L 13 R 1067/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 2803/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 1067/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Klägerin macht ausschließlich die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung geltend macht.

Die Klägerin wurde am 2. August 1961 geboren und hat den Beruf als Technische Zeichnerin erlernt. In diesem Beruf war sie von 2008 bis Juni 2012 mit Unterbrechung von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit in Vollzeit versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend war sie ab Juni 2012 bis Ende September 2013 geringfügig auf 450 EUR - Basis in der Gastronomie sowie als technische Zeichnerin beschäftigt. Die Klägerin steht seit Oktober 2013 als Bürokraft in Teilzeit von 20 Wochenstunden weiterhin in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis.

Am 1. April 2011 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung wegen Erschöpfungsdepression, chronischer Schilddrüsenerkrankung sowie bereits seit 1997 Thyroiditis-Hashimoto. Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin in der Ärztlichen Dienststelle in O. am 3. Mai 2011 bei Dr. H. untersuchen und begutachten. In einem neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachten bei der Ärztin S. wurden zusammenfassend im Wesentlichen die Diagnosen einer Dysthymia sowie eine ängstlich-abhängige Persönlichkeitsstörung neben orthopädischen und internistischen Beeinträchtigungen diagnostiziert. Die Klägerin könne die Tätigkeit als Technische Zeichnerin sowie mittelschwere Tätigkeiten regelmäßig mindestens sechs Stunden täglich und mehr verrichten. Unter Zugrundelegung dieser ärztlichen Einschätzung lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 27. Juni 2011 ab. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Am 4. Juli 2011 erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung stützte sie sich vor allem auf eine Stellungnahme des behandelnden Diplom-Psychologen K. vom 27. August 2011 sowie eine ärztliche Bescheinigung des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. vom 15. September 2011 an. In der Zeit vom 5. Dezember 2011 bis 9. Januar 2012 nahm die Klägerin an einer stationären Reha-Maßnahme teil, deren Verlauf und Ergebnisse im Entlassungsbericht vom 11. Januar 2012 dokumentiert sind (leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr). Nach einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 3. Mai 2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2012 zurück. Eine Rentenberechtigung liege nicht vor.

Die Klägerin hat daraufhin Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vortragen lassen, dass sie aufgrund des multimorbiden Krankheitsbildes die Klägerin zu einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit von täglich mehr als drei Stunden nicht in der Lage sei. Im Mittelpunkt der Beschwerden stünden erhebliche psychische Störungen mit psychosomatischen Auswirkungen.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Auskünfte bei den behandelnden Ärzten der Klägerin. Auf die sachverständigen Zeugenaussagen des Facharztes für Orthopädie Dr. S. vom 17. August 2012, des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. Q. vom 13. September 2012, des Facharztes für Neurochirurgie Dr. S. vom 5. September 2012, des Facharztes für Innere Medizin Dr. H. vom 11. September 2012, des Facharztes für Innere Medizin A., vom 26. August 2012 und des Psychotherapeuten K. vom 3. Oktober 2012 wird auf Bl. 30 bis 153 der SG-Akte Bezug genommen.

Das SG hat die Klägerin ferner nervenärztlich begutachten lassen durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. In seinem Gutachten vom 21. Februar 2013 hat dieser die Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung, zum Untersuchungszeitpunkt leichtgradig, einer ängstlich-abhängigen Persönlichkeitsstörung sowie einer Agoraphobie ohne Panikstörung gestellt. Die berufliche Belastung könne aus verschiedenen Gründen gemindert sein. Eine wesentliche Antriebsstörung liege nicht vor. Weitere Rahmenbedingungen müssten beachtet werden, etwa die fehlende soziale Unterstützung im familiären und partnerschaftlichen Umfeld. Entgegen der Aussage des behandelnden Psychologen K. sei eine posttraumatische Belastungsstörung nicht gegeben. Die Agoraphobie ohne Panikstörung habe zum Untersuchungszeitpunkt angesichts einer nur geringen Ausprägung keinen Einfluss auf das Leistungsvermögen. Zwar sei die Beschreibung der Beschwerden konkret nachvollziehbar, es sei jedoch auch an eine Verdeutlichungstendenz zu denken (Aggravation). Mittelschwere körperliche Arbeiten mit häufigem Wechsel der Arbeitsposition ohne Akkord, Schicht- oder Nachtdienst sowie das Vermeiden von Tätigkeiten mit viel Publikumsverkehr und Arbeiten mit personeller Verantwortung würden qualitative Einschränkungen darstellen. Die ambulante Psychotherapie solle niederfrequent, aber nicht weniger als zweimal im Monat angeboten werden. Mit den Vorgutachten der Dr. H. und der Ärztin S. bestehe im Wesentlichen Übereinstimmung.

Die Klägerin ist dem Gutachten mit einer Stellungnahme des Psychotherapeuten K. vom 20. April 2013 entgegengetreten. In einer ergänzenden Stellungnahme von Dr. F. vom 18. August 2013 ist dieser bei den Ergebnissen seiner Begutachtung verblieben.

Mit Urteil vom 23. Januar 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Das SG hat sich insbesondere auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. F. gestützt. Die vom Gutachter diagnostizierten Erkrankungen würden zwar zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens in qualitativer Hinsicht führen. Eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens liege hingegen nicht vor. Zwar seien nach den Ausführungen von Dr. F. bei Zuspitzung der depressiven Symptomatik auch Phasen zu erwarten, in denen die Klägerin lediglich im Umfang von drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein könne. In diesen Phasen sei jedoch lediglich von Arbeitsunfähigkeit auszugehen; eine länger andauernde, insbesondere über den Zeitraum von sechs Monaten hinausgehende Einschränkung der Erwerbsfähigkeit lasse sich hieraus nicht ableiten.

Das Gutachten des Dr. F. sei widerspruchsfrei und zutreffend begründet. Die vom behandelnden Psychotherapeuten K. vorgebrachten Einwände könnten nicht überzeugen. Die von ihm gestellte Diagnose einer mittelgradig bis schweren depressiven Episode wie auch einer posttraumatischen Belastungsstörung und die daraus abgeleiteten Einschränkungen seien weder vom gerichtlichen Sachverständigen noch von den Ärzten des Zentralen Instituts für Seelische Gesundheit im Bericht vom 2. September 2013 bestätigt worden.

Gegen das der Klägerin am 5. Februar 2014 zugestellte Urteil hat diese am 3. März 2014 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Es sei dem Psychotherapeuten K. und nicht dem Gutachter Dr. F. zu folgen.

Die Klägerin hat gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine Begutachtung bei Prof. Dr. B., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Bad S., beantragt. In seinem Gutachten vom 30. Juni 2014, in welchem er auch zahlreiche testpsychologische Verfahren und Anamnesefragebögen zugrunde gelegt hat, hat der Gutachter für den psychiatrischen Bereich eine Dysthymia, eine rezidivierende depressive Störung in der Intensität fluktuierend zwischen leicht- bis mittelgradig und somit Double-depression, eine Agoraphobie mit Panik, eine kombinierte Persönlichkeitsakzentuierung mit ängstlichen, abhängigen, zwanghaften und paranoiden Anteilen sowie (bei Konsum von einem abendlichen Bier) einen "Alkoholmissbrauch, keine Abhängigkeit!" diagnostiziert. Simulation oder Aggravation könne er nicht feststellen. Zwar bringe die Klägerin die zumutbare Willensanspannung und eigene Kraft in Verbindung mit ärztlicher und psychologischer Hilfe auf, um einigermaßen Stabilität zu erlangen. Man könne jedoch angesichts der Chronizität andererseits und der Störungstiefe und Störungsbreite nicht davon ausgehen, dass die seelischen Störungen ganz oder teilweise überwunden werden könnten. Gänzlich auszuschließen sei allerdings nicht, dass es noch zu einer Verbesserung komme, insbesondere dann, wenn die Klägerin auf eine psychopharmakologische Behandlung nicht nur anspreche, sondern diese auch toleriere. Hier seien auch Aspekte der Persönlichkeitsstruktur zu beachten. Deshalb sei die Erfolgswahrscheinlichkeit auch im Hinblick auf die Chronizität des psychiatrisch multiaxialen Krankheitsbildes gering. Es seien qualitative Einschränkungen zu beachten, u.a. etwa für komplexe Tätigkeiten, Tätigkeiten mit hohem Maß an Konzentration und Handlungsplanung. Aufgrund der soziophobischen Ängste seien auch Tätigkeiten mit hohem Publikumsverkehr bzw. sehr hoher interaktioneller Dichte zu vermeiden. Die Klägerin sei noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit leichte und mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt halbschichtig auszuüben. Sehr wahrscheinlich müsse man davon ausgehen, dass sie phasenweise, also bei Krankschreibung, weniger als drei Stunden belastbar sei. Der wesentliche Grund für seine Leistungseinschätzung liege darin, dass die Klägerin selbst ihren Zustand so beschreibe, dass dieser im Kontext der gutachtlichen Untersuchung durchweg plausibel sei. Eine Halbtagstätigkeit könne ohne Gefährdung der Restgesundheit zugemutet werden, wenn die Psychotherapie fortgesetzt werde und weitere Verschlechterungen dadurch vermieden würden. Als besondere Arbeitsbedingung sei er eine Pause unerlässlich. Plausibel erscheine ihm somit das Vorliegen einer solchen Leistungseinschränkung seit Ende des Jahres 2011. Es sei nicht gänzlich auszuschließen, dass bei fortführender Psychotherapie und gegebenenfalls auch psychopharmakologischer Einstellung eine Verschlimmerung verhindert oder sogar eine Verbesserung erzielt werden könne. Im Gegensatz zu früheren ärztlichen Befassungen falle auf, dass der Begriff der doppelten Depression (Double-depression) bisher an keiner Stelle gefallen sei. Unter näherer Auseinandersetzungen mit dem Diplom-Psychologen K. im Einzelnen komme er zu einer Traumafolgestörung. Das sei etwas anderes als eine posttraumatische Belastungsstörung. Hierfür sprächen auch die zahlreichen stationären und ambulanten Behandlungen. Gründe für die unterschiedlichen Beurteilungen lägen sicherlich in den Schwankungen des Krankheitsbildes, in der unterschiedlichen Bewertung der Persönlichkeitsauffälligkeiten, Fehldeutungen der Persönlichkeitsauffälligkeiten in Richtung Aggravation, aber leider auch in der unterschiedlichen Bewertung der psychopathologischen Auffälligkeiten. Dies führe zu Unterschieden gegenüber dem Gutachten Dr. F., aber auch dem behandelnden Psychotherapeuten K.

Der Beklagte ist dem mit sozialmedizinischer Stellungnahme vom 20. August 2014 (Dr. D. ) entgegen. Es sei festzuhalten, dass die Klägerin alleine mit dem Zug vom Heimatort zur Untersuchung nach Bad S. pünktlich angereist sei. Die Klägerin sei seit September 2013 in Festanstellung als Technische Zeichnerin 20 Stunden pro Woche tätig und übe zudem eine geringfügige Beschäftigung in der Gastronomie aus. Soziale Kontakte würden innerhalb eines temporär gepflegten Freundeskreises sowie zu Sohn und Tochter bestehen. Es werde über Freizeitaktivitäten wie Joggen und Mountainbike fahren sowie dessen Häufigkeit berichtet. Durch den Sachverständigen seien Fragen zur Alltagsgestaltung, insbesondere zur Haushaltsführung und zum Kochen, Einkaufen etc. nicht aufgeklärt worden. Die Leistungseinschätzung von Prof. Dr. B. sei nicht nachvollziehbar. Es müsse berücksichtigt werden, dass der behandelnde Arzt es noch nicht einmal für nötig halte, eine leitliniengerechte antidepressive Medikation vorzunehmen, obwohl bei Verschlechterung einer depressiven Symptomatik mit adäquater antidepressiver Medikation sehr gute Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden. Eine zeitlich überdauernde quantitative Leistungsminderung könne daher nicht angenommen werden. Die Anreise mit dem Zug spreche ebenfalls gegen eine schwere Ausprägung der Agoraphobie. Die kombinierte Persönlichkeitsakzentuierung sei bereits mit ins Erwerbsleben eingebracht worden. Letztlich sei keine Verschlechterung der Beschwerden in der Symptomatik der Klägerin feststellbar und die von Prof. Dr. B. vorgenommene Leistungseinschätzung in sich nicht schlüssig, auch im Hinblick auf die erhobenen Kompetenzen der verschiedenen Verhaltensebenen.

Unter Vorhalt dieser Ausführungen hat Prof. Dr. B. mit Datum vom 18. November 2011 ergänzend Stellung genommen. Er sehe keine Grundlage, von seinem Gutachtensergebnis abzuweichen. Mit seinen vielfältigen Überlegungen habe man sich von Seiten der Beklagten eher apodiktisch auseinandergesetzt.

Im Erörterungstermin am 29. Januar 2015 ist insbesondere der Tages- und Wochenablauf der Klägerin erhoben worden. Die Klägerin betonte insbesondere die Angst vor einem Jobverlust für den Fall der Absolvierung einer mehrwöchigen Maßnahme. Zu den weiteren Angaben im Einzelnen wird auf die Niederschrift vom 29. Januar 2015 Bezug genommen.

Das Gericht hat daraufhin Prof. Dr. T. sowie Frau Dr. H. mit der Erstellung eines nervenärztlichen Gutachtens von Amts wegen beauftragt. In ihrem Gutachten vom 12. Mai 2015 sind diese zu der Diagnose einer rezidivierend depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode sowie einer Dysthymia gelangt. Es liege ein realer Leidensdruck bei der Klägerin vor. Bisher sei von der Klägerin stets ein medikamentöser leitliniengerechter Therapieversuch abgelehnt worden. Im Allgemeinen sei eine depressive Episode mit einer entsprechenden Therapie innerhalb eines halben Jahres zum Abklingen zu bringen. Nach wie vor stehe die Klägerin allerdings einem solchen Therapieversuch sehr skeptisch gegenüber. Eine rezidivierende depressive Störung sei dem Charakter nach eine Erkrankung, die in den akuten Erkrankungsphasen zu Arbeitsunfähigkeitszeiten führen könne und in schweren Fällen auch stationär behandelt werden müsse. Es könne sein, dass sich an eine Episode eine Wiedereingliederung im beruflichen Alltag anschließen müsse. Nichts desto trotz wirke sie sich im Allgemeinen auf die berufliche Leistungsfähigkeit nicht quantitativ mindernd aus. Die Klägerin könne daher leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten wie Bürotätigkeiten ohne zeitliche Einschränkung vollschichtig verrichten. Sollte eine leitliniengerechte Therapie im ambulanten Bereich nicht möglich sein, sei eine stationäre oder teilstationäre Maßnahme zu überdenken. Anschließend könne eine Wiedereingliederung erfolgen, eine medikamentöse Behandlung sollte in jedem Fall versucht werden. Das Gutachten stimme mit den meisten Gutachtern überein außer dem Vorgutachten von Prof. Dr. B. Dieser komme zwar im Wesentlichen zu den gleichen psychiatrischen Diagnosen, sei dann jedoch der Auffassung, dass die Klägerin nur halbschichtig zu arbeiten in der Lage sei. Diese Abweichung sei eventuell einem damals schlechten Gesundheitszustand geschuldet. Es werde eine Rehabilitationsmaßnahme im Anschluss an die Akutbehandlung empfohlen.

Den vom Senat schriftlich vorgeschlagenen Vergleich der Klägerin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme insbesondere mit nervenärztlichem Schwerpunkt zu gewähren, hat diese abgelehnt, da sie sich außerstande sehe, sich auf eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme einzulassen.

In der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. vom 13. August 2015 hat dieser dargelegt, dass sich die Klägerin in einer immer wiederkehrende nervenärztlichen psychotherapeutischen Mitbehandlung befinde. In Kenntnis der Persönlichkeitsstruktur der Klägerin und des bisherigen langjährigen Verlaufs sei durch eine medikamentöse Behandlung keinerlei Änderung oder Besserung zu erreichen. Alle bisherigen Versuche seien zum Scheitern verurteilt gewesen und darüber hinaus sei anzumerken, dass ca. 40% aller Menschen auf Antidepressiva nicht ansprechen würden. Zu glauben, dass allein durch diese medikamentöse Behandlung eine Persönlichkeitsveränderung erreicht werden könne oder eine derartige Besserung, dass die Klägerin wieder über sechs Stunden arbeiten könne, sei aufgrund seiner Erfahrungen mit ihr illusorisch. Auch eine nochmalige stationäre Reha-Behandlung werde an der Problematik und Struktur nichts ändern. Ein Erfolg sei eine Tätigkeit von 20 Stunden pro Woche ohne Dekompensation. Die Klägerin befinde sich in einem außerordentlich labilen psychischen Gleichgewicht.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Januar 2014 aufzuheben und den Bescheid vom 27. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. April 2011 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte nimmt hierfür Bezug auf das Ergebnis der Beweisaufnahme und den Inhalt der angefochtenen Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin ist nicht erfolgreich. Die auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gerichtete Klage erweist sich als unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.

Der Beklagte hat mit Bescheid vom 27. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2012 zu Recht eine Rentengewährung abgelehnt. Diese Entscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2012, mit welchem der Rentenantrag abgelehnt worden ist, wobei allein noch die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung begehrt wird.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat nimmt zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der dortigen Entscheidungsgründe ab. Die gegen die Entscheidung vorgebrachten Einwendungen vermögen eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage auch nach Durchführung weiterer Beweiserhebung nicht zu begründen. Die Klägerin ist zur Überzeugung des Senats gesundheitlich in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten und ist damit nicht voll und auch nicht teilweise erwerbsgemindert. Eine quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens jedenfalls für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auf ein unter sechsstündiges Maß ist nicht gegeben. Es ist somit keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Ergänzend ist auszuführen, dass auch die in der Berufungsinstanz durchgeführte Beweisaufnahme die Annahme eines vollschichtigen Leistungsvermögens nicht erschüttert hat. Der Senat folgt den zutreffenden Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. T. sowie Frau Dr. H. Diese legen zunächst überzeugend dar, dass sie entsprechend den zuvor auch bei Prof. Dr. B. dargestellten Angaben in der Befundsituation letztlich übereinstimmen. Soweit Prof. Dr. B. zusätzlich eine sogenannte Double-depression annimmt, ist festzuhalten, dass es sich hierbei nicht um eine nach ICD klassifizierte Diagnose handelt. Darüber hinaus begegnet das Gutachten von Prof. Dr. B. dahingehend Bedenken, dass er sich mit dem Tages- und Wochenablauf der Klägerin und damit den dort vorhandenen Strukturen nicht weiter auseinandersetzt. Die Erhebung der entsprechenden Anamnese ist im Gutachten zwar in Teilen wiedergegeben. Deren weitere Reflexion ist für ein nervenärztliches Gutachten jedoch unentbehrlich. Eine wesentliche Begründung für die Leistungseinschätzung liegt nach den Ausführungen von Prof. Dr. B. vielmehr darin, dass die Klägerin selbst ihren Zustand so beschreibt, dass dieser im Kontext der gutachtlichen Untersuchung durchweg plausibel geklungen habe. Eine solchen, letztlich auf Selbsteinschätzung beruhenden Leistungsempfehlung ist jedoch nicht zu folgen. Denn dass sich die Klägerin nur für eine Zeitspanne von drei bis unter sechs Stunden leistungsfähig sieht, ergibt sich bereits aus ihrem Klagebegehren.

Auf Basis der von der Klägerin selbst im Erörterungstermin vom 29. Januar 2015 erhobenen Angaben lässt sich der Tagesablauf der Klägerin auch zur Haushaltsführung u.ä. nunmehr ausführlich nachvollziehen. Hierbei ist insbesondere hervorzuheben, dass die Klägerin weiter einer selbst einen geregelten Tagesablauf bestätigt hat. Allein streitgegenständlich ist somit die Frage einer teilweisen Limitierung des Leistungsvermögens - entsprechend dem klägerischen Begehren - auf drei bis unter sechs Stunden am Tag. Von einer solchen Limitierung konnte sich der Senat im Einklang mit dem Gutachten von Prof. Dr. T. und Frau Dr. H. nicht überzeugen. Denn während Prof. Dr. B. die Phasen der Arbeitsunfähigkeit offenbar als Grundlage für eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens nimmt, ist zutreffend hervorzuheben, dass hier im Hinblick auf entsprechende Schwankungen im Krankheitsbild, wie sie bei entsprechenden Diagnosen und im Hinblick auf die geschilderten Problematiken anzunehmen sind, letztlich eine mindestens sechs Monate andauernde rentenrelevante Leistungseinschränkung nicht erwiesen ist. Auch Prof. Dr. B. ist nicht von einer vollständigen Aufhebung des quantitativen Leistungsvermögens ausgegangen. Zu beachten ist, dass eine dauernde Leistungsminderung in rentenrelevantem Umfang auch mit dem beruflichen Werdegang nicht in Einklang zu bringen ist. Es ist festzustellen, dass die Klägerin in ihrem erlernten Beruf als Technische Zeichnerin von 2008 bis 2012 in Vollzeit mit Unterbrechung durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit versicherungspflichtig tätig gewesen ist. Ab April 2012 bis Ende September 2013 ist sie geringfügig auf 450 EUR - Basis in der Gastronomie sowie als technische Zeichnerin beschäftigt gewesen. Die Klägerin steht seit Oktober 2013 als Bürokraft in Teilzeit von 20 Wochenstunden weiterhin in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis.

Auch aus der jüngsten Bescheinigung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. folgt nichts anderes. Der allgemeine Hinweis auf die fehlende Wirksamkeit von Medikamenten in diesem Zusammenhang räumt ein, dass die zuvor von den Gutachtern als fehlend monierte medikamentöse Behandlung diesbezüglich wegen der ablehnenden Haltung der Klägerin bei ihr gerade nicht eingeleitet worden ist. Dabei ist jedoch der konkrete Einzelfall maßgeblich. Auch die weiteren Ausführungen vermögen die Leistungseinschätzung im Gutachten T. nicht zu widerlegen.

Es bestehen daher lediglich qualitative Beeinträchtigungen. Bei der Klägerin bestehen somit unter nervenärztlichen Gesichtspunkten keine schwerwiegenden krankhaften Störungen. Es bestehen somit nach Auffassung der genannten Sachverständigen zwar näher bezeichnete qualitative Einschränkungen. Eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens ist somit weder aus dem nervenärztlichen noch aus dem orthopädisch- internistische Bereich heraus nachweisbar. Der Sachverhalt ist angesichts der durchgeführten Ermittlungen geklärt; ein weitergehender Ermittlungsbedarf besteht daher nicht.

Die bei Klägerin dokumentierten Gesundheitsstörungen führen zu keinen zusätzlichen qualitativen oder wesentlichen quantitativen Einschränkungen. Insbesondere liegen keine Einschränkungen vor, die einen Anhalt dafür bieten würden, dass eine schwere spezifische Leistungsminderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegen, welche die Benennung einer Verweisungstätigkeit für den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich machen würde.

Damit ist der Senat - unter Betrachtung der Gesundheitsstörungen im Einzelnen und auch in deren Zusammenschau - zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen in der Lage ist, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten.

Nach alldem ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit ihrer Rechtsverfolgung keinen Erfolg hatte. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a. A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved