L 5 KR 3523/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 13 KR 2689/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3523/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 30.01.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Krankenversicherungsbeiträgen (und von Pflegeversicherungsbeiträgen) im Zeitraum 01.04.2012 bis 31.01.2013.

Der 1967 geborene Kläger ist seit 01.12.2005 hauptberuflich selbstständig erwerbstätig und seit 01.05.2010 bei der Beklagten freiwillig krankenversichert und bei der bei der Beklagten errichteten Pflegekasse pflegeversichert.

Mit auch im Namen der Pflegekasse ergangenem Bescheid vom 06.04.2010 setzte die Beklagte den monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers ab 01.05.2010 auf 536,25 EUR bzw. 73,13 EUR (insgesamt 609,38 EUR) fest. Dem lagen vom Kläger angegebene Einkünfte von 53.188,00 EUR im Jahr zugrunde. Der vom Kläger ausgefüllte und unterschriebene Einkommensfragebogen enthält folgenden Hinweis: "Ich versichere, dass alle Angaben der Wahrheit entsprechen. Über alle künftigen Veränderungen werde ich Sie unverzüglich informieren und geeignete Nachweise (z. B. aktuelle Steuerbescheide) vorlegen. Mir ist bekannt, dass unvollständige oder unwahre Angaben sowie die verspätete Vorlage von Einkommensnachweisen zu Beitragsnachberechnungen führen."

Am 27.07.2010 legte der Kläger der Beklagten den Einkommensteuerbescheid des Finanzamts H. vom 23.07.2010 für das Jahr 2008 vor. Darin sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 22.126,00 EUR (monatlich 1.843,83 EUR) und aus Kapitalvermögen von 917,00 EUR (monatlich 76,42 EUR) ausgewiesen.

Mit auch im Namen der Pflegekasse ergangenem Bescheid vom 27.07.2010 setzte die Beklagte den monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers nach Maßgabe der im Einkommensteuerbescheid 2008 ausgewiesenen Einkünfte (monatlich 1.920,25 EUR) ab 01.08.2010 auf 274,60 EUR bzw. 37,44 EUR (insgesamt 312,04 EUR) fest.

Nachdem der Kläger Krankenversicherungsschutz mit Anspruch auf Krankengeld gewählt hatte, setzte die Beklagte mit auch im Namen der Pflegekasse ergangenem Bescheid vom 06.10.2010 den monatlichen Krankenversicherungsbeitrag des Klägers ab 01.10.2010 unter Anwendung des allgemeinen Beitragssatzes von 14,9 % auf 286,12 EUR und den monatlichen Pflegeversicherungsbeitrag (unverändert) auf 37,44 EUR (insgesamt 323,56 EUR) fest.

Mit auch im Namen der Pflegekasse ergangenem Bescheid vom 20.12.2010 setzte die Beklagte den monatlichen Krankenversicherungsbeitrag des Klägers ab 01.01.2011 unter Anwendung des (neuen) allgemeinen Beitragssatzes von 15,5 % auf 297,64 EUR und den monatlichen Pflegeversicherungsbeitrag (unverändert) auf 37,44 EUR (insgesamt 335,08 EUR) fest. Mit weiteren jeweils auch im Namen der Pflegekasse ergangenen Bescheiden vom 15.12.2011 und 21.06.2012 wurden die monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Klägers ab 01.01.2012 auf zunächst 297,64 EUR und 37,44 EUR (insgesamt 335,08 EUR) und sodann auf 305,16 EUR und 38,39 EUR (insgesamt 343,55 EUR) festgesetzt.

Mit den Bescheiden vom 20.12.2010 und vom 15.12.2011 wurden dem Kläger Merkblätter übergeben, in denen u.a. darauf hingewiesen ist, dass Änderungen der Einkommensverhältnisse umgehend mitzuteilen und durch Vorlage von Einkommensteuerbescheiden zu belegen sind. Ohne entsprechende Nachweise würden die Beiträge aus der Beitragsbemessungsgrenze berechnet. Bei Erhöhung der Einnahmen sei die Beitragsneuberechnung vom 1. des Monats an vorzunehmen, der auf die Ausstellung des Einkommensteuerbescheids folge. Nur wenn die aktuellen Einkommensverhältnisse angegeben und durch Nachweise - bei Selbstständigen durch Einkommensteuerbescheid - belegt würden, könne man die Beiträge korrekt berechnen und dadurch Beitragsberichtigungen für zurückliegende Zeiträume vermeiden.

Nachdem die Beklagte den Kläger (zuletzt mit Schreiben vom 21.08.2012) an die Zahlung rückständiger Beiträge erinnert hatte, legte dieser den Einkommensfragebogen vom 26.10.2012 vor. Darin gab der Kläger an, er erwarte im laufenden Jahr einen Verlust von etwa 30.000 EUR bis 40.000 EUR. Er beantrage Herabsetzung der Beiträge. Weitere Einkommensteuerbescheide lägen noch nicht vor.

Mit Beitragsmahnung vom 09.11.2012 forderte die Beklagte den Kläger auf, rückständige Beiträge für September und Oktober 2012 i.H.v. 304,25 EUR bzw. 343,55 EUR zzgl. Säumniszuschlägen von 3,00 EUR zu zahlen. Mit Schreiben vom 15.11.2012 übersandte die Beklagte dem Kläger ein Antragsformular für die Beantragung von Beitragsentlastung. Außerdem forderte sie ihn auf, zum Nachweis der gesunkenen Einkünfte die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2009 bis 2011 vorzulegen. Zum Nachweis des für das Jahr 2012 geltend gemachten Verlusts genüge der Bescheid des Finanzamts über die Absenkung der Steuerzahlung (Vorauszahlung).

Auf das Amtshilfeersuchen der Beklagten vom 15.11.2012 teilte das Finanzamt H. der Beklagten unter dem 20.11.2012 mit, die Einkommensteuererklärung des Klägers für 2011 liege noch nicht vor. Nach den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2009 und 2010 vom 15.02.2011 und vom 06.03.2012 betrügen die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb im Jahr 2009 1.918,00 EUR (monatlich 159,83 EUR) und im Jahr 2010 49.468,00 EUR (monatlich 4.122,33 EUR).

Mit auch im Namen der Pflegekasse ergangenem Bescheid vom 26.11.2012 setzte die Beklagte den monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers ab 01.04.2012 auf 592,88 EUR bzw. 74,59 EUR (insgesamt 667,47 EUR) fest. Zur Begründung führte sie aus, nach dem Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 06.03.2012 hätten sich die Einkünfte des Klägers im Jahr 2010 erhöht. Die neuen (höheren) Beiträge gälten ab dem auf die Ausstellung des Einkommensteuerbescheids folgenden Monat. Bisher habe der Kläger einen monatlichen Beitrag von 343,55 EUR gezahlt. Die Differenz zu dem neuen Beitrag betrage monatlich 322,93 EUR. Für die Zeit vom 01.04.2012 bis 31.10.2012 ergebe sich ein Nachzahlungsbetrag von 2.260,51 EUR. Der Bescheid ersetze den bisherigen Beitragsbescheid zum 01.04.2012.

Mit E-Mail vom 04.12.2012 legte der Kläger eine kurzfristige Erfolgsrechnung (betriebswirtschaftliche Auswertung) seines Steuerberaters für Januar bis Oktober 2012 (Verlust 13.285,47 EUR) vor und machte geltend, seine Umsätze seien fast vollständig eingebrochen. Er könne die Beiträge nicht aufbringen und auch den Beitragsrückstand nicht ausgleichen.

Mit auch im Namen der Pflegekasse ergangenem Bescheid vom 17.12.2012 setzte die Beklagte den monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers im Hinblick auf Änderungen der Bemessungsgrundlagen ab 01.01.2013 auf 610,31 EUR bzw. 80,72 EUR (insgesamt 691,03 EUR) fest. Der Bescheid ersetze den bisherigen Beitragsbescheid mit Wirkung zum 01.01.2013.

Mit Bescheid vom 16.01.2013 setzte das Finanzamt H. die Steuervorauszahlungen des Klägers für 2012 auf 0,00 EUR fest.

Mit Beitragsmahnung vom 07.05.2013 forderte die Beklagte den Kläger auf, rückständige Beiträge i.H.v. 6.359,57 EUR zzgl. Säumniszuschlägen von 927,50 EUR zu zahlen.

Mit auch im Namen der Pflegekasse ergangenem Bescheid vom 16.05.2013 setzte die Beklagte den monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers (im Hinblick auf den Vorauszahlungsbescheid des Finanzamts H. vom 16.01.2013) ab 01.02.2013 auf 313,29 EUR bzw. 41,44 EUR (insgesamt 354,73 EUR) fest. Da die Einkommensgrundlage noch nicht endgültig feststehe, habe man die Berechnungsgrundlagen für die Beitragsbemessung geschätzt; die Beitragsfestsetzung stehe daher unter dem Vorbehalt der Neuberechnung und Änderung. Die Beiträge würden neu berechnet, sobald für den jeweiligen Berechnungszeitraum ein aktueller Einkommensteuerbescheid vorliege. Der Beitragsrückstand des Klägers betrage 6.278,17 EUR. Der Bescheid ersetze den bisherigen Beitragsbescheid ab 01.02.2013.

Mit E-Mail vom 20.05.2013 erhob der Kläger erneut Einwendungen gegen die Beitragsfestsetzung und begehrte die Anpassung der Beiträge an seine realen Einkünfte in den Jahren 2011 und 2012 bzw. die Herabsetzung der Beiträge "auf das Minimum".

Mit auch im Namen der Pflegekasse ergangenem Bescheid vom 17.06.2013 setzte die Beklagte den monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers ab 01.02.2013 auf 200,78 EUR bzw. 27,62 EUR (insgesamt 228,40 EUR) fest. Man komme dem Kläger im Hinblick auf die beantragte Beitragsentlastung durch Herabsetzung der Beiträge entgegen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, der mit E-Mail vom 20.05.2013 eingelegte Widerspruch gegen ihren Bescheid vom 16.05.2013 sei nicht begründet. Nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften (insbesondere in § 240 Abs. 4 Satz 2 und 6 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (SGB V)) könnten Änderungen der Einkommensverhältnisse erst ab dem auf die Ausstellung des jeweiligen Einkommensteuerbescheids folgenden Monat berücksichtigt werden. Die geringeren Einkünfte der Jahre 2012 und 2013 würden der Beitragsbemessung daher zeitversetzt nach Vorlage der Einkommensteuerbescheide zugrunde gelegt. Da der Einkommensteuerbescheid für 2010 am 06.03.2012 ausgestellt worden sei, habe man rückwirkend ab 01.04.2012 Beiträge nachfordern müssen. Die Säumniszuschläge entstünden unmittelbar kraft Gesetzes.

Am 20.08.2013 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Ulm (SG). Zur Begründung trug er vor, Anfang 2012 sei ein ganzer Geschäftszweig seines Unternehmens zusammengebrochen. Seine Einkünfte im Jahr 2012 und 2013 lägen unter dem Sozialhilfesatz. Er könne die festgesetzten Beiträge nicht zahlen und die aufgelaufenen Beitragsrückstände nicht ausgleichen.

Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheids entgegen. Die angefallenen Säumniszuschläge würden um 1.312,00 EUR vermindert. Der aktuelle Beitragsrückstand von 5.269,84 EUR mit den daraus folgenden Säumniszuschlägen von bereinigt 475,00 EUR habe sich ergeben, weil der Kläger zwischen dem 19.11.2012 und dem 03.07.2013 keine Beiträge mehr gezahlt habe.

Mit auch im Namen der Pflegekasse ergangenen Bescheiden vom 17.09.2013 und 12.12.2013 setzte die Beklagte den monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers ab 01.02.2013 und ab 01.01.2014 auf 208,86 EUR bzw. 27,62 EUR (insgesamt 236,48 EUR) und auf 214,28 EUR bzw. 28,34 EUR (insgesamt 242,62 EUR) fest.

Am 30.01.2014 fand die mündliche Verhandlung des SG statt. Der Kläger gab an, die Einkommensteuerbescheide für 2011 und 2012 lägen mittlerweile vor; der Einkommensteuerbescheid für 2013 sei noch nicht ergangen. Der Vertreter der Beklagten erklärte, der Kläger habe die Einkommensteuerbescheide für 2011 und 2012 bislang nicht vorgelegt. Die Pflegekasse sei bereit, ein dem Kläger günstiges Ergebnis des Rechtsstreits auch für die Pflegeversicherungsbeiträge umzusetzen. Der Kläger beschränkte den Klagantrag daraufhin auf die Festsetzung von Krankenversicherungsbeiträgen während der Zeit vom 01.04.2012 bis 31.01.2013; für diese Zeit solle der Mindestbeitrag festgesetzt werden.

Mit Urteil vom 30.01.2014 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, Streitgegenstand sei zunächst der Beitragsbescheid vom 16.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.07.2013. Der Widerspruch des Klägers habe sich indessen auch auf die Herabsetzung der Beiträge für die Zeit vor dem 01.02.2013 gerichtet, weshalb der Kläger sinngemäß die entsprechende Überprüfung bzw. Abänderung der (mangels formgerechtem Widerspruch bestandskräftigen) Beitragsbescheide vom 26.11.2012 und 17.12.2012 beantragt habe. Damit sei die Beitragsfestsetzung für die Zeit vom 01.04.2012 bis 31.01.2013 Gegenstand des Klageverfahrens. Die Klage richte sich allein gegen die beklagte Krankenkasse; die bei der Beklagten errichtete Pflegekasse habe sich bereiterklärt, ein dem Kläger günstiges Ergebnis auch für die Pflegeversicherungsbeiträge umzusetzen, weshalb der Kläger die Klage auf die Festsetzung von Krankenversicherungsbeiträgen beschränkt habe. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, die für die streitige Zeit ergangenen Beitragsbescheide (hinsichtlich des Krankenversicherungsbeitrags) nach Maßgabe des § 44 SGB X abzuändern; die Bescheide seien nämlich rechtmäßig. Die Beklagte habe die Krankenversicherungsbeiträge des Klägers für die Zeit vom 01.04.2012 bis 31.01.2013 teilweise rückwirkend nach Maßgabe des § 48 Abs. 1 SGB X unter Aufhebung der zuvor ergangenen Beitragsbescheide (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urt. v. 18.06.2013, - L 11 KR 300/12 -, in juris) und unter Berücksichtigung der im (vom Kläger nicht vorgelegten) Einkommensteuerbescheid des Finanzamts H. vom 06.03.2012 für 2010 ausgewiesenen höheren Einkünfte i.H.v. 49.468,00 EUR rechtsfehlerfrei neu und höher als zuvor festgesetzt. Die Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge freiwillig Versicherter richte sich nach § 240 SGB V sowie nach den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (BeitrVerfGrsSz, - dazu Bundessozialgericht (BSG) Urt. v. 19.12.2012, - B 12 KR 20/11 R -, in juris). Der Kläger könne als hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger den Nachweis der beitragspflichtigen Einnahmen gem. § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V i.V.m. § 7 Abs. 7 und Abs. 7a BeitrVerfGrsSz grundsätzlich nur durch Einkommensteuerbescheid oder Vorauszahlungsbescheid des Finanzamts führen. Die darin ausgewiesenen Einkünfte seien ab dem Folgemonat der Ausstellung dieser Bescheide zu berücksichtigen (§ 7 Abs. 7 Satz 3 BeitrVerfGrsSz). Die Beklagte habe der Beitragsfestsetzung für die Zeit ab 01.04.2012 daher zutreffend die im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 06.03.2012 ausgewiesenen Einkünfte des Klägers von über 49.468,00 EUR (monatlich 4.122,33 EUR) zugrunde gelegt und die Beiträge nach Maßgabe des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V aus dem 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V) von 3.825,00 EUR (bis 31.12.2012) bzw. von 3.937,50 EUR (ab 01.01.2013) berechnet. Die Beiträge könnten für die streitige Zeit nicht rückwirkend niedriger festgesetzt werden. Der Bescheid des Finanzamts H. über die Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen für 2012 auf 0,00 EUR sei erst unter dem 16.01.2013 ergangen (und von der Beklagten für die Zeit ab 01.02.2013 berücksichtigt worden). Nach der Rechtsprechung des BSG sei bei hauptberuflich selbstständig erwerbstätigen freiwillig Versicherten die Anpassung der Beiträge an eine verschlechterte Einkommenssituation erst und nur zum Beginn des auf die Vorlage des letzten Einkommensteuerbescheids folgenden Monats vorzunehmen (Urt. v. 02.09.2009, - B 12 KR 21/08 R -, in juris). § 6 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 BeitrVerfGrsSz verlange ebenfalls den Nachweis der Einkommensänderung durch Einkommensteuerbescheid. Da der Kläger schon seit 2005 selbstständig erwerbstätig sei, könnten die Ausnahmeregelungen für Existenzgründer (vgl. § 7 Abs. 7 Satz 5 BeitrVerfGrsSz) nicht angewendet werden. Eine unverhältnismäßige Belastung möge zwar vorgelegen haben, jedoch könne dies nur über einen entsprechenden Vorauszahlungsbescheid des Finanzamts (hier (erst) vom 16.01.2013) berücksichtigt werden (§ 6 Abs. 3a Satz 1 und 3 BeitrVerfGrsSz). Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit lägen nicht vor, weshalb die hierzu ergangene Vorschrift in § 6 Abs. 3a Satz 4 BeitrVerfGrsSz von vornherein nicht einschlägig sei. Hätte der Kläger den entsprechenden Einkommensteuerbescheid bzw. die Einkommensteuerbescheide für 2009 und 1010 - wozu er auch verpflichtet gewesen wäre - fristgerecht vorgelegt, hätte er zu einem früheren Zeitpunkt die Festsetzung niedrigerer Beiträge erwirken können.

Gegen das ihm erstmals am 13.03.2014 und sodann ein zweites Mal am 18.07.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.08.2014 Berufung eingelegt. Er bekräftigt sein bisheriges Vorbringen. Er müsse aus wirtschaftlichen Gründen Berufung einlegen, da sein Umsatz eingebrochen sei. Der Steuerjahresausgleich habe wegen Überlastung seines Steuerberaters nicht schnell genug fertiggestellt werden können. Seine wirtschaftliche Lage decke sich mit dem Steuerjahresausgleich. Er habe immer so schnell wie möglich reagiert und die ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorgelegt. Er habe sich wirtschaftlich noch nicht erholt und könne die verlangten Beträge nicht zahlen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil der Sozialgerichts Ulm vom 30.01.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 16.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.07.2013 zu verurteilen, die Bescheide vom 26.11.2012 und 17.12.2012 teilweise zurückzunehmen und den monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung für die Zeit vom 01.04.2012 bis 31.01.2013 (nur) nach der Mindestbemessungsgrundlage festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beklagte hat mitgeteilt, bei Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage (40. Teil der monatlichen Bezugsgröße für den Kalendertag) vermindere sich die Beitragsschuld des Klägers für die streitige Zeit vom 01.04.2012 bis 31.01.2013 um insgesamt 3.251,58 EUR (Krankenversicherung: 2.886,50 EUR, Pflegeversicherung: 365,08 EUR).

Die Teilnahme an einem auf den 09.09.2015 festgesetzten Erörterungstermin hat der Kläger abgesagt.

Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er die Berufung, was vorliegend beabsichtigt sei, gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Anhörungsmitteilung wurde dem Kläger (mit der Aufhebung des auf den 09.09.2015 festgesetzten Erörterungstermins) am 17.09.2015 zugestellt; er hat sich nicht mehr geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört. Der Kläger hat nichts mehr vorgetragen.

1.) Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die Festsetzung des monatlichen Krankenversicherungsbeitrags des Klägers für die Zeit vom 01.04.2012 bis 31.01.2013. Hierauf hat der Kläger seine Klage in der mündlichen Verhandlung des SG vom 30.01.2014 beschränkt und nur hierüber hat das SG im angefochtenen Urteil entschieden. Die Festsetzung von Pflegeversicherungsbeiträgen ist daher nicht Streitgegenstand; auf deren Festsetzung (während der streitigen Zeit) soll das Ergebnis des vorliegenden Rechtsstreits ggf. übertragen werden. Die Beitragsfestsetzung für die Zeit bis 31.03.2012 und insbesondere für die Zeit ab 01.02.2013 ist ebenfalls nicht Streitgegenstand. Die Beklagte hat die Beiträge des Klägers unter Berücksichtigung des Vorauszahlungsbescheids des Finanzamts H. vom 16.01.2013 (Vorauszahlung 0,00 EUR) durch Bescheid vom 16.05.2013 ab 01.02.2013 antragsgemäß herabgesetzt und dem Begehren des Klägers dadurch entsprochen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass der Kläger mit den - einen formgerechten schriftlichen (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) Widerspruch nicht darstellenden - E-Mails vom 04.12.2012 und vom 20.05.2013 der Sache nach (auch) die Überprüfung und (teilweise) Rücknahme der in den Bescheiden vom 26.11.2012 und 17.12.2012 verfügten (Neu-)Festsetzung von Krankenversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 01.04.2012 bis 31.01.2013 und die Festsetzung des Mindestbeitrags für diese Zeit beantragt und dass die Beklagte diesen Antrag im Bescheid vom 16.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.07.2013 der Sache nach abgelehnt hat. Der Bescheid vom 16.05.2013 regelt zwar nur die Beitragsfestsetzung ab 01.02.2013. Im genannten Widerspruchsbescheid ist aber ausdrücklich ausgeführt, dass ab 01.04.2012 rückwirkend Beiträge hätten nachgefordert werden müssen, was Gegenstand der Bescheide vom 26.11.2012 bzw. 17.12.2012 ist.

Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist überschritten. Der Kläger verfolgt mit Klage und Berufung das Begehren, der Bemessung des Krankenversicherungsbeitrags für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 31.01.2013 die Mindestbemessungsgrundlage (40. Teil der monatlichen Bezugsgröße für den Kalendertag) zugrunde zu legen. Wie die Beklagte mitgeteilt hat, beträgt die danach streitige Beitragsdifferenz (Krankenversicherungsbeitrag) 2.886,50 EUR. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher auch im Übrigen gem. § 151 SGG zulässig.

2.) Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das SG hat in seinem Urteil eingehend und zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften sich die Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge freiwillig versicherter hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger richtet und weshalb die Beklagte danach und teilweise rückwirkend nach § 48 SGB X die Krankenversicherungsbeiträge des Klägers für die streitige Zeit vom 01.04.2012 bis 31.01.2013 zu Recht neu und höher festgesetzt hat. Der Senat nimmt daher auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend sei angemerkt:

Der Bemessung des monatlichen Krankenversicherungsbeitrags des Klägers für die Zeit vom 01.04.2012 bis 31.01.2013 müssen nach den dafür geltenden Vorschriften die Einkünfte zugrunde gelegt werden, die in dem für das Jahr 2010 ergangenen Einkommensteuerbescheid des Finanzamts H. vom 06.03.2012 ausgewiesen sind. Danach hat der Kläger im Jahr 2010 Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 49.468,00 EUR erzielt. Der sich daraus ergebende Monatsbetrag (4.122,33 EUR) übersteigt den in § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V festgelegten Höchstbeitrag, bemessen nach täglichen Einnahmen i. H. des 30. Teils der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (2012: 3.825,00 EUR; 2013: 3.937,50 EUR), weshalb der Höchstbeitrag - und nicht, wie vom Kläger begehrt, der Mindestbeitrag (vgl. § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V) - festgesetzt werden muss. Dass der Kläger im Jahr 2012 tatsächlich keinen Gewinn mehr erzielt, sondern Verluste erwirtschaftet hat, kann nicht berücksichtigt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG ist - wie in § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V bzw. §§ 6 Abs. 6, 7 Abs. 7 BeitrVerfGrsSz festgelegt - bei hauptberuflich selbstständig erwerbstätigen freiwillig Versicherten die Anpassung der Beiträge an eine verschlechterte Einkommenssituation erst und nur zum Beginn des auf die Vorlage des letzten Einkommensteuerbescheids folgenden Monats vorzunehmen (BSG, Urt. v. 02.09.2009, - B 12 KR 21/08 R -; vgl. auch BSG, Urt. v. 18.12.2013, - B 12 KR 24/12 R -, beide in juris).

Die Beklagte ist, soweit die Beiträge rückwirkend zum 01.04.2012 neu festgesetzt worden sind, auch den Anforderungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X gerecht geworden. Sie hat mit den angefochtenen Bescheiden die vorausgegangenen Beitragsbescheide (ausdrücklich) aufgehoben. Der Kläger hat der Beklagten die Änderung seiner Einkommensverhältnisse (durch Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 2010 vom 06.03.2012) entgegen der Pflicht aus § 206 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V nicht mitgeteilt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X). Auf diese Pflicht und auch auf die Folgen ihrer Verletzung, insbesondere die ggf. rückwirkende Nachberechnung von Beiträgen, ist er mehrfach durch entsprechende Belehrungen auf dem Einkommensfragebogen der Beklagten und durch (den Bescheiden vom 20.12.2010 und 15.12.2011 beigefügte) Merkblätter hingewiesen worden. Ein atypischer Fall mit der Notwendigkeit zur Ermessensausübung liegt nicht vor (vgl. dazu auch etwa LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 13.11.2012, - L 11 KR 5353/11 -, in juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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