Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 4158/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4418/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 05.09.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die am 06.03.1963 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie kam 1976 nach Deutschland. Versicherungsbeiträge an einen ausländischen Versicherungsträger wurden nicht entrichtet. Die Klägerin hat keine Berufsausbildung absolviert. Sie war zuletzt als Produktionsarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt, anschließend arbeitsunfähig bzw. arbeitslos. Pflichtbeitragszeiten liegen bis zum 28.02.2010 vor. Anschließend übte die Klägerin nur noch eine geringfügige, nicht versicherungspflichtige Beschäftigung aus. Bei der Klägerin sind ein Grad der Behinderung von 70 und das Merkzeichen "G" anerkannt.
Vom 28.02.2011 bis zum 19.03.2011 führte die Klägerin in der Fachklinik W. eine stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation durch. Im Entlassungsbericht vom 19.03.2011 wurden folgende Diagnosen gestellt: &61485; Pangonarthrose links, Impl. zementierte bicond. Knie-TEP links am 15.02.2011; &61485; Zustand nach Knie-TEP rechts 07/2010; &61485; Diabetes mellitus Typ II, medikamentös eingestellt; &61485; arterielle Hypertonie; &61485; Adipositas.
Unter "Allgemeine Sozialanamnese" wurde ausgeführt: "Es besteht eine gute Belastbarkeit auch bei Stress und psychischen Belastungssituationen, auch bei weiteren Aktivitäten, wie z.B. Kommunikation keine Beeinträchtigungen. Weiterhin keine Beeinträchtigungen der Teilhabe bezüglich interpersonelle Interaktionen sowie im Sozialleben."
Die Rehaärzte waren der Ansicht, dass die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr leidensgerecht sei. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne kniende Tätigkeiten, ohne regelmäßiges Ersteigen von Treppen, Leitern oder Gerüsten und ohne Tätigkeiten, die die Gang- und Standsicherheit beanspruchen. Die Wegefähigkeit bestehe, die Klägerin könne öffentliche Verkehrsmittel benutzen, gleiches gelte für einen eigenen Pkw, falls vorhanden.
Am 15.08.2011 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 05.09.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Im anschließenden Widerspruchsverfahren wurde die Klägerin am 26.09.2012 von der Allgemeinmedizinerin Dr. K. und dem Chirurgen Dr. R. untersucht.
Dr. R. stellte in seinem Gutachten vom 26.09.2012 folgende Diagnosen: &61485; Beschwerden linkes Kniegelenk bei minimaler Instabilität nach TEP-Implantation 02/2011, zeitweilige Beschwerden rechtes Knie nach TEP 07/2010, beidseits ordentliche Funktion &61485; Rezidivierende LWS-Beschwerden bei leichter Fehlhaltung, Zustand nach Spondylodese L5/S1 04/2008 und NPP L4/5 sowie degenerative Veränderungen, keine Wurzelreizzeichen, leichte Funktionseinschränkung &61485; Zustand nach Hohmann-Operation beider Ellenbogen, keine wesentlichen Restbeschwerden, freie Funktion &61485; Senk-Spreiz-Fuß, Hallux valgus beidseits, keine wesentliche Funktionseinschränkung, Zustand nach Bauchdeckenstraffung 1998
Der Gutachter war der Ansicht, dass die Klägerin damit leichte körperliche Tätigkeiten ohne Arbeiten überwiegend im Stehen und Gehen und ohne häufiges Klettern und Steigen mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne.
Dr. K. stellte in ihrem Gutachten vom 28.09.2012 folgende Diagnosen: &61485; Wiederkehrende Rückenschmerzen bei leichter Fehlhaltung, Abnutzungserscheinungen und Operation (Spondylodese L5/S1 04/2008), mit leichter Funktionseinschränkung &61485; Kniegelenksbeschwerden beidseits nach Gelenkersatz (TEP-Implantation 02/2011 links, 07/2010 rechts), aktuell ordentliche Funktion &61485; Metabolisches Syndrom mit Bluthochdruck, Zucker- und Fettstoffwechselstörung und deutlichem Übergewicht, aktuell medikamentös gut kompensiert &61485; Anamnestisch rezidivierend auftretende Kopfschmerzen
Der psychische Befund war vollständig unauffällig. Es ergab sich kein Anhalt für auch nur eine leichte Depression. Die Sachverständige kam unter Einbeziehung der Ergebnisse der chirurgischen Begutachtung zu dem Ergebnis, dass eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe, wobei häufiges Klettern und Steigen nicht abverlangt werden sollte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2012 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die am 14.12.2012 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Die Beklagte hat mitgeteilt, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung letztmals bei einem Leistungsfall im Februar 2012 erfüllt sei. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 05.09.2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die von der Klägerin beanspruchte Rente nur dann erfüllt seien, wenn der Versicherungsfall spätestens im Februar 2012 eingetreten sei. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens könne das Vorliegen einer Erwerbsminderung im Sinne von § 43 SGB VI zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht festgestellt werden. Das Gericht hat sich hierbei auf den Reha-Entlassungsbericht vom 19.03.2011 und die im Verfahren von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. R. und Dr. K. gestützt.
Gegen den dem Klägerbevollmächtigten am 11.09.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 10.10.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Der Senat hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen befragt.
Herr E.-A. (Orthopäde) hat mitgeteilt, dass sich bis Februar 2012 Zufriedenheit vor allem im Kniegelenksbereich nach den operativen Maßnahmen gezeigt habe. Im Rückenbereich habe sich eine leichte Verschlimmerung ergeben, da die Patientin immer älter geworden sei und die Muskelkraft nachgelassen habe. Nach seiner Einschätzung sei die Klägerin nicht mehr in der Lage, eine leichte Tätigkeit sechs Stunden täglich auszuüben.
Die Ärztin für Psychiatrie und Psychologie Dr. S. hat in ihrer Stellungnahme vom 07.01.2014 ausgeführt, die Klägerin habe sich am 07.07.2011 einmalig vorgestellt. Es sei eine beginnende depressive Episode diagnostiziert worden bei einer depressiven Anpassungsstörung. Eine Stellungnahme zur Leistungsfähigkeit könne wegen des einmaligen Kontaktes nicht abgegeben werden.
Der Facharzt für Psychiatrie Dr. Univ. V. G. hat in seiner Antwort vom 14.01.2014 mitgeteilt, dass er die Klägerin vom 28.05.2009 bis zuletzt am 05.03.2012 behandelt habe. Es sei von einer rezidivierenden depressiven Störung, schwere Episode, auszugehen. Die psychiatrische Gesprächstherapie und antidepressiv-medikamentöse Behandlung habe im Laufe der Behandlung keine wesentliche Besserung erbracht. Eine Stellungnahme zur Leistungsfähigkeit könne freilich nicht erfolgen.
Der Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie, Sportmedizin, Ernährungsmedizin und Chirotherapie Dr. K. hat in seinem Antwortschreiben vom 07.01.2014 angegeben, dass er die Klägerin letztmalig im Jahr 2010 gesehen habe und daher ebenfalls keine Leistungseinschätzung vornehmen könne.
Der Orthopäde Dr. P. hat mitgeteilt, er habe die Klägerin bis 06.03.2009 ambulant behandelt. Zum damaligen Zeitpunkt sei davon auszugehen gewesen, dass die Klägerin eine leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden am Tag hätte verrichten können. Inwieweit es zu einer Verbesserung oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes gekommen sei, könne er nicht angegeben.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. R., bei dem die Klägerin seit 1991 regelmäßig in Behandlung ist, hat schließlich ausgeführt, dass er eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für möglich halte, falls unter psychiatrischer Mitbehandlung eine Besserung der Stimmungslage erreicht werden könne und die bereits nach dem Heilverfahren 2011 formulierten Einschränkungen beachtet würden.
Nachfolgend hat der Senat den Neurologen und Psychiater Prof. Dr. W. gemäß § 106 SGG von Amts wegen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat die Klägerin am 30.03.2015 unter Mitwirkung einer Dolmetscherin persönlich untersucht. Prof. Dr. W. hat ausgeführt, dass auf neurologischem Fachgebiet keine belangvollen Gesundheitsstörungen zu erkennen seien. Angesichts eines massiven Übergewichts bestünden sicherlich statisch bedingte Schmerzen, eine Schmerzkrankheit im engeren Sinne vermöge er nicht zu erkennen. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestehe eine derzeit als leichtgradiger einzuschätzende depressive Episode im Rahmen der sehr problematischen familiären Verhältnisse der Klägerin. Über die bereits auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet genannten qualitativen Leistungseinschränkungen hinaus seien keine weiteren relevanten Einschränkungen zu erkennen. Die Klägerin erscheine umstellungsfähig und bewältige im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihre problematische familiäre Situation. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche ausüben.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die medizinischen Voraussetzungen für den Eintritt eines Leistungsfalles der Erwerbsminderung bereits spätestens im Februar 2012 erfüllt seien. Die Einschätzung von Prof. Dr. W. im Hinblick auf das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet sei noch nachvollziehbar. Allerdings bestünden erhebliche Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet, nicht nur wegen des massiven Übergewichts. Sie sei 2013 an beiden Füßen wegen eines Hallux valgus operiert worden. Zudem habe sich ein Bandscheibenproblem am Brustwirbel und am Halswirbel verstärkt. In der mündlichen Verhandlung am 20.10.2015 ist die Klägerin noch einmal darauf hingewiesen worden, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente nur erfüllt seien, wenn der Leistungsfall der Erwerbsminderung spätestens im Februar 2012 eingetreten ist.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 05.09.2013 sowie den Bescheid vom 05.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 14.11.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01.08.2011 eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die beigezogene Akte L 7 R 368/14 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom 05.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2012, mit dem der Antrag der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt worden ist. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Bescheide rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt ist. Sie hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und auch nicht auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Versicherte haben gemäß §§ 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw teilweise Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
§ 240 SGB VI dehnt aus Gründen des Vertrauensschutzes den Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf vor dem 02.01.1961 geborene und berufsunfähig gewordene Versicherte aus, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 43 SGB VI erfüllt sind. Da die Klägerin 1963 geboren ist, findet § 240 SGB VI auf sie keine Anwendung.
Die Voraussetzungen des §§ 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI liegen bei der Klägerin nicht vor. Zur Überzeugung des Senats kann sie noch vollschichtig leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Arbeitshaltung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten, wobei häufiges Klettern oder Steigen nicht abverlangt werden sollte. Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat insbesondere auf die schlüssigen und überzeugenden Ausführungen der Gutachter Prof. Dr. W., Dr. K. und Dr. R ...
Auf internistischem, neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet liegen keine schwerwiegenden Gesundheitsstörungen vor, allenfalls eine leichtgradige depressive Episode sowie ein metabolisches Syndrom mit Bluthochdruck, Zucker-und Fettstoffwechselstörungen, deutlichem Übergewicht, aktuell medikamentös gut kompensiert. Die Klägerin bewältigt ihren Tagesablauf, fährt Auto und ist sozial eingebunden. Im Übrigen hat schon der behandelnde Allgemeinmediziner Dr. R. darauf hingewiesen, dass er eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für möglich hält, falls unter psychiatrischer Mitbehandlung eine Besserung der Stimmungslage erreicht werden könne und die bereits nach dem Heilverfahren 2011 formulierten Einschränkungen beachtet würden. Da sich aber aus der Begutachtung durch Prof. Dr. W. ergeben hat, dass gar keine schwerwiegende depressive Erkrankung vorliegt - was im Übrigen von der Klägerin zugestanden wird -, ist von einer Einschränkung des Leistungsvermögens durch Gesundheitsstörungen außerhalb des orthopädischen Fachgebiets nicht auszugehen. Darauf hat schon Dr. K. überzeugend hingewiesen.
Aus den orthopädischen Gesundheitsstörungen lässt sich ebenfalls kein untervollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ableiten. Die Untersuchung durch Dr. R. am 26.09.2012 ergab keine belangvollen Funktionseinschränkungen, lediglich eine minimale Instabilität nach TEP-Implantation im Februar 2011, zeitweilige Beschwerden im rechten Knie nach TEP im Juli 2010 sowie leichte Funktionseinschränkungen in der Lendenwirbelsäule. Es waren keine Wurzelreizzeichen festzustellen. Dieser Befund deckt sich mit den Ausführungen des Orthopäden E.-A. in seinem Befundbericht vom 07.01.2014 an das Gericht zum gesundheitlichen Zustand der Klägerin bis Februar 2012. Bis zu diesem Zeitpunkt zeigte sich Zufriedenheit, vor allem im Kniegelenkbereich nach der operativen Maßnahme mit Einsatz der Knieprothese. Auch bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W. ergab sich kein Hinweis auf schwerwiegende Funktionseinschränkungen aufgrund der orthopädischen Problematik, auch wenn der Gutachter ausschließlich einen neurologischen und psychopathologischen Untersuchungsbefund erhoben hat. Denn die Beweglichkeit der Klägerin war auch angesichts der Adipositas bemerkenswert gut. Paresen waren nicht ersichtlich. Die Feinmotorik war ungestört. Die Klägerin konnte rund eineinhalb Stunden entspannt im Untersuchungsstuhl sitzen. Anschließende demonstrativ wirkende Zuckungen mit Schmerzangabe verschwanden wieder.
Der von Herrn E.-A. abgegebenen Leistungseinschätzung folgt der Senat angesichts der vorliegenden Gutachten nicht. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 18.06.2013, L 11 R 506/12; 17.01.2012, L 11 R 4953) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens in der Regel keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen. Dieser Grundsatz gilt grundsätzlich auch in den Fällen, in denen der Eintritt des Leistungsfalls in der Vergangenheit umstritten ist. Dies gilt umso mehr, wenn in zeitlich unmittelbarer Nähe zum letztmöglichen Zeitpunkt eines relevanten Leistungsfalls eine Untersuchung nach Begutachtungskriterien durch einen Sachverständigen stattgefunden hat.
Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre bestehen nicht, ein Teil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5). Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit der Klägerin noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs 3 letzter Halbsatz SGB VI).
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Das vorliegende Gutachten von Prof. Dr. W. hat zusammen mit den Verwaltungsgutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig. Dies gilt insbesondere auch für das chirurgische bzw orthopädische Fachgebiet. Eine möglicherweise eingetretene Verschlechterung auf diesem Gebiet seit der Vorbegutachtung durch Dr. R. am 26.09.2012 ist für den vorliegenden Rechtsstreit irrelevant. Denn die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rente wegen Erwerbsminderung liegen letztmals bei einem Leistungsfall im Februar 2012 vor. Die Klägerin hat dann für einen ab März 2012 eingetretenen Leistungsfall in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung auch unter Anwendung möglicher Verlängerungstatbestände gemäß §§ 43 Abs 4 und 5 SGB VI, 241 SGB VI keine drei Jahre (36 Monate) Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit. Die letzte im Versicherungskonto gespeicherte Pflichtbeitragszeit endet am 28.02.2010. Dies entnimmt der Senat den Feststellungen im Versicherungsverlauf vom 08.01.2013 (Bl 33 der SG-Akte). Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass die Angaben im Versicherungsverlauf unzutreffend sind. Anschließend liegen keine Pflichtbeitragszeiten und keine Anrechnungszeiten gemäß § 58 SGB VI mehr vor. Die Klägerin war ab 01.03.2010 nicht mehr bei einer Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI) und hat kein Arbeitslosengeld II erhalten (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 6 SGB VI). Vielmehr war sie anschließend geringfügig nicht versicherungspflichtig beschäftigt. Deshalb geht der Senat auch nicht von einer durchgängigen Arbeitsunfähigkeit (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) aus. Im Übrigen lässt sich auch der Auskunft von Dr. R. entnehmen, dass zwar immer wieder längere Arbeitsunfähigkeitszeiten vorlagen, jedoch keine durchgehende Arbeitsunfähigkeit bestand. Anderweitige Verlängerungstatbestände sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die am 06.03.1963 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie kam 1976 nach Deutschland. Versicherungsbeiträge an einen ausländischen Versicherungsträger wurden nicht entrichtet. Die Klägerin hat keine Berufsausbildung absolviert. Sie war zuletzt als Produktionsarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt, anschließend arbeitsunfähig bzw. arbeitslos. Pflichtbeitragszeiten liegen bis zum 28.02.2010 vor. Anschließend übte die Klägerin nur noch eine geringfügige, nicht versicherungspflichtige Beschäftigung aus. Bei der Klägerin sind ein Grad der Behinderung von 70 und das Merkzeichen "G" anerkannt.
Vom 28.02.2011 bis zum 19.03.2011 führte die Klägerin in der Fachklinik W. eine stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation durch. Im Entlassungsbericht vom 19.03.2011 wurden folgende Diagnosen gestellt: &61485; Pangonarthrose links, Impl. zementierte bicond. Knie-TEP links am 15.02.2011; &61485; Zustand nach Knie-TEP rechts 07/2010; &61485; Diabetes mellitus Typ II, medikamentös eingestellt; &61485; arterielle Hypertonie; &61485; Adipositas.
Unter "Allgemeine Sozialanamnese" wurde ausgeführt: "Es besteht eine gute Belastbarkeit auch bei Stress und psychischen Belastungssituationen, auch bei weiteren Aktivitäten, wie z.B. Kommunikation keine Beeinträchtigungen. Weiterhin keine Beeinträchtigungen der Teilhabe bezüglich interpersonelle Interaktionen sowie im Sozialleben."
Die Rehaärzte waren der Ansicht, dass die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr leidensgerecht sei. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne kniende Tätigkeiten, ohne regelmäßiges Ersteigen von Treppen, Leitern oder Gerüsten und ohne Tätigkeiten, die die Gang- und Standsicherheit beanspruchen. Die Wegefähigkeit bestehe, die Klägerin könne öffentliche Verkehrsmittel benutzen, gleiches gelte für einen eigenen Pkw, falls vorhanden.
Am 15.08.2011 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 05.09.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Im anschließenden Widerspruchsverfahren wurde die Klägerin am 26.09.2012 von der Allgemeinmedizinerin Dr. K. und dem Chirurgen Dr. R. untersucht.
Dr. R. stellte in seinem Gutachten vom 26.09.2012 folgende Diagnosen: &61485; Beschwerden linkes Kniegelenk bei minimaler Instabilität nach TEP-Implantation 02/2011, zeitweilige Beschwerden rechtes Knie nach TEP 07/2010, beidseits ordentliche Funktion &61485; Rezidivierende LWS-Beschwerden bei leichter Fehlhaltung, Zustand nach Spondylodese L5/S1 04/2008 und NPP L4/5 sowie degenerative Veränderungen, keine Wurzelreizzeichen, leichte Funktionseinschränkung &61485; Zustand nach Hohmann-Operation beider Ellenbogen, keine wesentlichen Restbeschwerden, freie Funktion &61485; Senk-Spreiz-Fuß, Hallux valgus beidseits, keine wesentliche Funktionseinschränkung, Zustand nach Bauchdeckenstraffung 1998
Der Gutachter war der Ansicht, dass die Klägerin damit leichte körperliche Tätigkeiten ohne Arbeiten überwiegend im Stehen und Gehen und ohne häufiges Klettern und Steigen mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne.
Dr. K. stellte in ihrem Gutachten vom 28.09.2012 folgende Diagnosen: &61485; Wiederkehrende Rückenschmerzen bei leichter Fehlhaltung, Abnutzungserscheinungen und Operation (Spondylodese L5/S1 04/2008), mit leichter Funktionseinschränkung &61485; Kniegelenksbeschwerden beidseits nach Gelenkersatz (TEP-Implantation 02/2011 links, 07/2010 rechts), aktuell ordentliche Funktion &61485; Metabolisches Syndrom mit Bluthochdruck, Zucker- und Fettstoffwechselstörung und deutlichem Übergewicht, aktuell medikamentös gut kompensiert &61485; Anamnestisch rezidivierend auftretende Kopfschmerzen
Der psychische Befund war vollständig unauffällig. Es ergab sich kein Anhalt für auch nur eine leichte Depression. Die Sachverständige kam unter Einbeziehung der Ergebnisse der chirurgischen Begutachtung zu dem Ergebnis, dass eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe, wobei häufiges Klettern und Steigen nicht abverlangt werden sollte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2012 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die am 14.12.2012 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Die Beklagte hat mitgeteilt, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung letztmals bei einem Leistungsfall im Februar 2012 erfüllt sei. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 05.09.2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die von der Klägerin beanspruchte Rente nur dann erfüllt seien, wenn der Versicherungsfall spätestens im Februar 2012 eingetreten sei. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens könne das Vorliegen einer Erwerbsminderung im Sinne von § 43 SGB VI zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht festgestellt werden. Das Gericht hat sich hierbei auf den Reha-Entlassungsbericht vom 19.03.2011 und die im Verfahren von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. R. und Dr. K. gestützt.
Gegen den dem Klägerbevollmächtigten am 11.09.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 10.10.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Der Senat hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen befragt.
Herr E.-A. (Orthopäde) hat mitgeteilt, dass sich bis Februar 2012 Zufriedenheit vor allem im Kniegelenksbereich nach den operativen Maßnahmen gezeigt habe. Im Rückenbereich habe sich eine leichte Verschlimmerung ergeben, da die Patientin immer älter geworden sei und die Muskelkraft nachgelassen habe. Nach seiner Einschätzung sei die Klägerin nicht mehr in der Lage, eine leichte Tätigkeit sechs Stunden täglich auszuüben.
Die Ärztin für Psychiatrie und Psychologie Dr. S. hat in ihrer Stellungnahme vom 07.01.2014 ausgeführt, die Klägerin habe sich am 07.07.2011 einmalig vorgestellt. Es sei eine beginnende depressive Episode diagnostiziert worden bei einer depressiven Anpassungsstörung. Eine Stellungnahme zur Leistungsfähigkeit könne wegen des einmaligen Kontaktes nicht abgegeben werden.
Der Facharzt für Psychiatrie Dr. Univ. V. G. hat in seiner Antwort vom 14.01.2014 mitgeteilt, dass er die Klägerin vom 28.05.2009 bis zuletzt am 05.03.2012 behandelt habe. Es sei von einer rezidivierenden depressiven Störung, schwere Episode, auszugehen. Die psychiatrische Gesprächstherapie und antidepressiv-medikamentöse Behandlung habe im Laufe der Behandlung keine wesentliche Besserung erbracht. Eine Stellungnahme zur Leistungsfähigkeit könne freilich nicht erfolgen.
Der Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie, Sportmedizin, Ernährungsmedizin und Chirotherapie Dr. K. hat in seinem Antwortschreiben vom 07.01.2014 angegeben, dass er die Klägerin letztmalig im Jahr 2010 gesehen habe und daher ebenfalls keine Leistungseinschätzung vornehmen könne.
Der Orthopäde Dr. P. hat mitgeteilt, er habe die Klägerin bis 06.03.2009 ambulant behandelt. Zum damaligen Zeitpunkt sei davon auszugehen gewesen, dass die Klägerin eine leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden am Tag hätte verrichten können. Inwieweit es zu einer Verbesserung oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes gekommen sei, könne er nicht angegeben.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. R., bei dem die Klägerin seit 1991 regelmäßig in Behandlung ist, hat schließlich ausgeführt, dass er eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für möglich halte, falls unter psychiatrischer Mitbehandlung eine Besserung der Stimmungslage erreicht werden könne und die bereits nach dem Heilverfahren 2011 formulierten Einschränkungen beachtet würden.
Nachfolgend hat der Senat den Neurologen und Psychiater Prof. Dr. W. gemäß § 106 SGG von Amts wegen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat die Klägerin am 30.03.2015 unter Mitwirkung einer Dolmetscherin persönlich untersucht. Prof. Dr. W. hat ausgeführt, dass auf neurologischem Fachgebiet keine belangvollen Gesundheitsstörungen zu erkennen seien. Angesichts eines massiven Übergewichts bestünden sicherlich statisch bedingte Schmerzen, eine Schmerzkrankheit im engeren Sinne vermöge er nicht zu erkennen. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestehe eine derzeit als leichtgradiger einzuschätzende depressive Episode im Rahmen der sehr problematischen familiären Verhältnisse der Klägerin. Über die bereits auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet genannten qualitativen Leistungseinschränkungen hinaus seien keine weiteren relevanten Einschränkungen zu erkennen. Die Klägerin erscheine umstellungsfähig und bewältige im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihre problematische familiäre Situation. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche ausüben.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die medizinischen Voraussetzungen für den Eintritt eines Leistungsfalles der Erwerbsminderung bereits spätestens im Februar 2012 erfüllt seien. Die Einschätzung von Prof. Dr. W. im Hinblick auf das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet sei noch nachvollziehbar. Allerdings bestünden erhebliche Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet, nicht nur wegen des massiven Übergewichts. Sie sei 2013 an beiden Füßen wegen eines Hallux valgus operiert worden. Zudem habe sich ein Bandscheibenproblem am Brustwirbel und am Halswirbel verstärkt. In der mündlichen Verhandlung am 20.10.2015 ist die Klägerin noch einmal darauf hingewiesen worden, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente nur erfüllt seien, wenn der Leistungsfall der Erwerbsminderung spätestens im Februar 2012 eingetreten ist.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 05.09.2013 sowie den Bescheid vom 05.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 14.11.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01.08.2011 eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die beigezogene Akte L 7 R 368/14 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom 05.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2012, mit dem der Antrag der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt worden ist. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Bescheide rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt ist. Sie hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und auch nicht auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Versicherte haben gemäß §§ 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw teilweise Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
§ 240 SGB VI dehnt aus Gründen des Vertrauensschutzes den Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf vor dem 02.01.1961 geborene und berufsunfähig gewordene Versicherte aus, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 43 SGB VI erfüllt sind. Da die Klägerin 1963 geboren ist, findet § 240 SGB VI auf sie keine Anwendung.
Die Voraussetzungen des §§ 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI liegen bei der Klägerin nicht vor. Zur Überzeugung des Senats kann sie noch vollschichtig leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Arbeitshaltung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten, wobei häufiges Klettern oder Steigen nicht abverlangt werden sollte. Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat insbesondere auf die schlüssigen und überzeugenden Ausführungen der Gutachter Prof. Dr. W., Dr. K. und Dr. R ...
Auf internistischem, neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet liegen keine schwerwiegenden Gesundheitsstörungen vor, allenfalls eine leichtgradige depressive Episode sowie ein metabolisches Syndrom mit Bluthochdruck, Zucker-und Fettstoffwechselstörungen, deutlichem Übergewicht, aktuell medikamentös gut kompensiert. Die Klägerin bewältigt ihren Tagesablauf, fährt Auto und ist sozial eingebunden. Im Übrigen hat schon der behandelnde Allgemeinmediziner Dr. R. darauf hingewiesen, dass er eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für möglich hält, falls unter psychiatrischer Mitbehandlung eine Besserung der Stimmungslage erreicht werden könne und die bereits nach dem Heilverfahren 2011 formulierten Einschränkungen beachtet würden. Da sich aber aus der Begutachtung durch Prof. Dr. W. ergeben hat, dass gar keine schwerwiegende depressive Erkrankung vorliegt - was im Übrigen von der Klägerin zugestanden wird -, ist von einer Einschränkung des Leistungsvermögens durch Gesundheitsstörungen außerhalb des orthopädischen Fachgebiets nicht auszugehen. Darauf hat schon Dr. K. überzeugend hingewiesen.
Aus den orthopädischen Gesundheitsstörungen lässt sich ebenfalls kein untervollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ableiten. Die Untersuchung durch Dr. R. am 26.09.2012 ergab keine belangvollen Funktionseinschränkungen, lediglich eine minimale Instabilität nach TEP-Implantation im Februar 2011, zeitweilige Beschwerden im rechten Knie nach TEP im Juli 2010 sowie leichte Funktionseinschränkungen in der Lendenwirbelsäule. Es waren keine Wurzelreizzeichen festzustellen. Dieser Befund deckt sich mit den Ausführungen des Orthopäden E.-A. in seinem Befundbericht vom 07.01.2014 an das Gericht zum gesundheitlichen Zustand der Klägerin bis Februar 2012. Bis zu diesem Zeitpunkt zeigte sich Zufriedenheit, vor allem im Kniegelenkbereich nach der operativen Maßnahme mit Einsatz der Knieprothese. Auch bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W. ergab sich kein Hinweis auf schwerwiegende Funktionseinschränkungen aufgrund der orthopädischen Problematik, auch wenn der Gutachter ausschließlich einen neurologischen und psychopathologischen Untersuchungsbefund erhoben hat. Denn die Beweglichkeit der Klägerin war auch angesichts der Adipositas bemerkenswert gut. Paresen waren nicht ersichtlich. Die Feinmotorik war ungestört. Die Klägerin konnte rund eineinhalb Stunden entspannt im Untersuchungsstuhl sitzen. Anschließende demonstrativ wirkende Zuckungen mit Schmerzangabe verschwanden wieder.
Der von Herrn E.-A. abgegebenen Leistungseinschätzung folgt der Senat angesichts der vorliegenden Gutachten nicht. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 18.06.2013, L 11 R 506/12; 17.01.2012, L 11 R 4953) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens in der Regel keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen. Dieser Grundsatz gilt grundsätzlich auch in den Fällen, in denen der Eintritt des Leistungsfalls in der Vergangenheit umstritten ist. Dies gilt umso mehr, wenn in zeitlich unmittelbarer Nähe zum letztmöglichen Zeitpunkt eines relevanten Leistungsfalls eine Untersuchung nach Begutachtungskriterien durch einen Sachverständigen stattgefunden hat.
Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre bestehen nicht, ein Teil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5). Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit der Klägerin noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs 3 letzter Halbsatz SGB VI).
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Das vorliegende Gutachten von Prof. Dr. W. hat zusammen mit den Verwaltungsgutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig. Dies gilt insbesondere auch für das chirurgische bzw orthopädische Fachgebiet. Eine möglicherweise eingetretene Verschlechterung auf diesem Gebiet seit der Vorbegutachtung durch Dr. R. am 26.09.2012 ist für den vorliegenden Rechtsstreit irrelevant. Denn die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rente wegen Erwerbsminderung liegen letztmals bei einem Leistungsfall im Februar 2012 vor. Die Klägerin hat dann für einen ab März 2012 eingetretenen Leistungsfall in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung auch unter Anwendung möglicher Verlängerungstatbestände gemäß §§ 43 Abs 4 und 5 SGB VI, 241 SGB VI keine drei Jahre (36 Monate) Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit. Die letzte im Versicherungskonto gespeicherte Pflichtbeitragszeit endet am 28.02.2010. Dies entnimmt der Senat den Feststellungen im Versicherungsverlauf vom 08.01.2013 (Bl 33 der SG-Akte). Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass die Angaben im Versicherungsverlauf unzutreffend sind. Anschließend liegen keine Pflichtbeitragszeiten und keine Anrechnungszeiten gemäß § 58 SGB VI mehr vor. Die Klägerin war ab 01.03.2010 nicht mehr bei einer Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI) und hat kein Arbeitslosengeld II erhalten (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 6 SGB VI). Vielmehr war sie anschließend geringfügig nicht versicherungspflichtig beschäftigt. Deshalb geht der Senat auch nicht von einer durchgängigen Arbeitsunfähigkeit (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) aus. Im Übrigen lässt sich auch der Auskunft von Dr. R. entnehmen, dass zwar immer wieder längere Arbeitsunfähigkeitszeiten vorlagen, jedoch keine durchgehende Arbeitsunfähigkeit bestand. Anderweitige Verlängerungstatbestände sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved