Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 2724/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 4295/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. September 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung eines Darlehens zur Begleichung zweier offener Monatsmieten.
Der 1980 geborene Antragsteller bezieht seit Jahren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seit Dezember 2011 bewohnt der Antragsteller eine Zweizimmerwohnung mit einer Grundmiete von 410 EUR (inkl. Tiefgaragenstellplatz in Höhe von 40 EUR) und Nebenkosten von 160 EUR. Zuletzt wurde ihm mit Bescheid vom 17.04.2015 Arbeitslosengeld II (Alg II) ab Juni bis einschließlich November 2015 in Höhe von monatlich 929,00 EUR bewilligt (Kosten der Unterkunft 370,00 EUR, Nebenkosten 160,00 EUR, Regelbedarf 399,00 EUR).
Nachdem er in den Monaten Juni und Juli die Miete nicht an den Vermieter gezahlt hatte, wurde ihm mit Schreiben vom 08.07.2015 fristlos durch seinen Vermieter gekündigt mit der Aufforderung, die Wohnung bis längstens 15.07.2015 zu räumen. Vorsorglich und hilfsweise werde darüber hinaus die ordentliche Kündigung zum 31.10.2015 erklärt. Am 20.07.2015 wurde vom Vermieter beim Amtsgericht M. am Neckar Klage auf Räumung von Wohnraum eingereicht, wie das Amtsgericht dem Beklagten mitteilte (Schreiben vom 21.07.2015).
Mit Schreiben vom 22.07.2015 stellte der Antragsteller beim Antragsgegner den Antrag, den Mietrückstand in Höhe von 1.140,00 EUR gemäß § 22 Abs. 8 SGB II zu bewilligen.
Die Bewilligung dieses Darlehens lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 05.08.2015 mit der Begründung ab, Ziel der Übernahme von Mietrückständen sei die Sicherung der Unterkunft, doch sei dem Antragsteller bereits von Seiten des Vermieters eine fristlose oder fristgerechte Kündigung ausgesprochen worden. Der Vermieter sei nicht bereit, diese Kündigung nach Übernahme der Mietschulden zurückzunehmen, so dass die Sicherung der jetzigen Unterkunft dauerhaft nicht möglich sei. Des Weiteren sei die Miete im Rahmen der Gewährung der Kosten für Unterkunft und Heizung in der Vergangenheit vom Antragsgegner übernommen worden und seien somit die entstandenen Mietrückstände selbst verschuldet.
Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein mit der Begründung, er verfüge über keinerlei Schonvermögen. Seine Mutter in Italien sei schwer erkrankt, und er habe die zwei fehlenden Monatsmieten verwandt, um sie im Krankenhaus zu besuchen. Den Vermietern sei angeboten worden, die rückständige Miete durch eine Ratenzahlung in Höhe von 100,00 EUR abzutragen. Diese seien jedoch damit nicht einverstanden gewesen, sondern hätten Räumungsklage erhoben. Sofern der Mietrückstand beglichen werde, werde die Räumungsklage im Hinblick auf die fristlose Kündigung sofort gegenstandslos.
Gleichzeitig hat der Antragsteller am 24.08.2015 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit der bereits im Widerspruchsverfahren abgegebenen Begründung. Ergänzend ist dargelegt worden, er sei schwer erkrankt. Er verfüge über einen Grad der Behinderung von 100 und sei insbesondere auf Grund eines schweren Verkehrsunfalles, den er als junger Mann in Italien erlitten habe, schwer beeinträchtigt. Er könne sich teilweise nur mit Gehhilfen fortbewegen. Auf Grund dieser Tatsache lägen bei ihm erschwerte Bedingungen vor, überhaupt eine neue Wohnung zu finden, da er zum Beispiel nicht in der Lage sei, viele Treppen zu steigen.
Der Antragsgegner hat hierzu vorgetragen, gemäß § 22 Abs. 8 SGB II könnten Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt sei. Sie sollen übernommen werden, wenn sonst Wohnungslosigkeit einzutreten drohe. Die Heilungswirkung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beziehe sich jedoch nicht automatisch auf eine auch wegen Zahlungsverzugs ausgesprochene ordentliche Kündigung, die hier unstreitig neben der außerordentlich ausgesprochenen Kündigung vorliege. Auch werde seitens der Vermieter der Fortsetzung des Mietverhältnisses ausdrücklich widersprochen, so dass auch die Wirkungen des § 545 BGB nicht einträten. Die Vermieterseite sei im Rahmen der Amtsermittlungsplicht angeschrieben worden, ob die ordentliche Kündigungserklärung bei Übernahme der Mietrückstände durch den Antragsgegner zurückgenommen werden würde. Dies sei mit Schreiben vom 31.08.2015 verneint worden. Auch fehlten die Mietzinsen für den Monat August 2015. Da die ordentliche Kündigung aufrecht erhalten bleibe, könne die Sicherung des Wohnraumes auch bei Zahlung der aufgelaufenen Mietschulden nicht erreicht werden. Da zudem auch die Miete für den Monat August geschuldet werde, werde das Recht der außerordentlichen Kündigung erneut gegeben sein. Die Heilungswirkung des § 569 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 BGB komme wegen Satz 2 der genannten Norm dann nicht mehr in Betracht. Zudem werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Antragsteller die Wohnkosten dazu benutzt habe, seine Mutter in Italien zu besuchen. Hierzu würden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus den Monaten Juni bis August 2015 auch von Ärzten aus der Region vorgelegt.
Mit Beschluss vom 28.09.2015 hat das SG den Antrag zurückgewiesen mangels Rechtsschutzbedürfnisses und fehlenden Anordnungsgrundes, da der Antragsteller auf gerichtliche Nachfrage nicht vorgetragen habe, weshalb eine Eilentscheidung seine Situation verbessern würde, und der Vermieter des Antragstellers mitgeteilt habe, die ordentliche Kündigung auch bei teilweiser Nachzahlung der Miete aufrecht zu erhalten.
Hiergegen richtet sich die am 13.10.2015 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Beschwerde mit der Begründung, sofern der Rückstand bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage vom 09.09.2015 befriedigt werde, werde die fristlose Kündigung unwirksam. Dies habe zur Folge, dass der Antragsteller zumindest bis zum 31.10.2015 in der fraglichen Wohnung verbleiben könne. Zudem könne über § 574 BGB zumindest eine zeitlich begrenzte Fortsetzung des Mietvertrages erreicht werden, wenn ein Auszug nach Ablauf der Kündigungsfrist zur besonderen Härte führen würde.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. September 2015 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Mietschulden in Höhe von 1.140,00 EUR für die Wohnung des Antragstellers darlehensweise zu übernehmen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen. Er hat erneut dargelegt, dass neben der fristlosen Kündigung auch die ordentliche Kündigung im Raum stünde. Auch habe der Antragsteller selbst nicht vorgetragen, in der streitgegenständlichen Wohnung verbleiben zu können. Wenn es ihm um eine Verlängerung der Räumungsfrist gehe, werde auf § 721 Zivilprozessordnung (ZPO) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, jedoch nicht begründet, da das SG den Antrag auf Gewährung eines Darlehens zur Begleichung der Mietschulden aus zutreffenden Gründen abgelehnt hat.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. z.B. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 01.08.2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17.08.2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der ZPO). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, sondern in einer Wechselbeziehung, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 11. Aufl., § 86b Rn. 27 m.w.N). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann (Keller a.a.O. Rn. 29 m.w.N.). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 13.10.2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 06.09.2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - jeweils Juris, jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).
Nach diesen Grundsätzen hat das SG im vorliegenden Fall zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Gemäß § 22 Abs. 8 SGB II können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist, sofern Alg II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Im vorliegenden Fall kann bei der im Eilverfahren gebotenen, aber allein möglichen summarischen Prüfung die Gefahr der Wohnungslosigkeit voraussichtlich nicht mehr durch Zahlung der rückständigen Miete abgewendet werden.
Wie sich aus den Akten ergibt, ist dem Antragsteller mit Schreiben vom 08.07.2015 fristlos wegen Zahlungsverzugs, hilfsweise ordentlich bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31.10.2015 gekündigt worden. Weiterhin ergibt sich aus der Verwaltungsakte (Bl. 532), dass die Räumungsklage bereits am 20.07.2015 beim Amtsgericht M. eingegangen ist. Eine Nachfrage des Antragsgegners beim Amtsgericht hat ergeben, dass diese am 24.07.2015 dem Antragsteller zugestellt worden ist. Gemäß § 569 Abs. 3 Ziffer 2 BGB wird eine Kündigung zwar unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete befriedigt wird. Da jedoch die Zwei-Monats-Frist nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs bereits am 24.09.2015 abgelaufen ist, kann die Zahlung der ausstehenden Miete zum jetzigen Zeitpunkt nichts mehr an der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ändern.
Nicht nachvollziehbar ist diesbezüglich, warum der Antragsteller im Beschwerdeverfahren als Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Räumungsklage den 09.09.2015 angegeben hat, zumal noch im erstinstanzlichen Verfahren im Schriftsatz des Antragstellers vom 21.08.2015 von einer Klageschrift der Vermieter vom 16.07.2015 die Rede war. Doch selbst, wenn der 09.09.2015 als zutreffend unterstellt würde, könnte die Wohnungslosigkeit nicht abgewendet werden: Zwar würde die außerordentliche Kündigung gemäß § 569 Abs. 3 Ziffer 2 BGB unwirksam, wenn innerhalb der Zwei-Monats-Frist die ausstehende Miete nachgezahlt würde, doch hat der Vermieter des Antragstellers parallel zur außerordentlichen Kündigung auch die ordentliche Kündigung ausgesprochen und gegenüber dem Antragsgegner auf Nachfrage ausdrücklich ausgeführt (Schreiben vom 31.08.2015, Bl. 32 der SG-Akte), diese Kündigung nicht zurückzunehmen. Die gesetzliche Heilungswirkung des § 569 Abs. 3 Ziffer 2 BGB ist aber - worauf der Antragsgegner zutreffend hingewiesen hat - ausschließlich auf die außerordentliche Kündigung beschränkt (vgl. hierzu Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 16.02.2005, VIII ZR 6/04, Juris; Weidenkaff in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Aufl. 2015, § 569 Rdnr. 17 m.e.N.), so dass der Antragsteller somit zum 31.10.2015 die Wohnung auf Grund der ordentlichen Kündigung räumen muss unabhängig davon, ob seine Mietschulden zu diesem Zeitpunkt beglichen sind oder nicht. Hier kann auch nicht argumentiert werden, die nachträgliche Zahlung der Mietschulden könnte im Rahmen des § 573 Absatz 2 Nr. 1 BGB bei der Prüfung, ob der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, Berücksichtigung finden und dazu führen, dass die ordentliche Kündigung unwirksam ist. Zwar hat der BGH entschieden, dass eine nachträgliche Zahlung des Mieters zu seinen Gunsten berücksichtigt werden kann, weil sie ein etwaiges Fehlverhalten in einem milderen Licht erscheinen lässt (Urteil vom 16.02.2005 a.a.O. m.w.N.). Insofern ist es im Rahmen der Räumungsklage Aufgabe des Amtsgerichts zu prüfen, ob der Antragsteller schuldhaft seine vertraglichen Pflichten gegenüber dem Vermieter verletzt hat, wobei die nachträgliche Zahlung der Mietschulden die Schuld des Klägers mindern kann. Die Möglichkeit, dass das Amtsgericht die nachträgliche Zahlung der Miete im Rahmen des § 573 Absatz 2 Nr. 1 BGB zu Gunsten des Antragstellers berücksichtigen könnte, reicht indes nicht aus, um den Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen, da der Antragsteller vorliegend nicht plausibel dargelegt hat, dass ihn an der Nichtzahlung keine erhebliche Schuld trifft. Er hat zwar vorgetragen, seine kranke Mutter in Italien besucht zu haben, ohne jedoch Einzelheiten über den Besuch zu benennen (z.B. Datum der Hin - und Rückfahrt, genaues Reiseziel) oder Belege über die Kosten (Bahnfahrkarte/Hotelkosten o.ä.) vorzulegen. Eine Ortsabwesenheit wurde nicht genehmigt. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Antragstellers aus Juni und Juli 2015 vorgelegt hat, die von deutschen Ärzten ausgestellt wurden, so dass zum einen schon fraglich ist, ob eine Reise trotz der Arbeitsunfähigkeit überhaupt möglich war, und zum anderen der Aufenthalt in Italien - so er denn stattgefunden hat - jedenfalls nicht sehr lang gewesen sein kann. Insofern ist für den Senat nicht nachvollziehbar, wofür konkret die erhebliche Summe von 1140,- EUR verwendet worden ist. In Anbetracht dessen ist nicht glaubhaft gemacht, dass im Rahmen der Räumungsklage die nachträgliche Zahlung der Mietschulden bei der Prüfung der schuldhaften Pflichtverletzung erheblich ins Gewicht fällt.
Es kann auch nicht argumentiert werden, über § 574 BGB könne bei Begleichung der Mietschulden zumindest eine zeitlich begrenzte Fortsetzung des Mietvertrages erreicht werden. Nach dieser Vorschrift kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt (§ 574 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB). Selbst wenn vorliegend die Räumungsklage, wie der Antragsteller vorträgt, erst am 09.09.2015 zugestellt worden wäre und der Antragsteller binnen der Zwei-Monats-Frist die rückständigen Mietschulden begleichen würde, würde rückwirkend der Vertragsbruch, den § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB sanktionieren will, nicht beseitigt (so auch AG L., Urteil vom 24.05.2012). Einigkeit besteht darüber, dass das Recht zur Fortsetzung des Mietverhältnisses auf Grund Sozialwiderspruchs nur dem vertragstreuen Mieter zusteht (vgl. Häublein in MüKo-BGB, 6. Aufl. 2012, § 574 Rn. 28; Rolfs in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 574 Rn. 20; Hannappel in Beck scher OK-BGB, Stand August 2015, § 574 Rn. 32; Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 574 Rn. 12). Der Antragsteller hat sich aber gerade vertragswidrig verhalten, indem er die rückständige Miete nicht gezahlt hat. Dieses vertragswidrige Verhalten wird nicht dadurch rückwirkend aus der Welt geschafft, dass nunmehr - sofern die Mietschulden doch noch beglichen werden - über die Vorschrift des § 569 Abs. 3 Ziffer 2 BGB die außerordentliche Kündigung unwirksam wird. Insofern kann sich der Antragsteller nicht auf § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB berufen, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt die nachträgliche Begleichung der Mietschulden nichts mehr daran ändert, dass der Antragsteller seine Wohnung verlassen muss.
Da vorliegend somit bei summarischer Prüfung Wohnungslosigkeit auch durch die nachträgliche Begleichung der Mietschulden nicht abgewendet werden kann, war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung eines Darlehens zur Begleichung zweier offener Monatsmieten.
Der 1980 geborene Antragsteller bezieht seit Jahren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seit Dezember 2011 bewohnt der Antragsteller eine Zweizimmerwohnung mit einer Grundmiete von 410 EUR (inkl. Tiefgaragenstellplatz in Höhe von 40 EUR) und Nebenkosten von 160 EUR. Zuletzt wurde ihm mit Bescheid vom 17.04.2015 Arbeitslosengeld II (Alg II) ab Juni bis einschließlich November 2015 in Höhe von monatlich 929,00 EUR bewilligt (Kosten der Unterkunft 370,00 EUR, Nebenkosten 160,00 EUR, Regelbedarf 399,00 EUR).
Nachdem er in den Monaten Juni und Juli die Miete nicht an den Vermieter gezahlt hatte, wurde ihm mit Schreiben vom 08.07.2015 fristlos durch seinen Vermieter gekündigt mit der Aufforderung, die Wohnung bis längstens 15.07.2015 zu räumen. Vorsorglich und hilfsweise werde darüber hinaus die ordentliche Kündigung zum 31.10.2015 erklärt. Am 20.07.2015 wurde vom Vermieter beim Amtsgericht M. am Neckar Klage auf Räumung von Wohnraum eingereicht, wie das Amtsgericht dem Beklagten mitteilte (Schreiben vom 21.07.2015).
Mit Schreiben vom 22.07.2015 stellte der Antragsteller beim Antragsgegner den Antrag, den Mietrückstand in Höhe von 1.140,00 EUR gemäß § 22 Abs. 8 SGB II zu bewilligen.
Die Bewilligung dieses Darlehens lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 05.08.2015 mit der Begründung ab, Ziel der Übernahme von Mietrückständen sei die Sicherung der Unterkunft, doch sei dem Antragsteller bereits von Seiten des Vermieters eine fristlose oder fristgerechte Kündigung ausgesprochen worden. Der Vermieter sei nicht bereit, diese Kündigung nach Übernahme der Mietschulden zurückzunehmen, so dass die Sicherung der jetzigen Unterkunft dauerhaft nicht möglich sei. Des Weiteren sei die Miete im Rahmen der Gewährung der Kosten für Unterkunft und Heizung in der Vergangenheit vom Antragsgegner übernommen worden und seien somit die entstandenen Mietrückstände selbst verschuldet.
Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein mit der Begründung, er verfüge über keinerlei Schonvermögen. Seine Mutter in Italien sei schwer erkrankt, und er habe die zwei fehlenden Monatsmieten verwandt, um sie im Krankenhaus zu besuchen. Den Vermietern sei angeboten worden, die rückständige Miete durch eine Ratenzahlung in Höhe von 100,00 EUR abzutragen. Diese seien jedoch damit nicht einverstanden gewesen, sondern hätten Räumungsklage erhoben. Sofern der Mietrückstand beglichen werde, werde die Räumungsklage im Hinblick auf die fristlose Kündigung sofort gegenstandslos.
Gleichzeitig hat der Antragsteller am 24.08.2015 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit der bereits im Widerspruchsverfahren abgegebenen Begründung. Ergänzend ist dargelegt worden, er sei schwer erkrankt. Er verfüge über einen Grad der Behinderung von 100 und sei insbesondere auf Grund eines schweren Verkehrsunfalles, den er als junger Mann in Italien erlitten habe, schwer beeinträchtigt. Er könne sich teilweise nur mit Gehhilfen fortbewegen. Auf Grund dieser Tatsache lägen bei ihm erschwerte Bedingungen vor, überhaupt eine neue Wohnung zu finden, da er zum Beispiel nicht in der Lage sei, viele Treppen zu steigen.
Der Antragsgegner hat hierzu vorgetragen, gemäß § 22 Abs. 8 SGB II könnten Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt sei. Sie sollen übernommen werden, wenn sonst Wohnungslosigkeit einzutreten drohe. Die Heilungswirkung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beziehe sich jedoch nicht automatisch auf eine auch wegen Zahlungsverzugs ausgesprochene ordentliche Kündigung, die hier unstreitig neben der außerordentlich ausgesprochenen Kündigung vorliege. Auch werde seitens der Vermieter der Fortsetzung des Mietverhältnisses ausdrücklich widersprochen, so dass auch die Wirkungen des § 545 BGB nicht einträten. Die Vermieterseite sei im Rahmen der Amtsermittlungsplicht angeschrieben worden, ob die ordentliche Kündigungserklärung bei Übernahme der Mietrückstände durch den Antragsgegner zurückgenommen werden würde. Dies sei mit Schreiben vom 31.08.2015 verneint worden. Auch fehlten die Mietzinsen für den Monat August 2015. Da die ordentliche Kündigung aufrecht erhalten bleibe, könne die Sicherung des Wohnraumes auch bei Zahlung der aufgelaufenen Mietschulden nicht erreicht werden. Da zudem auch die Miete für den Monat August geschuldet werde, werde das Recht der außerordentlichen Kündigung erneut gegeben sein. Die Heilungswirkung des § 569 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 BGB komme wegen Satz 2 der genannten Norm dann nicht mehr in Betracht. Zudem werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Antragsteller die Wohnkosten dazu benutzt habe, seine Mutter in Italien zu besuchen. Hierzu würden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus den Monaten Juni bis August 2015 auch von Ärzten aus der Region vorgelegt.
Mit Beschluss vom 28.09.2015 hat das SG den Antrag zurückgewiesen mangels Rechtsschutzbedürfnisses und fehlenden Anordnungsgrundes, da der Antragsteller auf gerichtliche Nachfrage nicht vorgetragen habe, weshalb eine Eilentscheidung seine Situation verbessern würde, und der Vermieter des Antragstellers mitgeteilt habe, die ordentliche Kündigung auch bei teilweiser Nachzahlung der Miete aufrecht zu erhalten.
Hiergegen richtet sich die am 13.10.2015 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Beschwerde mit der Begründung, sofern der Rückstand bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage vom 09.09.2015 befriedigt werde, werde die fristlose Kündigung unwirksam. Dies habe zur Folge, dass der Antragsteller zumindest bis zum 31.10.2015 in der fraglichen Wohnung verbleiben könne. Zudem könne über § 574 BGB zumindest eine zeitlich begrenzte Fortsetzung des Mietvertrages erreicht werden, wenn ein Auszug nach Ablauf der Kündigungsfrist zur besonderen Härte führen würde.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. September 2015 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Mietschulden in Höhe von 1.140,00 EUR für die Wohnung des Antragstellers darlehensweise zu übernehmen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen. Er hat erneut dargelegt, dass neben der fristlosen Kündigung auch die ordentliche Kündigung im Raum stünde. Auch habe der Antragsteller selbst nicht vorgetragen, in der streitgegenständlichen Wohnung verbleiben zu können. Wenn es ihm um eine Verlängerung der Räumungsfrist gehe, werde auf § 721 Zivilprozessordnung (ZPO) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, jedoch nicht begründet, da das SG den Antrag auf Gewährung eines Darlehens zur Begleichung der Mietschulden aus zutreffenden Gründen abgelehnt hat.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. z.B. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 01.08.2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17.08.2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der ZPO). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, sondern in einer Wechselbeziehung, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 11. Aufl., § 86b Rn. 27 m.w.N). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann (Keller a.a.O. Rn. 29 m.w.N.). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 13.10.2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 06.09.2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - jeweils Juris, jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).
Nach diesen Grundsätzen hat das SG im vorliegenden Fall zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Gemäß § 22 Abs. 8 SGB II können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist, sofern Alg II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Im vorliegenden Fall kann bei der im Eilverfahren gebotenen, aber allein möglichen summarischen Prüfung die Gefahr der Wohnungslosigkeit voraussichtlich nicht mehr durch Zahlung der rückständigen Miete abgewendet werden.
Wie sich aus den Akten ergibt, ist dem Antragsteller mit Schreiben vom 08.07.2015 fristlos wegen Zahlungsverzugs, hilfsweise ordentlich bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31.10.2015 gekündigt worden. Weiterhin ergibt sich aus der Verwaltungsakte (Bl. 532), dass die Räumungsklage bereits am 20.07.2015 beim Amtsgericht M. eingegangen ist. Eine Nachfrage des Antragsgegners beim Amtsgericht hat ergeben, dass diese am 24.07.2015 dem Antragsteller zugestellt worden ist. Gemäß § 569 Abs. 3 Ziffer 2 BGB wird eine Kündigung zwar unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete befriedigt wird. Da jedoch die Zwei-Monats-Frist nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs bereits am 24.09.2015 abgelaufen ist, kann die Zahlung der ausstehenden Miete zum jetzigen Zeitpunkt nichts mehr an der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ändern.
Nicht nachvollziehbar ist diesbezüglich, warum der Antragsteller im Beschwerdeverfahren als Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Räumungsklage den 09.09.2015 angegeben hat, zumal noch im erstinstanzlichen Verfahren im Schriftsatz des Antragstellers vom 21.08.2015 von einer Klageschrift der Vermieter vom 16.07.2015 die Rede war. Doch selbst, wenn der 09.09.2015 als zutreffend unterstellt würde, könnte die Wohnungslosigkeit nicht abgewendet werden: Zwar würde die außerordentliche Kündigung gemäß § 569 Abs. 3 Ziffer 2 BGB unwirksam, wenn innerhalb der Zwei-Monats-Frist die ausstehende Miete nachgezahlt würde, doch hat der Vermieter des Antragstellers parallel zur außerordentlichen Kündigung auch die ordentliche Kündigung ausgesprochen und gegenüber dem Antragsgegner auf Nachfrage ausdrücklich ausgeführt (Schreiben vom 31.08.2015, Bl. 32 der SG-Akte), diese Kündigung nicht zurückzunehmen. Die gesetzliche Heilungswirkung des § 569 Abs. 3 Ziffer 2 BGB ist aber - worauf der Antragsgegner zutreffend hingewiesen hat - ausschließlich auf die außerordentliche Kündigung beschränkt (vgl. hierzu Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 16.02.2005, VIII ZR 6/04, Juris; Weidenkaff in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Aufl. 2015, § 569 Rdnr. 17 m.e.N.), so dass der Antragsteller somit zum 31.10.2015 die Wohnung auf Grund der ordentlichen Kündigung räumen muss unabhängig davon, ob seine Mietschulden zu diesem Zeitpunkt beglichen sind oder nicht. Hier kann auch nicht argumentiert werden, die nachträgliche Zahlung der Mietschulden könnte im Rahmen des § 573 Absatz 2 Nr. 1 BGB bei der Prüfung, ob der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, Berücksichtigung finden und dazu führen, dass die ordentliche Kündigung unwirksam ist. Zwar hat der BGH entschieden, dass eine nachträgliche Zahlung des Mieters zu seinen Gunsten berücksichtigt werden kann, weil sie ein etwaiges Fehlverhalten in einem milderen Licht erscheinen lässt (Urteil vom 16.02.2005 a.a.O. m.w.N.). Insofern ist es im Rahmen der Räumungsklage Aufgabe des Amtsgerichts zu prüfen, ob der Antragsteller schuldhaft seine vertraglichen Pflichten gegenüber dem Vermieter verletzt hat, wobei die nachträgliche Zahlung der Mietschulden die Schuld des Klägers mindern kann. Die Möglichkeit, dass das Amtsgericht die nachträgliche Zahlung der Miete im Rahmen des § 573 Absatz 2 Nr. 1 BGB zu Gunsten des Antragstellers berücksichtigen könnte, reicht indes nicht aus, um den Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen, da der Antragsteller vorliegend nicht plausibel dargelegt hat, dass ihn an der Nichtzahlung keine erhebliche Schuld trifft. Er hat zwar vorgetragen, seine kranke Mutter in Italien besucht zu haben, ohne jedoch Einzelheiten über den Besuch zu benennen (z.B. Datum der Hin - und Rückfahrt, genaues Reiseziel) oder Belege über die Kosten (Bahnfahrkarte/Hotelkosten o.ä.) vorzulegen. Eine Ortsabwesenheit wurde nicht genehmigt. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Antragstellers aus Juni und Juli 2015 vorgelegt hat, die von deutschen Ärzten ausgestellt wurden, so dass zum einen schon fraglich ist, ob eine Reise trotz der Arbeitsunfähigkeit überhaupt möglich war, und zum anderen der Aufenthalt in Italien - so er denn stattgefunden hat - jedenfalls nicht sehr lang gewesen sein kann. Insofern ist für den Senat nicht nachvollziehbar, wofür konkret die erhebliche Summe von 1140,- EUR verwendet worden ist. In Anbetracht dessen ist nicht glaubhaft gemacht, dass im Rahmen der Räumungsklage die nachträgliche Zahlung der Mietschulden bei der Prüfung der schuldhaften Pflichtverletzung erheblich ins Gewicht fällt.
Es kann auch nicht argumentiert werden, über § 574 BGB könne bei Begleichung der Mietschulden zumindest eine zeitlich begrenzte Fortsetzung des Mietvertrages erreicht werden. Nach dieser Vorschrift kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt (§ 574 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB). Selbst wenn vorliegend die Räumungsklage, wie der Antragsteller vorträgt, erst am 09.09.2015 zugestellt worden wäre und der Antragsteller binnen der Zwei-Monats-Frist die rückständigen Mietschulden begleichen würde, würde rückwirkend der Vertragsbruch, den § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB sanktionieren will, nicht beseitigt (so auch AG L., Urteil vom 24.05.2012). Einigkeit besteht darüber, dass das Recht zur Fortsetzung des Mietverhältnisses auf Grund Sozialwiderspruchs nur dem vertragstreuen Mieter zusteht (vgl. Häublein in MüKo-BGB, 6. Aufl. 2012, § 574 Rn. 28; Rolfs in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 574 Rn. 20; Hannappel in Beck scher OK-BGB, Stand August 2015, § 574 Rn. 32; Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 574 Rn. 12). Der Antragsteller hat sich aber gerade vertragswidrig verhalten, indem er die rückständige Miete nicht gezahlt hat. Dieses vertragswidrige Verhalten wird nicht dadurch rückwirkend aus der Welt geschafft, dass nunmehr - sofern die Mietschulden doch noch beglichen werden - über die Vorschrift des § 569 Abs. 3 Ziffer 2 BGB die außerordentliche Kündigung unwirksam wird. Insofern kann sich der Antragsteller nicht auf § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB berufen, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt die nachträgliche Begleichung der Mietschulden nichts mehr daran ändert, dass der Antragsteller seine Wohnung verlassen muss.
Da vorliegend somit bei summarischer Prüfung Wohnungslosigkeit auch durch die nachträgliche Begleichung der Mietschulden nicht abgewendet werden kann, war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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