L 2 AL 57/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 44 AL 239/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 57/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Gründungszuschusses.

Der am 25. Januar 1974 geborene Kläger arbeitete – nachdem er zunächst vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2007 als Rechtsanwalt selbständig gewesen war – seit dem 1. Juli 2007 als angestellter Rechtsanwalt bei der E. GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft, die nach Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren zum 31. Januar 2012 liquidiert wurde. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde am 31. Dezember 2011 zum 31. Januar 2012 gekündigt. Am 3. Januar 2012 meldete sich der Kläger arbeitslos mit Wirkung zum 1. Februar 2012.

Am 9. Januar 2012 schloss der Kläger folgende Verträge: 1. Einen Partnerschaftsvertrag mit der Rechtsanwältin Frau Dr. H., dem Rechtsanwalt V. sowie dem Rechtsanwalt und Steuerberater P., kraft dessen die V., H., R. GbR sowie die V., P. GbR gegründet wurden, die nach außen als V. & Partner – Rechtsanwälte und Steuerberater – auftreten sollten.

2. einen Vertrag über die gemeinsame Berufsausübung in einer Rechtsanwaltskanzlei mit der Rechtsanwältin Frau Dr. H. und dem Rechtsanwalt V. (i.F.: Berufsausübungsvertrag), in dessen § 9 er sich verpflichtete, seine ganze Arbeitskraft der Gesellschaft zu widmen. Der Vertrag trat nach § 22 am 3. Februar 2012 in Kraft und stand unter dem Vorbehalt, dass für den Kläger sowie die Rechtsanwältin H. eine verbindliche Finanzierungszusage für die Verbindlichkeiten aus dem Kaufvertrag mit der E. GmbH vorliege.

3. Einen Vertrag über den Verkauf von Vermögensgegenständen (i.F.: Kaufvertrag), kraft dessen die Käuferseite (bestehend aus dem Kläger sowie der Rechtsanwältin Dr. H. und dem Rechtsanwalt V.) von der E. GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft die Rechtsanwaltskanzlei erwarb (wobei auf den Kläger nach § 9 Abs. 2 des Kaufvertrages ein Viertel entfiel). Als Vollzugstag, an dem Zug-um-Zug die Zahlung des Kaufpreises und der Übergang des Besitzes an allen materiellen verkauften Vermögensgegenständen vom Verkäufer auf die Käufer stattfinden sollten, bestimmte § 9 des Kaufvertrags den 3. Februar 2012. Laut seinem § 10 Abs. 7 stand der Kaufvertrag "unter dem Vorbehalt in Form der aufschiebenden Bedingung, dass die Kaufpreiszahlung für (den Kläger) durch eine Bank marktüblich finanziert" werde. Trete diese aufschiebende Bedingung nicht spätestens bis zum 31. März 2012 ein, so trete "diese Vereinbarung" nicht in Kraft.

Zum Ende Januar 2012 erhielt der Kläger – ausweislich seines Vortrags im erstinstanzlichen Verfahren (mit Schriftsatz vom 29. Juni 2012) – von der Sparkasse K. eine entsprechende Kreditzusage über einen Betrag von 80.000 Euro (zu tilgen über einen Zeitraum von 10 Jahren mit einer monatlichen Raten von über 800 Euro).

Am 20. Januar 2012 schlossen Kläger und Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Ziel eines nahtlosen Übergangs von der derzeitigen Beschäftigung in ein neues Arbeitsverhältnis als Rechtsanwalt zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit ab dem 1. Februar 2012.

Der Kläger beantragte am 2. Februar 2012 einen Gründungszuschuss für eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt. Er führte aus, das größte Problem werde in den ersten neun bis zwölf Monaten in der fehlenden Liquidität liegen, da die geleistete Arbeit von den Mandanten erst zeitversetzt bezahlt werde. Um die Bezahlung der Angestellten zu sichern, würden daher ein Kontokorrent und ein Kredit aufgenommen werden müssen. Es würden keine Privatentnahmen in vollem Umfang möglich sein, daher sei zur Sicherung der Lebenshaltungskosten ein Gründungszuschuss erforderlich. Dem Antrag lag eine befürwortende Stellungnahme der neue I. GmbH & Co KG bei, in der das zu erwartende Einkommen nach Ablauf des ersten Förderungszeitraums auf 5.500 Euro monatlich brutto geschätzt wurde. Die Gewinne würden jedoch in den ersten Monaten nicht ausreichen, um die notwendige Privatentnahme zu decken. Am 3. Februar 2012 nahm der Kläger die Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt auf.

Mit Bescheid vom 21. Februar 2012 lehnte die Beklagte (die das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Förderung zuvor intern bejaht hatte) den Antrag ab. Ein Gründungszuschuss dürfe nur gewährt werden, wenn er notwendig für eine dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt sei. Im Hinblick auf die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sei zwischen dem Förderaufwand und dem damit zu erreichenden Erfolg abzuwägen. Angesichts der Ausbildung des Klägers und seiner besonderen Qualifikation sowie seines bisherigen Werdegangs sei seine Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit zeitnah möglich. Er habe auch keine Umstände vorgetragen und nachgewiesen, die so erheblich von denen anderer Antragsteller abwichen, dass sie eine Besserstellung des Klägers nahelegten. Eine Förderung der selbständigen Tätigkeit könne daher nicht erfolgen.

Der Kläger legte hiergegen am 24. Februar 2012 Widerspruch ein: Die Beklagte habe nicht versucht, ihn zu vermitteln und verkenne offenbar die Arbeitsmarktsituation für Rechtsanwälte. Während die Beklagte keinerlei Vermittlungsbemühungen entfaltet habe, habe er sich seit Kenntnis von der Kündigung mehrfach erfolglos um einen neuen Arbeitsplatz bemüht.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2012 zurück. Sie führte aus, auf der Grundlage der – nicht ermessensbindenden, aber ermessensleitenden – Bereichsverfügung 01/2012 des Geschäftsführers Operativ gewähre sie einen Gründungszuschuss nicht, wenn u.a. die Vermittlung in Arbeit in absehbarer Zeit möglich sei. Dieser Vorrang der Vermittlung greife, da der Arbeitsmarkt für Juristen mit Berufserfahrung sehr gut sei und dem Kläger Stellenangebote unterbreitet werden könnten. Aufgrund seiner guten Ausbildung und seines lückenlosen Beschäftigungsverlaufs habe er in angemessener Zeit in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit vermittelt werden können. Entsprechende Stellenangebote lägen in ausreichender Anzahl vor. Bereits im Erstgespräch sei ihm ein Vermittlungsvorschlag unterbreitet und er zu einer Bewerbung aufgefordert worden. Weitere Angebote hätten unterbreitet werden können. Im Übrigen sei es auch die Pflicht jedes Arbeitslosen, sich selbständig um eine neue Beschäftigung zu bemühen. Außerdem habe sich der Kläger bereits während der letzten angestellten Tätigkeit entschlossen, sich selbständig zu machen. Der Berufsausübungsvertrag sei von allen Partnern bereits am 9. Januar 2012 geschlossen wurden und die Arbeitslosmeldung sei lediglich zur Erfüllung der formalen Anspruchsvoraussetzungen für den Gründungszuschuss erfolgt.

Am 20. April 2012 hat der Kläger Klage erhoben.

Er hat ausgeführt, die Beklagte habe ihr Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt. Sie habe sich nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt für Juristen auseinandergesetzt. Die Planungen des Klägers habe sie nicht in ihre Überlegungen mit einbeziehen dürfen. Sie habe verkannt, dass durch die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit der Lebensunterhalt des Klägers sowie der Fortbestand verschiedener anderer Beschäftigungsverhältnisse habe gesichert werden können. Das Ermessen der Beklagten sei auf null reduziert gewesen.

Die Beklagte ist bei ihrer Rechtsauffassung geblieben.

Durch Urteil vom 9. Oktober 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gründungszuschuss gemäß § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III; hier in der Fassung vom 20. Dezember 2011, gültig vom 28. Dezember 2011 bis 31. März 2012). Da sich nicht die Tätigkeit selbst, sondern lediglich ihr rechtlicher Rahmen geändert habe, bestünden bereits Zweifel an der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Zu Gunsten des Klägers gehe das Gericht jedoch angesichts des Umstandes, dass dieser seiner Rechtsanwaltstätigkeit zunächst im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit und dann im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses mit einer entsprechenden anderen Verantwortung im Vergleich zur Tätigkeit eines Partners mit Personalverantwortung nachgegangen sei, vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus. Weiter sei zu bezweifeln, ob der Kläger tatsächlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden habe. Er habe sich bereits während seines Angestelltenverhältnisses am 9. Januar 2012 vertraglich verpflichtet, ab dem 3. Februar 2012 als Partner in die Kanzlei V. & Partner Rechtsanwälte Steuerberater einzutreten. Daran ändere auch der Vortrag, die Gesellschaftsvereinbarung sei aufschiebend bedingt aufgrund ausstehender Finanzierung gewesen, nichts. Der Kläger habe vorgetragen, die Kreditzusage bereits Ende Januar 2012 – also noch vor Eintritt der Arbeitslosigkeit – erhalten zu haben. Da er jedoch aufgrund eines bestandskräftigen Bewilligungsbescheids einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt und auch die übrigen Förderungsvoraussetzungen erfüllt habe, sei vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen auszugehen.

Trotz Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen bestehe jedoch kein Rechtsanspruch des Klägers auf Gründungszuschuss. Eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des vom Kläger begehrten Gründungszuschusses komme nur in Betracht, wenn von einer Ermessensreduzierung auf null auszugehen und nur eine Entscheidung zu Gunsten des Klägers als ermessensfehlerfrei anzusehen sei. Hierfür lägen keine Anhaltspunkte vor.

Ebenso wenig seien Ermessensfehler der Beklagten erkennbar. Sachfremde bzw. willkürliche Ermessenserwägungen hätten nicht zur Ablehnung des Gründungszuschusses geführt. Die Beklagte habe die Gewährung eines Gründungszuschusses ermessensfehlerfrei mit dem Vermittlungsvorrang sowie der Eigenleistungsfähigkeit des Klägers begründet, angesichts derer das Interesse des Klägers an einer Förderung geringer zu bewerten sei als das öffentliche Interesse an einem bedarfsorientierten sparsamen Einsatz begrenzter Fördermittel. Die Beklagte habe den Vermittlungsvorrang zutreffend damit begründet, dass der Kläger aufgrund der besonderen Qualifikationen sowie des bisherigen Werdeganges zeitnah in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit habe vermittelt werden können. Sie habe diesbezüglich über das dem Kläger bereits zum 21. Januar 2012 unterbreitete Stellenangebot hinaus vor Erlass des Widerspruchsbescheids 16 offene Stellen in H. recherchiert. Der Kläger könne nicht damit gehört werden, dass er aufgrund seines ausreichenden Staatsexamens und seiner Spezialisierung im Bereich Arbeits- und Medizinrecht keine Vermittlungschancen gehabt habe. Zum einen sei es möglich durch eine erfolgreiche jahrelange Tätigkeit im erlernten Beruf Examensnoten auszugleichen; zudem seien den von der Beklagten recherchierten Stellenangeboten keine Einschränkungen hinsichtlich der Examensnoten zu entnehmen. Zum anderen habe der Kläger keinen Anspruch darauf, in seinen Nischenbereich vermittelt zu werden, wobei die Zusatzqualifikation als Fachanwalt für Arbeitsrecht dem Kläger auch größere Bewerbungschancen auf dem Anwaltsmarkt ermögliche. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger weitere Vermittlungsangebote zu unterbreiten. Der Kläger habe bereits am 11. Januar 2012 angegeben, bereits vor dem ersten Beratungstermin einen Antrag auf Gründungszuschuss stellen zu wollen. Darüber hinaus habe er sich bereits am 9. Januar 2012 vertraglich zur Gründung einer Rechtsanwaltsgesellschaft und zum Kauf von Vermögensgegenständen für die zu gründende Gesellschaft verpflichtet. Der Kläger könne schon deshalb nicht damit gehört werden, dass die vertraglichen Verpflichtungen aufschiebend bedingt gewesen seien oder unter dem Vorbehalt einer verbindlichen Finanzierungszusage gestanden hätten, da er diese Finanzierungszusage bereits Ende Januar 2012 und damit noch während seines Beschäftigungsverhältnisses und vor Eintritt der Arbeitslosigkeit erhalten habe.

Weiter habe die Beklagte zu Recht in ihre Ermessenserwägungen eingestellt, dass von Anfang an mit Gewinnen aus der selbständigen Tätigkeit zu rechnen gewesen sei, angesichts derer eine Förderung nicht notwendig erschienen sei. Der Kläger sei seit 2007 als Rechtsanwalt mit denselben Tätigkeitsschwerpunkten tätig gewesen. Seine Mandantschaft habe entsprechend seinen Angaben überwiegend aus Arbeitgebern bestanden, so dass im Rahmen der Prognose wahrscheinlich sei, dass diese sich häufiger mit Anfragen an den Kläger wendeten und ein Mandat kein Einzelfall bleibe. Damit sei im Rahmen der Prognose davon auszugehen gewesen, dass es für ihn nicht wirtschaftlich schwierig werden würde, in diesem Bereich Fuß zu fassen. Die Beklagte habe berücksichtigen müssen, dass der Kläger schon viele Jahre in demselben Bereich tätig gewesen sei. Soweit der Kläger vortrage, dass er gerade keinen Anspruch auf eine monatliche Entnahme von 5.500 Euro gehabt habe, eine Auszahlung immer nur dann erfolgen könne, sofern die Partnerschaftsgesellschaft Gewinn abwerfe, ausreichend Liquidität vorhanden sei und insoweit auf die betriebswirtschaftliche Auswertung von Juli 2012 verweise, könne dies nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Die Argumentation des Klägers übersehe, dass es sich bei der Entscheidung der Beklagten um eine Prognoseentscheidung handele. Auch wenn durch Zeitablauf die ursprüngliche Prognose widerlegt worden sei, bleibe diese beachtlich, wenn sie zum Prognosezeitpunkt bei vorausschauender Betrachtung zutreffend gewesen sei (Hinweis auf Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 11. Dezember 2009 – L 3 AL 28/08).

Weiterhin habe ihm § 8 Abs. 2 Satz 1 Buchstabe a des Berufsausübungsvertrags einen Anspruch auf eine angemessene Vorausentnahme eingeräumt, über die erst zum Jahresende habe abgerechnet werden müssen. Hier sei auch zu berücksichtigen gewesen, dass der Rentabilitätsplanung ein entsprechender Unternehmerlohn für den Kläger von monatlich 5.500 Euro bereits ab Februar 2011, also noch während der Angestelltentätigkeit des Klägers, zu entnehmen gewesen sei. Der Umstand, dass möglicherweise nicht jeden Monat entsprechende Gewinne hätten erzielt werden können, sei typisch und normal für eine selbstständige Tätigkeit und beschränke sich nicht auf die Phase der Existenzgründung. Auch dies lasse sich den Zahlen für das Jahr 2011 in der Beschreibung des Geschäftsvorhabens eindrucksvoll entnehmen. Die Berücksichtigung dieser Zahlen aus der Vergangenheit vor Existenzgründung lasse im Rahmen der Prognoseentscheidung eine Eigenleistungsfähigkeit des Klägers nachvollziehbar erscheinen. Die von dem Kläger zitierte Entscheidung des SG Duisburg vom 4. September 2013 (Az. S 33 AL 179/12) sei eine Einzelfallentscheidung und spreche nicht gegen das hier gefundene Ergebnis. Zum einen habe der Kläger im dortigen Fall 38 erfolglose Bewerbungsbemühungen unternommen gehabt und sei dennoch auf den Vermittlungsvorrang verwiesen worden, zum anderen habe der Kläger sich im vom SG Duisburg zu entscheidenden Fall in einer Eingliederungsvereinbarung zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Integrationsziel verpflichtet gehabt. Entsprechende Vorgaben lägen hier ersichtlich nicht vor. Ähnliches gelte für die "Bedürftigkeitsprüfung" im Fall des SG Duisburg. Es sei nicht erkennbar, dass die Rentabilitätsprüfung mit dem vorliegenden Fall auch im Hinblick auf die vergangene erfolgreiche Tätigkeit vergleichbar sei.

Am 15. November 2013 hat der Kläger gegen das ihm am 16. Oktober 2013 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.

Er hat ausgeführt, der Gründungszuschuss sei zu gewähren, da die tatbestandlichen Voraussetzungen unstreitig vorgelegen hätten und die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung fehlerhaft gewesen sei. Auf den Vermittlungsvorrang habe sich die Beklagte nicht berufen dürfen, da sie nicht geprüft habe, ob auf diesem Weg eine möglichst nachhaltige Integration des Klägers in den Arbeitsmarkt habe erfolgen können. Stattdessen habe sie ihn jedoch bereits im ersten Beratungsgespräch ohne eingehendere Beschäftigung mit seinem Lebenslauf darauf hingewiesen, dass ein Gründungszuschuss nicht in Betracht komme, da ein Rechtsanwalt in jedem Fall "gut vermittelbar" sei. Somit habe die Entscheidung der Beklagten bereits von Anfang an festgestanden. Das ihm unterbreitete Vermittlungsangebot habe sich weder auf eine Tätigkeit im naheliegenden Bereich des Arbeitsrechts noch auf die sonstigen Kenntnisse des Klägers bezogen. Ein artfremdes Vermittlungsangebot ersetze keine individuelle Prüfung. Auch der Hinweis auf 16 offene Stellen sei als Schutzbehauptung zu werten und ersetze keine individuelle Prüfung, zumal dies auch nichts zu den Vermittlungschancen sage, denn jeder andere Branchenbereich verfüge über ähnlich viele offene Stellen.

Weiterhin handele es sich – wovon auch die Beklagte ausgehe – beim Gründungszuschuss um eine Quasi-Pflichtleistung (Hinweis auf BT-Drs. 17(11) 594, S. 60, sowie auf Winkler, info also 2011, 247 ff), die bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zu gewähren sei. Für ausreichende Ermessenserwägungen bleibe nahezu kein Raum mehr. Daher komme es auf eine Vermittlungsprognose nicht an. Vielmehr dürfe sich die Beklagte bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen nur auf einen "tatsächlich auf die jeweilige Personen bezogenen Vermittlungsvorrang" berufen. Andernfalls drohe das Risiko, dass die Beklagte sich auf eine Prognoseentscheidung berufe, die ihrerseits kaum mehr nachprüfbar sei. Die Beklagte habe in dem Zeitraum, in dem der Kläger arbeitslos gemeldet gewesen sei, nicht nachgewiesen, dass es überhaupt Arbeitsplätze gegeben habe, in die der Kläger mit hinreichender Wahrscheinlichkeit habe vermittelt werden können.

Soweit das Sozialgericht prognostisch auf das zu erwartende Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit abgestellt habe, verkenne es, dass eine solche Prognose – begründet durch den Businessplan – bereits Tatbestandsmerkmal des Gründungszuschusses gemäß § 57 Abs. 2 SGB III a.F. sei. Weiter habe das Sozialgericht außer Acht gelassen, dass der Kläger in die Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit 85.000 Euro habe investieren müssen. Die Übernahme eines bestehenden Geschäftes stehe einem Anspruch auf Gründungszuschuss nicht entgegen (Hinweis auf SG Duisburg, Urteil vom 4. September 2013 – S 33 AL 379/12). Somit stehe auch die Vorabentnahme von 5.500 Euro, auf die das Sozialgericht abgestellt habe, dem Anspruch nicht entgegen. Von ihr seien weder Sozialabgaben noch die Finanzierung des Kaufpreises noch die zu entrichtenden Steuern erfasst.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. Oktober 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2012 zu verurteilen, ihm einen Gründungszuschuss dem Grunde nach zu gewähren,

hilfsweise,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2012 zu verurteilen, ihm unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats einen neuen Bescheid zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil: Zunächst spreche nichts für eine Reduzierung des Ermessens auf null, die allerdings Voraussetzung für die vom Kläger begehrte Verurteilung der Beklagten zur Leistung sei. Insbesondere habe es sich bei der vom Kläger bereits aufgenommenen selbständigen Tätigkeit nicht um die einzige denkbare Maßnahme gehandelt, mit der eine dauerhafte berufliche Wiedereingliederung habe erreicht werden können. Die Beklagte, deren Prognoseentscheidung nur eingeschränkt überprüfbar sei, habe unter Berücksichtigung von § 4 Abs. 2 SGB III andere Eingliederungsmöglichkeiten, insbesondere eine nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auszuschließende Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung aufgezeigt. Es sei auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen gewesen, dass das daraus erzielte Nettoeinkommen durchweg niedriger als das Arbeitslosengeld gewesen wäre. Der Kläger habe aber auch deswegen keinen Anspruch auf Gründungszuschuss, weil lediglich die Neugründung oder die Übernahme eines bereits bestehenden Betriebes durch einen zuvor Arbeitslosen als Aufnahme im Sinne des § 57 SGB III a.F. anzusehen sei, nicht aber – wie im vorliegenden Fall – der Aufbau eines weiteren Geschäftsfeldes im Rahmen einer bereits bestehenden selbständigen Tätigkeit. Der Kläger habe sich am 3. Januar 2012 mit Wirkung zum 1. Februar 2012 arbeitslos gemeldet, sodann für zwei Tage Arbeitslosengeld bezogen und am 3. Februar 2012 die angestrebte selbständige Tätigkeit aufgenommen. Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Überbrückungsgeld (Hinweis auf BSG, Urteil vom 25. Oktober 1990 – 7 RAr 14/90) seien Leistungen zur Aufnahme einer selbständigen Beschäftigung auf solche Personen zu beschränken, mit deren Vermittlung in eine abhängige Beschäftigung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sei. Dieser Ausnahmetatbestand setze eine Prognose voraus, wonach die mögliche Vermittlung in Ansehung des konkret zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes und/oder der persönlichen Verhältnisse des Arbeitsuchenden wahrscheinlich weniger geeignet zur dauerhaften Eingliederung sei als die als die Maßnahme der aktiven Arbeitsförderung. Wegen dieses prognostischen Charakters sei hinsichtlich der Erforderlichkeit der dauerhaften Eingliederung ein Beurteilungsspielraum der Arbeitsverwaltung anzunehmen. Die Beklagte habe in Anbetracht der beträchtlichen Anzahl offener Stellen (nach Aktenlage 16) und der sehr kurzen Zeitspanne (20. Januar 2012 bis 2. Februar 2012), in der der Kläger ihre Vermittlungsbemühungen in Anspruch genommen habe, von guten Vermittlungschancen ausgehen dürfen. Für die offenen Stellen sei der Kläger angesichts seines beruflichen Werdeganges hinreichend qualifiziert gewesen. In jedem Fall könne eine belastbare negative Vermittlungsprognose auch erst getroffen werden, wenn bereits eine gewisse Zeit lang vergebliche Vermittlungsbemühungen stattgefunden hätten. Dies sei bei der im vorliegenden Fall maximal zu berücksichtigenden Zeit von zwei Wochen, die zudem überwiegend vor Eintritt der Arbeitslosigkeit gelegen hätten, nicht anzunehmen. Gerade § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F., der einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 150 Tagen vorausgesetzt habe, zeige in Anbetracht einer Gesamtanspruchsdauer von 360 Tagen, dass von der Erforderlichkeit eines Gründungszuschusses erst ausgegangen werden könne, wenn während eines längeren Zeitraums nach Eintritt der Arbeitslosigkeit keine erfolgreiche Vermittlung stattgefunden habe (Hinweis auf BSG, Urteil vom 9. November 1989 – 11 RAr 83/88, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. November 2013 – L 9 AL 81/13; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. August 2006 – L 6 AL 1161/05).

Der Senat hat am 23. September 2015 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerechte (§ 151 SGG) Berufung ist in Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind nicht rechtswidrig im Sinne von § 54 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGG; der Kläger hat weder einen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses noch kann er eine Neubescheidung seines entsprechenden Antrags verlangen.

I.) Die rechtlichen Vorgaben, an denen das klägerische Begehren zu prüfen ist, ergeben sich aus § 57 SGB III in der Fassung, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt (vom 20. Dezember 2011, BGBl. I 2854) erhalten hatte und die vom 28. Dezember 2011 bis zum 31. März 2012 galt. Art. 1 Nr. 3 Buchstabe a dieses Gesetzes änderte § 57 Abs. 1 SGB III in der zuvor geltenden Fassung dahingehend, dass das Wort "haben" durch das Wort "können" und die Wörter "Anspruch auf einen Gründungszuschuss" durch die Wörter "einen Gründungszuschuss erhalten" ersetzt wurden. Durch Art. 1 Nr. 3 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa Dreifachbuchstabe aaa des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt wurden im einleitenden Satzteil von § 57 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. die Wörter "wird geleistet" durch die Wörter "kann geleistet werden" ersetzt. In Kraft getreten waren diese Änderungen gemäß Art. 51 Abs. 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt am Tag nach der Verkündung des Gesetzes (die wiederum auf den 27. Dezember 2011 fiel).

Somit galt diese Fassung der Vorschrift bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (am 3. Februar 2012) und somit bei Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses im Sinne der §§ 422 Abs. 1 Nr. 1, 324 Abs. 1 SGB III. Dass der Widerspruchsbescheid erst nach dem 1. April 2011 und somit unter Geltung von § 97 SGB III als sedes materiae erlassen worden ist, ändert hieran nichts, zumal die rechtlichen Vorgaben – jedenfalls soweit es den vorliegenden Rechtsstreit betrifft – kongruent sind.

II.) Dem mit dem Hauptantrag weiterverfolgten Anspruch auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung eines Gründungszuschusses steht bereits entgegen, dass es hierfür einer Reduzierung des in § 57 Abs. 1 und 2 SGB III a.F. eingeräumten Ermessens auf null bedürfte, die indes nicht gegeben ist.

1.) Soweit der Kläger offenbar der Ansicht ist, § 57 SGB III a.F. habe in der hier anwendbaren Fassung keinen oder nur einen sehr reduzierten Ermessenspielraum eingeräumt, findet sich hierfür keinerlei Anhaltspunkt. Durch Ersetzung der Wörter "haben" durch "können" und "Anspruch auf einen Gründungszuschuss" durch die Wörter "einen Gründungszuschuss erhalten" in § 57 Abs. 1 SGB III a.F. sowie durch Ersetzung der Wörter "wird geleistet" durch die Wörter "kann geleistet werden" im einleitenden Satzteil von § 57 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. hat das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt den Gründungszuschuss als Ermessensleistung ausgestaltet (so bereits BT-Drs. 17/6277 S. 86 linke Spalte zu Nrn. 3 und 4; Hassel in Brand SGB III 6. Aufl. 2012 § 93 Rn. 4). Dass die Bundesagentur für Arbeit diesem letztlich Gesetz gewordenen Änderungsvorschlag im Gesetzgebungsverfahren entgegengetreten war und sich vor dem Ausschuss für Arbeit und Soziales des 17. Deutschen Bundestages dahingehend geäußert hatte, der Gründungszuschuss habe aufgrund der materiell-rechtlichen Ausgestaltung des neuen Rechts einen Quasi-Pflichtleistungscharakter und sei somit nur sehr begrenzt steuerbar (hierzu Ausschussdrucksache 17(11)594 vom 31. August 2011, S. 60 linke Spalte), hat dies keinerlei normative Wirkung. Insbesondere hat sich der Gesetzgeber der Formulierung "können" und "kann" bedient und somit nicht einmal ein intendiertes Ermessen eingeräumt.

2.) Die Voraussetzungen einer Reduzierung des Ermessen dahingehend, dass jede andere Entscheidung als die Bewilligung des begehrten Gründungszuschusses ermessensfehlerhaft gewesen wäre, lagen nicht vor. Eine solche Ermessensreduzierung auf null setzt nach allgemeinen Kriterien voraus, dass nach dem festgestellten Sachverhalt das Vorliegen von Umständen ausgeschlossen ist, die eine anderweitige Ausübung des Ermessens rechtsfehlerfrei zulassen (BSG, Urteil vom 4. Februar 1988 – 11 RAr 26/87, SozR 1300 § 45 Nr. 34). Sie liegt somit vor, wenn jede andere Entscheidung sich zwingend als ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig darstellen würde (vgl. etwa Hessisches LSG, Beschluss vom 5. April 2012 – L 7 AS 46/12 B ER, L 7 AS 47/12 B, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Juli 2010 – L 6 AS 842/10 B, juris; Just in: Hauck/Noftz, SGB I K § 39 Rn. 18). Auf den Anspruch nach § 57 SGB III a.F. übertragen bedeutet dies, dass eine Ermessensreduzierung – neben dem Fall einer Selbstbindung im Einzelfall durch eine entsprechende Zusicherung (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 10. April 2014 – L 3 AL 141/12, juris), für den es angesichts des Inhalts der Eingliederungsvereinbarung keinen Anhalt gibt – in der Regel nur dann angenommen werden kann, wenn es sich bei der von der aufgenommenen selbständigen Tätigkeit um die einzige Maßnahme handelt, mit der eine dauerhafte berufliche Wiedereingliederung erreicht werden könnte (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2015 – L 13 AL 1924/14, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Januar 2013 – L 18 AL 5/13 B ER, juris).

Hierfür ist allerdings nichts dargetan und nichts ersichtlich. Es mag zutreffen, dass die unmittelbar bevorstehende Übernahme einer bestehenden Kanzlei (einschließlich des Mandantenstammes, was in § 1 des Kaufvertrages vereinbart worden war) eine bessere Chance auf eine kurzfristige Beseitigung von Arbeitslosigkeit bietet als die Suche nach einem Arbeitsplatz als angestellter Rechtsanwalt. Dies besagt indes noch nicht, dass eine dauerhafte berufliche Wiedereingliederung allein auf dem erstgenannten Weg hätte erreicht werden können. Der Anwaltsberuf wird traditionell sowohl als selbständige Tätigkeit als auch in abhängiger Beschäftigung ausgeübt. Gesichtspunkte dafür, dass der Kläger bei der Suche nach einer Anstellung als Rechtsanwalt mit spezifischen Hindernissen konfrontiert gewesen wäre, die seine Anstellung deutlich weniger wahrscheinlich erscheinen ließen als die seiner zahlreichen Mitbewerber, sind nicht ersichtlich. Vielmehr verfügte der Kläger über eine damals sechsjährige Berufserfahrung und hatte einen Fachanwaltstitel erworben.

Auch lagen bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit keine nennenswerten konkreten Erfahrungen mit der Suche nach einem Arbeitsplatz als angestellter Rechtsanwalt vor, die für das Vorliegen eines atypischen Falles und somit für eine Ermessensreduzierung sprechen könnten. Eine belastbare negative Vermittlungsprognose – beruhe sie nun allgemein auf der Struktur des Arbeitsmarktes oder individuell auf Umständen in der Person des Betroffenen – lässt sich in der Regel erst treffen, wenn bereits eine gewisse Zeit lang vergebliche Vermittlungsbemühungen der Beklagten stattgefunden haben (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. November 2013 – L 9 AL 81/13, juris). Hierfür spricht – worauf auch die Beklagte zutreffend hinweist – auch die Relation zwischen dem in § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F. normierten Restanspruchs auf Arbeitslosengeld von mindestens 150 Tagen und der Gesamtanspruchsdauer von 360 Kalendertagen (LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O. unter Hinweis auf Rechtsprechung zum Anspruch auf berufliche Weiterbildung).

Der Kläger hatte sich allerdings erst einen Monat zuvor arbeitssuchend gemeldet, hatte ganze zwei Tage lang Arbeitslosengeld bezogen und sich ganz offensichtlich schon vor dem Ende seines letzten Beschäftigungsverhältnisses zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit entschlossen, denn er hatte nicht nur die drei Verträge vom 9. Januar 2012 abgeschlossen, sondern auch mittels einer Ende Januar 2012 erfolgten Kreditzusage der Sparkasse K. sichergestellt, dass die Übernahme der Kanzlei nicht mehr an der in § 10 Abs. 7 des Kaufvertrages vereinbarten aufschiebenden Bedingung scheitern konnte. Dass er zwecks Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit Kreditverpflichtungen eingegangen war, spricht außerdem dafür, dass eine Änderung seiner Pläne hin zur Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung mittelfristig nicht mehr sinnvoll erschien.

Soweit der Kläger aus dem Inhalt des ersten Beratungsgesprächs offenbar einen Ermessensausfall herleiten möchte (so dürfte sein Vortrag, die Entscheidung der Beklagten habe bereits von Anfang an und ohne nähere Prüfung festgestanden, zu verstehen sein), würde dieser – selbst wenn er zu bejahen wäre – jedenfalls nicht zu einer stattgebenden Entscheidung führen.

III.) Dem Kläger steht auch der mit seinem Hilfsantrag verfolgte Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und Verurteilung der Beklagten zur Neubescheidung seines Antrags auf Gründungszuschuss nicht zu. Ein solcher Anspruch scheitert – bei Unterstellung der tatbestandlichen Voraussetzungen aus § 57 Abs. 1 SGB III a.F. – jedenfalls daran, dass die Beklagte nicht ermessensfehlerhaft gehandelt hat.

1.) Soweit der Kläger zur Begründung seiner Berufung vorträgt, die Beklagte habe eine Förderung durch Gründungszuschuss bereits im ersten Gespräch und ohne nähere Prüfung abgelehnt, lässt sich hieraus jedenfalls kein Ermessensausfall herleiten. Abzustellen ist insoweit allein auf die angefochtenen Bescheide der Beklagten, die beide erkennen lassen, dass sich die Beklagte ihres Ermessensspielraums bewusst war und von ihm Gebrauch machen wollte.

2.) Das Abstellen auf den Vorrang der Förderung und hierbei insbesondere auf die zeitlichen Umstände erscheint auch nicht in anderer Hinsicht ermessensfehlerhaft. Eine belastbare negative Vermittlungsprognose kann, wie bereits ausgeführt, in der Regel erst getroffen werden, wenn bereits eine gewisse Zeit lang vergebliche Vermittlungsbemühungen der Beklagten stattgefunden haben. Welche Rolle § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F. (auf den das LSG Nordrhein-Westfalen hierbei wesentlich abstellt) in diesem Zusammenhang spielt, kann vorliegend offenbleiben. Die Beklagte hatte zwischen der Arbeitslosmeldung und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nur einen Monat Zeit, Vermittlungsbemühungen zu entfalten, wovon der Kläger gerade zwei Tage arbeitslos war. Hinzu kommt das Verhalten des Klägers, das jedenfalls bei Eintritt in die Arbeitslosigkeit erkennen ließ, dass er sich fest zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit entschlossen hatte. Andere Anhaltspunkte für Ermessensfehler – etwa in Gestalt einer auf die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gerichteten Eingliederungsvereinbarung (dazu etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Februar 2014 – L 8 AL 1515/13, juris) – sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

IV.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

V.) Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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