Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 P 4674/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 4024/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. September 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Ergänzung der Akte der Antragsgegnerin und Akteneinsicht hierin.
Die Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin pflegeversichert. Sie beantragte am 15. Mai 2015 Geldleistungen der Pflegeversicherung. Im Auftrag der Antragsgegnerin erstellte die Pflegefachkraft Z. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) auf Grund einer Untersuchung der Antragstellerin vom 18. Juni 2015 unter dem 19. Juni 2015 ein Gutachten, in dem sie zu dem Ergebnis kam, dass ein durchschnittlicher täglicher Grundpflegebedarf von 97 Minuten sowie ein durchschnittlicher täglicher Zeitaufwand für Hauswirtschaft von 60 Minuten und damit Pflegestufe I vorliege. Die Alltagskompetenz der Antragstellerin sei in erhöhtem Maße eingeschränkt.
Die Antragsgegnerin bewilligte der Antragstellerin daraufhin mit Bescheid vom 22. Juni 2015 Pflegegeld der Pflegestufe I ab dem 1. Mai 2015 sowie zusätzlich Leistungen für Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz.
Hiergegen erhob die Antragstellerin am 2. Juli 2015 Widerspruch. Sie machte verschiedene Mängel bei der Untersuchung durch die Pflegefachkraft Z. sowie in deren Gutachten geltend.
Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 29. Juli 2015 mit, den MDK mit einem neuen Gutachten zu beauftragen. Die Antragstellerin beantragte daraufhin unter dem 31. Juli 2015 die Übersendung einer Kopie der Stellungnahme der Erstgutachterin zu ihrer Widerspruchsbegründung. Der MDK habe am 18. Juni 2015 die Pflegesituation vor Ort begutachtet und bei der Erstellung des Gutachtens wesentliche Fakten ignoriert, die sich bereits aus der Versichertenakte der Antragsgegnerin hätten ablesen lassen bzw. die in der Widerspruchsbegründung dargelegt worden seien. Sie bitte um eine Stellungnahme, wie eine weitere Begutachtung sicherstellen solle, dass die Aktenlage und die Widerspruchsgründe korrekt in ein neues Gutachten einflößen und warum eine korrigierte Entscheidung nach Aktenlage unmöglich sei.
Sodann erstellte im Auftrag der Antragsgegnerin die Pflegefachkraft Braun vom MDK ein Gutachten nach Aktenlage vom 5. August 2015. Sie bestätigte hinsichtlich der Pflegestufe I das Ergebnis des Vorgutachtens, allerdings mit einem durchschnittlichen täglichen Grundpflegebedarf von 103 Minuten.
Die Antragsgegnerin unterrichtete die Antragstellerin mit Schreiben vom 14. August 2015 über das Ergebnis dieses zweiten Gutachtens.
Mit Schreiben vom 18. August 2015 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin auf, ihr bis zum 24. August 2015 eine Kopie der Stellungnahme der Erstgutachterin zu ihrer Widerspruchsbegründung zukommen zu lassen.
Die Antragsgegnerin erwiderte unter dem 28. August 2015, dass die Antragstellerin sämtliche Unterlagen erhalten habe, die sie – die Antragsgegnerin – von den Gutachtern des MDK erhalten habe. Die Stellungnahme des Erstgutachters des MDK erhalte sie – die Antragsgegnerin – nicht. Der MDK archiviere eine Stellungnahme des ersten Gutachters nicht, sofern dieser am Ergebnis seines Gutachtens festhalte.
Die Antragstellerin ersuchte am 24. August 2015 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) um einstweiligen Rechtsschutz nach und begehrte im Wege einer einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr eine Kopie der Stellungnahme der Erstgutachterin des MDK zu übermitteln. Die Stellungnahme der Erstgutachterin zum Widerspruch und dessen Begründung sei verbindlich normiert und deren Kenntnis für die Verteidigung der rechtlichen Interessen evident. Die Erstgutachterin habe systematische Fehler bei der Begutachtung und demzufolge im Erstgutachten vorgenommen, die das Ergebnis des Gutachtens sehr negativ beeinflusst hätten. Dies sei im Widerspruch ausführlich begründet worden. Warum sie dem nicht folgen wolle, ergebe sich erst aus ihrer Prüfung und Stellungnahme.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen. Sie äußerte sich ausschließlich zum Verfahrensablauf und zur materiellen Frage, welche Pflegestufe bei der Antragstellerin gegeben sei.
Das SG übersandte die Antragserwiderung am 4. September 2015 an die Antragstellerin, stellte die Abgabe einer Stellungnahme frei, wies auf die fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens hin und stellte die Rücknahme des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz bis zum 10. September 2015 anheim.
Das SG lehnte den Antrag auf einstweiligen Rechtschutz mit Beschluss vom 14. September 2015 ab. Die Antragstellerin habe bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung keinen Anordnungsanspruch auf Überlassung der begehrten Kopie einer Stellungnahme der Erstgutachterin des MDK. Ein entsprechender Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aus dem Akteneinsichtsrecht nach § 25 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Zwar hätten Sozialversicherungsträger danach den Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich sei. Dies scheide im Streitfall jedoch aus, weil die Stellungnahme der Pflegegutachterin des MDK zu der Widerspruchsbegründung der Antragstellerin nicht in den Verwaltungsakten der Antragsgegnerin enthalten sei, also kein Aktenbestandteil sei. Die Antragsgegnerin sei auch nicht verpflichtet, die Stellungnahme der Erstgutachterin beim MDK beizuziehen, um der Antragstellerin Akteneinsicht zu gewähren. Eine solche Beiziehung scheitere schon faktisch daran, dass der MDK nach seinen Angaben ihr gegenüber die Stellungnahme der Erstgutachter nicht archiviere. Darüber hinaus habe dem MDK der Pflegekasse auch nur das Ergebnis seiner Prüfung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit zu übermitteln. Interne Stellungnahmen, Vorprüfungen oder Begutachtungsbeiträge müsse er nicht herausgeben. Entsprechend vermittelten § 18 Abs. 3 Sätze 8 bis 10 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) dem Antragsteller im Pflegeverfahren nur ein Recht darauf, dass ihm das Gutachten übermittelt werde. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinie). Unabhängig davon bestehe auch kein Anordnungsgrund. Die Angelegenheit sei nicht eilbedürftig. Durch ein Abwarten der Hauptsache drohten der Antragstellerin keine Nachteile. Die Antragsgegnerin habe der Antragstellerin die beiden eingeholten Pflegegutachten des MDK übermittelt und damit die Begutachtungsergebnisse, die sie ihrer Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin auf Pflegeleistungen zu Grunde lege. Die Antragstellerin sei dadurch hinreichend in die Lage versetzt, ihre rechtlichen Interessen im Verwaltungsverfahren wahrzunehmen. Eine einstweilige Anordnung sei schließlich auch kein Instrument zur Kontrolle von Verwaltungsverfahren oder gar zur Disziplinierung der Verwaltung. Der Zweck sei es vielmehr nur, durch eine vorläufige Regelung den Eintritt vollendeter Tatsachen zu verhindern und gegebenenfalls dem Betroffenen vorläufig die Mittel zu Verfügung zu stellen, die zur Behebung einer aktuell bestehenden Notlage notwendig seien. Im Streitfall bestünde aber weder die Gefahr, dass gerichtlicher Rechtsschutz in der Hauptsache zu spät komme, noch sei eine Notlage der Antragstellerin zu erkennen.
Der Beschluss des SG wurde am 14. September 2015 zur Post gegeben. Am gleichen Tag ging beim SG eine Stellungnahme der Antragstellerin vom 12. September 2014 ein, in der diese ausführt, dass die Stellungnahme der Antragsgegnerin keinen Bezug zu ihrem Antrag enthalte. Im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht habe die Antragsgegnerin eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Verfahrensgegenstandes zu gewährleisten. Die MDK-Erstgutachterin habe sich als Beteiligte im Verwaltungsverfahren an die geltenden Gesetze, Richtlinien und Verordnungen zu halten; aus ihrer Beurteilung des Widerspruches leiteten sich gegebenenfalls alle weiteren Verfahrenszüge ab. Es sei deshalb verfahrenserheblich, wie die Erstgutachterin die ausführlich dargestellten sachlichen und förmlichen Widerspruchsgründe beurteile und warum sie ihre Entscheidung nicht revidieren wolle. Zudem erfülle die Stellungnahme den Rechtsgedanken des § 35 SGB X und das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung. Es müsse im Interesse der Antragsgegnerin liegen, alle verfahrenserheblichen Sachverhalte, die zur Beurteilung des Widerspruches notwendig seien, vorliegen zu haben. Sie ergänzte ihren Antrag dahingehend, dass das SG den MDK verpflichten solle, die Stellungnahme der Erstgutachterin zum Widerspruch umgehend zu übermitteln.
Gegen den ihr am 15. September 2015 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 23. September 2015 Beschwerde eingelegt. Das SG habe zum einen ihr rechtliches Gehör verletzt. Das SG habe mit Schreiben vom 4. September 2015, das bei ihr am 12. September 2015 eingegangen sei, einen Schriftsatz übermittelt und eine Stellungnahme bis 10. September 2015 freigestellt. Auf Grund des postalischen Eingangs habe ihre Stellungnahme erst mit Schreiben vom 12. September 2015 erfolgen und dem SG am 14. September 2015 übermittelt werden können. Diese Stellungnahme enthalte eine Ergänzung des bereits eingereichten Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz. Der Beschluss des SG erwähne jedoch diese Stellungnahme und die Ergänzung des Antrages mit keinem Wort. Dieser Verfahrensmangel sei wahrscheinlich der Tatsachen geschuldet, dass der Beschluss bereits verfasst und ihre Stellungnahme vom gleichen Tag ignoriert worden sei. Das SG, die Antragsgegnerin und der MDK hätten ihre Amtsermittlungspflichten verletzt. Im vorgerichtlichen Verfahren sei zu gewährleiten, dass das Prüfungsergebnis der Erstgutachterin des MDK nachvollziehbar sein müsse. Denn der vom Gesetzgeber verfolgte Sinn des vorgerichtlichen Verfahrens liege auch darin, den Sachverhalt zu klären, um gegebenenfalls ein Hauptsacheverfahren vermeiden zu können. Dies würde auch dem Gedanken des Rechtsstaatsgebotes des Art. 20 Grundgesetz (GG) entsprechen. Es dränge sich der Verdacht auf, dass eine Prüfung der Widerspruchsgründe vorsätzlich unterlassen worden sei. Das Erstgutachten des MDK sei zentraler Ausgangspunkt aller weiteren gegebenenfalls notwendigen Verfahrenszüge. Wenn die MDK-Gutachterin über ein Menschenleben entscheide und sich im vorgerichtlichen Verfahren damit beteilige, könne es nach den Amtsermittlungspflichten und dem Rechtsstaatsprinzip nur recht und billig sei, dass ihre Prüfung vorgelegter sachlicher Widerspruchsgründe nachvollziehbar sein müsse und nicht nur eine interne Stellungnahme, Vorprüfung oder ein Begutachtungsbeitrag sein könne. Die Antragsgegnerin spekuliere auf ihr Ableben und lasse auch aus ihrer gerichtlich angeforderten Stellungnahme erkennen, dass sie ohne eigene Prüfung nur ein Hauptsacheverfahren anstrebe, um damit die Sozialgerichte zu belasten. Zudem sollte ihr seit Juli 2015 ein neues medizinisches Problem (schlechter PAP-Wert) bekannt sein, das in seiner vollen Ausprägung zum Tode führe. Da die MDK-Gutachterin täglich mehrere Gutachten erstelle und Sachverhalte prüfe, bestehe die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass sie bei einem Hauptsacheverfahren, das mehrere Jahre dauern könne und dessen Beginn ungewiss sei, nicht mehr wisse, warum sie auf Grund ihrer "Prüfung" die Widerspruchsgründe zu keinem anderen Ergebnis gekommen sei. Diesen wesentlichen Nachteil müsse sie sich nicht gefallen lassen. Auch aus den vorstehenden Gründen leiteten sich Anordnungsgrund und besondere Eilbedürftigkeit ab.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. September 2015 aufzuheben und die Antragsgegnerin und den MDK im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Stellungnahme der Erstgutachterin des MDK zu ihrer Widerspruchsbegründung umgehend bereitzustellen, hilfsweise den Vorgang dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG zur endgültigen Überprüfung und Entscheidung vorzulegen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, das SG habe zutreffend festgestellt, dass Anordnungsgründe nicht vorlägen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtzüge sowie auf die beigezogene Akte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde der Antragstellerin ist unzulässig, soweit sie die Verpflichtung des MDK begehrt, die Stellungnahme der Erstgutachterin zu ihren Widerspruch vorzulegen. Denn über Ansprüche der Antragstellerin gegen den MDK hat das SG in dem angegriffenen Beschluss nicht entschieden. Es hat ausschließlich über das gegen die Antragsgegnerin gerichtete Begehren entschieden. Gegenstand der Prüfung durch das Beschwerdegericht kann aber nur die Entscheidung des SG sein, nicht ein nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens gestellter Antrag.
Soweit sich die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Entscheidung des SG, gegen die Antragsgegnerin keine einstweilige Anordnung zu erlassen, richtet, ist die Beschwerde zulässig. Die Antragstellerin hat die Beschwerde gemäß § 173 Sätze 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerde ist auch nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, denn eine Berufung in der Hauptsache bedürfte nicht der Zulassung (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 14. Dezember 1988 – 9/4b RV 55/86 – in juris, Rn. 11 ff.; BSG, Urteil vom 28. Juni 1991 – 2 RU 24/90 – in juris, Rn. 14).
2. Die Beschwerde ist aber, soweit sie zulässig ist, unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Allerdings ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits unzulässig.
a) Da vorliegend kein Fall der Anordnung der aufschiebenden Wirkung oder der sofortigen Vollziehung nach § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, richtet sich der einstweilige Rechtsschutz nach § 86b Abs. 2 SGG. Im Betracht kommt insoweit allein die Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein.
Da im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedoch nicht mehr begehrt werden kann als in einem Hauptsachverfahren zugesprochen werden könnte, sind von vorneherein solche Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unstatthaft, deren Ziel auch in einem Klageverfahren nicht zulässigerweise geltend gemacht werden könnte.
So verhält es sich aber hier. Die Antragstellerin begehrt Einsicht in die Akten der Antragsgegnerin bzw. begehrt von ihr, zuvor ihre Akten um eine Stellungnahme einer Pflegefachkraft des MDK zu ergänzen. Dies hat die Antragsgegnerin abgelehnt. Die Rechtsprechung des BSG ging schon unter der früheren Rechtslage unter Verweis auf den in § 44a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) enthaltenen Rechtsgedanken davon aus, dass behördliche Verfahrenshandlungen – und hierzu zählen Entscheidungen über die Gewährung von Akteneinsicht (BSG, Urteil vom 10. Dezember 1992 – 11 RAr 71/91 – in juris, Rn. 14; Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 9. August 2007 – L 7 AS 874/07 – in juris, Rn. 18; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. April 2008 – L 18 B 513/08 AS – in juris, Rn. 2) – nicht isoliert anfechtbar sind, wenn es sich – wie hier – um Verfahrenshandlungen innerhalb eines laufenden Verwaltungsverfahrens handelt, dessen abschließende Verwaltungsentscheidung der gerichtlichen Überprüfung unterliegt und in deren Rahmen dann auch über die Rechtmäßigkeit der Verfahrenshandlung mit dem gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelf entschieden werden kann (BSG, Urteil vom 14. Dezember 1988 – 9/4b RV 55/86 – in juris, Rn. 19 ff.; BSG, Urteil vom 28. Juni 1991 – 2 RU 24/90 – in juris, Rn. 19; BSG, Urteil vom 10. Dezember 1992 – 11 RAr 71/91 – in juris, Rn. 12 ff.; ebenso Bayerisches LSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 – L 3 U 429/05 – in juris, Rn. 22; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. August 2007 – L 7 AS 874/07 – in juris, Rn. 18; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. April 2008 – L 18 B 513/08 AS – in juris, Rn. 2).
Diese Rechtsprechung ist durch den mit Wirkung zum 25. Oktober 2013 durch das Gesetz zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (BUK-NOG) vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3836) in das SGG eingefügten § 56a SGG kodifiziert worden. Nach dieser – mit § 44a VwGO wortgleichen – Norm können Rechtsbehelfe gegen behördliche Entscheidungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden (Satz 1). Dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen (Satz 2). Die Vorschrift gilt auch für das Widerspruchsverfahren (Scholz, in: Roos/Wahrendorf [Hrsg.], SGG, 2014, § 56a Rn. 4). Aus ihr folgt, dass behördliche Verfahrenshandlungen nicht zulässigerweise mit isolierten Klagen angegriffen werden können, aber (erst Recht) auch, dass solchen behördlichen Verfahrenshandlungen nicht mit den Mittel des einstweiligen Rechtsschutzes begegnet werden kann.
Vor diesem Hintergrund ist das einstweilige Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin unzulässig. Bei ihrem Antrag auf Akteneinsicht und vorhergehender Aktenergänzung handelt es sich um eine behördliche Verfahrenshandlung im Sinne des § 56a Satz 1 SGG (vgl. LSG Hessen, Beschluss vom 7. November 2014 – L 6 AS 722/14 B ER – in juris, Rn. 26; Scholz, in: Roos/Wahrendorf [Hrsg.], SGG, 2014, § 56a Rn. 6). Zu den durch § 56a Satz 1 SGG ausgeschlossenen Rechtsbehelfen zählt auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (LSG Hessen, Beschluss vom 7. November 2014 – L 6 AS 722/14 B ER – in juris, Rn. 24 ff., 29; Scholz, in: Roos/Wahrendorf [Hrsg.], SGG, 2014, § 56a Rn. 9; zu § 44a VwGO ebenso Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 44a Rn. 1; vor Einfügung des § 56a SGG bereits LSG Hamburg, Beschluss vom 20. November 2008 – L 2 KA 25/08 KL ER – in juris, Rn. 22).
Ein Fall des § 56a Satz 2 SGG liegt ersichtlich nicht vor: Die Entscheidung der Antragsgegnerin über die Akteneinsicht ist nicht vollstreckbar; sie ist auch nicht gegenüber einem Nichtbeteiligten ergangen.
Auch verfassungsrechtliche Gründe, namentlich die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), stehen dem nicht entgegen. Eine einschränkende Auslegung des § 56a Satz 1 SGG ist allenfalls dann geboten, wenn eine erst nachträgliche Geltendmachung von Rechtsverletzungen durch behördliche Verfahrenshandlungen zu unzumutbaren, im Hauptsachverfahren nicht mehr vollständig beseitigbaren Nachteilen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. Oktober 1990 – 1 BvR 1028/90 – in juris, Rn. 27) bzw. irreversiblen Schäden führen könnte (BSG, Urteil vom 14. Dezember 1988 – 9/4b RV 55/86 – in juris, Rn. 20). Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall, weil die Antragstellerin ihr materielles Begehren auf Gewährung von höheren Geldleistungen der Pflegeversicherung derzeit im Widerspruchsverfahren und ggf. anschließend im Klageverfahren uneingeschränkt verfolgen und dabei auch zur Überprüfung stellen kann, ob ihr die Stellungnahme des MDK vorgelegt werden muss.
b) Bei dieser Sach- und Rechtslage scheidet eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 GG aus.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Ergänzung der Akte der Antragsgegnerin und Akteneinsicht hierin.
Die Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin pflegeversichert. Sie beantragte am 15. Mai 2015 Geldleistungen der Pflegeversicherung. Im Auftrag der Antragsgegnerin erstellte die Pflegefachkraft Z. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) auf Grund einer Untersuchung der Antragstellerin vom 18. Juni 2015 unter dem 19. Juni 2015 ein Gutachten, in dem sie zu dem Ergebnis kam, dass ein durchschnittlicher täglicher Grundpflegebedarf von 97 Minuten sowie ein durchschnittlicher täglicher Zeitaufwand für Hauswirtschaft von 60 Minuten und damit Pflegestufe I vorliege. Die Alltagskompetenz der Antragstellerin sei in erhöhtem Maße eingeschränkt.
Die Antragsgegnerin bewilligte der Antragstellerin daraufhin mit Bescheid vom 22. Juni 2015 Pflegegeld der Pflegestufe I ab dem 1. Mai 2015 sowie zusätzlich Leistungen für Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz.
Hiergegen erhob die Antragstellerin am 2. Juli 2015 Widerspruch. Sie machte verschiedene Mängel bei der Untersuchung durch die Pflegefachkraft Z. sowie in deren Gutachten geltend.
Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 29. Juli 2015 mit, den MDK mit einem neuen Gutachten zu beauftragen. Die Antragstellerin beantragte daraufhin unter dem 31. Juli 2015 die Übersendung einer Kopie der Stellungnahme der Erstgutachterin zu ihrer Widerspruchsbegründung. Der MDK habe am 18. Juni 2015 die Pflegesituation vor Ort begutachtet und bei der Erstellung des Gutachtens wesentliche Fakten ignoriert, die sich bereits aus der Versichertenakte der Antragsgegnerin hätten ablesen lassen bzw. die in der Widerspruchsbegründung dargelegt worden seien. Sie bitte um eine Stellungnahme, wie eine weitere Begutachtung sicherstellen solle, dass die Aktenlage und die Widerspruchsgründe korrekt in ein neues Gutachten einflößen und warum eine korrigierte Entscheidung nach Aktenlage unmöglich sei.
Sodann erstellte im Auftrag der Antragsgegnerin die Pflegefachkraft Braun vom MDK ein Gutachten nach Aktenlage vom 5. August 2015. Sie bestätigte hinsichtlich der Pflegestufe I das Ergebnis des Vorgutachtens, allerdings mit einem durchschnittlichen täglichen Grundpflegebedarf von 103 Minuten.
Die Antragsgegnerin unterrichtete die Antragstellerin mit Schreiben vom 14. August 2015 über das Ergebnis dieses zweiten Gutachtens.
Mit Schreiben vom 18. August 2015 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin auf, ihr bis zum 24. August 2015 eine Kopie der Stellungnahme der Erstgutachterin zu ihrer Widerspruchsbegründung zukommen zu lassen.
Die Antragsgegnerin erwiderte unter dem 28. August 2015, dass die Antragstellerin sämtliche Unterlagen erhalten habe, die sie – die Antragsgegnerin – von den Gutachtern des MDK erhalten habe. Die Stellungnahme des Erstgutachters des MDK erhalte sie – die Antragsgegnerin – nicht. Der MDK archiviere eine Stellungnahme des ersten Gutachters nicht, sofern dieser am Ergebnis seines Gutachtens festhalte.
Die Antragstellerin ersuchte am 24. August 2015 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) um einstweiligen Rechtsschutz nach und begehrte im Wege einer einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr eine Kopie der Stellungnahme der Erstgutachterin des MDK zu übermitteln. Die Stellungnahme der Erstgutachterin zum Widerspruch und dessen Begründung sei verbindlich normiert und deren Kenntnis für die Verteidigung der rechtlichen Interessen evident. Die Erstgutachterin habe systematische Fehler bei der Begutachtung und demzufolge im Erstgutachten vorgenommen, die das Ergebnis des Gutachtens sehr negativ beeinflusst hätten. Dies sei im Widerspruch ausführlich begründet worden. Warum sie dem nicht folgen wolle, ergebe sich erst aus ihrer Prüfung und Stellungnahme.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen. Sie äußerte sich ausschließlich zum Verfahrensablauf und zur materiellen Frage, welche Pflegestufe bei der Antragstellerin gegeben sei.
Das SG übersandte die Antragserwiderung am 4. September 2015 an die Antragstellerin, stellte die Abgabe einer Stellungnahme frei, wies auf die fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens hin und stellte die Rücknahme des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz bis zum 10. September 2015 anheim.
Das SG lehnte den Antrag auf einstweiligen Rechtschutz mit Beschluss vom 14. September 2015 ab. Die Antragstellerin habe bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung keinen Anordnungsanspruch auf Überlassung der begehrten Kopie einer Stellungnahme der Erstgutachterin des MDK. Ein entsprechender Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aus dem Akteneinsichtsrecht nach § 25 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Zwar hätten Sozialversicherungsträger danach den Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich sei. Dies scheide im Streitfall jedoch aus, weil die Stellungnahme der Pflegegutachterin des MDK zu der Widerspruchsbegründung der Antragstellerin nicht in den Verwaltungsakten der Antragsgegnerin enthalten sei, also kein Aktenbestandteil sei. Die Antragsgegnerin sei auch nicht verpflichtet, die Stellungnahme der Erstgutachterin beim MDK beizuziehen, um der Antragstellerin Akteneinsicht zu gewähren. Eine solche Beiziehung scheitere schon faktisch daran, dass der MDK nach seinen Angaben ihr gegenüber die Stellungnahme der Erstgutachter nicht archiviere. Darüber hinaus habe dem MDK der Pflegekasse auch nur das Ergebnis seiner Prüfung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit zu übermitteln. Interne Stellungnahmen, Vorprüfungen oder Begutachtungsbeiträge müsse er nicht herausgeben. Entsprechend vermittelten § 18 Abs. 3 Sätze 8 bis 10 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) dem Antragsteller im Pflegeverfahren nur ein Recht darauf, dass ihm das Gutachten übermittelt werde. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinie). Unabhängig davon bestehe auch kein Anordnungsgrund. Die Angelegenheit sei nicht eilbedürftig. Durch ein Abwarten der Hauptsache drohten der Antragstellerin keine Nachteile. Die Antragsgegnerin habe der Antragstellerin die beiden eingeholten Pflegegutachten des MDK übermittelt und damit die Begutachtungsergebnisse, die sie ihrer Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin auf Pflegeleistungen zu Grunde lege. Die Antragstellerin sei dadurch hinreichend in die Lage versetzt, ihre rechtlichen Interessen im Verwaltungsverfahren wahrzunehmen. Eine einstweilige Anordnung sei schließlich auch kein Instrument zur Kontrolle von Verwaltungsverfahren oder gar zur Disziplinierung der Verwaltung. Der Zweck sei es vielmehr nur, durch eine vorläufige Regelung den Eintritt vollendeter Tatsachen zu verhindern und gegebenenfalls dem Betroffenen vorläufig die Mittel zu Verfügung zu stellen, die zur Behebung einer aktuell bestehenden Notlage notwendig seien. Im Streitfall bestünde aber weder die Gefahr, dass gerichtlicher Rechtsschutz in der Hauptsache zu spät komme, noch sei eine Notlage der Antragstellerin zu erkennen.
Der Beschluss des SG wurde am 14. September 2015 zur Post gegeben. Am gleichen Tag ging beim SG eine Stellungnahme der Antragstellerin vom 12. September 2014 ein, in der diese ausführt, dass die Stellungnahme der Antragsgegnerin keinen Bezug zu ihrem Antrag enthalte. Im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht habe die Antragsgegnerin eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Verfahrensgegenstandes zu gewährleisten. Die MDK-Erstgutachterin habe sich als Beteiligte im Verwaltungsverfahren an die geltenden Gesetze, Richtlinien und Verordnungen zu halten; aus ihrer Beurteilung des Widerspruches leiteten sich gegebenenfalls alle weiteren Verfahrenszüge ab. Es sei deshalb verfahrenserheblich, wie die Erstgutachterin die ausführlich dargestellten sachlichen und förmlichen Widerspruchsgründe beurteile und warum sie ihre Entscheidung nicht revidieren wolle. Zudem erfülle die Stellungnahme den Rechtsgedanken des § 35 SGB X und das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung. Es müsse im Interesse der Antragsgegnerin liegen, alle verfahrenserheblichen Sachverhalte, die zur Beurteilung des Widerspruches notwendig seien, vorliegen zu haben. Sie ergänzte ihren Antrag dahingehend, dass das SG den MDK verpflichten solle, die Stellungnahme der Erstgutachterin zum Widerspruch umgehend zu übermitteln.
Gegen den ihr am 15. September 2015 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 23. September 2015 Beschwerde eingelegt. Das SG habe zum einen ihr rechtliches Gehör verletzt. Das SG habe mit Schreiben vom 4. September 2015, das bei ihr am 12. September 2015 eingegangen sei, einen Schriftsatz übermittelt und eine Stellungnahme bis 10. September 2015 freigestellt. Auf Grund des postalischen Eingangs habe ihre Stellungnahme erst mit Schreiben vom 12. September 2015 erfolgen und dem SG am 14. September 2015 übermittelt werden können. Diese Stellungnahme enthalte eine Ergänzung des bereits eingereichten Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz. Der Beschluss des SG erwähne jedoch diese Stellungnahme und die Ergänzung des Antrages mit keinem Wort. Dieser Verfahrensmangel sei wahrscheinlich der Tatsachen geschuldet, dass der Beschluss bereits verfasst und ihre Stellungnahme vom gleichen Tag ignoriert worden sei. Das SG, die Antragsgegnerin und der MDK hätten ihre Amtsermittlungspflichten verletzt. Im vorgerichtlichen Verfahren sei zu gewährleiten, dass das Prüfungsergebnis der Erstgutachterin des MDK nachvollziehbar sein müsse. Denn der vom Gesetzgeber verfolgte Sinn des vorgerichtlichen Verfahrens liege auch darin, den Sachverhalt zu klären, um gegebenenfalls ein Hauptsacheverfahren vermeiden zu können. Dies würde auch dem Gedanken des Rechtsstaatsgebotes des Art. 20 Grundgesetz (GG) entsprechen. Es dränge sich der Verdacht auf, dass eine Prüfung der Widerspruchsgründe vorsätzlich unterlassen worden sei. Das Erstgutachten des MDK sei zentraler Ausgangspunkt aller weiteren gegebenenfalls notwendigen Verfahrenszüge. Wenn die MDK-Gutachterin über ein Menschenleben entscheide und sich im vorgerichtlichen Verfahren damit beteilige, könne es nach den Amtsermittlungspflichten und dem Rechtsstaatsprinzip nur recht und billig sei, dass ihre Prüfung vorgelegter sachlicher Widerspruchsgründe nachvollziehbar sein müsse und nicht nur eine interne Stellungnahme, Vorprüfung oder ein Begutachtungsbeitrag sein könne. Die Antragsgegnerin spekuliere auf ihr Ableben und lasse auch aus ihrer gerichtlich angeforderten Stellungnahme erkennen, dass sie ohne eigene Prüfung nur ein Hauptsacheverfahren anstrebe, um damit die Sozialgerichte zu belasten. Zudem sollte ihr seit Juli 2015 ein neues medizinisches Problem (schlechter PAP-Wert) bekannt sein, das in seiner vollen Ausprägung zum Tode führe. Da die MDK-Gutachterin täglich mehrere Gutachten erstelle und Sachverhalte prüfe, bestehe die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass sie bei einem Hauptsacheverfahren, das mehrere Jahre dauern könne und dessen Beginn ungewiss sei, nicht mehr wisse, warum sie auf Grund ihrer "Prüfung" die Widerspruchsgründe zu keinem anderen Ergebnis gekommen sei. Diesen wesentlichen Nachteil müsse sie sich nicht gefallen lassen. Auch aus den vorstehenden Gründen leiteten sich Anordnungsgrund und besondere Eilbedürftigkeit ab.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. September 2015 aufzuheben und die Antragsgegnerin und den MDK im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Stellungnahme der Erstgutachterin des MDK zu ihrer Widerspruchsbegründung umgehend bereitzustellen, hilfsweise den Vorgang dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG zur endgültigen Überprüfung und Entscheidung vorzulegen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, das SG habe zutreffend festgestellt, dass Anordnungsgründe nicht vorlägen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtzüge sowie auf die beigezogene Akte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde der Antragstellerin ist unzulässig, soweit sie die Verpflichtung des MDK begehrt, die Stellungnahme der Erstgutachterin zu ihren Widerspruch vorzulegen. Denn über Ansprüche der Antragstellerin gegen den MDK hat das SG in dem angegriffenen Beschluss nicht entschieden. Es hat ausschließlich über das gegen die Antragsgegnerin gerichtete Begehren entschieden. Gegenstand der Prüfung durch das Beschwerdegericht kann aber nur die Entscheidung des SG sein, nicht ein nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens gestellter Antrag.
Soweit sich die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Entscheidung des SG, gegen die Antragsgegnerin keine einstweilige Anordnung zu erlassen, richtet, ist die Beschwerde zulässig. Die Antragstellerin hat die Beschwerde gemäß § 173 Sätze 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerde ist auch nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, denn eine Berufung in der Hauptsache bedürfte nicht der Zulassung (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 14. Dezember 1988 – 9/4b RV 55/86 – in juris, Rn. 11 ff.; BSG, Urteil vom 28. Juni 1991 – 2 RU 24/90 – in juris, Rn. 14).
2. Die Beschwerde ist aber, soweit sie zulässig ist, unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Allerdings ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits unzulässig.
a) Da vorliegend kein Fall der Anordnung der aufschiebenden Wirkung oder der sofortigen Vollziehung nach § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, richtet sich der einstweilige Rechtsschutz nach § 86b Abs. 2 SGG. Im Betracht kommt insoweit allein die Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein.
Da im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedoch nicht mehr begehrt werden kann als in einem Hauptsachverfahren zugesprochen werden könnte, sind von vorneherein solche Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unstatthaft, deren Ziel auch in einem Klageverfahren nicht zulässigerweise geltend gemacht werden könnte.
So verhält es sich aber hier. Die Antragstellerin begehrt Einsicht in die Akten der Antragsgegnerin bzw. begehrt von ihr, zuvor ihre Akten um eine Stellungnahme einer Pflegefachkraft des MDK zu ergänzen. Dies hat die Antragsgegnerin abgelehnt. Die Rechtsprechung des BSG ging schon unter der früheren Rechtslage unter Verweis auf den in § 44a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) enthaltenen Rechtsgedanken davon aus, dass behördliche Verfahrenshandlungen – und hierzu zählen Entscheidungen über die Gewährung von Akteneinsicht (BSG, Urteil vom 10. Dezember 1992 – 11 RAr 71/91 – in juris, Rn. 14; Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 9. August 2007 – L 7 AS 874/07 – in juris, Rn. 18; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. April 2008 – L 18 B 513/08 AS – in juris, Rn. 2) – nicht isoliert anfechtbar sind, wenn es sich – wie hier – um Verfahrenshandlungen innerhalb eines laufenden Verwaltungsverfahrens handelt, dessen abschließende Verwaltungsentscheidung der gerichtlichen Überprüfung unterliegt und in deren Rahmen dann auch über die Rechtmäßigkeit der Verfahrenshandlung mit dem gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelf entschieden werden kann (BSG, Urteil vom 14. Dezember 1988 – 9/4b RV 55/86 – in juris, Rn. 19 ff.; BSG, Urteil vom 28. Juni 1991 – 2 RU 24/90 – in juris, Rn. 19; BSG, Urteil vom 10. Dezember 1992 – 11 RAr 71/91 – in juris, Rn. 12 ff.; ebenso Bayerisches LSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 – L 3 U 429/05 – in juris, Rn. 22; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. August 2007 – L 7 AS 874/07 – in juris, Rn. 18; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. April 2008 – L 18 B 513/08 AS – in juris, Rn. 2).
Diese Rechtsprechung ist durch den mit Wirkung zum 25. Oktober 2013 durch das Gesetz zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (BUK-NOG) vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3836) in das SGG eingefügten § 56a SGG kodifiziert worden. Nach dieser – mit § 44a VwGO wortgleichen – Norm können Rechtsbehelfe gegen behördliche Entscheidungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden (Satz 1). Dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen (Satz 2). Die Vorschrift gilt auch für das Widerspruchsverfahren (Scholz, in: Roos/Wahrendorf [Hrsg.], SGG, 2014, § 56a Rn. 4). Aus ihr folgt, dass behördliche Verfahrenshandlungen nicht zulässigerweise mit isolierten Klagen angegriffen werden können, aber (erst Recht) auch, dass solchen behördlichen Verfahrenshandlungen nicht mit den Mittel des einstweiligen Rechtsschutzes begegnet werden kann.
Vor diesem Hintergrund ist das einstweilige Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin unzulässig. Bei ihrem Antrag auf Akteneinsicht und vorhergehender Aktenergänzung handelt es sich um eine behördliche Verfahrenshandlung im Sinne des § 56a Satz 1 SGG (vgl. LSG Hessen, Beschluss vom 7. November 2014 – L 6 AS 722/14 B ER – in juris, Rn. 26; Scholz, in: Roos/Wahrendorf [Hrsg.], SGG, 2014, § 56a Rn. 6). Zu den durch § 56a Satz 1 SGG ausgeschlossenen Rechtsbehelfen zählt auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (LSG Hessen, Beschluss vom 7. November 2014 – L 6 AS 722/14 B ER – in juris, Rn. 24 ff., 29; Scholz, in: Roos/Wahrendorf [Hrsg.], SGG, 2014, § 56a Rn. 9; zu § 44a VwGO ebenso Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 44a Rn. 1; vor Einfügung des § 56a SGG bereits LSG Hamburg, Beschluss vom 20. November 2008 – L 2 KA 25/08 KL ER – in juris, Rn. 22).
Ein Fall des § 56a Satz 2 SGG liegt ersichtlich nicht vor: Die Entscheidung der Antragsgegnerin über die Akteneinsicht ist nicht vollstreckbar; sie ist auch nicht gegenüber einem Nichtbeteiligten ergangen.
Auch verfassungsrechtliche Gründe, namentlich die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), stehen dem nicht entgegen. Eine einschränkende Auslegung des § 56a Satz 1 SGG ist allenfalls dann geboten, wenn eine erst nachträgliche Geltendmachung von Rechtsverletzungen durch behördliche Verfahrenshandlungen zu unzumutbaren, im Hauptsachverfahren nicht mehr vollständig beseitigbaren Nachteilen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. Oktober 1990 – 1 BvR 1028/90 – in juris, Rn. 27) bzw. irreversiblen Schäden führen könnte (BSG, Urteil vom 14. Dezember 1988 – 9/4b RV 55/86 – in juris, Rn. 20). Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall, weil die Antragstellerin ihr materielles Begehren auf Gewährung von höheren Geldleistungen der Pflegeversicherung derzeit im Widerspruchsverfahren und ggf. anschließend im Klageverfahren uneingeschränkt verfolgen und dabei auch zur Überprüfung stellen kann, ob ihr die Stellungnahme des MDK vorgelegt werden muss.
b) Bei dieser Sach- und Rechtslage scheidet eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 GG aus.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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