L 9 R 561/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2871/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 561/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. November 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1956 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Seit 1980 arbeitet er bei der Fa. L. GmbH bzw. L.-C. B. GmbH (im Folgenden: Arbeitgeber). Nach einer Tätigkeit als Maschinenbediener und Ableistung eines Lehrgangs der Industrie- und Handelskammer U. "CNC-Technik (Grundstufe)" mit 80 Unterrichtsstunden war er von 1986 bis 1998 als Maschineneinrichter an verschiedenen CNC-Maschinen beschäftigt. Nach zwischenzeitlich wechselnden Tätigkeiten war er ab November 2003 bis August 2008 wieder als Maschineneinrichter, nun beim Verzahnfräsen, tätig. Seit September 2008 ist er im Wareneingang beschäftigt. In der Zeit von April 2005 bis April 2011 und von Dezember 2011 bis September 2012 reduzierte er seine wöchentliche Arbeitszeit auf 25 Wochenstunden, davor, dazwischen und wiederum seit Oktober 2012 bis heute war bzw. ist er im Umfang von 35 Wochenstunden bei 5 Arbeitstagen je Woche tätig.

Am 23.03.1998 wurde beim Kläger ein Allergietest mit Clonidin durchgeführt. Bei der Testung wurde eine versehentlich weit überhöhte Dosierung verabreicht.

Am 31.10.2001 stellte der Kläger einen ersten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab er an, er leide unter einer Hirnschädigung infolge des fehlerhaft durchgeführten Allergietests, an einem Gehörschaden links sowie unter Beschwerden im Bereich der linken Schulter und der Wirbelsäule. Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen, Einholung einer Auskunft des Arbeitgebers und eines Gutachtens der Allgemeinärztin Dr. K. vom 05.02.2002 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 17.06.2002 ab. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte nach Einholung einer weiteren Arbeitgeberauskunft und eines Gutachtens des Allgemeinarztes Dr. L. vom 06.11.2003 mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2004 zurück. Klage und Berufung hiergegen blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Ulm (SG) vom 28.04.2006 - S 8 RJ 2903/04 - und Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 14.05.2007 - L 5 R 3259/06 - ). Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wies das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 25.07.2007 (B 13 R 263/07 B) zurück.

Am 17.09.2007 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Er halte sich weiterhin für erwerbsgemindert seit 24.03.1998 wegen der Intoxikation durch den fehlerhaft durchgeführten Allergietest.

Die Beklagte holte ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin und Psychotherapeutische Medizin Dr. W. ein, welcher in seinem Gutachten vom 26.11.2007 eine mäßiggradige chronische Anpassungsstörung mit leichter Dysthymie und dissoziativer Symptombildung, ein leichtes hirnorganisches Psychosyndrom, eine bekannte chronische Lumbalgie bei radiologisch nachgewiesenem Morbus Forestier mit leichter funktioneller Beeinträchtigung, eine initiale Hüftgelenksarthrose rechts stärker als links, ein Impingementsyndrom beider Schultern rechts stärker als links mit leichter Funktionseinschränkung, eine bekannte essentielle Hypertonie, ein bekanntes Glaukom, ein vom Kläger angegebenes Asthma bronchiale und eine vom Kläger angegebene Hörminderung, welche bei leiser Umgangssprache ohne Hörhilfen nicht auffällig sei, sowie einen schädlichen Gebrauch von Alkohol ohne bisher manifeste Folgeschäden diagnostiziert. Der Kläger könne nach seiner Einschätzung weiterhin leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig ausüben. Die Belastbarkeit in der letzten Tätigkeit sei für den Bewegungsapparat vollschichtig fraglos überfordernd. Eine endgültige Beurteilung könne erst nach einer orthopädischen Rehabilitationsbehandlung erfolgen. Hierauf lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 10.12.2007 ab, den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2008 zurück. Der sozialmedizinische Dienst habe sämtliche Unterlagen überprüft und komme zu einem vollschichtigen Leistungsvermögen bei Beachtung qualitativer Einschränkungen. Volle bzw. teilweise Erwerbsminderung liege damit nicht vor. Auch eine Berufsunfähigkeit liege nicht vor. Der bisherige Beruf sei die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Abwälzfräser. Diese sei dem Leitberuf des angelernten Arbeiters des unteren Bereichs zuzuordnen. Der Kläger müsse sich deshalb auf sämtliche angelernten und ungelernten Tätigkeiten verweisen lassen.

Am 14.08.2008 hat der Kläger hiergegen Klage zum SG erhoben. Zur Begründung hat er u.a. auf Auskünfte seines behandelnden Orthopäden Dr. H. vom 19.12.2004 und seiner behandelnden Hausärztin und Internistin Dr. P. vom 10.03.2006, die diese als sachverständige Zeugen im vorangegangenen Klageverfahren beim SG erteilt hatten, verwiesen. Im weiteren Verlauf hat er angegeben, seit wenigen Jahren kaum mehr Ärzte aufzusuchen, aber weiterhin verordnete Medikamente einzunehmen. Seit 2001 leide er unter Angstzuständen Ärzten gegenüber.

Das SG hat die vom Kläger benannten behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Hierzu wird auf Bl. 36-39, 44-48, 53-54 und 70-75 der Klageakte Bezug genommen. Die Beklagte hat hierzu sozialmedizinische Stellungnahmen des Dr. S. vom 20.08.2009 und vom 10.05.2011 vorgelegt. Hierzu wird auf Bl. 56/57 und 78/79 der Klageakte Bezug genommen. Sodann hat das SG ein Gutachten bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. eingeholt. In seinem Gutachten vom 29.07.2010 hat dieser auf seinem Fachgebiet eine leichte hirnorganische Wesensänderung mit leichten kognitiven Störungen und eine Dysthymie diagnostiziert und den Kläger für in der Lage erachtet, leichte wiederkehrende Tätigkeiten, auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit eines Lageristen, ebenso die eines Fräsers vollschichtig auszuüben. Eine zusätzliche Arbeitspause sei dem Kläger zuzubilligen. Hierbei seien Arbeiten mit komplexeren Denkvorgängen, Anforderungen an die Verantwortungstätigkeit und erhöhter Umstellungsfähigkeit sowie Arbeiten mit Publikumsverkehr zu vermeiden. Heben und Tragen schwerer Lasten, Arbeiten und Zwangshaltung, auf Leitern oder Gerüsten und im ständigen Stehen seien ebenfalls nicht zumutbar.

Mit Urteil vom 11.11.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Das Gericht sei der Überzeugung, dass der Kläger weiterhin im Stande sei, eine Tätigkeit als Fräser ohne Programmiertätigkeiten und leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Hierbei seien die von Dr. J. im Einzelnen angegebenen qualitativen Einschränkungen zu beachten. Eine rentenrechtliche relevante zeitliche Einschränkung auf psychiatrischem und neurologischem Fachgebiet liege nicht vor. Die Kammer stütze ihre Überzeugung auf das überzeugende und schlüssige Gutachten von Dr. J ... Auch hinsichtlich der orthopädischen Gesundheitsstörungen sei die Kammer der Überzeugung, dass diese zwar zu qualitativen Einschränkungen führten, aber nicht zu einer quantitativen Minderung des Leistungsvermögens. Insoweit stütze sich die Kammer auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte - urkundlich verwertbare - Gutachten des Dr. W. vom 26.11.2007. Die weiteren Gesundheitsstörungen des Klägers (essentielle Hypertonie, Asthma Bronchiale, Glaukom, Hörminderung) führten nicht zu einer rentenrechtlich relevanten zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens. Insoweit stütze sich die Kammer auf das Gutachten des Dr. W. und die im Klageverfahren eingeholten sachverständigen Zeugenauskünfte. Der Kläger könne auch unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes einer Erwerbstätigkeit von sechs Stunden täglich nachgehen. Die im Gutachten von Dr. J. beschriebenen qualitativen Einschränkungen würden überwiegend bereits von dem Begriff/Merkmal "leichte Tätigkeiten" umfasst. Soweit Tätigkeiten mit komplexen Vorgängen und Verantwortungstätigkeit ausgeschlossen würden, liege keine ungewöhnliche Leistungseinschränkung vor. Auch die dem Kläger zu gewährende zusätzliche Arbeitspause führe noch nicht zu einer spezifischen Leistungsbehinderung oder ungewöhnlichen Leistungseinschränkung. Dies wäre erst der Fall, wenn der Kläger mehrere kurze Pausen oder zumindest zwei längere Pausen benötigen würde, so dass er nicht mehr unter den betriebsüblichen Bedingungen beschäftigt werden könne. Hier könne der Kläger unter Nutzung der sog. Verteilzeit weiterhin beschäftigt sein. Auch die Gehfähigkeit sei nicht in rentenrechtlich relevantem Ausmaß eingeschränkt. Dem Kläger stehe kein Berufsschutz zu. Maßgeblicher Beruf sei die Tätigkeit als Abwälzfräser mit eigener Programmiertätigkeit. Diese sei allenfalls der Berufsgruppe der angelernten Arbeitnehmer im oberen Qualifikationsbereich zuzuordnen. Das ergebe sich aus der im früheren Klageverfahren erteilten Arbeitgeberauskunft unter Berücksichtigung der Ausbildung des Klägers mit einem Lehrgang von weniger als sechs Monaten und der langjährigen Tätigkeit als Abwälzfräser mit eigener Programmiertätigkeit. Zur Überzeugung der Kammer könne der Kläger auf die Tätigkeit des Abwälzfräsers ohne eigene Programmiertätigkeit verwiesen werden. Die Kammer schließe sich der Einschätzung des Dr. J. an, der diese Tätigkeit für den Kläger weiter für zumutbar erachte.

Gegen das am 10.01.2011 dem Klägerbevollmächtigten zugestellte Urteil richtet sich die am 08.02.2011 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung hat der Kläger auf seine Leiden auf orthopädischem Fachgebiet und vor allem seinen Bluthochdruck hingewiesen.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein orthopädisches Fachgutachten bei dem Chefarzt der orthopädischen Klinik Biberach Prof. Dr. R. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 19.10.2011 ausgeführt, die Belastbarkeit der Wirbelsäule des Klägers sei insgesamt deutlich eingeschränkt. Ergänzend würden sich noch Einschränkungen im Bereich des Schultergürtels sowie der Hüft- und Kniegelenke ergeben. Hieraus würden sich im Einzelnen genannte qualitative Einschränkungen ergeben. Der Kläger übe aktuell eine Tätigkeit als Lagerist im Umfang von drei Stunden täglich sowie eine Tätigkeit als Betriebsrat im Umfang von zwei Stunden täglich aus. Hinsichtlich der Tätigkeit als Betriebsrat in diesem Umfang bestünden keine relevanten Einschränkungen. Auch hinsichtlich der Tätigkeit als Lagerist bestehe unter Berücksichtigung der qualitativen Einschränkungen keine relevante Beeinträchtigung. Diese Tätigkeit könne bis zu vier Stunden täglich ausgeübt werden. Soweit bei einer Tätigkeit als Abwälzfräser mit Programmiertätigkeit die genannten qualitativen Einschränkungen eingehalten werden könnten, sei diese Arbeit im Umfang von drei bis sechs Stunden täglich möglich. Problematisch sei hier insbesondere die Einschätzung der kognitiven Fähigkeiten des Klägers. Dies stelle sicherlich eine erhebliche Einschränkung für die Tätigkeit an komplexeren CNC-Maschinen dar. In Bezug auf Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien weitere qualitative Einschränkungen zu berücksichtigen. Eine arbeitstägliche Höchstdauer von drei bis unter sechs Stunden sei derzeit zumutbar. Das aktuelle Arbeitsmodell mit einem Wechsel von Büro- und Lagertätigkeit erscheine gut geeignet. Bezüglich der Beurteilung der Leistungsfähigkeit bestehe eine nur geringgradige Verschlechterung zum Vorbefund aus 2007. In Abweichung zur Einschätzung des Dr. J. sehe er das Leistungsvermögen des Klägers auf drei bis unter sechs Stunden täglich eingeschränkt. Eine Arbeitstätigkeit von über sechs Stunden halte er nicht für sinnvoll und würde im Alltag lediglich zu einer massiven Ausweitung der Fehlzeiten führen.

Die Beklagte hat sozialmedizinische Stellungnahmen des Dr. G. vom 18.11.2011 und vom 28.03.2012 vorgelegt. Hierzu wird auf Bl. 70/71 und75/76 der Berufungsakte Bezug genommen.

Der sodann von Amts wegen zum Sachverständigen bestimmte Orthopäde Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 31.07.2012 auf seinem Fachgebiet eine schmerzhafte Struktur- und Funktionsstörung der Wirbelsäule mit Beteiligung aller Abschnitte bei Spondylosis hyperostotica (Morbus Forestier) ohne neurologische Begleiterscheinungen und eine variable schmerzhafte Funktionsstörung beider Schultergelenke ohne eindeutige somatische Ursache diagnostiziert. Aus orthopädischer Sicht seien durch die Störung der Wirbelsäule dauerhafte Einschränkungen gegeben, aber keine in Bezug auf die zeitliche Leistungsfähigkeit. Hinsichtlich der ärztlichen Diagnosen ergäben sich gegenüber Prof. Dr. R. keine bedeutsamen Differenzen. Er bewerte aber das berufliche Restleistungsvermögen des Klägers optimistischer. Wenn den Schilderungen des Klägers selbst bezüglich seiner Belastungen als Lagerist gefolgt würde, sei er seit Jahren dazu in der Lage, regelmäßig 25 kg schwere Holzpaletten auf eine Höhe von 100 bis 120 cm anzuheben und mit einem Stahlband zu fixieren. Pro Arbeitsschicht müsse er nach eigenem Bekunden solche Lasten bis zu 75mal (innerhalb von drei Stunden) anheben. Offenbar toleriere er diese Belastung seit 2005, ohne dass der begründete Verdacht aufgekommen sei, dass diese Tätigkeit zu Lasten der Gesundheit des Klägers ginge.

Die Beklagte hat sozialmedizinische Stellungnahmen des Dr. L. vom 8.09.2012 und 09.10.2012 vorgelegt. Hierzu wird auf Bl. 115-117 und B. 123-124 der Berufungsakte Bezug genommen.

Unter dem 03.06.2015 und 02.07.2015 hat der Arbeitgeber auf Anforderung des Gerichts weitere Auskünfte erteilt. Hierzu wird auf Bl. 167 bis 173 und 177 bis 184 der Berufungsakte Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. November 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2008 zu verurteilen, ihm ab 1. Oktober 2007 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, auf Dauer, hilfsweise auf Zeit zu gewähren, hilfsweise ein weiteres Gutachten auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet einzuholen, weiter hilfsweise ein weiteres Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 11.11.2010 sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 10.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2008 sind nicht zu beanstanden.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Dezember 2013, § 43 SGB VI Rn. 58 und 30 ff.).

Der Kläger ist, orientiert an diesem gesetzlichen Maßstab, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert. Dies hat das SG auf Basis des damaligen Sachstands für den Senat widerspruchsfrei, nachvollziehbar und zutreffend in dem angefochtenen Urteil dargestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen sieht der Senat daher hierzu von einer weiteren Begründung ab und nimmt vollumfänglich Bezug auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung, § 153 Abs. 2 SGG.

Das Berufungsvorbringen und die im Berufungsverfahren durchgeführten weiteren Ermittlungen lassen ein Absinken der beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich gleichfalls nicht feststellen. Der Senat stützt sich dabei im Wesentlichen auf das gerichtliche Sachverständigengutachten des Dr. H. vom 31.07.2012, aber auch das vom SG eingeholte Gutachten des Dr. J. vom 29.07.2010 sowie zusätzlich das im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. W. vom 26.11.2007, welches im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird. Danach steht für den Senat fest, dass der Kläger in der Lage ist, leichte Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden am Tag im Rahmen einer Fünftagewoche auszuüben.

Bei dem Kläger liegen zunächst Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet vor. Er leidet an einer schmerzhaften Struktur- und Funktionsstörung der Wirbelsäule mit Beteiligung aller Abschnitte bei Spondylosis hyperostotica (Morbus Forestier) und einer variablen schmerzhaften Funktionsstörung beider Schultergelenke. Aus der Störung im Bereich der Wirbelsäule ergeben sich qualitative Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des Klägers. Er kann aber mindestens noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in unterschiedlicher Körperhaltung verrichten. Langes Verharren in Zwangshaltungen der Wirbelsäule sollte vermieden werden, Bücken sollte nur noch gelegentlich erfolgen. Arbeiten unterhalb Kniehöhe sind nicht mehr zumutbar. Die Körperhaltung sollte wenigstens ein- bis zweimal stündlich verändert werden können. Unter Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft sollte der Kläger nur noch mit geeigneter Schutzkleidung arbeiten, wobei ein ständiger Wechsel zwischen Wärme- und Kältezonen vermieden werden sollte, ebenso Arbeiten auf vibrierenden Maschinen. Das Heben und Tragen von Lasten sollte nur in stabilisierter aufrechter Rumpfhaltung gelegentlich kurzfristig bis 20 kg erfolgen, in Rumpfvor- oder Seitneigung nur noch bis 8 kg. Auch Treppensteigen von drei bis vier Stockwerken sollte nur gelegentlich erfolgen müssen. Aufgrund der Störung der Schultergelenke sollte das Besteigen von Leitern und Gerüsten nicht mehr zugemutet werden. Erkrankungen des Bewegungsapparates, die zu weitergehenden qualitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens führen würden, liegen bei dem Kläger nicht vor.

Bei Beachtung dieser Einschränkungen lässt sich eine Leistungsminderung auf weniger als sechs Stunden am Tag aufgrund der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet jedenfalls nicht begründen. Unter Berücksichtigung der von diesem erhobenen Befunde schließt sich der Senat der Einschätzung des Dr. H. nach eigener Prüfung vollumfänglich an.

Nichts anderes ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten des Prof. Dr. R ... Zwar gelangt Prof. Dr. R. zur der Einschätzung, dass dem Kläger Tätigkeiten von sechs Stunden und mehr nicht mehr abverlangt werden könnten. Allerdings begründet er seine Einschätzung nicht anhand der von ihm beim Kläger erhobenen Befunde und rechtfertigen diese eine solche Einschätzung nach Auffassung des Senats auch nicht. Prof. Dr. R. begründet die von ihm angenommene zeitliche Einschränkung im Wesentlichen lediglich damit, dass er in Abweichung von der sozialmedizinischen Stellungnahme des Dr. S. vom 10.05.2010 eine Tätigkeit im Umfang von sechs Stunden und mehr für sicher nicht sinnvoll ansehe und diese im Alltag lediglich zu einer massiven Ausweitung der Fehlzeiten führen würde. Ähnliche Bedenken hegte Dr. W., allerdings nur in Bezug auf die Tätigkeit als Abwälzfräser und nur vorläufig, eine abschließende Beurteilung wollte er insoweit nicht abgeben. Diese rein prognostische Einschätzung hat sich aber bereits im Laufe des vorliegenden Berufungsverfahrens als unzutreffend herausgestellt. Denn der Kläger hatte bereits in der Zeit von Mai bis November 2011 und dann wieder seit Oktober 2012 bis heute seine wöchentliche Arbeitszeit von 25 Stunden auf 35 Stunden und damit auf mehr als sechs Stunden täglich erhöht, ohne dass es zu erhöhten Fehlzeiten gekommen wäre. Dies ergibt sich nach Auffassung des Senats aus der Arbeitgeberauskunft vom 03.06.2015. Dort sind für das Jahr 2011 21 Arbeitsunfähigkeitstage vermerkt, für 2012 6 Tage , für 2013 15 Tage, für 2014 32 Tage und für 2015 (bis zum 03.06.2015) 1 Tag. Dafür, dass die für die Zwischenzeit von Dezember 2011 bis September 2012 erneut erfolgte Reduzierung der Arbeitszeit gesundheitsbedingt erfolgt wäre, liegen keine Anhaltspunkte vor. Prof. Dr. R. konnte sich damit auch nicht auseinandersetzen, weil der Kläger die zum Zeitpunkt der ambulanten Untersuchung am 11.10.2011 bereits seit einigen Monaten erfolgte Ausweitung der Arbeitszeit wieder auf 35 Wochenstunden nicht angegeben hat. Vielmehr hat er angegeben, aufgrund hoher Fehlzeiten habe man seine Arbeit ca. 2005 auf aktuell fünf Stunden täglich reduziert, wobei hiervon drei Stunden auf die Tätigkeit im Lager und zwei Stunden auf eine Tätigkeit als Betriebsrat für Schwerbehinderte entfallen würden. Der Kläger hat gegenüber Prof. Dr. R. weiter angegeben, keinen Appetit zu haben und fast nichts zu essen, was in deutlichem Widerspruch zum leicht adipösen Ernährungszustand des Klägers stand. Für Prof. Dr. R. war auffällig, dass der Kläger in allen untersuchten Bereichen Schwierigkeiten und Einschränkungen sah und hierbei angegeben hat, aus seiner Sicht sei er dauerhaft nicht mehr arbeitsfähig und eine Berentung unumgänglich. Hieraus ergaben sich für Prof. Dr. R. durchaus Hinweise für ein Aggravationsverhalten. Diese sieht der Senat ebenso und bewertet auch im Hinblick hierauf das Leistungsvermögen des Klägers jedenfalls unter Beachtung obenstehender qualitativer Einschränkungen in Übereinstimmung mit Dr. H. als zeitlich nicht eingeschränkt.

Darüber hinaus liegt aus neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine hirnorganische Persönlichkeitsveränderung mit leichten kognitiven Störungen sowie eine Dysthymie vor. Daraus resultiert eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Klägers insoweit, als komplexere Denkvorgänge nicht von ihm erwartet werden können und er schwierigen Arbeitsvorgängen nicht gewachsen ist. Für leichte Tätigkeiten ohne erhöhte Anforderungen an komplexe Denkvorgänge und besondere Verantwortung sind ihm aber arbeitstäglich sechs Stunden und mehr zumutbar, auch die bis 2008 ausgeübte Tätigkeit im Bereich Verzahnfräsen und die seither ausgeübte Tätigkeit im Wareneingang. Hierbei stützt sich der Senat auf das Gutachten des Dr. J. vom 29.07.2010 und schließt sich dessen Leistungseinschätzung an. Denn Dr. J. konnte nur eine geringe Ausprägung des hirnorganischen Defizits feststellen und keine depressive Erkrankung. Dies ist für den Senat anhand der von Dr. J. erhobenen Befunde widerspruchsfrei und überzeugend. Von Verschlechterungen gegenüber dem von Dr. J. erhobenen Zustand im weiteren Zeitablauf geht der Senat nicht aus. Solche sind weder vom Kläger konkret vorgetragen, noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich.

Die weiteren Erkrankungen des Klägers führen weder für sich allein betrachtet noch in der Zusammenschau mit allen vorliegenden Erkrankungen zu einer Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens des Klägers. Zwar leidet der Kläger auch an einer Hörminderung, einer Erkrankung der Augen, Übergewicht, Bluthochdruck, einer Störung des Cholesterinstoffwechsels und einer Erhöhung der Harnsäure. Auch hatte er asthmatische Beschwerden und wurde der Verdacht auf ein Schlafapnoesyndrom gestellt. Allerdings führen diese Erkrankungen nicht zu einer Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers über die bereits obenstehenden qualitativen Einschränkungen hinaus. Dies folgt für den Senat aus den vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenauskünften der behandelnden Ärzte des Klägers und den eigenen Angaben des Klägers. Er hat im Berufungsverfahren lediglich auf seine Bluthochdruckerkrankung und die Augenproblematik (Glaukom) hingewiesen und sich insoweit auf seine Hausärztin Dr. P. und u.a. deren Stellungnahme vom 01.12.2008 bezogen. Diese hat in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft gegenüber dem SG zwar davon berichtet, es komme unter Belastung nach wie vor zu Blutdruckspitzen, hat aber diesbezüglich keine Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers angegeben und als Gesundheitsstörungen mit einer Dauer von länger als sechs Monaten lediglich Erkrankungen auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet angegeben. Die von ihr angenommene zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit selbst für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ist für den Senat anhand der von Dr. P. gemachten Angaben nicht nachvollziehbar und steht im Widerspruch zu den Gutachten von Dr. J. und Dr. H. stützt. Von deutlichen Verschlechterungen im weiteren Zeitablauf geht der Senat nicht aus. Konkrete Anhaltspunkte dafür sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger selbst angegeben, dass er sich nur selten in ärztlicher Behandlung befindet und kaum Arbeitsunfähigkeit festgestellt wird, dies deckt sich im Wesentlichen mit den vom Arbeitgeber mitgeteilten Arbeitsunfähigkeitszeiten. Insoweit sieht der Senat sich auch nicht veranlasst, eine erneute Auskunft der Dr. P. einzuholen.

Ebenfalls keine Veranlassung hat der Senat für weitere Ermittlungen im Hinblick auf die in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisanträge des Klägers auf Einholung weiterer Sachverständigengutachten auf neurologisch-psychiatrischem, hilfsweise orthopädischem Fachgebiet. Der Kläger selbst hat mit seiner Berufung vortragen lassen, dass der Schwerpunkt seiner Leiden nicht auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet liege, sondern auf orthopädischem. Es ist weder ersichtlich noch vom Kläger konkret vorgetragen, dass sich seine Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nach Erstattung des Gutachtens durch Dr. J. maßgeblich verschlechtert hätten oder neue Erkrankungen hinzugetreten wären. Gleiches gilt für die Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet. Im Berufungsverfahren wurden die orthopädischen Gutachten des Prof. Dr. R. auf Antrag des Klägers und des Dr. H. von Amts wegen eingeholt. Auch insoweit hat der Kläger weder konkret eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes im zeitlichen Verlauf nach der Untersuchung durch Dr. H. angegeben, noch ergeben sich sonstige Anhaltspunkte dafür. Der Kläger hat weder aktuelle ärztliche Behandler benannt, noch sprechen die vom Arbeitgeber mit Auskunft vom 03.06.2015 mitgeteilten Arbeitsunfähigkeitstage des Klägers für eine Verschlechterung (2012: 6 Tage, 2013: 15 Tage, 2014: 32 Tage, 2015: 1 Tag).

Aus den genannten qualitativen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit ergeben sich weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 11.05.1999 - B 13 RJ 71/97 R - SozR 3-2600 § 43 Nr. 21) dar. Ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung besteht auch nicht aufgrund einer eingeschränkten Wegefähigkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (BSG, Urteile vom 09.08.2001 - B 10 LW 18/00 R - SozR 3-5864 § 13 Nr. 2 m.w.N. und vom 14.03.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris). Der Kläger hat einen Arbeitsplatz inne und sucht diesen auch regelmäßig auf, ohne dass er insoweit Probleme schildert. Auch im Hinblick auf etwaige sonstige Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ist die Wegefähigkeit des Klägers nicht eingeschränkt. Er ist in der Lage, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zu bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Auch insoweit stützt sich der Senat auf die Feststellungen des Dr. H. und schließt sich seiner Beurteilung an. Dies deckt sich auch mit der Einschätzung von Prof. Dr. R. und Dr. J ...

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte, die vor dem 01.02.1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Bei dem Kläger liegt keine Berufsunfähigkeit vor.

Berufsunfähig sind gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert.

Grundsätzlich darf ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf Tätigkeiten der nächst niedrigeren Gruppe des Mehrstufenschemas verwiesen werden. Facharbeiter sind dementsprechend nur auf Tätigkeiten ihrer Gruppe und der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten mit einer Ausbildungszeit von wenigstens drei Monaten verweisbar (BSG, Urteil vom 30.09.1987 - 5b RJ 20/86 - SozR 2200 § 1246 Nr. 147). Die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelernten Arbeiter zerfällt nach der Rechtsprechung des BSG in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren Bereich der Stufe mit dem Leitberuf des Angelernten sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen, Ausbildungs- und Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu vierundzwanzig Monaten zuzuordnen (BSG, Urteil vom 29.03.1994 - 13 RJ 35/93 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Angehörige der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich können nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch Qualitätsmerkmale, z.B. das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher und betrieblicher Vorkenntnisse, auszeichnen, wobei mindestens eine solche Verweisungstätigkeit konkret zu bezeichnen ist (BSG, a.a.O.). Versicherte, die zur Gruppe der ungelernten Arbeiter oder zum unteren Bereich der angelernten Arbeiter gehören, können grundsätzlich auf alle auf dem Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in diesen Fällen regelmäßig nicht erforderlich, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (BSG, Urteil vom 14.09.1995 - 5 RJ 50/94 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Bei der vom Kläger in den Jahren 1986 bis 1998 und von 2003 bis 2008 ausgeübten Tätigkeiten als Maschineneinrichter handelt es sich um Tätigkeiten im Bereich der oberen Angelernten. Diese Überzeugung gewinnt der Senat anhand der Auskünfte des Arbeitgebers vom 21.06.2004, 21.11.2005, 03.06.2015 und 02.07.2015. Einen anerkannten Ausbildungsberuf des "Maschineneinrichters" gibt es nicht (vgl. hierzu unter www.berufenet.arbeitsagentur.de). Zwar benötigen Maschineneinrichter üblicherweise eine Ausbildung in der Metallbranche o.ä. (vgl. a.a.O.), der Kläger hat aber keine Berufsausbildung absolviert und auch keinen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren ausgeübt. Hierin stimmen alle Auskünfte des Arbeitgebers überein. Dass in der Auskunft vom 07.03.2002 nur eine Anlernzeit von drei Monaten angegeben wird, spricht für den Senat nicht gegen die Einordnung der Tätigkeit in den oberen Bereich der Anlerntätigkeiten. In allen folgenden Auskünften wurde dagegen eine Anlernzeit von "ca.", "mindestens" oder sogar "mehr als" 2 Jahren angegeben und in der Auskunft vom 21.06.2004 näher ausgeführt, dass der Kläger in einem Teilbereichen des Facharbeiterberufs "Zerspanner" eingesetzt war. Der Kläger wurde dementsprechend auch von 1998 bis 2007 in die Lohngruppe 8 bzw. ab 2008 in die Entgeltgruppe 5 auf Grundlage des jeweils gültigen Tarifvertrages Metall S.-H. entlohnt, auch wenn er nach seinen eigenen Angaben und den Angaben des Arbeitgebers in der Auskunft vom 21.11.2005 in den Jahren 2003 bis 2008 die Tätigkeit nur noch mit Hilfe eines Maschineneinstellers ausgeübt hat. Unter Würdigung dieser Angaben steht für den Senat fest, dass der Kläger von 1986 bis 1998 und von 2003 bis 2008 eine Tätigkeit ausgeübt hat, die mit einer regelmäßigen Ausbildungs- und Anlernzeit von über zwölf bis zu vierundzwanzig Monaten und dementsprechend dem Bereich der oberen Angelernten zuzuordnen ist. Zwar hat der Kläger nach seinen eigenen Angaben und den Angaben seines Arbeitgebers in den genannten Auskünften in der Zeit von 2003 bis 2008 nicht mehr wie früher die Maschineneinstellungen umfassend selbst vorgenommen, sondern keine Programmiertätigkeit mehr selbst ausgeübt. Dennoch werden die Tätigkeiten in den aktuellen Auskünften des Arbeitgebers jeweils als solche eines "Maschineneinrichters" bezeichnet und gleichwertig beschrieben.

Damit kann der Kläger auf Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch Qualitätsmerkmale, z.B. das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher und betrieblicher Vorkenntnisse, auszeichnen. Hiernach kann der Kläger jedenfalls zumutbar auf die Tätigkeiten, die er seit 2007 im Rahmen des fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisses tatsächlich ausgeübt hat, verwiesen werden.

Der Senat ist der Überzeugung, dass der Kläger die bis August 2008 ausgeübte Tätigkeit als Maschineneinrichter im Bereich Verzahnfräsen (ohne eigene Programmiertätigkeit) über den tatsächlichen Umfang von fünf Stunden täglich auch in einem Umfang von sechs Stunden und mehr auszuüben in der Lage gewesen wäre. Die Reduzierung der Arbeitszeit von sieben Stunden täglich auf fünf Stunden täglich erfolgte nicht auf Veranlassung des Arbeitgebers, sondern auf Wunsch des Klägers, wie sich ebenfalls den Auskünften des Arbeitgebers entnehmen lässt. Zwar entstand dieser Wunsch nach den Angaben des Klägers aufgrund hoher Fehlzeiten und im Hinblick auf den Verlauf eines im Dezember 2004 durchgeführten Rehabilitationsverfahrens. Doch wird dies weder durch die Aufstellung der Arbeitsunfähigkeitstage in der Arbeitgeberauskunft vom 03.06.2015 noch durch den Entlassungsbericht der L., Z. für V., B. D. vom 28.12.2004 bestätigt. Die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage war im Jahr 2004 mit 85 sehr hoch, allerdings war diese im Jahr 2003 mit nur acht Tagen sehr niedrig und waren auch in den Jahren davor jeweils deutliche Schwankungen zu verzeichnen. Dem Entlassungsbericht vom 28.12.2004 lässt sich entnehmen, dass der Kläger nach stationärem Aufenthalt vom 30.11.2004 bis 28.12.2004 als arbeitsfähig entlassen und für sechs Stunden und mehr erwerbsfähig in Bezug auf seine damalige Tätigkeit ebenso wie in Bezug auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes angesehen wurde. In durchgeführten psychologischen Tests zur Stellungnahme zur beruflichen Leistungsfähigkeit sei deutlich geworden, dass der Kläger über ein ausreichendes Maß an Leistungsfähigkeit, gemessen an Alter und Ausbildungsstand, verfüge. Es sei ihm schwer gefallen zu akzeptieren, dass es sich bei dem subjektiv empfundenen massiven Leistungsabfall um seine nicht erreichbaren überhöhten Ansprüche an eigene Leistungen handle. Vor dem Hintergrund der großen Leistungsorientierung und dem Ehrgeiz sowie der Neigung zu depressiven Reaktionen sei eine Reduktion der täglichen Arbeitszeit auf sechs Stunden zu erwägen. Eine Reduzierung auf fünf Stunden täglich wurde weder empfohlen noch für notwendig erachtet. Auch hat der Kläger zeitnah zur Arbeitszeitreduzierung im Jahr 2005 gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen im Verfahren S 8 RJ 2903/04, dem Neurologen und Psychiater Dr. K. angegeben, nach gewisser Ruhezeit nach der Arbeit den Rest des Tages vor allem mit Umbauarbeiten an seinem Haus zu verbringen. Auch anhand der im Gutachten des Dr. W. vom 26.11.2007 erhobenen Befunde erscheint die reduzierte Arbeitszeit nicht aus zwingenden gesundheitlichen Gründen erforderlich gewesen. So waren bei der Untersuchung durch Dr. W. abgesehen von der etwas versteiften BWS alle Gelenke weitgehend normal auslenkbar bei passiver Prüfung mit jeweils endgradigen Schmerzangaben. Verdeutlichungstendenzen zeigten sich auch damals, ebenso wie nachfolgend bei der Untersuchung durch Prof. Dr. R. und durch Dr. H ... Bei der Untersuchung durch Dr. M. hatte der Kläger laut dessen nervenärztlichem Gutachten vom 06.02.2006 ebenfalls angegeben, sich nach der Arbeit täglich ca. zwei Stunden mit dem Ausschneiden von Zeitungsartikeln zu beschäftigen und überdies häusliche Arbeiten wie Holzhacken und kleinere Umbauarbeiten an seinem Haus zu verrichten.

Außerdem kann der Kläger zur Überzeugung des Senats auf die seit September 2008 ausgeübte Tätigkeit im Wareneingang verwiesen werden. Bei dieser handelt es sich um eine solche, die ein systematisches Anlernen über eine Dauer von mehr als einem halben Jahr erfordert und ist damit dem Bereich zuzuordnen, auf den der Kläger zumutbar verwiesen werden kann. Sie wird auch wie die zuvor ausgeübte Tätigkeit nach der Entgeltgruppe 5 entlohnt. Insoweit stützt sich der Senat auf die Auskunft des Arbeitgebers vom 02.07.2015. Zwar beinhaltet diese Tätigkeit nach den Angaben des Klägers auch mittelschwere und schwere Arbeitsanteile, die ihm grundsätzlich nicht mehr abzuverlangen sind. Allerdings übt der Kläger sie bereits seit zwischenzeitlich mehr als sieben Jahren und seit Oktober 2012 wieder vollschichtig ohne längere Arbeitsunfähigkeitszeiten aus - wie sich der Aufstellung des Arbeitgebers vom 03.06.2015 entnehmen lässt. Anhaltspunkte dafür, dass dies zu Lasten seiner Gesundheit erfolgt wäre, bestehen nicht, wie Dr. H. bereits in seinem Gutachten für die Zeit bis 2012 ausführt. Dass ihm dies im streitigen Zeitraum davor und danach nicht auch möglich und zumutbar gewesen wäre, konnte der Senat nicht feststellen.

Folglich hat die Berufung des Klägers insgesamt keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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