S 21 AS 2264/15 ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
21
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 21 AS 2264/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 20. Juli 2015 gegen den Aufhebungsbescheid vom 3. Juli 2015 wird angeordnet.

Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu tragen.

Gründe:

Der Antrag der Antragsteller vom 28. Juli 2015, mit welchem sie sich gegen den Aufhebungsbescheid vom 3. Juli 2015 und damit gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab 1. Juli 2015 wenden bzw. die weitere Leistungsgewährung entsprechend dem Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 8. Juni 2015 (Bewilligungszeitraum April 2015 bis September 2015) begehren, ist erfolgreich.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

Die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes ist vorliegend nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG statthaft. Denn die Antragsteller wenden sich gegen die Aufhebung bereits bewilligter Leistungen nach dem SGB II für die Monate Juli 2015 bis September 2015. Diese hat der Antragsgegner den Antragstellern mit Bescheid vom 8. Juni 2015 bewilligt.

Durch die Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides des Antragsgegners vom 3. Juli 2015 erledigte sich die bescheidlose vorläufige Zahlungseinstellung (Mitteilung des Antragsgegners vom 19. Juni 2015). Da gegen den Bescheid vom 3. Juli 2015 Widerspruch eingelegt wurde, ist das Begehren der Antragsteller insoweit als Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung auszulegen (§ 123 SGG).

Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruchs- und Anfechtungsklage – wie hier – gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Bereits dadurch erreichen die Antragsteller die Weiterzahlung von Leistungen aufgrund des ursprünglichen Bewilligungsbescheides.

Die Rechtmäßigkeit eines Widerspruchs bzw. einer Klage ist dabei anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Dabei ist das private Interesse des Bescheidadressaten an einer Aufschiebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen. Die abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten Vollzugsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung. Entscheidend ist also die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache, wobei eine Entscheidung zugunsten des Bescheidadressaten zu treffen ist, wenn die summarische Prüfung ergibt, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides bestehen. Denn an der sofortigen Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein überwiegendes Vollzugsinteresse. Hingegen überwiegt bei einem offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakt das Vollzugsinteresse, wenn dieser kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist.

Nach der summarischen Prüfung bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Antragsgegners vom 3. Juli 2015.

So liegt im Hinblick auf die angefochtene Aufhebungsentscheidung bereits in formeller Hinsicht ein erheblicher Mangel vor, da der Antragsgegner die Antragsteller vor Erlass der in ihre Rechtsposition eingreifenden Aufhebungsverfügung nicht angehört hat (§ 24 SGB X). Eine Anhörung lässt sich der vorliegenden Verwaltungsakte jedenfalls nicht entnehmen.

In materieller Hinsicht ist der Aufhebungsentscheidung nicht zu entnehmen, von welcher Ermächtigungsgrundlage der Antragsgegner hier ausgegangen sein könnte. Als Grund für die Aufhebung der Entscheidung wurde vom Antragsgegner lediglich aufgeführt, dass die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz den Zusatz umfasse, dass der Lebensunterhalt durch die Verpflichtungserklärung Nr ..., ausgestellt am 18. August 2014, gesichert sei. Es bestehe somit kein Leistungsanspruch nach dem SGB II. Ein Hinweis darauf, dass der Antragsgegner sich überhaupt dessen bewusst war, dass eine solche Entscheidung nur nach §§ 44 ff. SGB X möglich ist, lässt sich dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmen.

Unabhängig davon wird darauf hingewiesen, dass Zweifel an der im angefochtenen Bescheid genannten Rechtsauffassung des Antragsgegners bestehen. Nach diesseitiger Auffassung endet die Wirksamkeit der Verpflichtungserklärung mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Jedenfalls ist die Beurteilung dieser Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt, so dass der Ausgang dieses Streitpunktes jedenfalls als offen zu bezeichnen ist.

Darüber hinaus gibt es im SGB II keinen Ausschlusstatbestand vergleichbar mit § 8 Abs. 1 AsylbLG. Hier käme allenfalls eine "Anrechnung" gemäß § 9 Abs. 1 SGB II in Betracht. Nach dem Wortlaut dieser Norm ist jedoch erforderlich, dass der Hilfebedürftige die Hilfe auch erhält, was angesichts der in der Verwaltungsakte (Bl. 45 VA) vorliegenden Erklärung des Verpflichtungsgebers vom 26. Mai 2015 nicht der Fall sein dürfte.

Bestehen danach, wie vorliegend, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, überwiegt das Aufschubinteresse der Antragsteller gegenüber dem Vollzugsinteresse. Dies umso mehr, da die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende das Existenzminimum absichern.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 3. Juli 2015 war somit anzuordnen. Der Antragsgegner ist daher verpflichtet, den Antragstellern die mit Bewilligungsbescheid vom 8. Juni 2015 bewilligten Leistungen auszuzahlen.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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