L 9 U 3098/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 82/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3098/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 2. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - im folgenden BK 4104 - sowie deren Entschädigung durch die Beklagte.

Der 1930 geborene Kläger erlernte nach seinen Angaben im Verwaltungsverfahren von 1948 bis 1951 den Beruf des Wagners, von 1951 bis 1954 war er als Waldarbeiter tätig. Von 1954 bis 1957 machte er eine Umschulung zum Zimmermann, von 1957 bis 1958 war er als Zimmerergeselle beschäftigt. Von 1958 bis Mai 1959 absolvierte er die Meisterschule und war von Mai 1958 bis Dezember 1977 als selbstständiger Zimmermann tätig und bei der Beklagten versichert. Von 1978 bis 1995 war er als Meister in der Werkstatt und Produktion bei der Fa. K. P. beschäftigt. Seit Oktober 1995 ist der Kläger Rentner.

Im Januar 2011 wurde bei dem Kläger erstmals ein histologisch/immunhistochemisch undifferenziertes kleinzelliges Bronchialkarzinom, Tumorstadium T 2a N3, MO, limited disease diagnostiziert (Bericht der Fachkliniken W., W.-Z. A. GmbH & Co. KG, Medizinische Klinik für Atemwegserkrankungen und Allergien vom 21.01.2011 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 10. bis 21.01.2011). Mit ärztlicher Bescheinigung vom 28.01.2011 wurde der Beklagten durch die Klinik der Verdacht einer beruflich bedingten Bronchialkarzinom-Erkrankung gemeldet. Es werde asbestinduzierter Lungenkrebs angenommen. Der Kläger habe von 1958 bis 1977 in seiner Zimmerei als Zimmermann gearbeitet und dabei Eternitplatten geschnitten.

In dem darauf eingeleiteten Feststellungsverfahren teilte der Hausarzt des Klägers, Dr. H., mit, bei einer Vorstellung des Klägers am 05.10.2010 habe dieser an einem schweren, fieberhaften, pulmonalen Infekt gelitten, später im November 2010 sei der Verdacht auf eine Asbesterkrankung geäußert worden. Bei Beginn der Behandlung habe er eine Pleuropneumonie rechts diagnostiziert. Der Kläger sei als selbstständiger Zimmermeister tätig gewesen und habe von 1958 bis 1978 Asbestkontakt beim Zuschneiden von Eternitplatten gehabt (Auskunft vom 10.02.2011). Der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. K. berichtete über eine Vorstellung des Klägers bei ihm am 22.11.2010 (Auskunft vom 31.03.2011, Arztbrief vom 24.11.2010). Die Weiterbehandlung sei durch die Fachkliniken W. erfolgt. Von dort wurden Berichte über die stationären Behandlungen des Klägers vom 10. bis 21.01.2011, vom 22. bis 25.02.2011 und vom 22. bis 25.03.2011 (Entlassungsberichte vom 21.01.2011, vom 14.03.2011 und vom 31.03.2011) sowie Berichte des Facharztes für Pathologie Dr. N. vorgelegt. Weiter zog die Beklagte Berichte und Aufnahmen des Arztes für Radiologie R. über eine thorakale CT vom 09.12.2010 und 16.11.2010 sowie der Fachärztin für Innere Medizin Dr. R. über Röntgen-Thorax-Aufnahmen vom 22.10.2010 und 12.11.2010 bei.

Am 01.03.2011 fand ein Gespräch des Klägers mit Mitarbeitern der Beklagten in Anwesenheit seines Schwagers und der Ehefrau statt. Dabei gab der Kläger an, während seiner Ausbildung zum Wagner, seiner Tätigkeit als Waldarbeiter, seiner Ausbildung zum Zimmermann und seiner Tätigkeit als Zimmerergeselle in den Jahren 1948 bis 1958 und während seiner Tätigkeit für die Fa. K. P. von 1978 bis 1995 habe er jeweils mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Umgang mit teer- oder asbesthaltigen Produkten gehabt. Nach erfolgreichem Abschluss der Meisterschule habe er von Mai 1958 bis Dezember 1977 selbstständig einen Zimmereibetrieb mit 2 bis 4 Mitarbeitern geführt. Sie hätten Abbundarbeiten ausgeführt, Dachstühle errichtet, einschließlich der notwendigen Dachverschalungen, Lattungen und Dacheindeckungen mit Ziegel- und Betondachsteinen sowie Asbestzementplatten und hätten Dachum- und Ausbauten ausgeführt, häufig auch an landwirtschaftlichen Gebäuden. Die reinen Zimmerarbeiten hätten etwa 70% der Arbeitszeit ausgemacht, die Dacheindeckungen etwa 30%. Bei den Dacheindeckungen seien etwa zu 75% Asbestzementplatten verwendet worden, davon etwa 10% an Fassadenverkleidungen, zu etwa 25% seien Ziegel- und Betondachsteine verwandt worden. Die Asbestzementplatten, insbesondere die Kanten der Platten seien auf der Baustelle mit dem Winkelschleifer zugeschnitten worden. Schutzmaßnahmen wie Atemschutz seien damals praktisch unbekannt gewesen. Flachdachisolierungen mit Bitumendachbahnen, Fabrikat Bauder, seien nur in seltenen Einzelfällen vorgekommen. Mit Teer oder teerhaltigen Dachbahnen habe er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Umgang gehabt.

Auf Basis dieser Angaben des Klägers ermittelte Dipl.-Ing. K. der Abteilung Prävention der Beklagten eine Gesamtbelastung des Klägers von 17,4 Faserjahren. Zeitzeugen gebe es nicht mehr, aber die Angaben des Klägers seien absolut glaubwürdig und nicht anzuzweifeln (Bewertung vom 04.03.2011).

In beratungsärztlichen Stellungnahmen vom 28.04.2011 und 16.05.2011 kam Dr. T. zu dem Ergebnis, dass röntgenologisch/computertomographisch kein Nachweis von Brückenbefunden einer Asbestose pleural im Bereich von Brustwand und Zwerchfell beidseits vorliege, auch kein Anhalt für eine Lungenasbestose bestehe. Aufgrund des streng einseitigen Befundes im Bereich der Brustwand rechts ohne Beteiligung der Brustwand links und ohne Beteiligung der Zwerchfelle halte er eine erneute CT-Untersuchung nicht für angezeigt. Er halte eine post mortem Diagnostik für erforderlich, insbesondere hinsichtlich einer Lungenstaubanalyse aufgrund der hohen kumulativen 17,4 Asbestfaserjahre zur Ermittlung einer Minimalasbestose als Brückenbefund. Die staatliche Gewerbeärztin U. G. sprach sich in einer gewerbeärztlichen Feststellung vom 15.06.2011 dagegen aus, eine BK Nr. 4104 der BKV anzuerkennen. Die haftungsausfüllende Kausalität habe nicht wahrscheinlich gemacht werden können. Eventuell sollte eine Autopsie und Wiederaufnahme des Verfahrens bei Asbestnachweis postmortal erfolgen.

Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.07.2011 die Anerkennung einer BK 4104 ab.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er rügte die Berechnung der Faserjahre als unzutreffend. Hier seien nicht die Werte gemäß BK-Report 1/2007, Tabelle 7.10 zugrunde zu legen, sondern die im BK-Report 1/94 S. 88 angegebenen 500 Fasern pro cm³ als Ausgangswert heranzuziehen. 25 Asbestfaserjahre würden erreicht. Im Übrigen würden Brückenbefunde vorliegen. Dabei handle es sich um der Pleura aufsitzende Knoten. Im Weiteren werde ein Verstoß gegen § 200 Abs. 2 SGB VII gerügt und dass Dr. Träger als Zusammenhangsgutachter eingesetzt worden sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2011 als unbegründet zurück. Bei der Faserjahrberechnung sei immer auf die aktuellste Auflage des BK-Reports "Faserjahre" abzustellen und den dort beschriebenen Vorgaben zu folgen. Auch seien nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen keine typischen asbestassoziierten Veränderungen der Lunge oder der Pleura nachzuweisen. Entgegen der Ansicht des Klägers sei Dr. T. als Beratungsfacharzt und nicht als Gutachter tätig geworden.

Hiergegen hat der Kläger am 12.01.2012 Klage zum Sozialgericht (SG) Konstanz erhoben. Zur Begründung hat der Kläger seine Widerspruchsbegründung wiederholt und angeregt, sowohl hinsichtlich der arbeitstechnischen Bedingungen als auch des medizinischen Befundes weitere Ermittlungen durchzuführen. Er hat ärztliche Unterlagen vorgelegt (neu: Entlassungsbericht der Fachkliniken W. vom 16.05.2011, Bericht des Facharztes für Diagnostische Radiologie Dr. E. über CT-Thorax mit KM vom 29.02.2012) sowie eine E-Mail seines Schwagers, des Radiologen Dr. B., wonach zwischenzeitlich bewiesen und wissenschaftlich wohl auch anerkannt sei, dass es asbestinduzierte Bronchialkarzinome ohne Nachweis einer Asbestose der Lunge/Pleura gebe. Weiter hat er angegeben, bereits seit 1955 bzw. seit 1956 und bis 1978 mit Asbest gearbeitet zu haben.

Die Beklagte hat eine Erläuterung der Faserjahreberechnung der Abteilung Prävention vom 12.03.2012 vorgelegt. Darin hat Dipl.-Ing. K. ausgeführt, dass für die Berechnung der Faserjahre bei Dacheindeckungen mit Asbestzementwellplatten der auf vielfältigen Messergebnissen basierende Schichtmittelwert von 4 F/cm³ und bei Fassadenverkleidung mit Asbestzementplatten ein solcher von 6,4 F/m³ jeweils gemäß Faserjahrreport 1/2007, Tab. 7.10, Seite 137 berücksichtigt worden sei. Der zeitliche Umfang, in dem diese Tätigkeiten berücksichtigt worden seien, sei anhand der Angaben des Klägers im Gespräch vom 01.03.2011 ermittelt worden. In der Summe habe sich damit eine Belastung von 17,4 Faserjahren ergeben. Die Werte seien im BK-Report Faserjahre 1/1994 nicht höher angegeben gewesen.

Sodann hat Prof. Dr. N. mit Gutachten vom 10.01.2013 unter Mitberücksichtigung des radiologischen Zusatzgutachtens des Prof. Dr. M.-L. vom 28.12.2012 ein arbeitsmedizinisches Gutachten erstattet. Bei der gutachtlichen Untersuchung habe der Kläger angegeben, bereits seit 1953 im Zimmererberuf tätig gewesen zu sein. Die Meisterprüfung habe er im Frühjahr 1958 abgelegt und sei bis Herbst 1977 selbstständig gewesen. Mit Asbest habe er ab seiner Gesellenzeit, etwa seit 1955 zu tun gehabt. Während seiner Zimmererzeit seien vorwiegend Dachstühle gerichtet worden, insgesamt während mindestens 30 % der Arbeitszeit, in den 1960er Jahren aber deutlich mehr, ca. 50 bis 60 % der Arbeitszeit. Die anderen Zeiten hätten u.a. Verschalungen, Wandverkleidungen und Treppenbau betroffen, besonders im Winter. Vor allem in den 1960er Jahren seien die Scheunen nahezu ausschließlich mit Eternitplatten eingedeckt, auch die Wände seien damit verkleidet worden. Er habe die Platten mit einem Trennschleifer (Flex) geschnitten, er sei oft mitten im Staub gestanden. Er sei der Zuschneider gewesen, habe die Maße von den auf dem Dach arbeitenden Gesellen bekommen und die Platten entsprechend geschnitten. Die Zuschneidezeit habe über 15 Jahre hinweg bei ca. 4 Stunden täglich gelegen, in der übrigen Zeit bei ca. 1-2 Stunden täglich. Kumuliert habe er damit ca. 9 Jahre nur Zuschneidearbeien an asbesthaltigen Werkstoffen vorgenommen. Dies sei ohne Atemschutz erfolgt. Die Dacheindeckungen und Fassadenverkleidungen seien mit demselben Material erfolgt, zu 75 % seien dies Asbestzementwellplatten gewesen, zu 5 % sog. ebene Tafeln. "Er habe nie geraucht". Prof. Dr. N. kam zu dem Ergebnis, der Kläger leide an Lungenkrebs. Eine Asbestose oder eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura lasse sich nicht eindeutig sichern. Gehe man nicht von den Berechnungen der Abteilung Prävention der Beklagten, sondern von den Angaben des Klägers im Rahmen der gutachtlichen Untersuchung aus, sei von einer Überschreitung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren auszugehen. Beim Nachweis einer Belastung von mindestens 25 Faserjahren sei vom Vorliegen einer BK 4104 auszugehen, mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 v. H. ab dem ersten Nachweis des Tumors im Januar 2011, wahrscheinlich auch schon ab dem Nachweis der Pleuropneumonie im Oktober 2010.

Ergänzend zu seinen Angaben gegenüber dem Sachverständigen hat der Kläger vorgetragen, dass auch die Fassadenverkleidungen zum überwiegenden Teil mit Asbestzement-Wellplatten vorgenommen worden seien, wobei diese Platten an den Ecken und Kanten jeweils mit dem Winkelschleifer hätten zurechtgeschnitten werden müssen. An Regentagen seien alle Schneidearbeiten in geschlossenen Räumen wie etwa in Scheunen durchgeführt worden. Bereits in der Gesellenzeit habe er in den Jahren 1956 bis 1958 in gleicher Häufigkeit wie später während seiner Selbstständigkeit Dacheindeckungen und Fassadenverkleidungen aus Asbestzement-Wellplatten vorgenommen mit entsprechender Exposition gegenüber winkelschleiferbedingtem Asbeststaub.

Die Beklagte hat eine ergänzende Stellungnahme von Dipl.-Ing. K. vom 15.03.2013 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, die Angaben des Klägers bei der gutachtlichen Untersuchung, er sei bereits während seiner Gesellenzeit Asbest ausgesetzt gewesen, widersprächen den früheren Angaben des Klägers. Auch die Angaben über den zeitlichen Umfang der Zuschneidearbeiten während der selbstständigen Tätigkeit würden den Erfahrungswerten und Ausführungen des BK-Reports Faserjahre 1/2007 widersprechen. Nach seinen Erfahrungen und den Ausführungen im BK-Report Faserjahre 1/2007 mache der Zuschnitt der Asbestzementplatten durchschnittlich 6 % der Arbeitszeit für die gesamte Dacheindeckung aus. Die Menge an Platten, die der Kläger nach eigenen Angaben während eines Arbeitstages zugeschnitten habe, hätte rein rechnerisch ausgereicht, um mindestens 7 Mitarbeiter einen Tag lang mit Dacheindeckung bzw. Fassadenverkleidung zu beschäftigen. Weiterhin sei zu bemerken, dass damals hauptsächlich die Kanten der Asbestzementplatten hätten zugeschnitten werden müssen, da die Platten zu dieser Zeit noch nicht vorkonfektioniert gewesen seien. Es habe sich immer um den gleichen Schnitt gehandelt, also eine Arbeit, die entgegen den Angaben des Klägers in keiner Weise besondere Kenntnisse oder Fertigkeiten erfordert hätte. Nur bei Anschlussarbeiten hätten die Platten angepasst werden müssen.

Der Kläger hat angeregt, ein unabhängiges arbeitstechnisches Sachverständigengutachten zum Nachweis der 25 Asbestfaserjahre bei Dipl.-Ing. S. einzuholen. Er sei Nichtraucher, so dass eine außerberufliche Verursachung des Lungentumors nicht erkennbar sei. Die Beklagte habe anstelle der tatsächlichen Belastungen lediglich Schichtmittelwerte angenommen. Er könne aber selbst angeben, welche Belastungszeiten er zurückgelegt habe und müsse sich daher keine Risikoabschätzung von Erfahrungswerten des Faserjahrreports entgegenhalten lassen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 02.07.2013 abgewiesen. Die Klage sei als Verpflichtungsklage, gerichtet auf Anerkennung einer BK, statthaft. Sachdienlich ausgelegt begehre der Kläger nicht darüber hinaus eine Leistungsgewährung. Ein solcher Leistungsantrag wäre auf ein unzulässiges Grundurteil gerichtet. Die zulässige Klage sei unbegründet. Die BK 4104, deren Anerkennung der Kläger begehre, sei definiert als "Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs in Verbindung 1. mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose), 2. in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder 3. bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren. Die beiden ersten Varianten (Asbestose, durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura) ließen sich nach dem gerichtlichen Gutachten von Prof. Dr. N. nicht nachweisen. Dies entspreche auch den beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. T. im Verwaltungsverfahren. Hierbei sei die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. T. ohne Verstoß gegen § 200 Abs. 2 HS. 1 SGB VII erstattet worden und könne daher vom Gericht berücksichtigt werden. Es handle sich bei den Stellungnahmen des Dr. T. nicht um ein Gutachten im Sinne dieser Vorschrift. Auch die dritte Variante (25 Faserjahre) liege nicht vor. Der Kläger habe den notwendigen Nachweis einer solchen Exposition nicht erbringen können. Grundlage der Berechnung seien zunächst die Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren. Zeugen für die Belastung des Klägers gebe es nicht mehr. Das Gericht unterstelle aber zu Gunsten des Klägers, dass die Belastungen durch Asbeststaub nicht geringer gewesen seien, als vom Kläger im Verwaltungsverfahren geschildert. Seine Angaben seien auch nach der Einschätzung der Abteilung Prävention der Beklagten als glaubwürdig und inhaltlich nicht anzuweifelnd anzusehen. Die weiteren Angaben des Klägers im Gerichtsverfahren würden hiervon abweichen und das Bild einer wesentlich höheren Belastung zeichnen. Die sog. Erstangaben eines Versicherten hätten zwar nicht grundsätzlich höheren Beweiswert als dessen spätere Angaben, es bedürfe jedoch einer plausiblen Erklärung für die Änderung des Vortrags. Hieran fehle es. Auch inhaltlich entsprächen (wohl: widersprächen) die späteren Angaben des Klägers den Erfahrungen der Praxis und den Ausführungen des aktuellen BK-Reports Faserjahre 1/2007, seien daher nicht plausibel. Das Gericht könne daher den späteren Angaben des Klägers nicht folgen und hierauf keinen Nachweis der Asbestbelastung stützen. Das Gericht sehe die Einwendungen des Dipl.-Ing. K. als überzeugend an. Dass eine etwaige Belastung durch Holzstäube für die hier im Streit stehende BK keine Bedeutung haben könne, liege auf der Hand. Auf der Grundlage der Berechnung nach dem BK-Report Faserjahre 1/2007 lasse sich eine Exposition von lediglich 17,4 Faserjahren annehmen. Dass der BK-Report Faserjahre 1/2007 eine wissenschaftlich taugliche Grundlage für die Beurteilung der Belastung mit Asbestfasern sei, sei in der Rechtsprechung anerkannt. Der Grenzwert von 25 Faserjahren werde auch so deutlich verfehlt, dass kleinere Berechnungsfehler des PD keine Rolle spielen könnten. Die Beklagte sei auch nicht von falschen Grundwerten ausgegangen. Die vom Kläger angeführte Asbeststaubbelastung von 500 F/m³ entspreche einem Emissionswert und nicht der von den Beschäftigten inhalativ aufgenommenen Faserkonzentration, wie Prof. Dr. N. in seinem Gutachten noch einmal klargestellt habe. Der von der Abteilung Prävention zugrundegelegte Wert von 60 F/cm³ (welcher bei der anteiligen Belastung mit asbestbelastenden Tätigkeiten dann zum Schichtmittelwert von 4 F/cm³ führe) entspreche nach den Ausführungen des Prof. Dr. N. dem Doppelten des arithmetischen Mittelwerts und behandle den Kläger so, als gehöre er zu den 10% der Beschäftigten mit den höchsten Messwerten. Das zeige, dass hier schon in erheblichem Umfang "zugunsten" des Klägers gerechnet worden sei. Weiterer Ermittlungen von Amts wegen bedürfe es nicht, da der Sachverhalt geklärt sei. Die Einholung eines technischen Gutachtens zur Ermittlung der Belastung durch Asbestfasern lehne das Gericht ab, da mit den Äußerungen des PD eine tragfähige Entscheidungsgrundlage vorliege. Der Einholung eines solchen Gutachtens bedürfe es auch deswegen nicht, weil der Abteilung Prävention als Teil der Beklagten die notwendige "Neutralität" fehlen würde. Auch ein unabhängiger Gutachter könnte die eigenen Angaben des Klägers nicht unkritisch übernehmen und würde daher seiner Beurteilung den BK-Report Faserjahre 1/2007 zu Grunde legen, so dass kein anderes Ergebnis zu erwarten wäre. Da letztlich keine der drei Varianten der BK 4104 vorliege, komme es auf weitere Fragen, ob die berufliche Belastung den Tumor "verursacht" habe, nicht an. Unerheblich seien daher auch die Fragen möglicher Konkurrenzursachen, etwa, ob der Kläger geraucht habe.

Gegen das am 10.07.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 25.07.2013 beim Landesozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung des Klägers. Das SG habe unkritisch die Berechnung der Abteilung Prävention der Beklagten zugrunde gelegt. Es verstoße gegen Art. 6 EMRK, wenn statt eines unabhängigen Sachverständigengutachtens ein arbeitstechnisches Sachverständigengutachten des eigenen Beamten der beklagten Versicherung zugrunde gelegt werde. Genauso parteilich sei es, wenn der beratende Arzt der Beklagten ein fünf Seiten langes Gutachten vorlege. Hierin liege ein Verstoß gegen § 200 Abs. 2 SGB VII. Prof. Dr. N. habe als Gerichtsgutachter ausgeführt, dass man zu einer Überschreitung einer kumulativen Asbestfaserstaubdosis am Arbeitsplatz des Klägers von mindestens 25 Faserjahren komme, wenn man von den eigenen Angaben des Klägers ausgehe. Beim Nachweis einer Belastung von mindestens 25 Faserjahren sei aber vom Vorliegen einer BK 4104 auszugehen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 % ab dem ersten Nachweis des Tumors im Januar 2011, wahrscheinlich auch schon ab dem Nachweis der Pleuropneumonie im Oktober 2010. Er hat seine Angaben zum zeitlichen Umfang der Zuschneidetätigkeiten wie gegenüber dem Sachverständigen angegeben wiederholt und in Bezug hierauf vorgetragen, dass sich die Unterstellung von Schichtmittelwerten verbiete. Stattdessen müssten mindestens 60 Fasern/cm³ Atemluft zugrunde gelegt werden. Er hat den bereits vor dem SG gestellten Antrag auf Einholung eines arbeitstechnischen Sachverständigengutachtens widerholt. Über neue Erkenntnisse bzw. Berechnungen verfüge etwa auch Prof. Dr. W. in G ...

Die Beklagte hat auf Aufforderung des Gerichts eine Alternativberechnung der Faserjahre unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. N. vorgelegt. Daraus ergeben sich 35,9 Faserjahre. Ergänzend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Kläger in Abweichung zu seinen Angaben gegenüber dem Sachverständigen in der Besprechung vom 01.03.2011 angegeben habe, während seiner Gesellenzeit keinerlei Kontakt mit Asbest gehabt zu haben. Überdies entsprächen seine neuen Angaben weder den Erfahrungen der Abteilung Prävention noch den Ausführungen des BK-Reports Faserjahre 1/2007. Vielmehr widersprächen sie eklatant der Arbeitsweise wie sie damals im Dachdeckergewerbe bekannt und üblich gewesen seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 2. Juli 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 5. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Dezember 2011 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit Nr. 4104 der BKV anzuerkennen und zu entschädigen, insbesondere in Form von Verletztenvollrente und Pflegegeld zu gewähren, hilfsweise ein Sachverständigengutachten nach § 106 SGG durch Herrn Dipl.-Ing. S. ,D. einzuholen zu der Frage, ob für das Schneiden von Asbestzementprodukten der Tätigkeitswert von 50 Fasern/cm³ Atemluft anzusetzen ist oder der Schichtmittelwert von 4 Fasern/cm³ (Tabelle 7.10 des Asbest-Faserjahrreportes).

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 05.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2011 ist nicht zu beanstanden.

Soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Entschädigungsleistungen begehrt, ist seine Klage schon unzulässig und damit die Berufung unbegründet. Das SG hatte den Klageantrag des Klägers sachdienlich dahingehend ausgelegt, dass diesem keine über die Verpflichtungsklage auf Anerkennung der BK hinausgehende eigenständige Bedeutung zuzumessen sei. Mit der Berufung hat der Kläger wiederum ausdrücklich die Entschädigung einer BK insbesondere in Form der Verletztenvollrente und des Pflegegeldes beantragt. Dies spricht für den Senat für eine Auslegung dahingehend, dass neben der Anerkennung der BK auch eine Verpflichtung zur Entschädigungsleistung beantragt werden soll. Ein solcher Klageantrag ist vorliegend aber unzulässig. Mit der im angegriffenen Bescheid enthaltenen Ablehnung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat die Beklagte nicht über eine konkrete Leistung - z. B. Verletztengeld oder Verletztenrente - entschieden. Denn die Beklagte hat vor dem Hintergrund der Nichtanerkennung einer BK insofern keine nähere Prüfung hinsichtlich konkreter Leistungen, die bei Anerkennung einer BK zu gewähren wären, vorgenommen. Ein entsprechendes Begehren bezüglich solcher "Leistungen" ist daher unzulässig (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 45/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 2 und Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 25; ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, s. Urteile vom 14.05.2013 - L 9 U 2557/10 - und vom 20.01.2015 - L 9 U 2539/14 -).

Soweit der Kläger die Anerkennung einer BK 4104 beantragt, ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, und damit auch die Berufung unbegründet.

Rechtsgrundlage für die begehrte Anerkennung einer BK sind die Regelungen des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), nachdem die Erkrankung des Klägers erst nach Inkrafttreten des SGB VII aufgetreten ist.

Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII wird die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist für die Feststellung einer BK erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung, die Einwirkungen und die Krankheit im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteile vom 04.07.2013 - B 2 U 11/12 R - , vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - , vom 15.09.2011 - B 2 U 25/10 R - , vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R - , vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - und, vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - jeweils Juris).

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer BK 4104. Diese ist in der Anlage 1 zur BKV definiert als Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose), in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren.

Der Kläger ist an Lungenkrebs erkrankt. Eine Asbestose oder eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura lässt sich bei ihm aber nicht feststellen. Insoweit stützt sich der Senat ebenso wie das SG auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. N., welcher unter Mitberücksichtigung des radiologischen Zusatzgutachtens des Prof. Dr. M.-L. ausführt, dass das Bild einer typischen asbestbedingten Erkrankung der Pleura oder der Lungen nicht vorliegt und sich eine Asbestose oder eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura nicht eindeutig sichern lasse. Die Ausführungen des Sachverständigen sind für den Senat überzeugend, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Gestützt werden sie auch durch die beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. T. im Verwaltungsverfahren vom 28.04.2011 und 16.05.2011 sowie die Stellungnahme der Gewerbeärztin G. vom 15.06.2011. Dass insoweit die beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. T. ohne Verstoß gegen die Vorschrift des § 200 Abs. 2 Halbs. 1 SGB VII erstattet wurden, hat das SG bereits zutreffend und umfassend dargestellt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung vollumfänglich an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch die Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren lässt sich nach Auffassung des Senats nicht nachweisen. Das SG hat dies zutreffend und umfassend dargestellt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen ebenfalls nach eigener Prüfung vollumfänglich an und sieht auch insoweit weitgehend von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass der Senat sich auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens nicht davon überzeugen konnte, dass der Kläger in anderen Zeiträumen als von Mai 1958 bis Dezember 1977 und während dieser Zeit in größerem als dem von der Abteilung Prävention bereits berücksichtigten Umfang einer Einwirkung von Asbestfaserstaub ausgesetzt war.

Denn der Kläger hat gegenüber Dipl.-Ing. K. von der Abteilung Prävention der Beklagten im Gespräch vom 01.03.2011 angegeben, vor Mai 1958 und nach Dezember 1977 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Umgang mit asbesthaltigen Produkten gehabt zu haben. Erst während seiner selbstständigen Tätigkeit als Zimmerermeister sei er Asbeststaub ausgesetzt gewesen. Allerdings habe er in diesem Zeitraum zu 70 % reine Zimmerarbeiten ausgeführt, lediglich zu 30 % Dacheindeckungen vorgenommen. Bei den Dacheindeckungen seien zu ca. 75 % Asbestzementplatten verwendet worden, davon etwa 10 % an Fassadenverkleidungen. Erstmals gegenüber Prof. Dr. N. im Rahmen der ambulanten Untersuchung und in der Folge auch gegenüber dem SG hat der Kläger angegeben, bereits vor 1958 - schon in seiner Gesellenzeit seit 1955 - und während seiner selbstständigen Tätigkeit in weit größerem Umfang mit Asbestplatten gearbeitet zu haben. Er habe für insgesamt 15 Jahre arbeitstäglich 4 Stunden lang mit dem Zuschnitt von Eternitplatten verbracht, in den weiteren Jahren ca. 1 bis 2 Stunden täglich. Von der Richtigkeit dieser zuletzt gemachten Angaben des Klägers konnte der Senat sich angesichts der eindeutigen vorherigen Angaben des Klägers nicht überzeugen. Zwar haben, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, sog. Erstangaben eines Versicherten nicht grundsätzlich höheren Beweiswert als spätere Angaben, aber hier handelt es sich um Angaben, die der Kläger nicht einmalig und unüberlegt abgegeben, sondern in einem Gespräch im Beisein von Familienangehörigen gemacht hat. Über das Gespräch vom 01.03.2011 hat Dipl.-Ing. K. einen Vermerk gefertigt, welchen der Kläger im Nachgang zu diesem Termin unterzeichnet hat und dabei nochmals die Gelegenheit hatte, seine Angaben zu kontrollieren. Auch gegenüber seinen behandelnden Ärzten hatte der Kläger mehrfach angegeben, erst ab 1958 mit Asbest in Kontakt gekommen zu sein (Auskunft des Dr. H. vom 10.02.2011; ärztliche Bescheinigung des Fachkliniken W. vom 29.01.2011). Weitere Ermittlungen hierzu sind angesichts dessen, dass der Kläger auch im Gespräch vom 01.03.2011 angegeben hat, dass Zeugen nicht mehr vorhanden seien, nicht mehr möglich. Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass der Kläger entsprechend seinen Angaben im Gespräch vom 01.03.2011 ausschließlich in den Jahren 1958 bis 1977 den Einwirkungen von Asbeststaub ausgesetzt war, dass er während ca. 70 % seiner Arbeitszeit in diesem Zeitraum reine Zimmererarbeiten ohne Umgang mit asbesthaltigen Produkten ausgeführt hat und nur während der restlichen Zeit mit Dachdeckerarbeiten beschäftigt war, bei denen er teilweise mit asbesthaltigen Produkten zu tun hatte.

Der Senat konnte sich ebenso wie das SG nicht davon überzeugen, dass der Kläger während der Arbeitszeit, die er mit Dacheindeckungen und Fassadenverkleidungen befasst war, Asbeststaubeinwirkungen in einem größeren Umfang als von der Abteilung Prävention der Beklagten berücksichtigt, ausgesetzt war. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Abteilung Prävention ihrer Berechnung den BK-Report Faserjahre 1/2007 zugrunde gelegt, dabei auf die anteilige Arbeitszeit abgestellt hat, die der Kläger nach seinen Angaben im Gespräch vom 01.03.2011 mit Dacheindeckungen und Fassadenverkleidungen mit Asbestplatten verbracht hat, und für diese Arbeitszeit auf die Schichtmittelwerte betreffend das Dachdeckergewerbe, wie in Tabelle 7.10, Seite 137 genannt, zurückgegriffen hat. Für die Berechnung der Faserjahre ist der BK-Report "Faserjahre" in der jeweils gültigen Fassung zugrunde zu legen (vgl. Mehrtens/Brandenburger, BKV, Lfg. 2/12. M 4104 S. 23, M 4103 S. 25). Dies war zum Zeitpunkt der Berechnung durch die Abteilung Prävention der Beklagten der Report 1/2007. Zu den herangezogenen Werten ergeben sich aber weder aus der vom Kläger in Bezug genommenen Fassung des BK-Reports 1/94 noch aus der zwischenzeitlichen Neuauflage 1/2013 (Tabelle 7.10 Seite 107 f.) abweichende Werte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass bei der Berechnung sonstige Fehler erfolgt sind. Die Beklagte hat das Ergebnis der durch Prof. Dr. N. erhobenen Arbeitsanamnese mit den Ermittlungen der Abteilung Prävention abgeglichen und zu den Diskrepanzen, die sich ergeben haben, eine weitere Stellungnahme des Dipl.-Ing. K. vom 15.03.2013 vorgelegt. Der Kläger hat gegenüber Prof. Dr. N. individuelle Arbeitsumstände geschildert, die von den üblichen Belastungen bei vergleichbaren Tätigkeiten abweichen. Diese Abweichungen sind aber, wie bereits oben dargelegt, nicht nachvollziehbar. Die Abteilung Prävention hat insoweit eine Überprüfung ihrer Berechnung vorgenommen. Auch der Senat sieht die Einwendungen der Abteilung Prävention in der Stellungnahme vom 15.03.2013 als überzeugend an und schließt sich insoweit den Ausführungen des SG nach eigener Prüfung an. Denn die Angaben des Klägers, dass er über 15 Jahre hinweg arbeitstäglich ca. 4 Stunden und in den weiteren Jahren arbeitstäglich ca. 1 bis 2 Stunden Eternitplatten zugeschnitten habe, widersprechen nicht nur den Erfahrungen der Abteilung Prävention der Beklagten und den Erfahrungswerten, die im BK-Report Faserjahre zusammengefasst sind, sondern stehen auch in deutlichem Widerspruch zu den früheren Angaben des Klägers und lassen sich nicht durch weitere Ermittlungen belegen, da die Betriebe, in denen er vor seiner selbstständigen Tätigkeit beschäftigt war und Zeugen seine beruflichen Tätigkeit nach den Angaben des Klägers nicht mehr existieren. Vor diesem Hintergrund hält auch der Senat die von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegte Berechnung der Faserjahre vom 09.12.2013 für eine rein hypothetische Berechnung, die der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreit nicht zugrunde gelegt werden kann.

Der Senat sieht ebenso wie das SG keinen Anlass für weitere Ermittlungen, weder von Amts wegen noch auf den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag. Zwar hat der Kläger die Einholung weiterer Sachverständigengutachten sowohl hinsichtlich der medizinischen als auch arbeitstechnischen Voraussetzungen der geltend gemachten BK bereits im Klageverfahren angeregt, mit seiner Berufung erklärt, diese "Beweisanträge" aufrechtzuerhalten und in der mündlichen Verhandlung sodann beantragt, ein Sachverständigengutachten bei Dipl.-Ing. S. zu der Frage einzuholen, ob ein Tätigkeitswert von 60 Fasern/cm³ oder ein Schichtmittelwert von 4 Fasern/cm³ der Berechnung der Faserjahre zugrunde zu legen sei. Insoweit hält der Senat den gestellten Hilfsantrag aber nicht für einen formgerechten Beweisantrag im Sinne der § 122 SGG i.V.m. § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO. Denn er bezieht sich nicht auf eine bestimmte Beweistatsache, sondern auf eine Frage. Unabhängig davon sieht der Senat auch mit Blick auf das vorliegende Gutachten von Prof. Dr. N. keine Veranlassung, dem Hilfsbeweisantrag bzw. den vor der mündlichen Verhandlung erfolgten Anregungen auf Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens nachzukommen. Denn es ist weder vom Kläger konkret vorgetragen noch für den Senat ersichtlich, dass das Gutachten des Prof. Dr. N. ohne ausreichende Sachkunde bzw. ohne Berücksichtigung aktueller medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse erstattet worden wäre. Hinsichtlich der arbeitstechnischen Voraussetzungen ist darauf hinzuweisen, dass, soweit der Kläger zunächst anstelle des im BK-Report Faserjahre angenommenen Wertes für das Schneiden von Asbestplatten mit der Flex von 60 Fasern/cm³ einen solchen von 500 Fasern/cm³ zugrunde gelegt haben wollte und seine Beweisanregungen hierauf bezog, Prof. Dr. N. bereits umfassend klargestellt hat, dass es sich bei dem Wert von 500 Fasern/cm³ um das Ergebnis von sog. Emissionsmessungen handelt, der Wert nicht die auf die Atemwege einwirkende Faserkonzentration der mit der Flex beschäftigten Personen angibt. Soweit der Kläger sich gegen die Heranziehung des Schichtmittelwertes für Dachdecker von 4 Fasern/cm³ wendet und stattdessen den Tätigkeitswert von 60 Fasern/cm³ herangezogen wissen möchte, ist darauf hinzuweisen, dass sich der Schichtmittelwert von 4 Fasern/cm³ aus dem Tätigkeitswert von 60 Fasern/cm³ ableitet. Aufgrund der im BK-Report berücksichtigten Erfahrungswerte betreffen 6% der Arbeitszeit im Dachdeckergewerbe ausschließlich Trennarbeiten mit der Flex und die übrige Zeit andere Arbeiten ohne Asbestbelastungen. Berechnet auf eine achtstündige Schicht liegt die über den Arbeitstag integrierte Faserstaubbelastung bei 6 % von 60 Fasern/cm³, also bei 3,6 Fasern/cm³. Entsprechend der Tabelle 7.10 im BK-Report wird dieser Wert aufgerundet auf eine schichtbezogene Konzentration von 4 Fasern/cm³ unter Mitberücksichtigung von sog. Bystander-Belastungen durch andere Beschäftigte während der verbliebenen 94 % des Arbeitstages. Dies hat bereits Prof. Dr. N. in seinem Gutachten konkret, ausführlich, widerspruchsfrei und nachvollziehbar in Übereinstimmung mit dem BK-Report Faserjahre 1/2007 erläutert. Auch aus dem BK-Report Faserjahre Stand 1/2013 ergibt sich nichts abweichendes. Dass der Senat hier nicht einen höheren zeitlichen Umfang je Arbeitstag als 6 % feststellt, an dem der Kläger mit dem Zuschneiden beschäftigt war, beruht nicht auf Unklarheiten darüber, ob ein Tätigkeitswert oder ein Schichtmittelwert zugrunde zu legen ist, sondern darauf, dass der Senat sich nicht davon überzeugen konnte, dass der Kläger in größerem zeitlichen Umfang mit dem Zuschneiden beschäftigt war. Denn die Angabe, er habe über 15 Jahre hinweg arbeitstäglich ca. 4 Stunden und in den weiteren Jahren ca. 1 bis 2 Stunden nur zugeschnitten, steht - wie bereits oben ausgeführt - in deutlichem Widerspruch zu den früheren Angaben des Klägers. Weitere Beweismittel wie etwa Zeugen stehen nicht zur Verfügung, wie der Kläger selbst angegeben hat. Die abschließende Würdigung der widersprüchlichen Angaben des Klägers obliegt aber dem Senat und nicht einem weiteren Sachverständigen.

Die Berufung hat daher keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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