Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 2039/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4040/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. September 2015 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner wendet sich mit der Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen (SG) vom 9. September 2015, mit welchem er im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet wurde, dem Antragsteller vorläufig den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom 20. August bis 31. Dezember 2015 - mit einem Abschlag - zu gewähren.
Der am 15. Juli 1984 in T. geborene Antragsteller, ein griechischer Staatsangehöriger, der nach Griechenland verzogen war, hat nach seinen Angaben dort die Schule besucht sowie als Helfer (Mechaniker/Elektriker) gearbeitet und hält sich seit 31. August 2012 wieder in Deutschland auf (Protokoll vom 23. Januar 2015 im Verfahren S 7 AS 3226/14 ER vor dem SG). Er wohnt in einer Obdachlosenunterkunft. Seine Deutschkennnisse sind gering. Am 31. Januar 2013 gab er ein Probearbeiten im Restaurant "E. G." an, das gemäß seiner Erklärung vom 23. Januar 2015 ca. eine Woche angedauert und zu keiner festen Anstellung geführt hat. Einer Erwerbstätigkeit ist er im Übrigen nicht nachgegangen. Er behauptet, eine Sprachschule bzw. einen Sprachkurs 2013 besucht zu haben und bei G.-Grill-Betrieben sowie einer Baustelle wegen Arbeit nachgefragt zu haben. Auf Vorsprachen bei Arbeitgebern, die er mit einem deutsch sprechenden Kollegen, der nach Arbeit für ihn gefragt habe, aufgesucht habe, habe er wegen fehlender Deutschkenntnisse keine Bescheinigungen (zur Vorlage beim Arbeitsamt) erhalten (Protokoll vom 23. Januar 2015 im Verfahren S 7 AS 3226/14 ER vor dem SG).
Einen Antrag des Antragstellers vom 31. Januar 2013 auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20. Februar 2013 und Widerspruchsbescheid vom 14. März 2013 ab. Dem Antragsteller sind Leistungen zur (Grund-)Sicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II für die Zeit vom 5. März bis 31. August 2013 auf Grund eines Beschlusses des SG im einstweiligen Rechtsschutz (S 7 AS 620/13 ER) vom 22. März 2013 vorläufig sowie für die Zeit vom 1. September 2013 bis 28. Februar 2014 und für die Zeit vom 12. Dezember 2014 bis 31. Mai 2015 wiederum auf Grund eines Beschlusses des SG im einstweiligen Rechtsschutz (S 7 AS 3226/14 ER) vom 23. Januar 2015 vorläufig gewährt worden. Im Hinblick auf das letztgenannte Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist beim SG ein Klageverfahren wegen des Ablehnungsbescheids vom 28. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2014 anhängig (S 7 AS 110/15).
Auf die Ablehnung eines weiteren Bewilligungsantrages vom 22. Juni 2015 (Bescheid vom 14. August 2015, inzwischen auch Widerspruchsbescheid vom 10. September 2015) hat der Antragsteller beim SG erneut einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Das SG hat den Antragsgegner mit dem vorliegend mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss vom 9. September 2015 (S 7 AS 2039/15 ER) vorläufig im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen der (Grund-)Sicherung für Arbeitsuchende für die Zeit vom 20. August bis 31. Dezember 2015 in Höhe von monatlich 319,20 EUR zu gewähren, längstens bis zur Bestandskraft des Bescheids vom 14. August 2015.
Gegen den ihm am 10. September 2015 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 24. September 2015. Er vertritt im Wesentlichen die Auffassung, der Antragsteller sei jedenfalls nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen, da sich sein Aufenthaltsrecht allenfalls aus dem Zwecke der Arbeitssuche ergebe bzw. noch nicht einmal ein Aufenthaltsrecht aus diesem Grunde vorliege. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 24. September 2015 verwiesen.
Der Antragsteller hat auch nach Ablauf einer beantragten und ihm eingeräumten Äußerungsfrist eine Stellungnahme zur Sache nicht abgegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorgelegten Verwaltungsakten und die Gerichtsakten beider Instanzen, einschließlich Vorakten des SG, Bezug genommen.
II.
Die gemäß den §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des SG vom 9. September 2015 ist begründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm vorläufig den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II vom 20. August bis 31. Dezember 2015 - mit einem Abschlag - zu gewähren.
Die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung liegen entgegen der Auffassung des SG nicht vor.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Ein Anordnungsgrund ist dann gegeben, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Dies ist der Fall, wenn es dem Antragsteller nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 86b RdNr. 28). Die Erfolgsaussicht des Begehrens in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund einer summarischen Prüfung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (BVerfG in BVerfGE 5, 237, 242). Allerdings sind die an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen.
Der Antragsteller hat nach den bislang bekannten Umständen keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, weswegen ein Anordnungsanspruch im Sinne von § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG nicht vorliegt.
Der Antragsteller ist zwar nach seinen Angaben hilfebedürftig und dürfte erwerbsfähig sein und seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I) seit September 2012 im Bundesgebiet haben; er erfüllt auch die gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich des Alters (vgl. zu alledem § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB II).
Der Antragsteller ist aber wenn er sich nur zur Arbeitssuche in Deutschland aufhält gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung sind gemäß Nr. 1 Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzt/EU (FreizügG/EU) freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, gemäß Nr. 2 Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen und gemäß Nr. 3 Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II leistungsberechtigt. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten (§ 7 Abs.1 Satz 3 SGB II). Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt (§ 7 Abs.1 Satz 4 SGB II).
Der 1984 geborene Antragsteller, ein griechischer Staatsangehöriger, ist nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen. Er hält sich nach seinen eigenen Angaben seit August 2012 dauerhaft in Deutschland auf, was sich auch aus den Verwaltungsakten und seinen Angaben gegenüber dem SG im vorangegangenen Verfahren ergibt, und sucht nach seinen weiteren Angaben Arbeit. Andere Gründe des Aufenthalts in Deutschland, als eine Arbeitssuche, die der Antragsgegner im Übrigen anzweifelt, sind vom Antragsteller weder konkret dargetan, noch glaubhaft gemacht, noch sonst wie ersichtlich. Nachdem der Antragsteller mit seinem beim SG eingereichten Eilantrag ab 20. August 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts begehrt und sich seit diesem Zeitpunkt bereits mehr als drei Monate in Deutschland aufhielt, greift vorliegend die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ein.
Der Antragsteller hat in der Bundesrepublik Deutschland kein materielles Aufenthaltsrecht. Die Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU liegen nicht vor, da sich der Antragsteller - mangels Ausübung einer Erwerbstätigkeit bzw. Berufsausbildung - nicht als Arbeitnehmer oder Auszubildender in der BRD aufhält. Auch die Voraussetzungen von § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a FreizügG/EU in der ab dem 9. Dezember 2014 geltenden Fassung liegen nicht vor. Danach sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Eine feste Arbeit hat der Antragsteller seit seiner Einreise am 31. August 2012 nicht aufgenommen. Eine begründete Aussicht des Antragstellers, eine Arbeit zu finden, besteht angesichts mangelnder Sprachkenntnisse nicht und ist auch nicht glaubhaft gemacht. Dies zeigt sich auch darin, dass er seit seiner Einreise keine Beschäftigung aufgenommen hat und selbst G.-Grill-Betreiber, die zumindest in einzelnen Unternehmen der griechischen Sprache mächtig sein dürften, ihn nach seinen eigenen Angaben nicht eingestellt haben. Ob dies auch daran liegt, dass er sich nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit um eine Arbeit bemüht, was der Antragsgegner vermutet und wofür auch spricht, dass er sich nun seit 31. August 2012 und somit seit über drei Jahren ohne Beschäftigung in Deutschland aufhält, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist auch nicht als glaubhaft feststellbar, dass er begründete Aussicht, eine Arbeit zu finden, hat. Der Antragsteller ist auch nicht selbständig im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU. Er ist auch nicht als Nicht-Erwerbstätiger nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 Satz 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt, da es ihm an ausreichenden eigenen Existenzmitteln fehlt. Nachdem ein Aufenthaltsrecht aus dem Aufenthaltsgesetz ebenfalls nicht ersichtlich ist (vgl. § 11 Satz 11 FreizügG/EU), verbleibt im Falle des Antragstellers nur das (formelle) Aufenthaltsrecht, das daraus resultiert, dass nach § 2 Abs. 4 FreizügG/EU Unionsbürger für den Aufenthalt keines Aufenthaltstitels bedürfen und nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizugG/EU erst ausreisepflichtig sind, wenn die Ausländerbehörde festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht. Die Vermutung der Freizügigkeit, von welcher das FreizügG/EU ausgeht, vermittelt zwar bis zur Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit durch die Ausländerbehörde einen rechtmäßigen Aufenthalt, nicht aber auch Freizügigkeit (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4. Februar 2015 - L 2 AS 14/15 B ER - in Juris unter Verweis auf Dienelt in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage, § 7 Rn. 10).
Damit gilt der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im Falle des Antragstellers.
Dieser Leistungsausschluss gilt aber auch selbst dann, wenn davon auszugehen wäre, dass der Antragsteller sich nicht allein zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland aufhält, weil er gar kein erkennbares Interesse an der Aufnahme einer Arbeit erkennen lässt, wobei ein anderer Aufenthaltszweck (außer eventuell dem des Bezugs von Leistungen) nicht ersichtlich ist. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II betrifft zwar nach seinem reinen Wortlaut nur Ausländerinnen und Ausländer, welche ein Aufenthaltsrecht haben, das sich aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Ausgehend von diesem Wortlaut verlangt eine Rechtsauffassung (LSG Hessen, Beschluss vom 7. April 2015 - L 6 AS 62/15 B ER - in Juris m.w.N., LSG Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Urteil vom 10. Oktober 2013 - L 19 AS 129/13 - in Juris, Rn. 58 ff.), dass ein Aufenthaltsrecht des Ausländers zur Arbeitsuche positiv festgestellt werden kann. Dem folgt der Senat nicht. Denn er sieht es wie u.a. auch der 1. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (vgl. Beschluss vom 29. Juni 2015 - L 1 AS 2338/15 ER-B - m.w.N. in Juris und Beschluss des erkennenden Senats vom 8. September 2015, L 13 AS 3223/15 ER-B) als wertungswidersprüchlich an, dass bei allein am Wortlaut orientierter Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II Bürger, die auf Grund ihrer Arbeitssuche über ein materielles Aufenthaltsrecht verfügen, vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen sein sollen, während sie dann, wenn sie eine Arbeitssuche nicht einmal beginnen, ihre ursprüngliche Absicht, Arbeit zu suchen, aufgeben, oder sich ihre Arbeitssuche als gescheitert herausstellt, zum Leistungsbezug nach dem SGB II berechtigt sein sollen. Eine leistungsrechtliche Besserstellung von EU-Bürgern, die sich nur formal erlaubt im Bundesgebiet aufhalten, gegenüber EU-Bürgern mit materiellem Aufenthaltsrecht verstößt zudem gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Eine Bevorzugung wirtschaftlich inaktiver EU-Bürger würde auch mit der in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II einfachgesetzlich festgelegten Pflicht kollidieren, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen. Der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist deshalb nach zutreffender Rechtsauffassung dahingehend auszulegen, dass er auch EU-Bürger, bei denen ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitssuche nicht bestanden hat oder fortgefallen ist und kein anderes materielles Aufenthaltsrecht feststellbar ist, mit umfasst. Diese Auslegung gebietet auch Sinn und Zweck der Regelung, eine "Einwanderung in die Sozialsysteme" (LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 29. Juni 2015, L 1 AS 2338/15 ER-B, a.a.O. m.w.N.) unter Ausnutzung der Möglichkeiten, die die Freizügigkeit für EU-Ausländer innerhalb des EU-Binnenmarktes bietet, zu verhindern. Alle EU-Ausländer, bei denen die Ausländerbehörde das Nichtbestehen eines Freizügigkeitsrechts (noch) nicht formell festgestellt hat, halten sich nur formal erlaubt in der Bundesrepublik Deutschland auf. Deren (formales) Aufenthaltsrecht ist aber ebenso Ausfluss der Regeln des Binnenmarktes für Unionsbürger wie das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche; es beruht gerade auf der Privilegierung durch die Freizügigkeitsvermutung (vgl. im Einzelnen, auch zur Gesetzesbegründung, LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 29. Juni 2015, L 1 AS 2338/15 ER-B, a.a.O. m.w.N.).
Die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II verstößt auch nicht gegen Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts, wenn der nicht erwerbstätige Unionsbürger nicht über ausreichende Existenzmittel für seinen Lebensunterhalt verfügt und nur zum Zwecke der Inanspruchnahme von Sozialleistungen in einen anderen Mitgliedstaat einreist. Insoweit verweist der Senat auf das Urteil des EuGH vom 11. November 2014 (Rechtssache C-333/13 [Dano] veröffentlicht u.a. in Juris; vgl. hierzu auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01. Dezember 2014 - L 2 AS 1146/14 B ER sowie Hessisches LSG, Beschluss vom 11. Dezember 2014 - L 7 AS 528/14 B ER, jeweils veröffentlicht in juris). Demnach kann ein Unionsbürger eine Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats hinsichtlich des Zugangs zu Sozialleistungen nur verlangen, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet die Voraussetzungen der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (RL 2004/38/EG), erfüllt (EuGH, a.a.O). Bei einem Aufenthalt von mehr als drei Monaten ist die Ausübung des Aufenthaltsrechts von den in Art. 7 Abs. 1 der RL 2004/38/EG genannten Voraussetzungen abhängig (EuGH, a.a.O.). Es ist demnach zu prüfen, ob der Aufenthalt des Unionsbürgers die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der RL 2004/38/EG erfüllt (EuGH, a.a.O.), mithin, ob dieser für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, sodass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedsstaat verfügen. Ausreichende Existenzmittel sind hier nicht glaubhaft gemacht. Nach den eigenen Angaben des Antragstellers verfügt er weder über Einkommen noch über Vermögen; er erhält Unterstützung durch Bekannte oder Dritte. Er verfügt auch nicht über eine Krankenversicherung. Nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland wurde auch keine Erwerbstätigkeit ausgeübt; daher scheidet auch ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 der RL 2004/38/EG aus. Art. 24 Abs. 1 der RL 2004/38/EG (Verbot der Diskriminierung) steht damit im Fall des Antragstellers der Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht entgegen (vgl. auch Thym, Die Rückkehr des Marktbürgers - Zum Ausschluss nichterwerbsfähiger EU-Bürger von Hartz IV-Leistungen, NJW 2015, 130). Bestätigt wurde dies inzwischen auch durch das weitere Urteil des EuGH vom 15. September 2015 in der Rechtssache C-67/14 (Alimanovic), das nach der Entscheidung des SG ergangen ist und diesem noch nicht bekannt sein konnte.
Auch das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) steht der Geltung des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht entgegen. Die Bundesregierung hat am 19. Dezember 2011 (in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 2012 in BGBl. II 144, berichtigt durch Bekanntmachung zum Europäischen Fürsorgeabkommen vom 3. April 2012 in BGBl. II 470) gegen die Anwendung des SGB II im Rahmen des EFA einen Vorbehalt nach Art. 16 Abs. b EFA angebracht. Dieser ist auch wirksam. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des BSG (vgl. Vorlagebeschluss vom 12. Dezember 2013 in der Fassung des Beschlusses vom 11.Februiar 2015, Az. B 4 AS 9/13 R und in Juris und dazu auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. April 2015, Az. L 2 AS 2299/14 B ER m.w.N. in Juris) an.
Einer Beiladung des Sozialhilfeträgers wegen Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ist nicht notwendig, da es sich bei Leistungen nach dem SGB II und dem SG XII um gleichrangige, selbstständig nebeneinander bestehende Sozialleistungen handelt und das SGB XII insoweit keine Auffangfunktion hat (Vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juni 2015, L 31 AS 100/14 m.w.N. in Juris).
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG. Der Senat hat im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens für maßgeblich erachtet, dass die Beschwerde des Antragsgegners erfolgreich gewesen ist und der Antragsteller keinen Anspruch auf Erlass der einstweiligen Anordnung hat.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner wendet sich mit der Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen (SG) vom 9. September 2015, mit welchem er im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet wurde, dem Antragsteller vorläufig den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom 20. August bis 31. Dezember 2015 - mit einem Abschlag - zu gewähren.
Der am 15. Juli 1984 in T. geborene Antragsteller, ein griechischer Staatsangehöriger, der nach Griechenland verzogen war, hat nach seinen Angaben dort die Schule besucht sowie als Helfer (Mechaniker/Elektriker) gearbeitet und hält sich seit 31. August 2012 wieder in Deutschland auf (Protokoll vom 23. Januar 2015 im Verfahren S 7 AS 3226/14 ER vor dem SG). Er wohnt in einer Obdachlosenunterkunft. Seine Deutschkennnisse sind gering. Am 31. Januar 2013 gab er ein Probearbeiten im Restaurant "E. G." an, das gemäß seiner Erklärung vom 23. Januar 2015 ca. eine Woche angedauert und zu keiner festen Anstellung geführt hat. Einer Erwerbstätigkeit ist er im Übrigen nicht nachgegangen. Er behauptet, eine Sprachschule bzw. einen Sprachkurs 2013 besucht zu haben und bei G.-Grill-Betrieben sowie einer Baustelle wegen Arbeit nachgefragt zu haben. Auf Vorsprachen bei Arbeitgebern, die er mit einem deutsch sprechenden Kollegen, der nach Arbeit für ihn gefragt habe, aufgesucht habe, habe er wegen fehlender Deutschkenntnisse keine Bescheinigungen (zur Vorlage beim Arbeitsamt) erhalten (Protokoll vom 23. Januar 2015 im Verfahren S 7 AS 3226/14 ER vor dem SG).
Einen Antrag des Antragstellers vom 31. Januar 2013 auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20. Februar 2013 und Widerspruchsbescheid vom 14. März 2013 ab. Dem Antragsteller sind Leistungen zur (Grund-)Sicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II für die Zeit vom 5. März bis 31. August 2013 auf Grund eines Beschlusses des SG im einstweiligen Rechtsschutz (S 7 AS 620/13 ER) vom 22. März 2013 vorläufig sowie für die Zeit vom 1. September 2013 bis 28. Februar 2014 und für die Zeit vom 12. Dezember 2014 bis 31. Mai 2015 wiederum auf Grund eines Beschlusses des SG im einstweiligen Rechtsschutz (S 7 AS 3226/14 ER) vom 23. Januar 2015 vorläufig gewährt worden. Im Hinblick auf das letztgenannte Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist beim SG ein Klageverfahren wegen des Ablehnungsbescheids vom 28. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2014 anhängig (S 7 AS 110/15).
Auf die Ablehnung eines weiteren Bewilligungsantrages vom 22. Juni 2015 (Bescheid vom 14. August 2015, inzwischen auch Widerspruchsbescheid vom 10. September 2015) hat der Antragsteller beim SG erneut einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Das SG hat den Antragsgegner mit dem vorliegend mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss vom 9. September 2015 (S 7 AS 2039/15 ER) vorläufig im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen der (Grund-)Sicherung für Arbeitsuchende für die Zeit vom 20. August bis 31. Dezember 2015 in Höhe von monatlich 319,20 EUR zu gewähren, längstens bis zur Bestandskraft des Bescheids vom 14. August 2015.
Gegen den ihm am 10. September 2015 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 24. September 2015. Er vertritt im Wesentlichen die Auffassung, der Antragsteller sei jedenfalls nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen, da sich sein Aufenthaltsrecht allenfalls aus dem Zwecke der Arbeitssuche ergebe bzw. noch nicht einmal ein Aufenthaltsrecht aus diesem Grunde vorliege. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 24. September 2015 verwiesen.
Der Antragsteller hat auch nach Ablauf einer beantragten und ihm eingeräumten Äußerungsfrist eine Stellungnahme zur Sache nicht abgegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorgelegten Verwaltungsakten und die Gerichtsakten beider Instanzen, einschließlich Vorakten des SG, Bezug genommen.
II.
Die gemäß den §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des SG vom 9. September 2015 ist begründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm vorläufig den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II vom 20. August bis 31. Dezember 2015 - mit einem Abschlag - zu gewähren.
Die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung liegen entgegen der Auffassung des SG nicht vor.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Ein Anordnungsgrund ist dann gegeben, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Dies ist der Fall, wenn es dem Antragsteller nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 86b RdNr. 28). Die Erfolgsaussicht des Begehrens in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund einer summarischen Prüfung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (BVerfG in BVerfGE 5, 237, 242). Allerdings sind die an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen.
Der Antragsteller hat nach den bislang bekannten Umständen keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, weswegen ein Anordnungsanspruch im Sinne von § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG nicht vorliegt.
Der Antragsteller ist zwar nach seinen Angaben hilfebedürftig und dürfte erwerbsfähig sein und seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I) seit September 2012 im Bundesgebiet haben; er erfüllt auch die gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich des Alters (vgl. zu alledem § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB II).
Der Antragsteller ist aber wenn er sich nur zur Arbeitssuche in Deutschland aufhält gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung sind gemäß Nr. 1 Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzt/EU (FreizügG/EU) freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, gemäß Nr. 2 Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen und gemäß Nr. 3 Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II leistungsberechtigt. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten (§ 7 Abs.1 Satz 3 SGB II). Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt (§ 7 Abs.1 Satz 4 SGB II).
Der 1984 geborene Antragsteller, ein griechischer Staatsangehöriger, ist nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen. Er hält sich nach seinen eigenen Angaben seit August 2012 dauerhaft in Deutschland auf, was sich auch aus den Verwaltungsakten und seinen Angaben gegenüber dem SG im vorangegangenen Verfahren ergibt, und sucht nach seinen weiteren Angaben Arbeit. Andere Gründe des Aufenthalts in Deutschland, als eine Arbeitssuche, die der Antragsgegner im Übrigen anzweifelt, sind vom Antragsteller weder konkret dargetan, noch glaubhaft gemacht, noch sonst wie ersichtlich. Nachdem der Antragsteller mit seinem beim SG eingereichten Eilantrag ab 20. August 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts begehrt und sich seit diesem Zeitpunkt bereits mehr als drei Monate in Deutschland aufhielt, greift vorliegend die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ein.
Der Antragsteller hat in der Bundesrepublik Deutschland kein materielles Aufenthaltsrecht. Die Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU liegen nicht vor, da sich der Antragsteller - mangels Ausübung einer Erwerbstätigkeit bzw. Berufsausbildung - nicht als Arbeitnehmer oder Auszubildender in der BRD aufhält. Auch die Voraussetzungen von § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a FreizügG/EU in der ab dem 9. Dezember 2014 geltenden Fassung liegen nicht vor. Danach sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Eine feste Arbeit hat der Antragsteller seit seiner Einreise am 31. August 2012 nicht aufgenommen. Eine begründete Aussicht des Antragstellers, eine Arbeit zu finden, besteht angesichts mangelnder Sprachkenntnisse nicht und ist auch nicht glaubhaft gemacht. Dies zeigt sich auch darin, dass er seit seiner Einreise keine Beschäftigung aufgenommen hat und selbst G.-Grill-Betreiber, die zumindest in einzelnen Unternehmen der griechischen Sprache mächtig sein dürften, ihn nach seinen eigenen Angaben nicht eingestellt haben. Ob dies auch daran liegt, dass er sich nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit um eine Arbeit bemüht, was der Antragsgegner vermutet und wofür auch spricht, dass er sich nun seit 31. August 2012 und somit seit über drei Jahren ohne Beschäftigung in Deutschland aufhält, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist auch nicht als glaubhaft feststellbar, dass er begründete Aussicht, eine Arbeit zu finden, hat. Der Antragsteller ist auch nicht selbständig im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU. Er ist auch nicht als Nicht-Erwerbstätiger nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 Satz 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt, da es ihm an ausreichenden eigenen Existenzmitteln fehlt. Nachdem ein Aufenthaltsrecht aus dem Aufenthaltsgesetz ebenfalls nicht ersichtlich ist (vgl. § 11 Satz 11 FreizügG/EU), verbleibt im Falle des Antragstellers nur das (formelle) Aufenthaltsrecht, das daraus resultiert, dass nach § 2 Abs. 4 FreizügG/EU Unionsbürger für den Aufenthalt keines Aufenthaltstitels bedürfen und nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizugG/EU erst ausreisepflichtig sind, wenn die Ausländerbehörde festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht. Die Vermutung der Freizügigkeit, von welcher das FreizügG/EU ausgeht, vermittelt zwar bis zur Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit durch die Ausländerbehörde einen rechtmäßigen Aufenthalt, nicht aber auch Freizügigkeit (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4. Februar 2015 - L 2 AS 14/15 B ER - in Juris unter Verweis auf Dienelt in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage, § 7 Rn. 10).
Damit gilt der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im Falle des Antragstellers.
Dieser Leistungsausschluss gilt aber auch selbst dann, wenn davon auszugehen wäre, dass der Antragsteller sich nicht allein zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland aufhält, weil er gar kein erkennbares Interesse an der Aufnahme einer Arbeit erkennen lässt, wobei ein anderer Aufenthaltszweck (außer eventuell dem des Bezugs von Leistungen) nicht ersichtlich ist. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II betrifft zwar nach seinem reinen Wortlaut nur Ausländerinnen und Ausländer, welche ein Aufenthaltsrecht haben, das sich aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Ausgehend von diesem Wortlaut verlangt eine Rechtsauffassung (LSG Hessen, Beschluss vom 7. April 2015 - L 6 AS 62/15 B ER - in Juris m.w.N., LSG Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Urteil vom 10. Oktober 2013 - L 19 AS 129/13 - in Juris, Rn. 58 ff.), dass ein Aufenthaltsrecht des Ausländers zur Arbeitsuche positiv festgestellt werden kann. Dem folgt der Senat nicht. Denn er sieht es wie u.a. auch der 1. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (vgl. Beschluss vom 29. Juni 2015 - L 1 AS 2338/15 ER-B - m.w.N. in Juris und Beschluss des erkennenden Senats vom 8. September 2015, L 13 AS 3223/15 ER-B) als wertungswidersprüchlich an, dass bei allein am Wortlaut orientierter Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II Bürger, die auf Grund ihrer Arbeitssuche über ein materielles Aufenthaltsrecht verfügen, vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen sein sollen, während sie dann, wenn sie eine Arbeitssuche nicht einmal beginnen, ihre ursprüngliche Absicht, Arbeit zu suchen, aufgeben, oder sich ihre Arbeitssuche als gescheitert herausstellt, zum Leistungsbezug nach dem SGB II berechtigt sein sollen. Eine leistungsrechtliche Besserstellung von EU-Bürgern, die sich nur formal erlaubt im Bundesgebiet aufhalten, gegenüber EU-Bürgern mit materiellem Aufenthaltsrecht verstößt zudem gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Eine Bevorzugung wirtschaftlich inaktiver EU-Bürger würde auch mit der in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II einfachgesetzlich festgelegten Pflicht kollidieren, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen. Der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist deshalb nach zutreffender Rechtsauffassung dahingehend auszulegen, dass er auch EU-Bürger, bei denen ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitssuche nicht bestanden hat oder fortgefallen ist und kein anderes materielles Aufenthaltsrecht feststellbar ist, mit umfasst. Diese Auslegung gebietet auch Sinn und Zweck der Regelung, eine "Einwanderung in die Sozialsysteme" (LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 29. Juni 2015, L 1 AS 2338/15 ER-B, a.a.O. m.w.N.) unter Ausnutzung der Möglichkeiten, die die Freizügigkeit für EU-Ausländer innerhalb des EU-Binnenmarktes bietet, zu verhindern. Alle EU-Ausländer, bei denen die Ausländerbehörde das Nichtbestehen eines Freizügigkeitsrechts (noch) nicht formell festgestellt hat, halten sich nur formal erlaubt in der Bundesrepublik Deutschland auf. Deren (formales) Aufenthaltsrecht ist aber ebenso Ausfluss der Regeln des Binnenmarktes für Unionsbürger wie das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche; es beruht gerade auf der Privilegierung durch die Freizügigkeitsvermutung (vgl. im Einzelnen, auch zur Gesetzesbegründung, LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 29. Juni 2015, L 1 AS 2338/15 ER-B, a.a.O. m.w.N.).
Die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II verstößt auch nicht gegen Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts, wenn der nicht erwerbstätige Unionsbürger nicht über ausreichende Existenzmittel für seinen Lebensunterhalt verfügt und nur zum Zwecke der Inanspruchnahme von Sozialleistungen in einen anderen Mitgliedstaat einreist. Insoweit verweist der Senat auf das Urteil des EuGH vom 11. November 2014 (Rechtssache C-333/13 [Dano] veröffentlicht u.a. in Juris; vgl. hierzu auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01. Dezember 2014 - L 2 AS 1146/14 B ER sowie Hessisches LSG, Beschluss vom 11. Dezember 2014 - L 7 AS 528/14 B ER, jeweils veröffentlicht in juris). Demnach kann ein Unionsbürger eine Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats hinsichtlich des Zugangs zu Sozialleistungen nur verlangen, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet die Voraussetzungen der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (RL 2004/38/EG), erfüllt (EuGH, a.a.O). Bei einem Aufenthalt von mehr als drei Monaten ist die Ausübung des Aufenthaltsrechts von den in Art. 7 Abs. 1 der RL 2004/38/EG genannten Voraussetzungen abhängig (EuGH, a.a.O.). Es ist demnach zu prüfen, ob der Aufenthalt des Unionsbürgers die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der RL 2004/38/EG erfüllt (EuGH, a.a.O.), mithin, ob dieser für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, sodass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedsstaat verfügen. Ausreichende Existenzmittel sind hier nicht glaubhaft gemacht. Nach den eigenen Angaben des Antragstellers verfügt er weder über Einkommen noch über Vermögen; er erhält Unterstützung durch Bekannte oder Dritte. Er verfügt auch nicht über eine Krankenversicherung. Nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland wurde auch keine Erwerbstätigkeit ausgeübt; daher scheidet auch ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 der RL 2004/38/EG aus. Art. 24 Abs. 1 der RL 2004/38/EG (Verbot der Diskriminierung) steht damit im Fall des Antragstellers der Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht entgegen (vgl. auch Thym, Die Rückkehr des Marktbürgers - Zum Ausschluss nichterwerbsfähiger EU-Bürger von Hartz IV-Leistungen, NJW 2015, 130). Bestätigt wurde dies inzwischen auch durch das weitere Urteil des EuGH vom 15. September 2015 in der Rechtssache C-67/14 (Alimanovic), das nach der Entscheidung des SG ergangen ist und diesem noch nicht bekannt sein konnte.
Auch das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) steht der Geltung des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht entgegen. Die Bundesregierung hat am 19. Dezember 2011 (in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 2012 in BGBl. II 144, berichtigt durch Bekanntmachung zum Europäischen Fürsorgeabkommen vom 3. April 2012 in BGBl. II 470) gegen die Anwendung des SGB II im Rahmen des EFA einen Vorbehalt nach Art. 16 Abs. b EFA angebracht. Dieser ist auch wirksam. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des BSG (vgl. Vorlagebeschluss vom 12. Dezember 2013 in der Fassung des Beschlusses vom 11.Februiar 2015, Az. B 4 AS 9/13 R und in Juris und dazu auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. April 2015, Az. L 2 AS 2299/14 B ER m.w.N. in Juris) an.
Einer Beiladung des Sozialhilfeträgers wegen Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ist nicht notwendig, da es sich bei Leistungen nach dem SGB II und dem SG XII um gleichrangige, selbstständig nebeneinander bestehende Sozialleistungen handelt und das SGB XII insoweit keine Auffangfunktion hat (Vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juni 2015, L 31 AS 100/14 m.w.N. in Juris).
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG. Der Senat hat im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens für maßgeblich erachtet, dass die Beschwerde des Antragsgegners erfolgreich gewesen ist und der Antragsteller keinen Anspruch auf Erlass der einstweiligen Anordnung hat.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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