlossen ist. Die Gesellschafter beschließen über die Verwendung des Ergebnisses und über die Einstellung von Beträgen in Gewinnrücklagen bzw. über Vortrag als Gewinn. (3) Die Anteile der Gesellschafter am Gewinn bestimmen sich nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile. Die Gesellschafterversammlung kann hiervon abweichendes beschließen. [ ]

Zum Geschäftsführer wurde in der anlässlich der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags durchgeführten Gesellschafterversammlung K. bestellt. Die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 13. Januar 2011. K. erteilte in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Beigeladenen dem Kläger am 24. Januar 2011 eine notariell beurkundete Generalhandlungsvollmacht, die Beigeladene ohne gegenständliche Beschränkung in Zwangsversteigerungsverfahren zu vertreten.

Der Kläger und die Beigeladene, vertreten durch K., schlossen den "Anstellungsvertrag" vom 27. Juni 2011, in welchem der Kläger als Arbeitnehmer und die Beigeladene als Arbeitgeber bezeichnet waren. Dieser "Anstellungsvertrag" enthielt folgende Vorbemerkung: Die Vertragsparteien stellen klar, dass [der Kläger] mit einem Geschäftsanteil in Höhe von 50 % an dem Unternehmen der [Beigeladenen] als Gesellschafter beteiligt ist. Er ist bislang nicht zum Geschäftsführer bestellt. Es ist vorgesehen, dass er in verantwortlicher Position innerhalb des Unternehmens mitarbeitet.

Vereinbart war:

§ 1 Aufgaben und Pflichten 1. [Dem Kläger] werden zur eigenverantwortlichen Ausführung alle im Unternehmen anfallender Aufgaben übertragen, soweit sie nicht einer besonderen Erlaubnis, insbesondere gemäß § 34c GewO bedürfen. Im Rahmen der ihm nachstehend erteilten Prokura vertritt er insoweit die Gesellschaft auch neben dem Geschäftsführer gerichtlich oder außergerichtlich und ist - soweit gesetzlich zulässig - vom Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB befreit. 2. [Der Kläger] kann Art, Zeit, Ort und Dauer seiner Tätigkeit für die Gesellschaft selbst bestimmen. Er ist insoweit keinen Weisungen des Geschäftsführers unterworfen. 3. Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis ergebe sich im Übrigen im Rahmen der gesetzlichen Zulässigkeit aus der [dem Kläger] erteilten Prokura. 4. [Der Kläger] hat unter Beachtung der ihm bekannten Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags für den Kreis der dort mit dieser Beschränkung aufgeführten Geschäfte die Zustimmung der Gesellschafter oder der Geschäftsführung einzuholen, soweit ihm nicht eine Zustimmung vorab erteilt wurde.

§ 2 Beginn und Dauer Das Arbeitsverhältnis hat am 1. Juli 2011 begonnen und ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

§ 3 Prokura [Die Beigeladene] erteilt [dem Kläger] Prokura in Form der Einzelprokura. [Der Kläger] ist berechtigt, die Gesellschaft in den gesetzlich zugelassenen Angelegenheiten allein zu vertreten. Die Prokura gilt für sämtliche Niederlassungen des Unternehmens. [Der Kläger] ist im Rahmen der ihm erteilten Prokura nicht zur Vornahme von Handlungen bzw. Entscheidungen befugt, die nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag der Geschäftsführung vorbehalten sind. Er darf des Weiteren keine Handlungen oder Entscheidungen vornehmen, die gemäß nachstehender Regelung der Zustimmung der Gesellschafterversammlung unterliegen.

§ 4 Arbeitszeit und Nebentätigkeit 1. [Der Kläger] ist in der Einteilung seiner Arbeitszeit frei und keinen Weisungen, auch nicht des Geschäftsführers, unterworfen. Er ist berechtigt, neben seiner Tätigkeit weitere Aufgaben Aufsichtsgremien, Ehrenämtern oder anderen leitenden Positionen in eigenem Ermessen wahrzunehmen. [ ]

§ 5 Gehalt 1. [Der Kläger] erhält für seine Tätigkeit mit Wirkung ab dem 1. Juli 2011 ein Monatsgehalt in Höhe von EUR 3.000,00 brutto, das jeweils monatlich am Ersten des jeweiligen Monats ausbezahlt wird. 2. [Der Kläger] erhält darüber hinaus eine vom Gewinn der Gesellschaft abhängige Tantieme in Höhe von 5 % des der Gesellschaft jeweils entstehenden Jahresgewinns, maximal jedoch EUR 5.000,00. [ ] 6. Die Vertragsparteien gehen davon aus, dass [der Kläger] im Hinblick auf seine beherrschende Stellung als Gesellschafter nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt. [ ] § 6 Bezüge bei Krankheit, Unfall, Tod 1. Bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit, die durch Krankheit oder aus einem anderen von [dem Kläger] zu vertretenden Grund eintritt, erhält [der Kläger] sein Gehalt im Rahmen der gesetzlichen Entgeltfortzahlung. [ ] § 7 Urlaub 1. [Der Kläger] erhält einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen, der im Interesse der Erhaltung seiner Arbeitskraft durchzuführen ist. Er ist bei der Inanspruchnahme seines Urlaubs nicht an Weisungen der Gesellschaft gebunden. [ ]

Die Eintragung der dem Kläger erteilten Einzelprokura in das Handelsregister erfolgte am 9. Dezember 2011.

Unter dem 12. Januar 2012 schlossen der Kläger und die Beigeladene einen "Vertrag", in welchem der Kläger und die Beigeladene nunmehr namentlich genannt sind und der nach Behauptung des Klägers und der Beigeladenen den Anstellungsvertrag vom 27. Juli 2011 ersetzen sollte, weil jener unklare Formulierungen enthalten habe. Dieser "Vertrag" enthielt folgende Vorbemerkung: Die Vertragsparteien stellen klar, dass [der Kläger] mit einem Geschäftsanteil in Höhe von 50 % an dem Unternehmen der [Beigeladenen] als Gesellschafter beteiligt ist. Er ist in verantwortlicher Position innerhalb des Unternehmens tätig. Ein hierzu am 27. Juni 2011 geschlossener Vertrag soll im Hinblick auf die besondere Stellung [des Klägers] im Unternehmen mit Wirkung ab heute durch die nachfolgende Vereinbarung vollinhaltlich ersetzt werden.

Von den vorstehend genannten Vertragsbestimmungen waren die Regelungen in § 6 (Bezüge bei Krankheit, Unfall, Tod) und § 7 (Urlaub) nicht mehr enthalten und es erfolgten folgende Änderungen:

§ 1 Aufgaben und Pflichten 2. [Der Kläger] kann Art, Zeit, Ort und Dauer seiner Tätigkeit für die Gesellschaft selbst bestimmen. Er ist insoweit keinen Weisungen des Geschäftsführers unterworfen und erbringt seine Leistungen eigenverantwortlich.

§ 4 Arbeitszeit und Nebentätigkeit 1. [ ...] Er ist berechtigt, neben seiner Tätigkeit weitere Aufgaben Aufsichtsgremien, Ehrenämtern oder anderen leitenden Positionen in eigenem Ermessen wahrzunehmen, ohne an Einschränkungen oder Weisungen der Gesellschaft gebunden zu sein. [ ]

§ 5 Vergütung 1. [Der Kläger] erhält für seine Tätigkeit mit Wirkung ab dem 1. Juli 2011 monatlich eine Vergütung in Höhe von EUR 3.000,00, [ ] [ ]

Der Kläger beantragte am 23. Januar 2012 bei der Beklagten, seinen sozialversicherungsrechtlichen Status festzustellen. Nachdem die Beklagte angekündigt hatte (Anhörungsschreiben vom 24. Februar 2012), für die Tätigkeit des Klägers als mitarbeitender Gesellschafter (Prokurist) seit dem 1. Juli 2011 eine abhängige Beschäftigung mit Versicherungspflicht in sämtlichen Zweigen der Sozialversicherung feststellen zu wollen, verwiesen der Kläger und die Beigeladene auf den geänderten "Prokuristenvertrag" und trugen vor, der Kläger könne mit der Beteiligung von 50 v.H. am Stammkapital der Beigeladenen maßgebenden Einfluss auf deren Geschicke ausüben. Er habe bisher bei jedem Kauf einer Immobilie für die Beigeladene, was deren Hauptgesellschaftszweck sei, eine private Bürgschaft übernommen. Die aktuelle Höhe der privaten Bürgschaften für die Beigeladene belaufe sich auf EUR 277.500,00. Ein unternehmerisches Risiko sei gegeben. Zeit, Ort, Art und Dauer der Tätigkeit könne er frei bestimmen. Er sei, auch nicht gegenüber dem Geschäftsführer der Beigeladenen, weisungsgebunden. Er habe eine General-Handlungsvollmacht und Einzelprokura mit dem Recht zur Einzelvertretung. Er sei vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit und sowohl am Gewinn als auch am Verlust der Beigeladenen beteiligt.

Mit Bescheiden vom 9. Mai 2012 stellte die Beklagte fest, die Tätigkeit des Klägers als mitarbeitender Gesellschafter (Prokurist) bei der Beigeladenen werde seit dem 1. Juli 2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt und es bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwiegten die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Aufgrund des Kapitaleinsatzes von 50 v.H. und den daraus resultierenden Stimmrechtsanteilen sei es dem Kläger nicht möglich, die Geschicke der Beigeladenen maßgeblich zu beeinflussen. Er könne zwar Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern, aber weder den Geschäftsbetrieb bestimmen noch als Minderheitsgesellschafter einen maßgebenden gestalterischen Einfluss auf die Beigeladene nehmen, da er nicht Geschäftsführer sei. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trage er kein eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnendes Unternehmerrisiko. Die zusätzlich gewährte Gewinnbeteiligung in Form von Tantiemen führe zu keiner anderen Beurteilung, da diese einem Wagniskapital nicht gleichzusetzen, sondern Ausdruck eines - auch bei Arbeitnehmern verbreiteten - leistungsorientierten Vergütungsbestandteils sei. Die Regelung, dass die Vergütung an den Erfolg der Beigeladenen angepasst werde, bedeute lediglich eine Änderung der Vergütung bei positivem Geschäftsergebnis. Über eine Änderung der Grundvergütung bei Misserfolgen sei keine Vereinbarung getroffen worden. Hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Ausübung der Tätigkeit sei dem Kläger weitgehende Gestaltungsfreiheit belassen. Trotzdem bleibe die Arbeitsleistung fremdbestimmt, da sie sich in eine von der Gesellschafterversammlung vorgegebene Ordnung des Betriebs eingliedere. Dass der Kläger als Prokurist der Beigeladenen gegenüber den sonstigen Arbeitnehmern Funktionen eines Arbeitgebers wahrnehme, stehe der Annahme einer Weisungsbefugnis nicht entgegen. Denn wer selbst Arbeitgeberfunktionen ausübe, könne seinerseits - als leitender Angestellter - bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein.

Der Kläger erhob Widerspruch. Er rügte, die Beklagte habe die Anhörung nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Sie habe sich mit seinem Vorbringen inhaltlich nicht auseinandergesetzt. Eine Heilung sei nicht möglich. Weiter macht er geltend, als hälftig beteiligter Gesellschafter jeglichen Gesellschafterbeschluss sowie insbesondere einen ihn benachteiligenden Einfluss auf sein Tätigkeitsverhältnis verhindern zu können. Der Vertrag zur Ausgestaltung seiner Tätigkeit schreibe eine eigenverantwortliche Tätigkeit fest. Die Beklagte habe ihre Auffassung, er sei in eine von der Gesellschafterversammlung vorgegebene Ordnung des Betriebs eingegliedert, nicht dargelegt. Über seinen Geschäftsanteil sei er unmittelbar am Gewinn und Verlust der Beigeladenen beteiligt. Die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass er im Rahmen von Bürgschaften persönlich für Verbindlichkeiten der Beigeladenen hafte.

Die Widerspruchstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2013). Maßgeblichen Einfluss hätten mitarbeitende Gesellschafter nur, wenn sie Mehrheitsgesellschafter seien, d.h. mehr als 50 v.H. der Kapitalanteile der GmbH hielten. Nur mitarbeitende Mehrheitsgesellschafter seien in der Lage, Einzelanweisungen der Geschäftsführung im Bedarfsfall jederzeit zu verhindern. Demnach verfüge der Kläger nicht über die erforderliche Rechtsmacht, maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen auszuüben und seine Tätigkeit im Wesentlichen frei von Weisungen der Geschäftsführung zu gestalten.

Der Kläger erhob am 28. Februar 2013 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Er rügte erneut, die Beklagte habe das Anhörungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt, was nicht mehr geheilt werden könne. Des Weiteren trug er vor, als hälftig beteiligter Gesellschafter könne er jeglichen Gesellschafterbeschluss sowie insbesondere jeglichen ihn benachteiligenden Einfluss auf seine Tätigkeit verhindern. Er habe deshalb maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen. So bedürfe die Einstellung eines Prokuristen, die Erteilung und der Widerruf einer Prokura eines Gesellschafterbeschlusses (§ 9 Abs. 9 Buchst. e) Gesellschaftsvertrag), bei welchem auch er stimmberechtigt sei. Zudem schreibe der vorliegende Vertrag zur Ausgestaltung seiner Tätigkeit eine eigenverantwortliche Tätigkeit fest, die er mit Blick auf Art, Zeit, Ort und Dauer selbst bestimmen können. Eine Weisungsbindung sei ausdrücklich ausgeschlossen. Die Beklagte stütze ihre verfehlte Auffassung im Wesentlichen auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. Januar 2006 (B 12 KR 30/04 R, in juris). Unbeachtet gelassen habe die Beklagte das Urteil des BSG vom 17. Mai 2001 (B 12 KR 34/00 R, in juris). Ferner verkenne die Beklagte, dass nicht der Geschäftsführer (der Beigeladenen) als "Arbeitgeber" fungiere, sondern dieser lediglich gesetzlicher Vertreter der Beigeladenen sei. Zu dieser müsse eine persönliche Abhängigkeit bestehen, was angesichts einer Beteiligung von 50 v.H. ausgeschlossen sei, ebenso aufgrund der vertraglichen Gegebenheiten eine Bindung an Weisungen des Geschäftsführers. Die Beklagte übersehe, dass er nicht Minderheitsgesellschafter sei. Die Gründe für ihre Auffassung, er sei in eine von der Gesellschafterversammlung vorgegebene Ordnung des Betriebs eingegliedert, habe die Beklagte nicht dargelegt. Er trage ein Unternehmensrisiko, weil er über seinen Gesellschaftsanteil direkten unmittelbar am Gewinn und Verlust der Beigeladenen beteiligt sei sowie darüber hinaus persönlich im Rahmen von Bürgschaften für die Verbindlichkeiten der Beigeladenen hafte. Der Kläger legte gemeinsam von ihm und K. unterzeichnete Bürgschaftserklärungen vor.

Die Beklagte hielt die von ihr durchgeführte Anhörung für ordnungsgemäß und verblieb bei ihrer Auffassung, dass mitarbeitende Gesellschafter, die nicht zu Geschäftsführern berufen seien, nur maßgeblichen Einfluss hätten, sofern sie Mehrheitsgesellschafter, also mehr als 50 v.H. der Kapitalanteile der GmbH hielten, seien (Verweis auf BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 30/04 R - a.a.O.).

Die durch Beschluss des SG vom 15. Juli 2013 Beigeladene schloss sich den Ausführungen des Klägers an.

Das SG hörte den Kläger und den Geschäftsführer der Beigeladenen an. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 26. Mai 2014 verwiesen. Mit Urteil vom 26. Mai 2014 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 9. Mai "2013" (richtig 2012) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2013 auf und stellte fest, dass der Kläger in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen seit dem 1. Juli 2011 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt. Bei Gegenüberstellung der für und gegen eine abhängige oder selbständige Tätigkeit sprechenden Umstände überwögen die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale. Der zwischen dem Kläger und der Beigeladenen geschlossene Arbeitsvertrag enthalte arbeitnehmertypische Regelungen. Obwohl Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Regelungen dieses Arbeitsvertrages nur teilweise umgesetzt würden, etwa weil der Kläger seinen Urlaubsanspruch nie voll geltend mache, sprächen die Regelungen im Anstellungsvertrag für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprächen dem äußeren Anschein nach zudem die gesellschaftsrechtlichen Strukturen innerhalb der Beigeladenen. Nicht nur die Stellung des Klägers als Gesellschafter mit einem Anteil von 50 v.H., sondern auch dessen Stellung als Prokurist sprächen für eine selbstständigen Tätigkeit. Darüber hinaus falle für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit des Klägers ins Gewicht, dass er 50 v.H. des Stammkapitals halte und einen Anspruch auf den Jahresüberschuss zuzüglich eines Gewinnvortrages und abzüglich eines Verlustvortrags habe, wobei sich die Anteile der Gesellschafter am Gewinn nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile bestimmten, sowie dass die Geschäftsräume der Beigeladenen auf die Privatadresse des Klägers angemeldet seien. Darüber hinaus habe sich bereits aufgrund der Regelungen im Gesellschaftsvertrag und im Anstellungsvertrag sowie auch aufgrund der von der Beklagten unbestrittenen Angaben des Klägers und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung der Eindruck ergeben, dass die vertraglichen Regelungen bezüglich der Unterscheidung zwischen Geschäftsführer und Prokurist sowie die damit einhergehende rechtliche Stellung innerhalb der Beigeladenen tatsächlich nicht umgesetzt würden. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, die gleiche Tätigkeit auszuüben wie der Geschäftsführer sowie dass er und der Geschäftsführer gleichberechtigte Partner seien. Dem Urteil des BSG vom 25. Januar 2006 (B 12 KR 30/04 R, a.a.O.) könne nicht entnommen werden, dass nur mitarbeitende Mehrheitsgesellschafter maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft haben könnten. Vielmehr habe das BSG im Urteil vom 17. Mai 2001 (B 12 KR 34/04 R, a.a.O.), welches wie im vorliegenden Fall einen Gesellschafter mit einem Gesellschaftsanteil von 50 v.H., der Gesellschafterbeschlüsse habe verhindern können, betroffen habe, eine selbstständige Tätigkeit bejaht.

Gegen das ihr am 27. Juni 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14. Juli 2014 Berufung eingelegt. Die Beklagte wiederholt unter Hinweis auf das genannte Urteil des BSG ihre Auffassung. Der Kläger habe nicht die Rechtsmacht, weisungsfrei in der Beigeladenen tätig zu sein. Eine sich im Verhindern von Beschlüssen erschöpfende Rechtsmacht ermögliche es dem Kläger nicht, einen maßgebenden gestalterischen Einfluss auf die Beigeladene zu nehmen. Ohne Bedeutung sei im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG zur so genannten "Schönwetter-Selbstständigkeit" der für das SG entstandene Eindruck, der Kläger und der weitere Gesellschafter K. seien gleichberechtigte Partner.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Mai 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Nach Auffassung der Beklagten wäre er als Geschäftsführer, der denselben Einschränkung unterliege wie jetzt als Prokurist, sozialversicherungsfrei, obwohl sich weder im rechtlichen Können und Dürfen noch im tatsächlichen Handeln Unterschiede ergäben.

Die Beigeladene hat im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt und keine Stellungnahme abgegeben.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung der Beklagten, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Die Beklagte hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung. Denn die Entscheidung über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt und ist auch keine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGG).

2. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2013 aufgehoben. Diese Bescheide sind rechtswidrig. Denn der Kläger ist in seiner Tätigkeit als Prokurist bei der Beigeladenen seit 1. Juli 2011 nicht abhängig beschäftigt und unterliegt deshalb nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV entscheidet über den Antrag abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV die Beklagte. Sie entscheidet nach § 7a Abs. 2 SGB IV auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt. Das Verwaltungsverfahren ist in Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs. 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem rückwirkend zum 1. Januar 1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl. 2000 I, S. 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit der Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (Bundestags-Drucksache 14/1855, S. 6).

a) Der Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2012 ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht bereits wegen einer nicht ordnungsgemäß durchgeführten Anhörung aufzuheben.

Nach § 7a Abs. 4 SGB IV teilt die Beklagte den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Die Beklagte hörte den Kläger an (Schreiben vom 24. Februar 2012). In diesem Schreiben gab sie die Merkmale an, die aus ihrer Sicht einerseits für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und andererseits für eine selbstständige Tätigkeit des Klägers sprechen. Was der Kläger letztlich rügt ist, dass die Beklagte in ihrem Bescheid vom 9. Mai 2012 nicht auf Gesichtspunkte, die er in der Stellungnahme zum Anhörungsschreiben vortrug, einging. Dies ist jedoch kein Fehler bei der Anhörung, sondern allenfalls eine fehlerhafte Begründung des Bescheids.

b) Die Beklagte hat zu Unrecht festgestellt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Prokurist bei der Beigeladenen seit 1. Juli 2011 abhängig beschäftigt ist und deshalb der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - in juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. April 2013 - B 12 KR 19/11 R - in juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 KR 17/11 R - in juris, Rn. 23, Urteil vom 31. März 2015 - B 12 KR 17/13 R - in juris, Rn. 15 - jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - in juris, Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - in juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - in juris, Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 KR 17/11 R - in juris, Rn. 23 ff. - jeweils m.w.N.).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 - 11 RAr 49/94 - in juris, Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 - 12/3/12 RK 39/74 - in juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 - B 12 KR 5/97 R - in juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 10. August 2000 - B 12 KR 21/98 R - in juris, Rn. 17 - jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - in juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - in juris, Rn. 16).

Für die Feststellung, ob ein mitarbeitender Gesellschafter eine abhängige oder selbstständige Tätigkeit ausübt, ist ein wesentliches Merkmal der Umfang seiner Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft. Als Selbstständiger kann ein in der Kapitalgesellschaft Tätiger nur dann angesehen werden, wenn er Gesellschaftsanteile an der Kapitalgesellschaft hält und damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist; etwa durch ein seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht oder in Form einer Sperrminorität, und der Betroffene damit rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30. April 2013 - B 12 KR 19/11 R - in juris Rn. 16, m.w.N.). Eine derartige Rechtsmacht haben GmbH-Gesellschafter regelmäßig dann, wenn sie zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft sind und mindestens 50 v.H. des Stammkapitals innehaben (BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 - B 12 KR 34/00 R - in juris Rn. 15).

Nach der gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung sind der Kläger und der weitere Gesellschafter K. gleichberechtigt. Beide verfügen jeweils über die Hälfte des Stammkapitals. Da Beschlüsse mit einfacher Mehrheit zustandekommen und bei Stimmengleichheit ein Antrag als abgelehnt gilt (§ 9 Abs. 8 Gesellschaftsvertrag), ist keiner der beiden Gesellschafter in der Lage, den anderen zu überstimmen. Demnach besitzt keiner der beiden Gesellschafter die Rechtsmacht, die Geschäfte der Beigeladenen gegen den Willen des jeweils anderen zu betreiben. Dies gilt gerade auch im Falle einer Streitigkeit zwischen den Gesellschaftern.

Auch wenn der Kläger nicht in der Lage ist, von ihm für richtig gehaltene Entscheidungen allein mit seinem Geschäftsanteil durchzusetzen, steht ihm eine dieser (negativen) "Verhinderungsmacht" entsprechende (positive) "Gestaltungsmacht" gegenüber (vgl. Urteil des Senats vom 7. Mai 2014 - L 4 KR 1024/13 - in juris Rn. 40, m.w.N.). Aus den Angaben des Klägers sowie des weiteren Gesellschafters K. in der mündlichen Verhandlung des SG, denen die Beklagte nicht entgegentrat, entnimmt der Senat, dass sich beide als gleichberechtigte Partner ansehen, dies von vornherein auch so durchführen wollten und auch tatsächlich durchführen. Derselbe Stimmanteil zwingt den Kläger und den weiteren Gesellschafter dazu, sich im Streitfall immer zu einigen. Wenn einer der Gesellschafter eine vom anderen Gesellschafter für richtig gehaltene Entscheidung nicht mitträgt, kann dieser allein versuchen, einen Kompromiss zu finden, mit dem auch der andere Gesellschafter einverstanden ist. Dies erfolgt auch, wie sich aus den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung beim SG, denen die Beklagte nicht entgegentrat, ergibt. Im Falle eines Streits erfolgt eine Einigung "immer irgendwie".

Dem Verneinen einer abhängigen Beschäftigung steht nicht entgegen, dass der Kläger Prokurist und nicht Geschäftsführer der Beigeladenen ist. Nach § 3 der (Anstellungs-)Verträgen vom 27. Juni 2011 und 12. Januar 2012 ist die Tätigkeit des Klägers als Prokurist beschränkt. Er ist nicht zur Vornahme von Handlungen bzw. Entscheidungen befugt, die nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag der Geschäftsführung vorbehalten sind sowie darf keine Handlungen oder Entscheidungen vornehmen, die gemäß "nachstehende(n) Regelungen" der Zustimmung der Gesellschafterversammlung unterliegen. "Nachstehende Regelungen" enthalten die (Anstellungs-)Verträge vom 27. Juni 2011 und 12. Januar 2012 aber nicht. Der Kläger kann allerdings maßgeblich auf die Tätigkeit des Geschäftsführers K. über die Gesellschafterversammlung Einfluss nehmen. Denn der weitere Gesellschafter K., der zugleich Geschäftsführer der Beigeladenen ist, kann ebenfalls nicht einseitig seine Auffassung gegen den Kläger durchsetzen. Der weitere Gesellschafter K. kann weder seine Entlastung als Geschäftsführer durchsetzen noch den Widerruf der dem Kläger erteilten Prokura erreichen.

Zu berücksichtigen ist weiterhin (zum Folgenden vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 - B 12 KR 34/00 R - in juris, Rn. 22), dass der geschäftliche Erfolg oder Misserfolg der Beigeladenen sich unmittelbar auf den Kläger auswirkt, da ihm die Beigeladene zur Hälfte gehört. Er selbst bestimmt zusammen mit dem weiteren Gesellschafter K. über die Unternehmenspolitik. Er mag zwar keinen Einfluss auf Angelegenheiten der laufenden Geschäftsführung, die allein Sache des zum Geschäftsführer bestellten weiteren Gesellschafters K. und nicht der Gesellschafterversammlung ist (BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 - B 12 KR 34/00 R - in juris, Rn. 15), haben. Jedoch können, wie bereits dargelegt, alle für die Beigeladene wesentlichen Entscheidungen nur nach einer gemeinsamen Einigung der beiden Gesellschafter getroffen werden. Das Gleiche gilt auch für den Beschluss hinsichtlich der Verwendung des Jahresüberschusses, auf den beide Gesellschafter Anspruch haben (§ 10 Abs. 2 und 3 Gesellschaftsvertrag). Ferner haben der Kläger und der weitere Gesellschafter K. die bei der Beigeladenen anfallenden Tätigkeiten nicht derart aufgeteilt, dass jeder seinen Geschäftsbereich hat, sondern jeder verrichtet dieselben Tätigkeiten innerhalb der Beigeladenen, wie der Senat ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung beim SG, denen die Beklagte nicht entgegentrat, entnimmt. Die Bestellung des weiteren Gesellschafters K. zum alleinigen Geschäftsführer erfolgte lediglich, weil der Kläger und der weitere Gesellschafter K. zwei Geschäftsführer als zu viel ansehen.

Der Verweis der Beklagten auf die Ausführungen des BSG zur "Schönwetter-Selbstständigkeit" (z.B. Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - in juris, Rn. 32) hilft vorliegend nicht weiter. Denn jenen Ausführungen lagen jeweils Fallgestaltungen zugrunde, in denen der jeweils Betroffene, dessen sozialversicherungsrechtlicher Status zu beurteilen war, nicht an der Gesellschaft beteiligt war oder jedenfalls nicht die Mehrheit der Geschäftsanteile innehatte. Im vorliegenden Fall ist keiner der beiden Gesellschafter Mehrheitsgesellschafter und Minderheitsgesellschafter. Aus demselben Grund erfordert auch keine andere Beurteilung, dass das BSG die so genannte "Kopf und Seele-Rechtsprechung" aufgegeben hat (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 - B 12 KR 23/13 R -, Terminbericht Nr. 31/15 vom 30. Juli 2015). Das Gleiche gilt hinsichtlich der Bezugnahme der Beklagten auf das Urteil des BSG vom 25. Januar 2006 (B 12 KR 30/04 R, a.a.O.), weil in jenem Verfahren die Betroffene, um deren Status dort gestritten wurde, Alleingesellschafterin war.

Dass der Anstellungsvertrag vom 27. Juni 2011 einige für ein Beschäftigungsverhältnis sprechenden Formulierungen und Regelungen enthielt, überwiegt bei der Gesamtabwägung nicht die zuvor genannten Kriterien.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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