Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 2190/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5129/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. November 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt, die ihr die Altersrente bereits ab dem 1. April 2009 statt erst ab 1. September 2012 zu bewilligen.
Für die am 1944 geborene Klägerin waren vom 16. September 1958 bis 28. Februar 1990 sowie vom 1. Oktober 1991 bis 31. Januar 1995 Beiträge aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung entrichtet worden. In der Zwischenzeit entrichtete die Klägerin freiwillige Beiträge. Zum 1. Januar 1994 meldete sie ein Gewerbe für Vermittlung von Versicherungen und Bausparverträgen und war selbstständig tätig. Sie beantragte am 1. März 1999 sinngemäß, sie von der Versicherungspflicht als Selbstständige in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Diesen Antrag lehnte die Beklagte wegen mangelnder Mitwirkung der Klägerin mit Bescheid vom 22. März 2000 sowie nach Mitwirkung der Klägerin mit Bescheid vom 22. Dezember 2006 zunächst ab. Sie nahm den Bescheid vom 22. Dezember 2006 zurück und befreite die Klägerin ab 1. Januar 1999 von der Versicherungspflicht (Bescheid vom 7. Februar 2007). Nach ihren Angaben beendete die Klägerin ihre selbstständige Tätigkeit zum 31. Dezember 2011. Bei der Beklagten gingen vor 2009 mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ein, worüber die Beklagte die Klägerin jeweils unterrichtete.
Nach den in der Verwaltungsakte befindlichen Kontoübersichten erteilte die Beklagte der Klägerin Vormerkungsbescheide, zuletzt am 21. September 2004, zwischen 1980 und zuletzt am 29. Juni 2007 sowie 15. Februar 2008 mehrere Rentenauskünfte und schrieb sie unter dem 21. März 2009 mit dem Hinweis an, sie könne eine Leistung (Regelaltersrente) erhalten.
Mit Schreiben vom 10. September 2012, bei der Beklagten am 12. September 2012 eingegangen, bat die Klägerin um Zusendung eines Rentenantrags. Im November 2012 wandte sie sich über ihren Prozessbevollmächtigten an die Beklagte und gab an, seit ihrer Antragstellung auf Altersrente im Mai 2012 trotz Mahnung keine Nachricht erhalten zu haben. Die ihr übersandten Vordrucke für die Antragstellung reichte die Klägerin bei der Beklagten nicht ein. Die Beklagte lehnte deshalb den Antrag auf Zahlung der Altersrente wegen fehlender Mitwirkung der Klägerin ab (Bescheid vom 4. Februar 2013). Die Klägerin erhob sinngemäß Widerspruch. Nachdem die Klägerin die Antragsvordrucke weiterhin nicht übersandt hatte, wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 5. August 2013).
Am 16. August 2013 ging der von der Klägerin ausgefüllte und mit dem Datum 28. September 2012 unterschriebene Antragsvordruck bei der Beklagten ein. Die Beklagte bewilligte der Klägerin Altersrente für langjährig Versicherte ab 1. September 2012 (Bescheid vom 12. November 2013). Für die Zeit vom 1. September 2012 bis 31. Dezember 2013 ermittelte die Beklagte eine Nachzahlung in Höhe von EUR 17.993,60.
Die Klägerin erhob hinsichtlich der Höhe der Nachzahlung Widerspruch. Diese müsse höher sein. Die Altersrente stehe ihr ab Vollendung des 65. Lebensjahres (12. März 2009) zu. Die Beklagte verwies darauf, Rentenbeginn sei der 1. September 2012, weil die Klägerin am 10. September 2012 einen formlosen Rentenantrag gestellt habe. Ihren Hinweis- und Informationspflichten sei sie (die Beklagte) nachgekommen. Am 21. September 2004, 29. Juni 2007 und 15. Februar 2008 habe sie Rentenauskünfte erteilt sowie am 21. März 2009 ein Schreiben versandt, mit welchem sie die Klägerin aufgeklärt habe, wann die Regelaltersgrenze erreicht sei, was sie tun müsse, um eine Regelaltersrente zu erhalten und bis wann sie den Rentenantrag stellen soll (Schreiben vom 21. Januar 2014). Die Klägerin erwiderte hierauf, sie habe bei der Niederlassung der Beklagten in Karlsruhe bei Erreichen des 63. Lebensjahres vorgesprochen. Sie habe sich erkundigen wollen, ob die Möglichkeit bestehe, bereits mit 63 Jahren eine Rente zu erhalten. Ihr sei erklärt worden, wenn sie die Rente vor dem 65. Lebensjahr beantrage, erst Anspruch auf Zahlung der Rente ab dem Monat der Anspruchsstellung zu haben. Beantrage sie dagegen später die gesetzliche Altersrente, gebe es hierfür keine Frist, die gesetzliche Altersrente würde ab dem Monat nach dem 65. Geburtstag ausbezahlt, gleichgültig, zu welchem Zeitpunkt dieser Antrag gestellt würde. Sie sei auch ausdrücklich darauf hingewiesen worden, sie habe die Möglichkeit, die Altersrente auch nach dem 65. Lebensjahr zu beantragen. Hierdurch habe sie keine finanziellen Nachteile. Wäre sie damals richtig informiert worden, hätte sie mit Sicherheit nicht bis zum 68. Lebensjahr abgewartet, um die Rente zu beantragen. Auf Nachfrage der Beklagten ergänzte die Klägerin, das erwähnte Beratungsgespräch habe nach ihrem Geburtstag im März 2007 im April 2007 stattgefunden. Es habe sich um einen männlichen Berater gehandelt, dessen Name ihr nicht mehr bekannt sei. Schriftliche Aufzeichnungen habe sie während des Gespräches nicht gemacht, was auch nicht üblich sei. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg mit, eine Vorsprache der Klägerin könne weder im Jahr 2007 noch in den Jahren danach festgestellt werden.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2014). Zur Begründung wiederholte die Widerspruchsstelle zunächst die Ausführungen der Beklagten im Schreiben vom 21. Januar 2014, verwies auf die Antwort der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg und führte weiter aus, eine mit dem (von der Klägerin vorgetragenen) Inhalt vermeintlich erfolgte Aufklärung sei in einem so hohen Grad von den gesetzlichen Regelungen entfernt, als dass eine derartige Aussage tatsächlich in einem Beratungsgespräch erfolgt sein könnte. Über den persönlichen Anspruch auf Regelaltersrente mit 65 Jahren und die hierfür erforderliche Antragstellung sei die Klägerin ausreichend zeitnah mit der Kurzauskunft vom 21. März 2009 informiert worden. Eine rechtzeitige Antragstellung sei trotz der Hinweise nicht erfolgt.
Die Klägerin erhob am 30. Juni 2014 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie wiederholte ihre Behauptung zu der Vorsprache im Jahre 2007 und trug weiter vor, es sei keine Seltenheit, dass von Mitarbeitern öffentlicher Anstalten oder Verbände an Begünstigte unrichtige Auskünfte erteilt würden. Sie habe Rentenauskünfte erhalten. Es werde jedoch bestritten, dass sie am 21. März 2009 ein Anschreiben erhalten habe.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf ihre Bescheide entgegen.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18. November 2014 ab. Die (Alters-)Rente sei der Klägerin erst ab 1. September 2012 zu zahlen, da sie erst im Laufe des September 2012 einen Rentenantrag gestellt habe. Eine Ausnahme hiervon sei auch nicht - etwa unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, für dessen Voraussetzungen die Klägerin die objektive Beweislast trage - deswegen möglich, weil die Beklagte die Klägerin unzureichend beraten hätte. Soweit die Klägerin vortrage, im Jahre 2007 eine falsche Auskunft der Beklagten erhalten zu haben, bleibe sie insofern beweisfällig. Sie könne weder den Mitarbeiter der Beklagten, der ihr diese Auskunft gegeben habe, noch einen Zeugen hierfür benennen. Auch andere Beratungsfehler habe die Klägerin nicht plausibel dargelegt. Zu Ermittlungen "ins Blaue hinein" sei es nicht verpflichtet. Im Übrigen werde auf den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. September 2014 (L 10 3891/14 B) betreffend die (Zurückweisung der) Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe Bezug genommen.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 27. November 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 8. Dezember 2014 beim SG Berufung eingelegt. Sie könne sich nicht daran erinnern, die von der Beklagten genannten Rentenauskünfte erhalten zu haben. Es werde bestritten, dass in diesen "Bescheiden" (gemeint wohl Rentenauskünfte) darauf hingewiesen worden sei, die Altersrente könne frühestens ab dem Monat mit Antrag auf Rentenzahlung bewilligt werden, sowie dass ihr ein Anschreiben vom 21. März 2009 zugegangen sein soll. Die Beklagte habe Beweis für den Zugang nicht angetreten. Die Beklagte habe gegen ihre Pflicht verstoßen, die Versicherten in geeigneten Fällen darauf hinzuweisen, dass sie zur Geltendmachung ihrer Altersrentenansprüche einen Rentenantrag stellen könnten. Es könne unterstellt werden, dass wenn sie vor dem 65. Lebensjahr auf die Folgen einer verspäteten Antragstellung hingewiesen worden wäre, sie rechtzeitig ihren Rentenantrag gestellt hätte. Wegen fehlerhafter Beratung durch die Mitarbeiter der Beklagten stehe ihr ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu. Ihr Ansprechpartner bei der Vorsprache im Jahr 2007 sei Herr Eugen Geiger gewesen (den Namen hat die Klägerin erstmals im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren genannt), der zwischenzeitlich verstorben sei. Es sei sicherlich eine ungewöhnliche Regelung, dass die Gewährung von Rente, die ein Arbeitnehmer durch seine Arbeit erwerbe, erst fällig werde, wenn eine entsprechende Rentenantrag gestellt werde. Derjenige, der sich in Rentensache nicht auskenne, müsse damit nicht rechnen. Fraglich sei, ob die Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Stelle ein Arbeitnehmer verspätet Rentenantrag, werde ein Teil der ihm zustehenden Rentenansprüche, die er durch seine Arbeitsleistung erworben habe, faktisch "enteignet". Zu berücksichtigen sei auch, dass bei einem Versorgungsausgleich bei der Berechnung der Ehezeit nicht darauf abgestellt werde, ob eine Rente gezahlt werde oder ein Rentenantrag gestellt sei oder nicht. Es sei kein sachlicher Grund vorhanden, weshalb sie schlechter gestellt werden solle als eine nicht berufstätige Ehefrau im Falle einer Scheidung.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. November 2014 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Altersrente für langjährig Versicherte auch für die Zeit vom 1. April 2009 bis 31. August 2012 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten bedarf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtgesetz [SGG]) entschieden hat, ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG. Denn die Klägerin begehrt Leistungen (Altersrente) für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 12. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2014 ist rechtmäßig, soweit die Beklagte den Beginn der Altersrente für langjährig Versicherte mit dem 1. September 2012 festgesetzt hat. Für einen früheren Zeitpunkt besteht ein Anspruch auf Altersrente nicht.
a) Die Klägerin hat Anspruch auf Altersrente erst ab 1. September 2012, weil sie erst im Monat September 2012 den Antrag auf Altersrente stellte. Dies folgt aus § 99 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Satz 1). Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird (Satz 2). Diese Regelung steht in Zusammenhang mit § 115 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, wonach das Verfahren mit dem Antrag beginnt, wenn nicht etwas anderes bestimmt ist, sowie mit § 19 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), wonach unter anderem Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung auf Antrag erbracht werden, soweit sie aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt. Da mithin in der gesetzlichen Rentenversicherung das Antragsprinzip gilt, ist die Behauptung der Klägerin, die Regelung über die notwendige Antragstellung sei überraschend, nicht nachvollziehbar.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift hat der Senat nicht. Es ist nicht erkennbar, weshalb die Notwendigkeit einer Antragstellung als Voraussetzung für den Anspruch auf eine sozialversicherungsrechtliche Leistung verfassungsrechtlich bedenklich sein sollte.
b) Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger (hier der Beklagten) zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten (hier der Klägerin) ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sei. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Sozialleistungsträgers (hier der Beklagten) der Zustand wieder hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG], z.B. Urteil vom 11. Dezember 2014 - B 11 AL 2/14 R - in juris).
aa) Der Senat vermag keine Pflichtverletzung der Beklagten festzustellen, insbesondere keine Verletzung der ihr obliegenden Beratungspflichten.
(1) Zunächst ist die Behauptung der Klägerin über das angeblich im Jahr 2007 erfolgte Beratungsgespräch nicht festzustellen. Nach der von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg der Beklagten Widerspruchsverfahren erteilten Auskunft, lässt sich schon nicht feststellen, dass die Klägerin die dortige Beratungsstelle jemals aufsuchte. Ferner ist - wie die Widerspruchsstelle im Widerspruchsbescheid zutreffend ausführte - die von der Klägerin behauptete Auskunft im Hinblick auf das zuvor dargestellte Antragsprinzip unvereinbar mit der gesetzlichen Regelung. Es ist unwahrscheinlich, dass ein Berater eines Rentenversicherungsträgers, der sich in Angelegenheiten der Rentenversicherung auskennt, eine derart völlig falsche Auskunft erteilte.
Zudem ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin, dass ihr die Möglichkeit bekannt war, eine Altersrente auch schon ab dem 63. Lebensjahr in Anspruch zu nehmen. Dies ist ein Indiz dafür, dass sich die Klägerin mit den Altersrenten und den Zeitpunkten ihrer Inanspruchnahme befasst hat. Dies liegt zudem nahe, weil sie zuletzt eine selbstständige Tätigkeit als Versicherungsvertreterin ausübte und somit in Versicherungsangelegenheiten Kenntnisse hat. Dies wird bekräftigt durch den Vortrag der Klägerin im vorangegangenen Beschwerdeverfahren wegen der Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren. In dem Beschwerdeverfahren trug sie vor - ohne dies anschließend im Berufungsverfahren zu wiederholen -, sich im Jahr 2009 nochmals erkundigt zu haben, ob sie jetzt mit 65 Jahren, wenn sie die Rente nicht beantrage und weiter arbeiten würde und erst einige Jahre später die Rente beantragen würde, ihr Nachteile entstünden. Aus alledem ergibt sich, dass der Klägerin bekannt war, dass für die Zahlung der Altersrente die Stellung eines Antrages bei der Beklagten erforderlich war.
Ferner ist das Vorbringen der Klägerin nicht überzeugend, weil dieses - wie der 10. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg im Beschluss vom 30. September 2014 zu Recht ausgeführt hat - widersprüchlich ist. Nachdem sie zunächst im Widerspruchsverfahren auf ausdrückliche Nachfrage der Beklagten angab, den Namen des Gesprächspartners nicht zu kennen, benannte sie erstmals im Beschwerdeverfahren den angeblichen Gesprächspartner mit konkreten Namen, der ihr nach ihrem Vortrag im Beschwerdeverfahren schon zuvor bekannt gewesen sein solle.
Die Behauptung der Klägerin über die angebliche Vorsprache ist schließlich auch unter Berücksichtigung des sich aus den Verwaltungsakten der Beklagten ergebenden Verhaltens der Klägerin in Zusammenhang mit ihren Rentenangelegenheiten nicht überzeugend. Die Klägerin kam in der Vergangenheit ihren Mitwirkungspflichten gegenüber der Beklagten nicht nach. Die Beklagte musste sowohl den am 12. September 2012 eingegangenen formlosen Rentenantrag als auch den im März 1999 gestellten Antrag, sie (die Klägerin) von der Versicherungspflicht als Selbstständige in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien, wegen fehlender Mitwirkung zunächst ablehnen. Erst sehr zögerlich kam die Klägerin später ihren Mitwirkungspflichten nach und ermöglichte der Beklagten eine Entscheidung.
(2) Einen Beratungsfehler der Beklagten vermag der Senat auch nicht deshalb festzustellen, weil die Beklagte die Klägerin nicht über die Möglichkeit, Altersrente in Anspruch zu nehmen informiert haben soll. Nach § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI sollen die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Nach den in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen Kontoübersichten erfolgte unter dem 21. März 2009, mithin in dem Monat, in welchem die Klägerin ihr 65. Lebensjahr vollendete, eine solcher Hinweis. Da die Klägerin den Zugang dieses Schreibens bestreitet, kann nicht festgestellt werden, dass der Hinweis tatsächlich erfolgte. Daraus allein vermag der Senat aber noch keinen Beratungsfehler abzuleiten. Denn zum Einen war die Klägerin wie zuvor dargestellt über den Anspruch auf Altersrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres informiert. Zum Anderen informierte die Beklagte die Klägerin mit mehreren Rentenauskünften. Diese enthalten Hinweise auf die Zeitpunkte, zu denen die verschiedenen Altersrenten in Anspruch genommen werden können. Dass der Klägerin keine dieser Rentenauskünfte zugegangen sein soll, hat sie nicht behauptet und wäre im Übrigen auch unwahrscheinlich.
bb) Des Weiteren vermag der Senat nicht festzustellen, dass der von der Klägerin behauptete Beratungsfehler der Beklagten kausal für den eingetretenen Nachteil des späteren Beginns der Zahlung der Altersrente war, die Klägerin also rechtzeitig, in zeitlichem Zusammenhang mit der Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 11. März 2009, den Rentenantrag gestellt hätte, wenn sie den Hinweis auf die Notwendigkeit der Rentenantragstellung erhalten hätte. Es ist nicht auszuschließen, dass die Klägerin zunächst bewusst darauf verzichtete, mit Vollendung ihres 65. Lebensjahres eine Altersrente zu beantragen. Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 65. Lebensjahres noch selbstständig als Versicherungsvertreterin tätig. Nach ihren eigenen Angaben gegenüber der Beklagten gab sie ihre selbstständige Tätigkeit erst zum 31. Dezember 2011 auf (Schreiben der Klägerin vom 24. Oktober 2013, Teil II Bl. 69 der Verwaltungsakte). Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass die Klägerin der (möglicherweise unrichtigen) Auffassung war, ihre selbstständige Tätigkeit könne Auswirkungen auf die Zahlung der Altersrente haben. Des Weiteren war der Klägerin bekannt, dass bei der Beklagten mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vorliegen, so dass die Beklagte die Altersrente nicht in vollem Umfang an sie auszahlt. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass die Klägerin drei Jahre abwartete, bis sie den Antrag auf Altersrente stellte, obgleich - ausgehend von ihrer Behauptung, die Altersrente werde unabhängig vom Antragszeitpunkt ab dem Monat, der der Vollendung des 65. Lebensjahres folgt, gezahlt - sie nach März 2009 jederzeit hätte die Rente beantragen können. Dies lässt nur den Schluss zu, dass sie in diesen drei Jahren ohne die Zahlung der Altersrente ihren Lebensunterhalt bestreiten konnte, zumindest aus welchen auch immer Gründen zunächst meinte, nicht auf die Zahlung der Altersrente angewiesen zu sein.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt, die ihr die Altersrente bereits ab dem 1. April 2009 statt erst ab 1. September 2012 zu bewilligen.
Für die am 1944 geborene Klägerin waren vom 16. September 1958 bis 28. Februar 1990 sowie vom 1. Oktober 1991 bis 31. Januar 1995 Beiträge aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung entrichtet worden. In der Zwischenzeit entrichtete die Klägerin freiwillige Beiträge. Zum 1. Januar 1994 meldete sie ein Gewerbe für Vermittlung von Versicherungen und Bausparverträgen und war selbstständig tätig. Sie beantragte am 1. März 1999 sinngemäß, sie von der Versicherungspflicht als Selbstständige in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Diesen Antrag lehnte die Beklagte wegen mangelnder Mitwirkung der Klägerin mit Bescheid vom 22. März 2000 sowie nach Mitwirkung der Klägerin mit Bescheid vom 22. Dezember 2006 zunächst ab. Sie nahm den Bescheid vom 22. Dezember 2006 zurück und befreite die Klägerin ab 1. Januar 1999 von der Versicherungspflicht (Bescheid vom 7. Februar 2007). Nach ihren Angaben beendete die Klägerin ihre selbstständige Tätigkeit zum 31. Dezember 2011. Bei der Beklagten gingen vor 2009 mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ein, worüber die Beklagte die Klägerin jeweils unterrichtete.
Nach den in der Verwaltungsakte befindlichen Kontoübersichten erteilte die Beklagte der Klägerin Vormerkungsbescheide, zuletzt am 21. September 2004, zwischen 1980 und zuletzt am 29. Juni 2007 sowie 15. Februar 2008 mehrere Rentenauskünfte und schrieb sie unter dem 21. März 2009 mit dem Hinweis an, sie könne eine Leistung (Regelaltersrente) erhalten.
Mit Schreiben vom 10. September 2012, bei der Beklagten am 12. September 2012 eingegangen, bat die Klägerin um Zusendung eines Rentenantrags. Im November 2012 wandte sie sich über ihren Prozessbevollmächtigten an die Beklagte und gab an, seit ihrer Antragstellung auf Altersrente im Mai 2012 trotz Mahnung keine Nachricht erhalten zu haben. Die ihr übersandten Vordrucke für die Antragstellung reichte die Klägerin bei der Beklagten nicht ein. Die Beklagte lehnte deshalb den Antrag auf Zahlung der Altersrente wegen fehlender Mitwirkung der Klägerin ab (Bescheid vom 4. Februar 2013). Die Klägerin erhob sinngemäß Widerspruch. Nachdem die Klägerin die Antragsvordrucke weiterhin nicht übersandt hatte, wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 5. August 2013).
Am 16. August 2013 ging der von der Klägerin ausgefüllte und mit dem Datum 28. September 2012 unterschriebene Antragsvordruck bei der Beklagten ein. Die Beklagte bewilligte der Klägerin Altersrente für langjährig Versicherte ab 1. September 2012 (Bescheid vom 12. November 2013). Für die Zeit vom 1. September 2012 bis 31. Dezember 2013 ermittelte die Beklagte eine Nachzahlung in Höhe von EUR 17.993,60.
Die Klägerin erhob hinsichtlich der Höhe der Nachzahlung Widerspruch. Diese müsse höher sein. Die Altersrente stehe ihr ab Vollendung des 65. Lebensjahres (12. März 2009) zu. Die Beklagte verwies darauf, Rentenbeginn sei der 1. September 2012, weil die Klägerin am 10. September 2012 einen formlosen Rentenantrag gestellt habe. Ihren Hinweis- und Informationspflichten sei sie (die Beklagte) nachgekommen. Am 21. September 2004, 29. Juni 2007 und 15. Februar 2008 habe sie Rentenauskünfte erteilt sowie am 21. März 2009 ein Schreiben versandt, mit welchem sie die Klägerin aufgeklärt habe, wann die Regelaltersgrenze erreicht sei, was sie tun müsse, um eine Regelaltersrente zu erhalten und bis wann sie den Rentenantrag stellen soll (Schreiben vom 21. Januar 2014). Die Klägerin erwiderte hierauf, sie habe bei der Niederlassung der Beklagten in Karlsruhe bei Erreichen des 63. Lebensjahres vorgesprochen. Sie habe sich erkundigen wollen, ob die Möglichkeit bestehe, bereits mit 63 Jahren eine Rente zu erhalten. Ihr sei erklärt worden, wenn sie die Rente vor dem 65. Lebensjahr beantrage, erst Anspruch auf Zahlung der Rente ab dem Monat der Anspruchsstellung zu haben. Beantrage sie dagegen später die gesetzliche Altersrente, gebe es hierfür keine Frist, die gesetzliche Altersrente würde ab dem Monat nach dem 65. Geburtstag ausbezahlt, gleichgültig, zu welchem Zeitpunkt dieser Antrag gestellt würde. Sie sei auch ausdrücklich darauf hingewiesen worden, sie habe die Möglichkeit, die Altersrente auch nach dem 65. Lebensjahr zu beantragen. Hierdurch habe sie keine finanziellen Nachteile. Wäre sie damals richtig informiert worden, hätte sie mit Sicherheit nicht bis zum 68. Lebensjahr abgewartet, um die Rente zu beantragen. Auf Nachfrage der Beklagten ergänzte die Klägerin, das erwähnte Beratungsgespräch habe nach ihrem Geburtstag im März 2007 im April 2007 stattgefunden. Es habe sich um einen männlichen Berater gehandelt, dessen Name ihr nicht mehr bekannt sei. Schriftliche Aufzeichnungen habe sie während des Gespräches nicht gemacht, was auch nicht üblich sei. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg mit, eine Vorsprache der Klägerin könne weder im Jahr 2007 noch in den Jahren danach festgestellt werden.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2014). Zur Begründung wiederholte die Widerspruchsstelle zunächst die Ausführungen der Beklagten im Schreiben vom 21. Januar 2014, verwies auf die Antwort der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg und führte weiter aus, eine mit dem (von der Klägerin vorgetragenen) Inhalt vermeintlich erfolgte Aufklärung sei in einem so hohen Grad von den gesetzlichen Regelungen entfernt, als dass eine derartige Aussage tatsächlich in einem Beratungsgespräch erfolgt sein könnte. Über den persönlichen Anspruch auf Regelaltersrente mit 65 Jahren und die hierfür erforderliche Antragstellung sei die Klägerin ausreichend zeitnah mit der Kurzauskunft vom 21. März 2009 informiert worden. Eine rechtzeitige Antragstellung sei trotz der Hinweise nicht erfolgt.
Die Klägerin erhob am 30. Juni 2014 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie wiederholte ihre Behauptung zu der Vorsprache im Jahre 2007 und trug weiter vor, es sei keine Seltenheit, dass von Mitarbeitern öffentlicher Anstalten oder Verbände an Begünstigte unrichtige Auskünfte erteilt würden. Sie habe Rentenauskünfte erhalten. Es werde jedoch bestritten, dass sie am 21. März 2009 ein Anschreiben erhalten habe.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf ihre Bescheide entgegen.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18. November 2014 ab. Die (Alters-)Rente sei der Klägerin erst ab 1. September 2012 zu zahlen, da sie erst im Laufe des September 2012 einen Rentenantrag gestellt habe. Eine Ausnahme hiervon sei auch nicht - etwa unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, für dessen Voraussetzungen die Klägerin die objektive Beweislast trage - deswegen möglich, weil die Beklagte die Klägerin unzureichend beraten hätte. Soweit die Klägerin vortrage, im Jahre 2007 eine falsche Auskunft der Beklagten erhalten zu haben, bleibe sie insofern beweisfällig. Sie könne weder den Mitarbeiter der Beklagten, der ihr diese Auskunft gegeben habe, noch einen Zeugen hierfür benennen. Auch andere Beratungsfehler habe die Klägerin nicht plausibel dargelegt. Zu Ermittlungen "ins Blaue hinein" sei es nicht verpflichtet. Im Übrigen werde auf den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. September 2014 (L 10 3891/14 B) betreffend die (Zurückweisung der) Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe Bezug genommen.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 27. November 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 8. Dezember 2014 beim SG Berufung eingelegt. Sie könne sich nicht daran erinnern, die von der Beklagten genannten Rentenauskünfte erhalten zu haben. Es werde bestritten, dass in diesen "Bescheiden" (gemeint wohl Rentenauskünfte) darauf hingewiesen worden sei, die Altersrente könne frühestens ab dem Monat mit Antrag auf Rentenzahlung bewilligt werden, sowie dass ihr ein Anschreiben vom 21. März 2009 zugegangen sein soll. Die Beklagte habe Beweis für den Zugang nicht angetreten. Die Beklagte habe gegen ihre Pflicht verstoßen, die Versicherten in geeigneten Fällen darauf hinzuweisen, dass sie zur Geltendmachung ihrer Altersrentenansprüche einen Rentenantrag stellen könnten. Es könne unterstellt werden, dass wenn sie vor dem 65. Lebensjahr auf die Folgen einer verspäteten Antragstellung hingewiesen worden wäre, sie rechtzeitig ihren Rentenantrag gestellt hätte. Wegen fehlerhafter Beratung durch die Mitarbeiter der Beklagten stehe ihr ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu. Ihr Ansprechpartner bei der Vorsprache im Jahr 2007 sei Herr Eugen Geiger gewesen (den Namen hat die Klägerin erstmals im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren genannt), der zwischenzeitlich verstorben sei. Es sei sicherlich eine ungewöhnliche Regelung, dass die Gewährung von Rente, die ein Arbeitnehmer durch seine Arbeit erwerbe, erst fällig werde, wenn eine entsprechende Rentenantrag gestellt werde. Derjenige, der sich in Rentensache nicht auskenne, müsse damit nicht rechnen. Fraglich sei, ob die Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Stelle ein Arbeitnehmer verspätet Rentenantrag, werde ein Teil der ihm zustehenden Rentenansprüche, die er durch seine Arbeitsleistung erworben habe, faktisch "enteignet". Zu berücksichtigen sei auch, dass bei einem Versorgungsausgleich bei der Berechnung der Ehezeit nicht darauf abgestellt werde, ob eine Rente gezahlt werde oder ein Rentenantrag gestellt sei oder nicht. Es sei kein sachlicher Grund vorhanden, weshalb sie schlechter gestellt werden solle als eine nicht berufstätige Ehefrau im Falle einer Scheidung.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. November 2014 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Altersrente für langjährig Versicherte auch für die Zeit vom 1. April 2009 bis 31. August 2012 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten bedarf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtgesetz [SGG]) entschieden hat, ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG. Denn die Klägerin begehrt Leistungen (Altersrente) für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 12. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2014 ist rechtmäßig, soweit die Beklagte den Beginn der Altersrente für langjährig Versicherte mit dem 1. September 2012 festgesetzt hat. Für einen früheren Zeitpunkt besteht ein Anspruch auf Altersrente nicht.
a) Die Klägerin hat Anspruch auf Altersrente erst ab 1. September 2012, weil sie erst im Monat September 2012 den Antrag auf Altersrente stellte. Dies folgt aus § 99 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Satz 1). Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird (Satz 2). Diese Regelung steht in Zusammenhang mit § 115 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, wonach das Verfahren mit dem Antrag beginnt, wenn nicht etwas anderes bestimmt ist, sowie mit § 19 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), wonach unter anderem Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung auf Antrag erbracht werden, soweit sie aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt. Da mithin in der gesetzlichen Rentenversicherung das Antragsprinzip gilt, ist die Behauptung der Klägerin, die Regelung über die notwendige Antragstellung sei überraschend, nicht nachvollziehbar.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift hat der Senat nicht. Es ist nicht erkennbar, weshalb die Notwendigkeit einer Antragstellung als Voraussetzung für den Anspruch auf eine sozialversicherungsrechtliche Leistung verfassungsrechtlich bedenklich sein sollte.
b) Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger (hier der Beklagten) zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten (hier der Klägerin) ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sei. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Sozialleistungsträgers (hier der Beklagten) der Zustand wieder hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG], z.B. Urteil vom 11. Dezember 2014 - B 11 AL 2/14 R - in juris).
aa) Der Senat vermag keine Pflichtverletzung der Beklagten festzustellen, insbesondere keine Verletzung der ihr obliegenden Beratungspflichten.
(1) Zunächst ist die Behauptung der Klägerin über das angeblich im Jahr 2007 erfolgte Beratungsgespräch nicht festzustellen. Nach der von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg der Beklagten Widerspruchsverfahren erteilten Auskunft, lässt sich schon nicht feststellen, dass die Klägerin die dortige Beratungsstelle jemals aufsuchte. Ferner ist - wie die Widerspruchsstelle im Widerspruchsbescheid zutreffend ausführte - die von der Klägerin behauptete Auskunft im Hinblick auf das zuvor dargestellte Antragsprinzip unvereinbar mit der gesetzlichen Regelung. Es ist unwahrscheinlich, dass ein Berater eines Rentenversicherungsträgers, der sich in Angelegenheiten der Rentenversicherung auskennt, eine derart völlig falsche Auskunft erteilte.
Zudem ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin, dass ihr die Möglichkeit bekannt war, eine Altersrente auch schon ab dem 63. Lebensjahr in Anspruch zu nehmen. Dies ist ein Indiz dafür, dass sich die Klägerin mit den Altersrenten und den Zeitpunkten ihrer Inanspruchnahme befasst hat. Dies liegt zudem nahe, weil sie zuletzt eine selbstständige Tätigkeit als Versicherungsvertreterin ausübte und somit in Versicherungsangelegenheiten Kenntnisse hat. Dies wird bekräftigt durch den Vortrag der Klägerin im vorangegangenen Beschwerdeverfahren wegen der Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren. In dem Beschwerdeverfahren trug sie vor - ohne dies anschließend im Berufungsverfahren zu wiederholen -, sich im Jahr 2009 nochmals erkundigt zu haben, ob sie jetzt mit 65 Jahren, wenn sie die Rente nicht beantrage und weiter arbeiten würde und erst einige Jahre später die Rente beantragen würde, ihr Nachteile entstünden. Aus alledem ergibt sich, dass der Klägerin bekannt war, dass für die Zahlung der Altersrente die Stellung eines Antrages bei der Beklagten erforderlich war.
Ferner ist das Vorbringen der Klägerin nicht überzeugend, weil dieses - wie der 10. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg im Beschluss vom 30. September 2014 zu Recht ausgeführt hat - widersprüchlich ist. Nachdem sie zunächst im Widerspruchsverfahren auf ausdrückliche Nachfrage der Beklagten angab, den Namen des Gesprächspartners nicht zu kennen, benannte sie erstmals im Beschwerdeverfahren den angeblichen Gesprächspartner mit konkreten Namen, der ihr nach ihrem Vortrag im Beschwerdeverfahren schon zuvor bekannt gewesen sein solle.
Die Behauptung der Klägerin über die angebliche Vorsprache ist schließlich auch unter Berücksichtigung des sich aus den Verwaltungsakten der Beklagten ergebenden Verhaltens der Klägerin in Zusammenhang mit ihren Rentenangelegenheiten nicht überzeugend. Die Klägerin kam in der Vergangenheit ihren Mitwirkungspflichten gegenüber der Beklagten nicht nach. Die Beklagte musste sowohl den am 12. September 2012 eingegangenen formlosen Rentenantrag als auch den im März 1999 gestellten Antrag, sie (die Klägerin) von der Versicherungspflicht als Selbstständige in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien, wegen fehlender Mitwirkung zunächst ablehnen. Erst sehr zögerlich kam die Klägerin später ihren Mitwirkungspflichten nach und ermöglichte der Beklagten eine Entscheidung.
(2) Einen Beratungsfehler der Beklagten vermag der Senat auch nicht deshalb festzustellen, weil die Beklagte die Klägerin nicht über die Möglichkeit, Altersrente in Anspruch zu nehmen informiert haben soll. Nach § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI sollen die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Nach den in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen Kontoübersichten erfolgte unter dem 21. März 2009, mithin in dem Monat, in welchem die Klägerin ihr 65. Lebensjahr vollendete, eine solcher Hinweis. Da die Klägerin den Zugang dieses Schreibens bestreitet, kann nicht festgestellt werden, dass der Hinweis tatsächlich erfolgte. Daraus allein vermag der Senat aber noch keinen Beratungsfehler abzuleiten. Denn zum Einen war die Klägerin wie zuvor dargestellt über den Anspruch auf Altersrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres informiert. Zum Anderen informierte die Beklagte die Klägerin mit mehreren Rentenauskünften. Diese enthalten Hinweise auf die Zeitpunkte, zu denen die verschiedenen Altersrenten in Anspruch genommen werden können. Dass der Klägerin keine dieser Rentenauskünfte zugegangen sein soll, hat sie nicht behauptet und wäre im Übrigen auch unwahrscheinlich.
bb) Des Weiteren vermag der Senat nicht festzustellen, dass der von der Klägerin behauptete Beratungsfehler der Beklagten kausal für den eingetretenen Nachteil des späteren Beginns der Zahlung der Altersrente war, die Klägerin also rechtzeitig, in zeitlichem Zusammenhang mit der Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 11. März 2009, den Rentenantrag gestellt hätte, wenn sie den Hinweis auf die Notwendigkeit der Rentenantragstellung erhalten hätte. Es ist nicht auszuschließen, dass die Klägerin zunächst bewusst darauf verzichtete, mit Vollendung ihres 65. Lebensjahres eine Altersrente zu beantragen. Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 65. Lebensjahres noch selbstständig als Versicherungsvertreterin tätig. Nach ihren eigenen Angaben gegenüber der Beklagten gab sie ihre selbstständige Tätigkeit erst zum 31. Dezember 2011 auf (Schreiben der Klägerin vom 24. Oktober 2013, Teil II Bl. 69 der Verwaltungsakte). Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass die Klägerin der (möglicherweise unrichtigen) Auffassung war, ihre selbstständige Tätigkeit könne Auswirkungen auf die Zahlung der Altersrente haben. Des Weiteren war der Klägerin bekannt, dass bei der Beklagten mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vorliegen, so dass die Beklagte die Altersrente nicht in vollem Umfang an sie auszahlt. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass die Klägerin drei Jahre abwartete, bis sie den Antrag auf Altersrente stellte, obgleich - ausgehend von ihrer Behauptung, die Altersrente werde unabhängig vom Antragszeitpunkt ab dem Monat, der der Vollendung des 65. Lebensjahres folgt, gezahlt - sie nach März 2009 jederzeit hätte die Rente beantragen können. Dies lässt nur den Schluss zu, dass sie in diesen drei Jahren ohne die Zahlung der Altersrente ihren Lebensunterhalt bestreiten konnte, zumindest aus welchen auch immer Gründen zunächst meinte, nicht auf die Zahlung der Altersrente angewiesen zu sein.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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