Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 7 AS 4841/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. § 1 Abs. 7 Satz 4 Alg ll-V darf nicht so verstanden werden, dass der höhere Grundfreibetrag für das Taschengeld entfällt, wenn gleichzeitig eine andere Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.
2. Die unterschiedlichen Grundfreibeträge für Erwerbseinkommen, steuerprivilegierte Einkommen und den Freiwilligendienst gelten nebeneinander, können aber nicht zusammengerechnet werden.
3. Verschiedene Grundfreibeträge können nur bis zum Betrag des höchsten Grundfreibetrages wirken. In Anspruch genommene Teile der Grundfreibeträge mindern den Umfang der restlichen Grundfreibeträge.
2. Die unterschiedlichen Grundfreibeträge für Erwerbseinkommen, steuerprivilegierte Einkommen und den Freiwilligendienst gelten nebeneinander, können aber nicht zusammengerechnet werden.
3. Verschiedene Grundfreibeträge können nur bis zum Betrag des höchsten Grundfreibetrages wirken. In Anspruch genommene Teile der Grundfreibeträge mindern den Umfang der restlichen Grundfreibeträge.
Der Bescheid des Beklagten vom 23. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2012 wird insoweit aufgehoben, wie eine über den Betrag von 99,00 Euro hinausgehende Aufhebung bzw. Erstattung für den Monat März 2012 und eine über den Betrag von 50,00 Euro hinausgehende Aufhebung und Erstattung für den Monat April 2012 geregelt ist. Die im Wege der Aufrechnung einbehaltenen Beträge sind der Klägerin auszuzahlen.
Der Bescheid des Beklagten vom 11. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2012 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Monate Mai und Juni 2012 weitere Leistungen i.H.v. monatlich 125,00 Euro zu gewähren.
Der Beklagte hat der Klägerin bis 64 v.H. ihrer außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach zu erstatten.
Die Berufung wird für beide Beteiligte zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine ihren Hilfebedarf mindernde Berücksichtigung des sog. Taschengeldes aus dem Bundesfreiwilligendienstes in voller Höhe, wenn gleichzeitig Erwerbseinkommen bzw. Einkommen aus einer teilweise einkommensteuerbefreiten Aufwandsentschädigung erzielt wird.
Die 1965 geborene und alleinstehende Klägerin beantragte am 23. Januar 2012 beim Beklagten die Fortzahlung der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in Form von Arbeitslosengeld II. Sie gab keine Änderungen bekannt (Kosten der Unterkunft und Heizung weiter monatlich insgesamt 344 Euro, weiter Bezug von Einkommen aus einer Tätigkeit in einem Restaurant in Höhe von 50 Euro monatlich und aus einer Übungsleitertätigkeit in einem Sportverein in Höhe von 49 Euro monatlich). Sie fügte ihrem Antrag einen Beleg über eine KFZ-Haftpflichtversicherung des Vaters für dessen KFZ (monatlich 42,32 Euro inklusive Schutzbrief und Auslandskomplettschutz) und ihre persönliche Haftpflichtversicherung bei.
Der Beklagte bewilligte der Klägerin nach dem Bescheid vom 26. Januar 2012 für den Zeitraum vom 1. März 2012 bis zum 31. August 2012 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 718 Euro (374 Euro wegen Regelbedarf und 344 Euro wegen der Kosten der Unterkunft und Heizung) ohne Einkommensberücksichtigung, weil die eingeräumten Freibeträge höher als die Summe der Einkünfte waren.
Die Klägerin nahm am 1. März 2012 (befristet bis 31. August 2013) eine weitere Beschäftigung im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes auf. Erstmals im März 2012 erzielte die Klägerin daraus ein sogenanntes Taschengeld in Höhe von 175 Euro monatlich. Die Beschäftigungsstelle bestätigte mit Schreiben vom 26. Juli 2012, dass sie das Taschengeld jeweils am 28. des laufenden Monats auszahlt.
Mit Bescheid vom 24. April 2012 änderte der Beklagte die Bewilligungshöhe ab dem Monat Mai 2012 auf noch 543,00 Euro monatlich (wegen Regelbedarf 199 Euro, wegen Kosten der Unterkunft und Heizung 344 Euro) ab und wandelte die Bewilligung gleichzeitig in eine vorläufige um. Er berücksichtigte Einkommen in Höhe von 175 Euro monatlich. Zur Begründung der Vorläufigkeit nannte der Beklagte die noch vorzulegenden monatlichen Einkommensbescheinigungen. Gleichzeitig forderte er mit Schreiben vom selben Tag die Vorlage der Verdienstbescheinigungen für den Bundesfreiwilligendienst, aus der Erwerbstätigkeit und der Übungsleitertätigkeit.
Am 19. Juni 2012 erklärte die Klägerin beim Beklagten, dass die Einnahmen aus der Übungsleitertätigkeit bereits seit dem Monat April 2012 weggefallen waren.
Die geringfügige Erwerbstätigkeit endete im Monat Juni 2012. Ab dem Monat Juli 2012 erhält die Klägerin keine Einnahmen aus dem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis.
Mit Schreiben vom 11. Juli 2012 gab der Beklagte der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme wegen einer teilweisen Aufhebung und Erstattung der Leistungen ab dem 1. März 2012 bis 30. April 2012 wegen der in diesem Zeitraum zu Unrecht bezogenen Leistungen in Höhe von 175 Euro monatlich. Ab dem 1. März 2012 werde Einkommen aus dem Bundesfreiwilligendienst bezogen. Es sei beabsichtigt, die Überzahlung mit der Nachzahlung aus dem Monat Juli 2012 zu verrechnen.
Mit änderndem Bescheid vom 11. Juli 2012 bewilligte der Beklagte die Leistungen ab dem 1. Mai 2012 bis 30. Juni 2012 unverändert, aber ohne Vorläufigkeitsvorbehalt. Ab dem 1. Juli 2012 bis 31. August 2012 gewährte er Arbeitslosengeld II ohne die Berücksichtigung von Einnahmen aus dem Bundesfreiwilligendienst, so dass er der Klägerin wieder Leistungen in Höhe von monatlich 718 Euro bewilligte und gewährte. Die Nachzahlung in Höhe von 175 Euro für den Monat Juli 2012 behielt der Beklagte zunächst ein.
Die Klägerin äußerte zum Schreiben vom 11. Juli 2012, dass sie die Berücksichtigung des Taschengeldes nicht nachvollziehen könne, weil es grundsätzlich in Höhe von 175 Euro freigestellt sei.
Mit Bescheid vom 23. August 2012 hob der Beklagte die Bewilligung der Leistungen für die Monate März und April 2012 in Höhe von je 175 Euro auf und forderte die Erstattung in Höhe von insgesamt 350 Euro. Gleichzeitig regelte er eine Aufrechnung mit den bewilligten Leistungen ab dem Monat Oktober 2012 in Höhe von monatlich 37,40 Euro. Die beabsichtigte Aufrechnung mit den höheren Ansprüchen für den Monat Juli 2012 werde nicht vorgenommen. Beigefügt war ein Berechnungsbogen, nach dem in den Monaten März und April 2012 ein zu berücksichtigendes Einkommen aus dem Bundesfreiwilligendienst in Höhe von je 175 Euro errechnet wurde. Der Beklagte zahlte die zunächst zur Aufrechnung einbehaltenen 175 Euro an die Klägerin aus.
Die Klägerin widersprach den Bescheiden vom 11. Juli 2012 und 23. August 2012.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2012 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 11. Juli 2012 zurück. Wegen des im Zeitraum vom 1. Mai 2012 bis zum 30. Juni 2012 erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit habe er § 1 Abs. 7 Sätze 1 bis 3 der Arbeitslosengeld II-Verordnung nicht anzuwenden. Es ergebe sich eine Einkommensanrechnung in Höhe von 175 Euro. Erst ab dem Monat Juli 2012 könnten die genannten Normen zu Anwendung kommen, weil die Klägerin ab dann kein weiteres Einkommen aus Erwerbstätigkeit erziele.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 12. September 2012 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 23. August 2012 zurück. Es sei Einkommen aus Erwerbstätigkeit, dem Bundesfreiwilligendienst und steuerfreie Einnahmen erzielt. Wegen der weiteren Begründung nahm er auf den bereits genannten Widerspruchsbescheid vom 12. September 2012 Bezug.
Am 12. Oktober 2012 hat die Klägerin bei dem hiesigen Gericht Klage gegen die Bescheide des Beklagten vom 11. Juli 2012 und 23. August 2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12. September 2012 erhoben. Sie hält die vollständige Berücksichtigung des Taschengeldes aus dem Bundesfreiwilligendienst in den Monaten März bis Mai 2012 für rechtswidrig. Es sei zwar richtig, dass mit § 1 Abs. 1 Nr. 7 Satz 4 der Arbeitslosengeld II-Verordnung eine Regelung getroffen sei, wonach die besonderen Freibetragsregelungen für das Taschengeld aus dem Bundesfreiwilligendienst nicht gelten sollen, wenn auch Einkommen aus anderen Tätigkeiten erzielt wird. Daraus folge aber nicht, dass in diesen Fällen keinerlei Aufwendungen von den Einnahmen aus dem Bundesfreiwilligendienst absetzbar sein. Nach der Entwurfsbegründung für diese Vorschrift solle lediglich sichergestellt werden, dass beim Zusammentreffen solcher Einnahmen jeweils nur die Freibeträge nach § 11b Abs. 2 und Abs. 3 SGB II zur Anwendung kommen sollen. Bei ihr sei daher für den Monat März 2012 der Grundfreibetrag in Höhe von 175 Euro abzusetzen. Im Monat April 2012 seien von den Einnahmen 100 Euro abzusetzen. Hilfsweise seien die tatsächlichen Aufwendungen für den Bundesfreiwilligendienst (Fahrtkosten, KFZ-Versicherung, zumindest aber die Versicherungspauschale) in Abzug zu bringen, weil die Grundfreibeträge beim Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Übungsleitertätigkeit nicht ausgeschöpft seien. Bei einem Einkommen aus Erwerbstätigkeit unter einem Betrag von 100 Euro monatlich sei es möglich, den teilweise nicht verbrauchten Grundfreibetrag von anderen Einnahmen, die nicht aus Erwerbstätigkeit herrühren, abzusetzen. Daraus folge bei ihr, dass von dem Einkommen auch die Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro monatlich sowie die mit der Erzielung des Taschengeldes aus dem Bundesfreiwilligendienst verbundenen notwendigen Ausgaben absetzbar seien. Außerdem sei es rechtswidrig, die Aufhebungsentscheidung sofort mit einer Aufrechnung zu kombinieren. Die Vollziehung der Erstattungsforderung sei durch den Widerspruch aufgeschoben. Zuletzt hat die Klägerin ihre Klage bezugnehmend auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Oktober 2014 (B 14 AS 61/13 R) damit begründet, dass die Freibeträge nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II und § 1 Absatz 7 der Arbeitslosengeld II-Verordnung kumulativ zu gewähren seien. Die entgegenstehende Regelung in § 1 Abs. 7 Satz 4 der Arbeitslosengeld II-Verordnung sei in Bezug auf das Gleichbehandlungsgebot verfassungskonform anzuwenden. In der mündlichen Verhandlung hat sie vorgetragen, dass sie die Kosten für die fremde KFZ-Haftpflichtversicherung selbst trage und ihr das KFZ überlassen sei. Von der zur Aufrechnung gestellten Forderung in Höhe von insgesamt 350 Euro seien nach der Forderungsaufstellung inzwischen 212,69 Euro getilgt.
Die Klägerin beantragt,
1. den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2012 aufzuheben und
2. den Änderungsbescheid vom 11. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2012 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr für den Zeitraum 1. Mai 2012 bis 30. Juni 2012 Leistungen in Höhe von monatlich 718,00 Euro zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Eine Kfz-Haftpflichtversicherung habe die Klägerin nicht abgeschlossen. Sie habe kein eigenes Auto. In den Anträgen sei angegeben, dass keine Aufwendungen für öffentliche Verkehrsmittel entstehen. Im Zeitraum März bis Juni 2012 sei in Bezug auf die Einnahmen aus Erwerbstätigkeit kein Einkommen angerechnet worden. Die Aufwandsentschädigung sei ebenfalls nicht berücksichtigt. Von dem Taschengeld könnten lediglich die mit der Erzielung dieses Einkommens notwendig verbundenen Ausgaben abgesetzt werden. Solche Ausgaben seien nicht zu erkennen. Eine Übertragung von nicht aufgebrauchten Absetzungsbeträgen aus den anderen Einkommen komme nicht in Betracht. Vorliegend seien nur eine Pauschale für private Versicherung in Höhe von 30 Euro monatlich und eine Pauschale für notwendige Ausgaben in Höhe von 15,33 Euro monatlich zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung des Taschengeldes sei insoweit rechtmäßig (Urteil des SG Dresden vom 27. August 2013, S 49 AS 2681/12). Weil bei der Klägerin verschiedene Einkommensarten zusammentrafen, sei er berechtigt gewesen, lediglich von dem weiteren Erwerbseinkommen den Grundfreibetrag in Abzug zu bringen, was letztendlich zur vollständigen Nichtberücksichtigung dieses weiteren Einkommens geführt habe.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat teilweise Erfolg.
Gegenstand der Klage sind die Verwaltungsakte des Beklagten vom 23. August 2012 (Aufhebung für März und April 2012 in Höhe von je 175 Euro, Erstattung in Höhe von insgesamt 350 Euro, Aufrechnung mit den bewilligten Leistungen ab dem Monat Oktober 2012 in Höhe von monatlich 37,40 Euro) und vom 11. Juli 2012 (Gewährung Alg II vom 1. Mai 2012 bis 30. Juni 2012 in Höhe von 543 Euro monatlich und ab dem 1. Juli 2012 bis 31. August 2012 in Höhe von monatlich 718 Euro) in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12. September 2012.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig erhoben. Gegen den Verwaltungsakt vom 24. April 2012 wäre die Klage nicht zulässig. Gegen den Verwaltungsakt ist kein Rechtsbehelf erhoben worden. Er entfaltet aber auch keine Rechtswirkungen mehr, weil durch den Verwaltungsakt vom 11. Juli 2012 eine neue und ersetzende Regelung getroffen wurde.
Die Klage ist teilweise begründet.
Die Verwaltungsakte vom 23. August 2012 und vom 11. Juli 2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12. September 2012 sind im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG teilweise rechtswidrig und verletzen die Klägerin dadurch in ihren Rechten.
1. Wegen des neu hinzugetretenen Einkommens aus dem Bundesfreiwilligendienstes war der Beklagte nicht berechtigt, die Bewilligung aus dem Verwaltungsakt vom 26. Januar 2012 mit dem Verwaltungsakt vom 23. August 2012 für die Monate März und April 2012 in Höhe von je 175 Euro aufzuheben und Erstattung in Höhe von insgesamt 350 Euro zu verlangen. Die Aufhebung ist nur in Höhe von 99 Euro wegen der für den Monat März 2012 und in Höhe von 50 Euro wegen der für den Monat April 2012 entsprechend zu hoch gewährten Leistungen berechtigt.
Insoweit waren die Voraussetzungen für eine Abänderung der bestandskräftigen Bewilligung vom 26. Januar 2012 zuungunsten der Klägerin gegeben. Die rechtliche Grundlage bilden § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 SGB II und die danach anzuwendenden Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) und § 330 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III). Soweit also in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Abweichend gilt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III, dass ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Zeitpunkt der Verhältnisse an aufzuheben ist, soweit nach Erlass des Verwaltungsakts Einkommen erzielt worden ist, das zur Minderung des Anspruchs geführt habe würde.
So liegt es hier. Im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X haben sich in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vom 26. Januar 2012 zugrunde lagen, wesentliche Änderungen ergeben. Die Einkommensverhältnisse der Klägerin änderten sich erstmals im Monat März 2012 und nachfolgend durch die Zahlung von 175 Euro für den Bundesfreiwilligendienst.
Gegenüber der ersten Bewilligung ergeben sich hieraus niedrigere Ansprüche der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin.
Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Die Klägerin gehört zu dem von § 7 Abs. 1 SGB II geregelten Personenkreis der leistungsberechtigen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Sie hat das das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, ist erwerbsfähig, hilfebedürftig und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Besondere persönliche Umstände, nach denen die Klägerin vom Bezug der Leistungen nach § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 oder 5 SGB II ausgeschlossen war, sind nicht gegeben. Aufgrund der ausgeübten Beschäftigungen können keine ernsthaften Zweifel an der Erwerbsfähigkeit (vgl. § 8 Abs. 1 SGB II) der Klägerin im Streitzeitraum verbleiben.
Sie ist im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II auch hilfebedürftig, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Zur insoweit einsatzpflichtigen Bedarfsgemeinschaft gehört gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II nur die Klägerin. Sie erhält die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen.
Der Hilfebedarf der Klägerin ergibt sich zunächst aus der Regelleistung für die Klägerin in Höhe von 374 Euro monatlich. Für Mehrbedarfe sprechende Umstände sind weder aktenkundig noch vorgetragen. Es gibt keinen Anlass, den Sachverhalt hierzu weiter aufzuklären.
Die Kosten der Unterkunft und Heizung sind in tatsächlicher Höhe der Miete und Nebenkosten (vgl. Vermieterbescheinigung vom 6. Dezember 2010) mit insgesamt 344 Euro als Bedarf zu berücksichtigen, § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Die Kosten sind vom Beklagten in voller Höhe als Bedarf übernommen und erscheinen angemessen.
Im Streitzeitraum ergibt sich danach ein monatlicher Gesamtbedarf in Höhe von 718 Euro.
Die Klägerin verfügte nicht über Vermögen im Sinne des § 12 SGB II, das aufgrund seiner Höhe bedarfsmindernd zu berücksichtigen war. In ihrer letzten Erklärung zu ihrem Vermögen vom 25. August 2011, auf das sie mit dem Folgeantrag Bezug nahm, war nur ein Girokonto mit einem Guthaben in Höhe von 164,74 Euro und eine Sparanlage in Höhe von 339,04 Euro erwähnt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Vermögensverhältnisse der Klägerin maßgeblich verbessert haben.
Allerdings minderte sich der Bedarf der Klägerin um zu berücksichtigendes Einkommen aus ihren verschiedenen Tätigkeiten.
Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Solche (laufende) Einnahmen in Geld im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB II flossen der Klägerin für den März 2012 wie folgt zu:
aus der geringfügigen Beschäftigung 50 Euro,
aus der Übungsleitertätigkeit 49 Euro und
– erstmals – aus dem Bundesfreiwilligendienst 175 Euro.
Die Einnahmen waren als bereite Mittel verfügbar. Es handelte es sich nicht um solche Einnahmen, die im Bereich des SGB II nicht als Einkommen zu bewerten sind (vgl. § 11a SGB II, § 1 Abs. 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – Alg II-V).
Als konkrete Absetzungen im Sinne des § 11b Abs. 1 Nr. 3 HS. 1 SGB II kamen die gesetzlich vorgeschriebenen Beiträge in Höhe von monatlich 42,32 Euro für die KFZ-Haftpflichtversicherung in Betracht. Dagegen spricht nicht, dass es sich um eine fremde Versicherung handelte. Die Klägerin hat die Beiträge durch Lastschriften von ihrem Konto einziehen lassen und also tatsächlich getragen. Ihr war das ihrem Vater gehörende Fahrzeug nach ihren Angaben in der Verhandlung überlassen, so dass die Beiträge nur für ihre Nutzung anfielen. Die Aufwendungen sind ihr deshalb vollständig zuzuordnen. Absetzbar wären sie aber höchstens bis zu dem - nicht aus der Beitragsrechnung erkennbaren - Betrag, der für die Kfz-Haftplichtversicherung ohne Schutzbrief fällig war. Eine weitere Aufklärung hierzu kann aber unterbleiben. Denn soweit Erwerbseinkommen vorliegt, sind die Möglichkeiten der Absetzungen nach § 11b Abs. 1 Nr. 3 bis 5 SGB II durch die über den wiederum pauschal abgeltenden Grundfreibetrag nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II in Höhe von 100 Euro verdrängt.
Auch die Absetzungen wegen der Beiträge für die eigene Versicherung wären durch diesen Grundfreibetrag abgegolten. Die Versicherungsbeiträge der Klägerin zu ihrer privaten Haftpflichtversicherung wirkten sich ohnehin nicht aus. Sie betrugen jährlich 75,45 Euro und waren bereits am 1. Januar 2012 fällig. Damit fallen die Ausgaben nicht in den Streitzeitraum und können nicht abgesetzt werden. Zudem gilt gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Alg II-V ein abgeltender Pauschbetrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu solchen nicht gesetzlich vorgeschriebenen privaten Versicherungen im Sinne des § 11b Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II.
Schließlich käme noch eine Absetzung des Pauschbetrages in Höhe von 15,33 Euro nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 lit. a Alg II-V in Betracht.
Insgesamt wird der Grundfreibetrag durch die möglichen Absetzungen aber nicht überschritten.
Eine Absetzung der genannten tatsächlichen Aufwendungen kommt zusätzlich deshalb nicht in Betracht, weil das monatliche Erwerbseinkommen 400 Euro (§ 11b Abs. 2 Satz 2 SGB II) bzw. das Einkommen aus ehrenamtlicher Tätigkeit 175 Euro (§ 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II in der bis 31. Dezember 2012 geltenden Fassung) nicht überstieg. Auch der für das Taschengelt geltende höhere Grundfreibetrag in Höhe von 175 Euro wird wegen der Regelung in § 1 Abs. 7 Satz 2 SGB II (eingefügt durch die Sechste Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 19. Dezember 2011, BGBl. I S. 2833 ff.; hier in der vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2012 geltenden Fassung anzuwenden) nicht verdrängt, weil die Aufwendungen den Betrag von 115 Euro nicht übersteigen.
Von dem Einkommen waren aufgrund der unterschiedlichen Grundfreibeträge für die verschiedenen Einnahmen insgesamt 99 Euro pauschal abzusetzen.
Vorbehaltlich der Regelungen über das Verhältnis (Konkurrenz) der pauschalen Absetzungsbeträge galten im Streitzeitraum folgende Pauschalen als Grundfreibeträge:
wegen Erwerbseinkommen 100 Euro (§ 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II)
wegen Einkommen aus ehrenamtlicher Tätigkeit 175 Euro (§ 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II a.F.)
vom Einkommen aus dem Bundesfreiwilligendienst 175 Euro (§ 1 Abs. 7 Satz 1 Alg II-V a.F.).
Von den Einnahmen erwerbsfähiger Leistungsberechtigter aus Erwerbstätigkeit ist nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II anstelle der Absetzungsbeträge nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II (Versicherungsbeiträge, geförderte Altersvorsorgebeiträge und mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben) ein Grundfreibetrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen. Liegen die Ausgaben für diese Beträge über 100 Euro monatlich, sind sie im tatsächlichen Umfang abzusetzen, wenn das monatliche Einkommen mehr als 400 Euro beträgt und die Ausgaben nachgewiesen werden (§ 11b Abs. 2 Satz 2 SGB II).
An die Stelle des einfachen Grundfreibetrages (100 Euro) tritt wegen Einkommens von Personen, die aus mindestens einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen erhalten, die nach § 3 Nr. 12, 26, 26a oder 26b des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sind, ein erhöhter Grundfreibetrag von 175 Euro ("Übungsleiterfreibetrag") und die Möglichkeit, bereits bei Einkommen ab diesem Betrag tatsächlich höhere Ausgaben als den erhöhten Grundfreibetrag geltend machen zu können (§ 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II a.F.).
Für das Einkommen erwerbsfähiger Leistungsberechtigter aus dem Bundesfreiwilligendienst folgt eine besondere Privilegierung aus § 1 Abs. 7 Satz 1 Alg II-V a.F. Darin ist anstelle der Beträge nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II ein pauschaler Absetzungsbetrag vom Taschengeld nach § 2 Nr. 4 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes in Höhe von insgesamt 175 Euro monatlich geregelt. Übersteigt die Summe der Beträge nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II den Betrag von 115 Euro, gilt dies nicht. In diesem Fall ist vom Taschengeld zusätzlich ein Betrag von 60 Euro monatlich nicht als Einkommen zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 7 Sätze 2 und 3 Alg II-V a.F.).
Für das Verhältnis dieser Freibetragsregelungen zu anderen Einnahmen enthält § 1 Abs. 7 Satz 4 Alg II-V folgende wörtlich wiedergegebene Regelung: "Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die erwerbstätig sind oder aus einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen erhalten, die nach § 3 Nr. 12, 26, 26a oder 26b EStG steuerfrei sind."
Nach Ansicht der Kammer ist § 1 Abs. 7 Satz 4 Alg II-V nicht in der Weise anzuwenden, dass die Privilegierung mit einem höheren Grundfreibetrag gänzlich entfällt, wenn gleichzeitig anderes Einkommen erzielt wird, für das ebenfalls Grundfreibeträge geregelt sind. Dieses Verständnis der Verordnung, also einer im Rang unter dem Gesetz stehenden Norm, folgt aus dem höherrangigen gesetzlichen Verhältnis der Grundfreibeträge für Erwerbseinkommen und aus steuerprivilegierter (ehrenamtlicher) Tätigkeit und der Verpflichtung, geltendes Recht in verfassungskonformer Weise auszulegen und anzuwenden.
Für das Verhältnis der unterschiedlich hohen Grundfreibeträge nach § 11b Abs. 2 SGB II für das Erwerbseinkommen und aus steuerprivilegierter (ehrenamtlicher) Tätigkeit ist als geklärt anzusehen, dass die Grundfreibeträge für diese Einkommen nebeneinander gelten, sich also nicht grundsätzlich verdrängen. Für dieses Nebeneinander gilt aber, dass der insgesamt einzuräumende Freibetrag den höchsten Freibetrag nicht übersteigen darf. Aus der Entstehungsgeschichte lässt sich ablesen, dass der Übungsleiterfreibetrag mit der Absicht eingeführt wurde, die Einkommen aus den steuerprivilegierten ehrenamtlichen Tätigkeiten stärker zu privilegieren als die restlichen Erwerbseinkünfte. Dies spricht für ein Verständnis und Handhabung des höheren Freibetrages als eigenständige und zusätzliche Privilegierung. Der Übungsleiterfreibetrag gilt daher nicht nur für den Teil der Einnahmen aus ehrenamtlicher Tätigkeit, der den Grundfreibetrag für das Erwerbseinkommen von 100 Euro monatlich übersteigt. Denn dann würde der beabsichtigte Anreiz für die Wahrnehmung ehrenamtlicher Aufgaben zum Teil entfallen. Ehrenamtliche Tätigkeiten mit einer Abgeltung unter 100 Euro würden wegen der bis zu dieser Grenze erfolgenden Berücksichtigung unattraktiv, weil nur noch auf Nachweis Absetzungen möglich wären. Der höhere Freibetrag nach § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II ist als Freibetragsobergrenze zu begreifen, denn nach dem Wortlaut tritt der Betrag von 175 Euro "an die Stelle" des Betrages von 100 Euro (vgl. BSG vom 28. Oktober 2014 – B 14 AS 61/13 R –, SozR 4-4200 § 11b Nr. 6, Rn. 15 ff.).
Entsprechendes muss im Ergebnis auch für die Auslegung des § 1 Abs. 7 Satz 4 Alg II-V und damit für die Klärung des Verhältnisses zwischen dem bzw. den Freibeträgen für das Taschengeld und den restlichen Grundfreibeträgen gelten.
Es lässt sich nachvollziehen, dass die Regelung an dem Vorbild des § 11 Abs. 2 SGB II orientiert wurde. Abweichungen ergeben sich nur aus der zuvor bestehenden Rechtslage und den Besonderheiten des Taschengeldes.
Mit der Einfügung des § 1 Abs. 7 Alg II-V zum 1. Januar 2012 reagierte der Verordnungsgeber auf die als zu aufwändig empfundene Handhabung des bis dahin geregelten Freibetrags für das Taschengeld. Zuvor waren neben dem Freibetrag von 60 Euro die tatsächlichen Aufwendungen nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 SGB II im Einzelfall festzustellen. Durch eine allgemeine Pauschalierung sollte das Verfahren vereinfacht und transparenter gestaltet werden und eine Harmonisierung mit den übrigen Bestimmungen des § 11b Absatz 2 SGB II erfolgen (vgl. http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Gesetze/entwurf-sechste-verordnung-zur-aenderung-algII-sozialgeld.pdf? blob=publicationFile&v=2). Die Regelung in wird in dem Entwurf wie folgt erläutert und begründet: "Satz 3 der Regelung bewirkt die notwendige Harmonisierung entsprechend der Regelungen des § 11b Absatz 2 und 3 SGB II. Damit wird sichergestellt, dass beim Zusammentreffen von Freiwilligendienst und Erwerbstätigkeit beziehungsweise anderen Betätigungen nur jeweils die Freibeträge nach § 11b Absatz 2 und 3 SGB II zur Anwendung kommen."
Schon danach kann die Norm nicht in dem vom Beklagten angenommenen Sinn verstanden und ausgeführt werden. Die Begründung der Verordnung zeigt, dass § 1 Abs. 7 Satz 4 Alg II-V nicht mit der Intention formuliert wurde, dass keinerlei Freibetrag für das Taschengeld zusteht, wenn es neben allgemeinem Erwerbseinkommen erzielt wird.
Soweit der Verordnungsgeber aber meinte, die spezielle Privilegierung des Taschengeldes bei gleichzeitigem Bezug von Erwerbseinkommen entziehen zu können, stellt dies eine nicht verfassungsgemäße Ungleichbehandlung dar, die durch Anwendung der höherrangigen Normen unter verfassungsgemäßer Auslegung der Verordnung zu korrigieren ist.
Zur Aufgabe der Sozialgerichte gehört die gerichtliche Kontrolle des Verwaltungshandelns. Folglich können auch rechtssetzende Verordnungen auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden. In diesem Rahmen ist den Gerichten lediglich eine (eigene) Rechtssetzung verwehrt, die sich an die Stelle des Verwaltungshandelns setzen würde (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG vom 3. November 1988 - 7 C 115/86 - BVerwGE 80, 355 ff., 370). Nicht ausgeschlossen ist es hingegen, eine Regelung in verfassungskonformer Weise auszulegen. Es könnte sogar eine für einen bestimmten Personenkreis fehlende Regelung antizipiert werden, wenn eine ausstehende generell- abstrakte Regelung nur dann verfassungsgerecht wäre, wenn sie solche Ansprüche vorsähe (BVerwG vom 11. Oktober 1996 – 3 C 29/96 – BVerwGE 102, 113 ff. Rn. 37).
Hier ergibt eine verfassungskonforme Auslegung, dass die Vorschrift des § 1 Abs. 7 Satz 4 Alg II-V so anzuwenden ist, dass die besondere Privilegierung des Taschengeldes nicht entfallen darf, wenn es gleichzeitig mit weiterem Erwerbseinkommen erzielt wird.
Ein Verständnis der Regelung in § 1 Abs. 7 Satz 4 Alg II-V, dass beim Zusammentreffen von Taschengeld mit Erwerbseinkommen für das Taschengeld überhaupt keine Privilegierung mehr zustehen würde, widerspräche schon dem Regelungsgefüge des Vorbilds in § 11b Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB II. Denn dort ist – siehe oben – die in Satz 3 enthaltene Formulierung "gelten die Sätze 1 und 2 mit den Maßgaben, dass an die Stelle des Betrages von 100 Euro monatlich der Betrag von (jetzt) 200 Euro monatlich tritt" so zu lesen, dass damit weder der allgemeine Grundfreibetrag wegfällt noch der höhere Grundfreibetrag für steuerprivilegierte Tätigkeiten bei deren Zusammentreffen teilweise ausgeschlossen ist. Im Prinzip stehen also unterschiedliche Grundfreibeträge nebeneinander.
Es ist deshalb fraglich, ob die Alg II-V als Rechtsverordnung Abweichungen von diesem Prinzip im Rahmen der Ermächtigung des § 13 Abs. 1 Nr. 1 SGB II zur Bestimmung weiterer nicht als Einkommen zu berücksichtigender Einnahmen und zur Berechnung des Einkommens im Einzelnen regeln kann. Jedenfalls ist es zur Wahrung des Gleichbehandlungsgebots erforderlich, die Rechtsverordnung so anzuwenden, dass die durch die Rechtsverordnung geschaffenen Begünstigungen auch tatsächlich allen Leistungsberechtigten in gleicher Weise zu Gute kommen. Eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem ist mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar, wobei dem Gesetz- und Verordnungsgeber ein Gestaltungsspielraum eingeräumt ist, der z.B. in gewissen Grenzen Ungleichbehandlungen durch Typisierungen zulässt (BVerfG vom 17. November 1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234ff. – juris Rn. 68). Der Gleichheitssatz verbietet es aber, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (st. Rspr. u.a. BVerfG vom 31. Januar 1996 – 2 BvL 39/93, 2 BvL 40/93 – BVerfGE 93, 386 ff., Rn. 37). Zwischen Personen, die nur einen Bundesfreiwilligendienst absolvieren und solchen, die ergänzend noch mindestens eine weitere Erwerbstätigkeit ausüben, bestehen aber keine wesentlichen Unterschiede, vielmehr wird von beiden Personengruppen ein besonderes und erwünschtes gesellschaftliches Engagement betrieben, dessen besondere Anerkennung durch ein weiteres Erwerbseinkommen nicht in Frage gestellt wird. Es ist deshalb keine sachliche Rechtfertigung ersichtlich, den erhöhten Grundfreibetrag wegfallen zu lassen, wenn zusätzlich eine nicht privilegierte Erwerbstätigkeit ausgeübt wird (ebenso SG Dresden vom 27. August 2013 – S 49 AS 2681/12 – Juris Rn. 88). Es ist auch kein sachliches Argument erkennbar, die Geltendmachung des höheren Grundfreibetrages ab einer Grenze von 100 Euro von besonderen Voraussetzungen, etwa dem Nachweis tatsächlicher Kosten, abhängig zu machen. Denn andere den Freiwilligendienst Leistende müssen keinen Nachweis erbringen, um in den Genuss des höheren Grundfreibetrages zu gelangen. Es muss also immer möglich sein, wegen der Ausübung des Bundesfreiwilligendienstes den erhöhten Grundfreibetrag für diese Tätigkeiten in Anspruch zu nehmen. Allerdings können sich die in Anspruch genommenen Grundfreibeträge gegenseitig konsumieren, d.h. der erhöhte Grundfreibetrag kann sich um die Höhe der bereits in Anspruch genommenen anderen Freibeträge mindern.
Dementsprechend war – in dieser Reihenfolge – zunächst das Arbeitsentgelt der Klägerin um den allgemeinen Grundfreibetrag nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II in Höhe von bis zu 100 Euro zu bereinigen. Das Arbeitseinkommen in Höhe von 50 Euro blieb also berücksichtigungsfrei. In Höhe des verbrauchten Grundfreibetrages minderte sich der noch zur Verfügung stehende Grundfreibetrag für die ehrenamtliche Tätigkeit auf noch 125 Euro (175 Euro abzüglich des genutzten Grundfreibetrages von 50 Euro). Weil die Entschädigung für die ehrenamtliche Tätigkeit nur 49 Euro betrug, war sie ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Von dem höheren Grundfreibetrag für die ehrenamtliche Tätigkeit verblieben noch 76 Euro. Nur in dieser Höhe konnte auch noch ein Grundfreibetrag für das Taschengeld bestehen, weil seine Höchstgrenze dieselbe war. Folglich war von dem Taschengeld aus dem Bundesfreiwilligendienst im Monat März 2012 in Höhe von 175 Euro nur noch ein Grundfreibetrag in Höhe von 76 Euro absetzbar. Daraus ergibt sich, dass im März 2012 lediglich Einkommen in Höhe von 99 Euro zu berücksichtigen war.
Ein weiterer Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11b Abs. 3 SGB II war nicht zu gewähren. Dieser Erwerbstätigenfreibetrag gilt nicht für die Teilnahme an Freiwilligendiensten bzw. steuerprivilegierte Tätigkeiten (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen vom 11. März 2015 – L 13 AS 10/14 – juris Rn. 19, im Ergebnis BSG vom 28. Oktober 2014 – B 14 AS 61/13 R – juris Rn. 24).
Im Monat März 2012 bestand damit nicht wie ursprünglich bewilligt Anspruch auf Arbeitslosengeld II in Höhe von 718 Euro, sondern nur in Höhe von 619 Euro.
Für den Monat April 2012 bestand ebenfalls ein geringerer Anspruch in Höhe von 668 Euro. Der Klägerin war aus der geringfügigen Beschäftigung in Höhe von 50 Euro und Taschengeld in Höhe von 175 Euro zugeflossen. Die Bereinigung des Erwerbseinkommens verbrauchte den Grundfreibetrag um 50 Euro. Das Taschengeld war danach nur noch um 125 Euro zu bereinigen, so dass ein zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 50 Euro verblieb.
Nur im Umfang der berechtigten Aufhebung in Höhe von insgesamt 149 Euro ist die Klägerin zur Erstattung verpflichtet, § 50 Abs. 1 SGB X.
Die bereits im Wege der Aufrechnung einbehaltenen Erstattungsbeträge sind der Klägerin zurückzuzahlen (§ 131 Abs. 1 SGG). Eine Tilgung der Erstattungsforderung durch die Aufrechnung (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB II) setzt voraus, dass die Erstattung und die Aufrechnung vollziehbar geregelt sind. Der Widerspruch und die Klage gegen die Erstattung und Aufrechnung haben aber gemäß § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung. Der Entfall der aufschiebenden Wirkung ist nicht vom Beklagten verfügt bzw. gesetzlich geregelt (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 und 5 SGG). Die Erstattung bzw. Aufrechnung sind in den Katalog der sofort vollziehbaren Verwaltungsakte des § 39 Nr. 1 – 4 SGB II nicht aufgenommen.
2. Die endgültige Festsetzung der Leistungshöhe durch den Verwaltungsakt vom 11. Juli 2012 für den Zeitraum vom 1. Mai 2012 bis 30. Juni 2012 auf 543 Euro monatlich ist rechtswidrig.
In den Monaten Mai 2012 und Juni 2012 bestand ein Anspruch in Höhe von 668 Euro. Hierzu kann die bereits für den Monat April 2012 dargestellte Berechnung herangezogen werden, weil sich die Einkommensverhältnisse der Klägerin erstmals wieder im Monat Juli 2012 durch den Wegfall des Einkommens in Höhe von 50 Euro änderten.
3. Die Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG. Der Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten im Umfang ihres Obsiegens zu ihrem Unterliegen (64 v.H.) zu erstatten.
4. Für die Beteiligten ist die Berufung gesetzlich ausgeschlossen, weil ihre Beschwer 750,00 Euro nicht überschreitet (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Auslegung des § 1 Abs. 7 Satz 4 Alg II-V ist als bislang nicht geklärt anzusehen und bedarf einer Klärung.
Der Bescheid des Beklagten vom 11. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2012 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Monate Mai und Juni 2012 weitere Leistungen i.H.v. monatlich 125,00 Euro zu gewähren.
Der Beklagte hat der Klägerin bis 64 v.H. ihrer außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach zu erstatten.
Die Berufung wird für beide Beteiligte zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine ihren Hilfebedarf mindernde Berücksichtigung des sog. Taschengeldes aus dem Bundesfreiwilligendienstes in voller Höhe, wenn gleichzeitig Erwerbseinkommen bzw. Einkommen aus einer teilweise einkommensteuerbefreiten Aufwandsentschädigung erzielt wird.
Die 1965 geborene und alleinstehende Klägerin beantragte am 23. Januar 2012 beim Beklagten die Fortzahlung der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in Form von Arbeitslosengeld II. Sie gab keine Änderungen bekannt (Kosten der Unterkunft und Heizung weiter monatlich insgesamt 344 Euro, weiter Bezug von Einkommen aus einer Tätigkeit in einem Restaurant in Höhe von 50 Euro monatlich und aus einer Übungsleitertätigkeit in einem Sportverein in Höhe von 49 Euro monatlich). Sie fügte ihrem Antrag einen Beleg über eine KFZ-Haftpflichtversicherung des Vaters für dessen KFZ (monatlich 42,32 Euro inklusive Schutzbrief und Auslandskomplettschutz) und ihre persönliche Haftpflichtversicherung bei.
Der Beklagte bewilligte der Klägerin nach dem Bescheid vom 26. Januar 2012 für den Zeitraum vom 1. März 2012 bis zum 31. August 2012 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 718 Euro (374 Euro wegen Regelbedarf und 344 Euro wegen der Kosten der Unterkunft und Heizung) ohne Einkommensberücksichtigung, weil die eingeräumten Freibeträge höher als die Summe der Einkünfte waren.
Die Klägerin nahm am 1. März 2012 (befristet bis 31. August 2013) eine weitere Beschäftigung im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes auf. Erstmals im März 2012 erzielte die Klägerin daraus ein sogenanntes Taschengeld in Höhe von 175 Euro monatlich. Die Beschäftigungsstelle bestätigte mit Schreiben vom 26. Juli 2012, dass sie das Taschengeld jeweils am 28. des laufenden Monats auszahlt.
Mit Bescheid vom 24. April 2012 änderte der Beklagte die Bewilligungshöhe ab dem Monat Mai 2012 auf noch 543,00 Euro monatlich (wegen Regelbedarf 199 Euro, wegen Kosten der Unterkunft und Heizung 344 Euro) ab und wandelte die Bewilligung gleichzeitig in eine vorläufige um. Er berücksichtigte Einkommen in Höhe von 175 Euro monatlich. Zur Begründung der Vorläufigkeit nannte der Beklagte die noch vorzulegenden monatlichen Einkommensbescheinigungen. Gleichzeitig forderte er mit Schreiben vom selben Tag die Vorlage der Verdienstbescheinigungen für den Bundesfreiwilligendienst, aus der Erwerbstätigkeit und der Übungsleitertätigkeit.
Am 19. Juni 2012 erklärte die Klägerin beim Beklagten, dass die Einnahmen aus der Übungsleitertätigkeit bereits seit dem Monat April 2012 weggefallen waren.
Die geringfügige Erwerbstätigkeit endete im Monat Juni 2012. Ab dem Monat Juli 2012 erhält die Klägerin keine Einnahmen aus dem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis.
Mit Schreiben vom 11. Juli 2012 gab der Beklagte der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme wegen einer teilweisen Aufhebung und Erstattung der Leistungen ab dem 1. März 2012 bis 30. April 2012 wegen der in diesem Zeitraum zu Unrecht bezogenen Leistungen in Höhe von 175 Euro monatlich. Ab dem 1. März 2012 werde Einkommen aus dem Bundesfreiwilligendienst bezogen. Es sei beabsichtigt, die Überzahlung mit der Nachzahlung aus dem Monat Juli 2012 zu verrechnen.
Mit änderndem Bescheid vom 11. Juli 2012 bewilligte der Beklagte die Leistungen ab dem 1. Mai 2012 bis 30. Juni 2012 unverändert, aber ohne Vorläufigkeitsvorbehalt. Ab dem 1. Juli 2012 bis 31. August 2012 gewährte er Arbeitslosengeld II ohne die Berücksichtigung von Einnahmen aus dem Bundesfreiwilligendienst, so dass er der Klägerin wieder Leistungen in Höhe von monatlich 718 Euro bewilligte und gewährte. Die Nachzahlung in Höhe von 175 Euro für den Monat Juli 2012 behielt der Beklagte zunächst ein.
Die Klägerin äußerte zum Schreiben vom 11. Juli 2012, dass sie die Berücksichtigung des Taschengeldes nicht nachvollziehen könne, weil es grundsätzlich in Höhe von 175 Euro freigestellt sei.
Mit Bescheid vom 23. August 2012 hob der Beklagte die Bewilligung der Leistungen für die Monate März und April 2012 in Höhe von je 175 Euro auf und forderte die Erstattung in Höhe von insgesamt 350 Euro. Gleichzeitig regelte er eine Aufrechnung mit den bewilligten Leistungen ab dem Monat Oktober 2012 in Höhe von monatlich 37,40 Euro. Die beabsichtigte Aufrechnung mit den höheren Ansprüchen für den Monat Juli 2012 werde nicht vorgenommen. Beigefügt war ein Berechnungsbogen, nach dem in den Monaten März und April 2012 ein zu berücksichtigendes Einkommen aus dem Bundesfreiwilligendienst in Höhe von je 175 Euro errechnet wurde. Der Beklagte zahlte die zunächst zur Aufrechnung einbehaltenen 175 Euro an die Klägerin aus.
Die Klägerin widersprach den Bescheiden vom 11. Juli 2012 und 23. August 2012.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2012 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 11. Juli 2012 zurück. Wegen des im Zeitraum vom 1. Mai 2012 bis zum 30. Juni 2012 erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit habe er § 1 Abs. 7 Sätze 1 bis 3 der Arbeitslosengeld II-Verordnung nicht anzuwenden. Es ergebe sich eine Einkommensanrechnung in Höhe von 175 Euro. Erst ab dem Monat Juli 2012 könnten die genannten Normen zu Anwendung kommen, weil die Klägerin ab dann kein weiteres Einkommen aus Erwerbstätigkeit erziele.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 12. September 2012 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 23. August 2012 zurück. Es sei Einkommen aus Erwerbstätigkeit, dem Bundesfreiwilligendienst und steuerfreie Einnahmen erzielt. Wegen der weiteren Begründung nahm er auf den bereits genannten Widerspruchsbescheid vom 12. September 2012 Bezug.
Am 12. Oktober 2012 hat die Klägerin bei dem hiesigen Gericht Klage gegen die Bescheide des Beklagten vom 11. Juli 2012 und 23. August 2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12. September 2012 erhoben. Sie hält die vollständige Berücksichtigung des Taschengeldes aus dem Bundesfreiwilligendienst in den Monaten März bis Mai 2012 für rechtswidrig. Es sei zwar richtig, dass mit § 1 Abs. 1 Nr. 7 Satz 4 der Arbeitslosengeld II-Verordnung eine Regelung getroffen sei, wonach die besonderen Freibetragsregelungen für das Taschengeld aus dem Bundesfreiwilligendienst nicht gelten sollen, wenn auch Einkommen aus anderen Tätigkeiten erzielt wird. Daraus folge aber nicht, dass in diesen Fällen keinerlei Aufwendungen von den Einnahmen aus dem Bundesfreiwilligendienst absetzbar sein. Nach der Entwurfsbegründung für diese Vorschrift solle lediglich sichergestellt werden, dass beim Zusammentreffen solcher Einnahmen jeweils nur die Freibeträge nach § 11b Abs. 2 und Abs. 3 SGB II zur Anwendung kommen sollen. Bei ihr sei daher für den Monat März 2012 der Grundfreibetrag in Höhe von 175 Euro abzusetzen. Im Monat April 2012 seien von den Einnahmen 100 Euro abzusetzen. Hilfsweise seien die tatsächlichen Aufwendungen für den Bundesfreiwilligendienst (Fahrtkosten, KFZ-Versicherung, zumindest aber die Versicherungspauschale) in Abzug zu bringen, weil die Grundfreibeträge beim Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Übungsleitertätigkeit nicht ausgeschöpft seien. Bei einem Einkommen aus Erwerbstätigkeit unter einem Betrag von 100 Euro monatlich sei es möglich, den teilweise nicht verbrauchten Grundfreibetrag von anderen Einnahmen, die nicht aus Erwerbstätigkeit herrühren, abzusetzen. Daraus folge bei ihr, dass von dem Einkommen auch die Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro monatlich sowie die mit der Erzielung des Taschengeldes aus dem Bundesfreiwilligendienst verbundenen notwendigen Ausgaben absetzbar seien. Außerdem sei es rechtswidrig, die Aufhebungsentscheidung sofort mit einer Aufrechnung zu kombinieren. Die Vollziehung der Erstattungsforderung sei durch den Widerspruch aufgeschoben. Zuletzt hat die Klägerin ihre Klage bezugnehmend auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Oktober 2014 (B 14 AS 61/13 R) damit begründet, dass die Freibeträge nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II und § 1 Absatz 7 der Arbeitslosengeld II-Verordnung kumulativ zu gewähren seien. Die entgegenstehende Regelung in § 1 Abs. 7 Satz 4 der Arbeitslosengeld II-Verordnung sei in Bezug auf das Gleichbehandlungsgebot verfassungskonform anzuwenden. In der mündlichen Verhandlung hat sie vorgetragen, dass sie die Kosten für die fremde KFZ-Haftpflichtversicherung selbst trage und ihr das KFZ überlassen sei. Von der zur Aufrechnung gestellten Forderung in Höhe von insgesamt 350 Euro seien nach der Forderungsaufstellung inzwischen 212,69 Euro getilgt.
Die Klägerin beantragt,
1. den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2012 aufzuheben und
2. den Änderungsbescheid vom 11. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2012 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr für den Zeitraum 1. Mai 2012 bis 30. Juni 2012 Leistungen in Höhe von monatlich 718,00 Euro zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Eine Kfz-Haftpflichtversicherung habe die Klägerin nicht abgeschlossen. Sie habe kein eigenes Auto. In den Anträgen sei angegeben, dass keine Aufwendungen für öffentliche Verkehrsmittel entstehen. Im Zeitraum März bis Juni 2012 sei in Bezug auf die Einnahmen aus Erwerbstätigkeit kein Einkommen angerechnet worden. Die Aufwandsentschädigung sei ebenfalls nicht berücksichtigt. Von dem Taschengeld könnten lediglich die mit der Erzielung dieses Einkommens notwendig verbundenen Ausgaben abgesetzt werden. Solche Ausgaben seien nicht zu erkennen. Eine Übertragung von nicht aufgebrauchten Absetzungsbeträgen aus den anderen Einkommen komme nicht in Betracht. Vorliegend seien nur eine Pauschale für private Versicherung in Höhe von 30 Euro monatlich und eine Pauschale für notwendige Ausgaben in Höhe von 15,33 Euro monatlich zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung des Taschengeldes sei insoweit rechtmäßig (Urteil des SG Dresden vom 27. August 2013, S 49 AS 2681/12). Weil bei der Klägerin verschiedene Einkommensarten zusammentrafen, sei er berechtigt gewesen, lediglich von dem weiteren Erwerbseinkommen den Grundfreibetrag in Abzug zu bringen, was letztendlich zur vollständigen Nichtberücksichtigung dieses weiteren Einkommens geführt habe.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat teilweise Erfolg.
Gegenstand der Klage sind die Verwaltungsakte des Beklagten vom 23. August 2012 (Aufhebung für März und April 2012 in Höhe von je 175 Euro, Erstattung in Höhe von insgesamt 350 Euro, Aufrechnung mit den bewilligten Leistungen ab dem Monat Oktober 2012 in Höhe von monatlich 37,40 Euro) und vom 11. Juli 2012 (Gewährung Alg II vom 1. Mai 2012 bis 30. Juni 2012 in Höhe von 543 Euro monatlich und ab dem 1. Juli 2012 bis 31. August 2012 in Höhe von monatlich 718 Euro) in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12. September 2012.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig erhoben. Gegen den Verwaltungsakt vom 24. April 2012 wäre die Klage nicht zulässig. Gegen den Verwaltungsakt ist kein Rechtsbehelf erhoben worden. Er entfaltet aber auch keine Rechtswirkungen mehr, weil durch den Verwaltungsakt vom 11. Juli 2012 eine neue und ersetzende Regelung getroffen wurde.
Die Klage ist teilweise begründet.
Die Verwaltungsakte vom 23. August 2012 und vom 11. Juli 2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12. September 2012 sind im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG teilweise rechtswidrig und verletzen die Klägerin dadurch in ihren Rechten.
1. Wegen des neu hinzugetretenen Einkommens aus dem Bundesfreiwilligendienstes war der Beklagte nicht berechtigt, die Bewilligung aus dem Verwaltungsakt vom 26. Januar 2012 mit dem Verwaltungsakt vom 23. August 2012 für die Monate März und April 2012 in Höhe von je 175 Euro aufzuheben und Erstattung in Höhe von insgesamt 350 Euro zu verlangen. Die Aufhebung ist nur in Höhe von 99 Euro wegen der für den Monat März 2012 und in Höhe von 50 Euro wegen der für den Monat April 2012 entsprechend zu hoch gewährten Leistungen berechtigt.
Insoweit waren die Voraussetzungen für eine Abänderung der bestandskräftigen Bewilligung vom 26. Januar 2012 zuungunsten der Klägerin gegeben. Die rechtliche Grundlage bilden § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 SGB II und die danach anzuwendenden Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) und § 330 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III). Soweit also in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Abweichend gilt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III, dass ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Zeitpunkt der Verhältnisse an aufzuheben ist, soweit nach Erlass des Verwaltungsakts Einkommen erzielt worden ist, das zur Minderung des Anspruchs geführt habe würde.
So liegt es hier. Im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X haben sich in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vom 26. Januar 2012 zugrunde lagen, wesentliche Änderungen ergeben. Die Einkommensverhältnisse der Klägerin änderten sich erstmals im Monat März 2012 und nachfolgend durch die Zahlung von 175 Euro für den Bundesfreiwilligendienst.
Gegenüber der ersten Bewilligung ergeben sich hieraus niedrigere Ansprüche der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin.
Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Die Klägerin gehört zu dem von § 7 Abs. 1 SGB II geregelten Personenkreis der leistungsberechtigen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Sie hat das das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, ist erwerbsfähig, hilfebedürftig und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Besondere persönliche Umstände, nach denen die Klägerin vom Bezug der Leistungen nach § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 oder 5 SGB II ausgeschlossen war, sind nicht gegeben. Aufgrund der ausgeübten Beschäftigungen können keine ernsthaften Zweifel an der Erwerbsfähigkeit (vgl. § 8 Abs. 1 SGB II) der Klägerin im Streitzeitraum verbleiben.
Sie ist im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II auch hilfebedürftig, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Zur insoweit einsatzpflichtigen Bedarfsgemeinschaft gehört gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II nur die Klägerin. Sie erhält die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen.
Der Hilfebedarf der Klägerin ergibt sich zunächst aus der Regelleistung für die Klägerin in Höhe von 374 Euro monatlich. Für Mehrbedarfe sprechende Umstände sind weder aktenkundig noch vorgetragen. Es gibt keinen Anlass, den Sachverhalt hierzu weiter aufzuklären.
Die Kosten der Unterkunft und Heizung sind in tatsächlicher Höhe der Miete und Nebenkosten (vgl. Vermieterbescheinigung vom 6. Dezember 2010) mit insgesamt 344 Euro als Bedarf zu berücksichtigen, § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Die Kosten sind vom Beklagten in voller Höhe als Bedarf übernommen und erscheinen angemessen.
Im Streitzeitraum ergibt sich danach ein monatlicher Gesamtbedarf in Höhe von 718 Euro.
Die Klägerin verfügte nicht über Vermögen im Sinne des § 12 SGB II, das aufgrund seiner Höhe bedarfsmindernd zu berücksichtigen war. In ihrer letzten Erklärung zu ihrem Vermögen vom 25. August 2011, auf das sie mit dem Folgeantrag Bezug nahm, war nur ein Girokonto mit einem Guthaben in Höhe von 164,74 Euro und eine Sparanlage in Höhe von 339,04 Euro erwähnt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Vermögensverhältnisse der Klägerin maßgeblich verbessert haben.
Allerdings minderte sich der Bedarf der Klägerin um zu berücksichtigendes Einkommen aus ihren verschiedenen Tätigkeiten.
Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Solche (laufende) Einnahmen in Geld im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB II flossen der Klägerin für den März 2012 wie folgt zu:
aus der geringfügigen Beschäftigung 50 Euro,
aus der Übungsleitertätigkeit 49 Euro und
– erstmals – aus dem Bundesfreiwilligendienst 175 Euro.
Die Einnahmen waren als bereite Mittel verfügbar. Es handelte es sich nicht um solche Einnahmen, die im Bereich des SGB II nicht als Einkommen zu bewerten sind (vgl. § 11a SGB II, § 1 Abs. 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – Alg II-V).
Als konkrete Absetzungen im Sinne des § 11b Abs. 1 Nr. 3 HS. 1 SGB II kamen die gesetzlich vorgeschriebenen Beiträge in Höhe von monatlich 42,32 Euro für die KFZ-Haftpflichtversicherung in Betracht. Dagegen spricht nicht, dass es sich um eine fremde Versicherung handelte. Die Klägerin hat die Beiträge durch Lastschriften von ihrem Konto einziehen lassen und also tatsächlich getragen. Ihr war das ihrem Vater gehörende Fahrzeug nach ihren Angaben in der Verhandlung überlassen, so dass die Beiträge nur für ihre Nutzung anfielen. Die Aufwendungen sind ihr deshalb vollständig zuzuordnen. Absetzbar wären sie aber höchstens bis zu dem - nicht aus der Beitragsrechnung erkennbaren - Betrag, der für die Kfz-Haftplichtversicherung ohne Schutzbrief fällig war. Eine weitere Aufklärung hierzu kann aber unterbleiben. Denn soweit Erwerbseinkommen vorliegt, sind die Möglichkeiten der Absetzungen nach § 11b Abs. 1 Nr. 3 bis 5 SGB II durch die über den wiederum pauschal abgeltenden Grundfreibetrag nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II in Höhe von 100 Euro verdrängt.
Auch die Absetzungen wegen der Beiträge für die eigene Versicherung wären durch diesen Grundfreibetrag abgegolten. Die Versicherungsbeiträge der Klägerin zu ihrer privaten Haftpflichtversicherung wirkten sich ohnehin nicht aus. Sie betrugen jährlich 75,45 Euro und waren bereits am 1. Januar 2012 fällig. Damit fallen die Ausgaben nicht in den Streitzeitraum und können nicht abgesetzt werden. Zudem gilt gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Alg II-V ein abgeltender Pauschbetrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu solchen nicht gesetzlich vorgeschriebenen privaten Versicherungen im Sinne des § 11b Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II.
Schließlich käme noch eine Absetzung des Pauschbetrages in Höhe von 15,33 Euro nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 lit. a Alg II-V in Betracht.
Insgesamt wird der Grundfreibetrag durch die möglichen Absetzungen aber nicht überschritten.
Eine Absetzung der genannten tatsächlichen Aufwendungen kommt zusätzlich deshalb nicht in Betracht, weil das monatliche Erwerbseinkommen 400 Euro (§ 11b Abs. 2 Satz 2 SGB II) bzw. das Einkommen aus ehrenamtlicher Tätigkeit 175 Euro (§ 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II in der bis 31. Dezember 2012 geltenden Fassung) nicht überstieg. Auch der für das Taschengelt geltende höhere Grundfreibetrag in Höhe von 175 Euro wird wegen der Regelung in § 1 Abs. 7 Satz 2 SGB II (eingefügt durch die Sechste Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 19. Dezember 2011, BGBl. I S. 2833 ff.; hier in der vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2012 geltenden Fassung anzuwenden) nicht verdrängt, weil die Aufwendungen den Betrag von 115 Euro nicht übersteigen.
Von dem Einkommen waren aufgrund der unterschiedlichen Grundfreibeträge für die verschiedenen Einnahmen insgesamt 99 Euro pauschal abzusetzen.
Vorbehaltlich der Regelungen über das Verhältnis (Konkurrenz) der pauschalen Absetzungsbeträge galten im Streitzeitraum folgende Pauschalen als Grundfreibeträge:
wegen Erwerbseinkommen 100 Euro (§ 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II)
wegen Einkommen aus ehrenamtlicher Tätigkeit 175 Euro (§ 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II a.F.)
vom Einkommen aus dem Bundesfreiwilligendienst 175 Euro (§ 1 Abs. 7 Satz 1 Alg II-V a.F.).
Von den Einnahmen erwerbsfähiger Leistungsberechtigter aus Erwerbstätigkeit ist nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II anstelle der Absetzungsbeträge nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II (Versicherungsbeiträge, geförderte Altersvorsorgebeiträge und mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben) ein Grundfreibetrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen. Liegen die Ausgaben für diese Beträge über 100 Euro monatlich, sind sie im tatsächlichen Umfang abzusetzen, wenn das monatliche Einkommen mehr als 400 Euro beträgt und die Ausgaben nachgewiesen werden (§ 11b Abs. 2 Satz 2 SGB II).
An die Stelle des einfachen Grundfreibetrages (100 Euro) tritt wegen Einkommens von Personen, die aus mindestens einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen erhalten, die nach § 3 Nr. 12, 26, 26a oder 26b des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sind, ein erhöhter Grundfreibetrag von 175 Euro ("Übungsleiterfreibetrag") und die Möglichkeit, bereits bei Einkommen ab diesem Betrag tatsächlich höhere Ausgaben als den erhöhten Grundfreibetrag geltend machen zu können (§ 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II a.F.).
Für das Einkommen erwerbsfähiger Leistungsberechtigter aus dem Bundesfreiwilligendienst folgt eine besondere Privilegierung aus § 1 Abs. 7 Satz 1 Alg II-V a.F. Darin ist anstelle der Beträge nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II ein pauschaler Absetzungsbetrag vom Taschengeld nach § 2 Nr. 4 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes in Höhe von insgesamt 175 Euro monatlich geregelt. Übersteigt die Summe der Beträge nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II den Betrag von 115 Euro, gilt dies nicht. In diesem Fall ist vom Taschengeld zusätzlich ein Betrag von 60 Euro monatlich nicht als Einkommen zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 7 Sätze 2 und 3 Alg II-V a.F.).
Für das Verhältnis dieser Freibetragsregelungen zu anderen Einnahmen enthält § 1 Abs. 7 Satz 4 Alg II-V folgende wörtlich wiedergegebene Regelung: "Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die erwerbstätig sind oder aus einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen erhalten, die nach § 3 Nr. 12, 26, 26a oder 26b EStG steuerfrei sind."
Nach Ansicht der Kammer ist § 1 Abs. 7 Satz 4 Alg II-V nicht in der Weise anzuwenden, dass die Privilegierung mit einem höheren Grundfreibetrag gänzlich entfällt, wenn gleichzeitig anderes Einkommen erzielt wird, für das ebenfalls Grundfreibeträge geregelt sind. Dieses Verständnis der Verordnung, also einer im Rang unter dem Gesetz stehenden Norm, folgt aus dem höherrangigen gesetzlichen Verhältnis der Grundfreibeträge für Erwerbseinkommen und aus steuerprivilegierter (ehrenamtlicher) Tätigkeit und der Verpflichtung, geltendes Recht in verfassungskonformer Weise auszulegen und anzuwenden.
Für das Verhältnis der unterschiedlich hohen Grundfreibeträge nach § 11b Abs. 2 SGB II für das Erwerbseinkommen und aus steuerprivilegierter (ehrenamtlicher) Tätigkeit ist als geklärt anzusehen, dass die Grundfreibeträge für diese Einkommen nebeneinander gelten, sich also nicht grundsätzlich verdrängen. Für dieses Nebeneinander gilt aber, dass der insgesamt einzuräumende Freibetrag den höchsten Freibetrag nicht übersteigen darf. Aus der Entstehungsgeschichte lässt sich ablesen, dass der Übungsleiterfreibetrag mit der Absicht eingeführt wurde, die Einkommen aus den steuerprivilegierten ehrenamtlichen Tätigkeiten stärker zu privilegieren als die restlichen Erwerbseinkünfte. Dies spricht für ein Verständnis und Handhabung des höheren Freibetrages als eigenständige und zusätzliche Privilegierung. Der Übungsleiterfreibetrag gilt daher nicht nur für den Teil der Einnahmen aus ehrenamtlicher Tätigkeit, der den Grundfreibetrag für das Erwerbseinkommen von 100 Euro monatlich übersteigt. Denn dann würde der beabsichtigte Anreiz für die Wahrnehmung ehrenamtlicher Aufgaben zum Teil entfallen. Ehrenamtliche Tätigkeiten mit einer Abgeltung unter 100 Euro würden wegen der bis zu dieser Grenze erfolgenden Berücksichtigung unattraktiv, weil nur noch auf Nachweis Absetzungen möglich wären. Der höhere Freibetrag nach § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II ist als Freibetragsobergrenze zu begreifen, denn nach dem Wortlaut tritt der Betrag von 175 Euro "an die Stelle" des Betrages von 100 Euro (vgl. BSG vom 28. Oktober 2014 – B 14 AS 61/13 R –, SozR 4-4200 § 11b Nr. 6, Rn. 15 ff.).
Entsprechendes muss im Ergebnis auch für die Auslegung des § 1 Abs. 7 Satz 4 Alg II-V und damit für die Klärung des Verhältnisses zwischen dem bzw. den Freibeträgen für das Taschengeld und den restlichen Grundfreibeträgen gelten.
Es lässt sich nachvollziehen, dass die Regelung an dem Vorbild des § 11 Abs. 2 SGB II orientiert wurde. Abweichungen ergeben sich nur aus der zuvor bestehenden Rechtslage und den Besonderheiten des Taschengeldes.
Mit der Einfügung des § 1 Abs. 7 Alg II-V zum 1. Januar 2012 reagierte der Verordnungsgeber auf die als zu aufwändig empfundene Handhabung des bis dahin geregelten Freibetrags für das Taschengeld. Zuvor waren neben dem Freibetrag von 60 Euro die tatsächlichen Aufwendungen nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 SGB II im Einzelfall festzustellen. Durch eine allgemeine Pauschalierung sollte das Verfahren vereinfacht und transparenter gestaltet werden und eine Harmonisierung mit den übrigen Bestimmungen des § 11b Absatz 2 SGB II erfolgen (vgl. http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Gesetze/entwurf-sechste-verordnung-zur-aenderung-algII-sozialgeld.pdf? blob=publicationFile&v=2). Die Regelung in wird in dem Entwurf wie folgt erläutert und begründet: "Satz 3 der Regelung bewirkt die notwendige Harmonisierung entsprechend der Regelungen des § 11b Absatz 2 und 3 SGB II. Damit wird sichergestellt, dass beim Zusammentreffen von Freiwilligendienst und Erwerbstätigkeit beziehungsweise anderen Betätigungen nur jeweils die Freibeträge nach § 11b Absatz 2 und 3 SGB II zur Anwendung kommen."
Schon danach kann die Norm nicht in dem vom Beklagten angenommenen Sinn verstanden und ausgeführt werden. Die Begründung der Verordnung zeigt, dass § 1 Abs. 7 Satz 4 Alg II-V nicht mit der Intention formuliert wurde, dass keinerlei Freibetrag für das Taschengeld zusteht, wenn es neben allgemeinem Erwerbseinkommen erzielt wird.
Soweit der Verordnungsgeber aber meinte, die spezielle Privilegierung des Taschengeldes bei gleichzeitigem Bezug von Erwerbseinkommen entziehen zu können, stellt dies eine nicht verfassungsgemäße Ungleichbehandlung dar, die durch Anwendung der höherrangigen Normen unter verfassungsgemäßer Auslegung der Verordnung zu korrigieren ist.
Zur Aufgabe der Sozialgerichte gehört die gerichtliche Kontrolle des Verwaltungshandelns. Folglich können auch rechtssetzende Verordnungen auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden. In diesem Rahmen ist den Gerichten lediglich eine (eigene) Rechtssetzung verwehrt, die sich an die Stelle des Verwaltungshandelns setzen würde (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG vom 3. November 1988 - 7 C 115/86 - BVerwGE 80, 355 ff., 370). Nicht ausgeschlossen ist es hingegen, eine Regelung in verfassungskonformer Weise auszulegen. Es könnte sogar eine für einen bestimmten Personenkreis fehlende Regelung antizipiert werden, wenn eine ausstehende generell- abstrakte Regelung nur dann verfassungsgerecht wäre, wenn sie solche Ansprüche vorsähe (BVerwG vom 11. Oktober 1996 – 3 C 29/96 – BVerwGE 102, 113 ff. Rn. 37).
Hier ergibt eine verfassungskonforme Auslegung, dass die Vorschrift des § 1 Abs. 7 Satz 4 Alg II-V so anzuwenden ist, dass die besondere Privilegierung des Taschengeldes nicht entfallen darf, wenn es gleichzeitig mit weiterem Erwerbseinkommen erzielt wird.
Ein Verständnis der Regelung in § 1 Abs. 7 Satz 4 Alg II-V, dass beim Zusammentreffen von Taschengeld mit Erwerbseinkommen für das Taschengeld überhaupt keine Privilegierung mehr zustehen würde, widerspräche schon dem Regelungsgefüge des Vorbilds in § 11b Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB II. Denn dort ist – siehe oben – die in Satz 3 enthaltene Formulierung "gelten die Sätze 1 und 2 mit den Maßgaben, dass an die Stelle des Betrages von 100 Euro monatlich der Betrag von (jetzt) 200 Euro monatlich tritt" so zu lesen, dass damit weder der allgemeine Grundfreibetrag wegfällt noch der höhere Grundfreibetrag für steuerprivilegierte Tätigkeiten bei deren Zusammentreffen teilweise ausgeschlossen ist. Im Prinzip stehen also unterschiedliche Grundfreibeträge nebeneinander.
Es ist deshalb fraglich, ob die Alg II-V als Rechtsverordnung Abweichungen von diesem Prinzip im Rahmen der Ermächtigung des § 13 Abs. 1 Nr. 1 SGB II zur Bestimmung weiterer nicht als Einkommen zu berücksichtigender Einnahmen und zur Berechnung des Einkommens im Einzelnen regeln kann. Jedenfalls ist es zur Wahrung des Gleichbehandlungsgebots erforderlich, die Rechtsverordnung so anzuwenden, dass die durch die Rechtsverordnung geschaffenen Begünstigungen auch tatsächlich allen Leistungsberechtigten in gleicher Weise zu Gute kommen. Eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem ist mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar, wobei dem Gesetz- und Verordnungsgeber ein Gestaltungsspielraum eingeräumt ist, der z.B. in gewissen Grenzen Ungleichbehandlungen durch Typisierungen zulässt (BVerfG vom 17. November 1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234ff. – juris Rn. 68). Der Gleichheitssatz verbietet es aber, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (st. Rspr. u.a. BVerfG vom 31. Januar 1996 – 2 BvL 39/93, 2 BvL 40/93 – BVerfGE 93, 386 ff., Rn. 37). Zwischen Personen, die nur einen Bundesfreiwilligendienst absolvieren und solchen, die ergänzend noch mindestens eine weitere Erwerbstätigkeit ausüben, bestehen aber keine wesentlichen Unterschiede, vielmehr wird von beiden Personengruppen ein besonderes und erwünschtes gesellschaftliches Engagement betrieben, dessen besondere Anerkennung durch ein weiteres Erwerbseinkommen nicht in Frage gestellt wird. Es ist deshalb keine sachliche Rechtfertigung ersichtlich, den erhöhten Grundfreibetrag wegfallen zu lassen, wenn zusätzlich eine nicht privilegierte Erwerbstätigkeit ausgeübt wird (ebenso SG Dresden vom 27. August 2013 – S 49 AS 2681/12 – Juris Rn. 88). Es ist auch kein sachliches Argument erkennbar, die Geltendmachung des höheren Grundfreibetrages ab einer Grenze von 100 Euro von besonderen Voraussetzungen, etwa dem Nachweis tatsächlicher Kosten, abhängig zu machen. Denn andere den Freiwilligendienst Leistende müssen keinen Nachweis erbringen, um in den Genuss des höheren Grundfreibetrages zu gelangen. Es muss also immer möglich sein, wegen der Ausübung des Bundesfreiwilligendienstes den erhöhten Grundfreibetrag für diese Tätigkeiten in Anspruch zu nehmen. Allerdings können sich die in Anspruch genommenen Grundfreibeträge gegenseitig konsumieren, d.h. der erhöhte Grundfreibetrag kann sich um die Höhe der bereits in Anspruch genommenen anderen Freibeträge mindern.
Dementsprechend war – in dieser Reihenfolge – zunächst das Arbeitsentgelt der Klägerin um den allgemeinen Grundfreibetrag nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II in Höhe von bis zu 100 Euro zu bereinigen. Das Arbeitseinkommen in Höhe von 50 Euro blieb also berücksichtigungsfrei. In Höhe des verbrauchten Grundfreibetrages minderte sich der noch zur Verfügung stehende Grundfreibetrag für die ehrenamtliche Tätigkeit auf noch 125 Euro (175 Euro abzüglich des genutzten Grundfreibetrages von 50 Euro). Weil die Entschädigung für die ehrenamtliche Tätigkeit nur 49 Euro betrug, war sie ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Von dem höheren Grundfreibetrag für die ehrenamtliche Tätigkeit verblieben noch 76 Euro. Nur in dieser Höhe konnte auch noch ein Grundfreibetrag für das Taschengeld bestehen, weil seine Höchstgrenze dieselbe war. Folglich war von dem Taschengeld aus dem Bundesfreiwilligendienst im Monat März 2012 in Höhe von 175 Euro nur noch ein Grundfreibetrag in Höhe von 76 Euro absetzbar. Daraus ergibt sich, dass im März 2012 lediglich Einkommen in Höhe von 99 Euro zu berücksichtigen war.
Ein weiterer Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11b Abs. 3 SGB II war nicht zu gewähren. Dieser Erwerbstätigenfreibetrag gilt nicht für die Teilnahme an Freiwilligendiensten bzw. steuerprivilegierte Tätigkeiten (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen vom 11. März 2015 – L 13 AS 10/14 – juris Rn. 19, im Ergebnis BSG vom 28. Oktober 2014 – B 14 AS 61/13 R – juris Rn. 24).
Im Monat März 2012 bestand damit nicht wie ursprünglich bewilligt Anspruch auf Arbeitslosengeld II in Höhe von 718 Euro, sondern nur in Höhe von 619 Euro.
Für den Monat April 2012 bestand ebenfalls ein geringerer Anspruch in Höhe von 668 Euro. Der Klägerin war aus der geringfügigen Beschäftigung in Höhe von 50 Euro und Taschengeld in Höhe von 175 Euro zugeflossen. Die Bereinigung des Erwerbseinkommens verbrauchte den Grundfreibetrag um 50 Euro. Das Taschengeld war danach nur noch um 125 Euro zu bereinigen, so dass ein zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 50 Euro verblieb.
Nur im Umfang der berechtigten Aufhebung in Höhe von insgesamt 149 Euro ist die Klägerin zur Erstattung verpflichtet, § 50 Abs. 1 SGB X.
Die bereits im Wege der Aufrechnung einbehaltenen Erstattungsbeträge sind der Klägerin zurückzuzahlen (§ 131 Abs. 1 SGG). Eine Tilgung der Erstattungsforderung durch die Aufrechnung (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB II) setzt voraus, dass die Erstattung und die Aufrechnung vollziehbar geregelt sind. Der Widerspruch und die Klage gegen die Erstattung und Aufrechnung haben aber gemäß § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung. Der Entfall der aufschiebenden Wirkung ist nicht vom Beklagten verfügt bzw. gesetzlich geregelt (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 und 5 SGG). Die Erstattung bzw. Aufrechnung sind in den Katalog der sofort vollziehbaren Verwaltungsakte des § 39 Nr. 1 – 4 SGB II nicht aufgenommen.
2. Die endgültige Festsetzung der Leistungshöhe durch den Verwaltungsakt vom 11. Juli 2012 für den Zeitraum vom 1. Mai 2012 bis 30. Juni 2012 auf 543 Euro monatlich ist rechtswidrig.
In den Monaten Mai 2012 und Juni 2012 bestand ein Anspruch in Höhe von 668 Euro. Hierzu kann die bereits für den Monat April 2012 dargestellte Berechnung herangezogen werden, weil sich die Einkommensverhältnisse der Klägerin erstmals wieder im Monat Juli 2012 durch den Wegfall des Einkommens in Höhe von 50 Euro änderten.
3. Die Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG. Der Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten im Umfang ihres Obsiegens zu ihrem Unterliegen (64 v.H.) zu erstatten.
4. Für die Beteiligten ist die Berufung gesetzlich ausgeschlossen, weil ihre Beschwer 750,00 Euro nicht überschreitet (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Auslegung des § 1 Abs. 7 Satz 4 Alg II-V ist als bislang nicht geklärt anzusehen und bedarf einer Klärung.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
Saved