L 5 KR 902/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 3061/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 902/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 23.01.2013 zum Aktenzeichen S 8 KR 3061/10 geändert. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Die Berufungen des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts Ulm zu den Aktenzeichen S 8 KR 3061/10 und S 8 KR 1998/11 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Krankengeld über den 02.06.2010 hinaus.

Der 1954 geborene Kläger war bis 28.01.2009 bei der BA als Diplom-Verwaltungswirt beschäftigt gewesen. Ab 29.01.2009 hatte der Kläger Arbeitslosengeld I bezogen. Am 25.06.2009 war Arbeitsunfähigkeit wegen einer schweren depressiven Episode bei rezidivierender depressiver Störung eingetreten, was zunächst zur Gewährung von Krankengeld ab 06.08.2009 mit einem täglichen Zahlbetrag von 47,98 EUR geführt hatte (Bescheid vom 20.08.2009). Rückwirkend ab dem 01.07.2009 wurde dem Kläger aufgrund eines Rentenbescheides der D. vom 22.06.2010 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bewilligt.

Zur Überprüfung der weiteren Arbeitsunfähigkeit veranlasste die Beklagte ein sozialmedizinisches Gutachten durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 25.05.2010. Dr. L. vom MDK diagnostizierte in diesem Gutachten eine noch fortbestehende rezidivierende depressive Störung. Trotz dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen könne der Kläger jedoch wieder leicht strukturierte Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck und ohne vermehrte Verantwortlichkeit vollschichtig verrichten. Dr. L. berücksichtigte in seinem Gutachten die Leistungsbeurteilung des Neurologen und Psychiaters Dr. C., der in einem im Rentenverfahren erstellten Gutachten vom 22.10.2009 ein positives vollschichtiges Leistungsvermögen für klar strukturierte Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck und ohne vermehrte Verantwortlichkeit festgestellt hatte.

Die Beklagte beendete daraufhin mit Bescheid vom 27.05.2010 die Zahlung des gewährten Krankengeldes zum 02.06.2010.

Dagegen erhob der Kläger am 02.06.2010 Widerspruch, zu dessen Begründung er geltend machte, er halte eine Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wegen des in der Verweisungstätigkeit erzielbaren Verdienstes, der unter dem seiner bisherigen Tätigkeit liegen würde, für nicht zumutbar.

Zur Durchführung weiterer medizinischer Ermittlungen im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bat die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 28.06.2010, sich dem MDK zur persönlichen Untersuchung vorzustellen.

Dies lehnte der Kläger mit einem weiteren "Widerspruch" vom 28.06.2010 mit der Begründung ab, es seien keine gesundheitlichen, sondern rechtliche Fragen zu klären. Unstreitig könne er frühere anspruchsvolle Tätigkeiten dauerhaft nicht mehr verrichten, aber noch leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig ausüben. Deshalb habe die D. ihm zwischenzeitlich auch Rente wegen Berufsunfähigkeit bewilligt. Ihm komme es in seinem Widerspruch gegen die Einstellung des Krankengeldes nicht auf die medizinische Seite der Arbeitsunfähigkeit an, sondern darauf, dass das von ihm erzielbare Entgelt nicht den vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Zumutbarkeitsgrenzen zum Entgeltschutz entspreche. Über seinen Widerspruch könne daher ohne erneute Beteiligung des MDK, jedenfalls ohne persönliche sozialmedizinische Untersuchung entschieden werden.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers gegen die Einstellung des Krankengeldes mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2010 zurück. Maßstab der Arbeitsunfähigkeit seien bei Arbeitslosen nach den Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien (AURL) leichte vollschichtige Tätigkeiten, da sich der Kläger hierfür bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend zur Verfügung gestellt habe. Derartige Tätigkeiten könne er nach den getroffenen Feststellungen des MDK verrichten.

Am 01.09.2010 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) (S 8 KR 3061/10), mit der er das Ziel der Weitergewährung von Krankengeld über den 02.06.2010 hinaus weiter verfolgte. Die Krankengeldbewilligung stelle in seinem Fall einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar. Die Beklagte müsse ihm das Krankengeld auf unbestimmte Dauer weitergewähren, da ihr kein Nachweis einer Besserung seiner gesundheitlichen Verhältnisse gelungen sei. Außerdem habe sie es versäumt, die Bewilligung von Krankengeld als Dauerverwaltungsakt nach Maßgabe des § 48 Sozialgesetzbuch Buch (SGB) X aufzuheben.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Gewährung von Krankengeld erfolge nur abschnittsweise.

Das SG zog die den Kläger betreffenden Akten der Agentur für Arbeit R. und der D. bei und holte sachverständige Zeugenauskünfte bei dem Neurologen Dr. D. (Auskunft vom 18.09.2012) sowie bei dem Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. V. (Auskunft vom 11.09.2012) ein. Außerdem zog das Gericht mit - ausdrücklich im Rahmen des Erörterungstermins am 10.08.2012 erklärtem - Einverständnis des Klägers ein für zwei gleichzeitig anhängige Rentenverfahren (S 8 R 1060/11 und S 8 R 2418/11) veranlasstes Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. K. (Gutachten vom 06.05.2012) bei.

Mit Urteil vom 23.01.2013 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 27.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2010 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger über den 02.06.2010 hinaus bis zur Aussteuerung am 08.11.2010 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die zum großen Teil zulässige Klage sei zum Teil begründet. Der Bescheid vom 27.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.08.2010 sei insoweit rechtswidrig, als die Beklagte über den 02.06.2010 hinaus bis zur Aussteuerung am 08.11.2010 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren habe. Die Klage sei unzulässig, soweit die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 20.08.2009 wegen abschnittsweiser Befristung bzw. Feststellung einer unwirksamen Befristung bei fehlendem Vorverfahren beantragt worden sei. Hinsichtlich der beantragten Krankengeldgewährung über den Zeitpunkt der Aussteuerung am 08.11.2010 hinaus ("bis auf Weiteres") sei sie unbegründet. Der Kläger habe Anspruch auf weitere Gewährung von Krankengeld in gesetzlicher Höhe vom 03.06.2010 bis 08.11.2010. Nach § 44 Abs. 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig mache oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt würden. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestehe Anspruch auf Krankengeld für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen (entsprechend 546 Kalendertagen) innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Mit Erreichen der Höchstbezugsdauer von Krankengeld stelle die Krankenkasse grundsätzlich die Zahlung von Krankengeld ein (sog. Aussteuerung). Der Kläger sei vom 03.06.2010 bis 08.11.2010 arbeitsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB V gewesen. Ein - wie der Kläger ab 29.01.2009 - in der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versicherter Arbeitsloser sei arbeitsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wenn er aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage sei, Arbeiten zu verrichten, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt habe. Ohne entgegenstehende Anhaltspunkte sei davon auszugehen, dass sich der Kläger für sämtliche (leichte) Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zur Verfügung gestellt habe. Der Maßstab der Arbeitsunfähigkeit bei dem zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit am 25.06.2009 bereits arbeitslosen Kläger bemesse sich deshalb grundsätzlich allein danach, ob er in der Zeit ab dem 03.06.2010 in der Lage gewesen sei, irgendwelche leichten Tätigkeiten (vollschichtig) zu verrichten oder nicht (vgl. dazu BSG, Urt. v. 04.04.2006 - B 1 KR 21/05 R - in Juris). Sog. qualifizierten Berufsschutz könne der Kläger nicht beanspruchen. Die medizinischen Ermittlungen hätten ergeben, dass der Kläger über den 02.06.2010 hinaus arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Aus den Auskünften der behandelnden Ärzte des Klägers, Dr. D. und Dr. V. ergebe sich für diesen Zeitraum eine schwankende depressive Erkrankung. Während Dr. D. die Frage zur Arbeitsunfähigkeit für leichte Tätigkeiten ausweichend beantwortet habe, habe Dr. V. eine durchgehend unter sechsstündige Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt konstatiert. Bestätigt würden diese Zeugenauskünfte in dem nervenärztlichen Gutachten von Dr. K. vom 06.05.2012 aus den rentenrechtlichen Klageverfahren (S 8 R 1060/11 und S 8 R 2418/11). Er habe eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit vorwiegenden narzisstischen und paranoiden Zügen diagnostiziert. Während der Gutachter mit Blick auf eine im Rentenverfahren streitige Berentung allerdings noch keine quantitative Erwerbsminderung für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes erkannt habe, habe er in schlüssiger und überzeugender Weise festgestellt, dass der Kläger aufgrund seiner psychiatrischen Erkrankung seit 2009 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Erst nach Aufnahme geeigneter psychotherapeutischer Behandlungen, die in dieser Form nicht (mehr) stattgefunden hätten, sei mit einer Besserung der Flexibilität zu rechnen, die dazu führe, dass der Kläger auch wieder vollschichtig am Arbeitsmarkt teilnehmen könne (bei Beachtung bestimmter qualitativer Einschränkungen). Dies bedeute für die vorliegende Frage der Arbeitsunfähigkeit, dass der Kläger über den 02.06.2010 hinaus arbeitsunfähig gewesen sei, nachdem in diesem Zeitraum gerade keine geeignete psychotherapeutische Behandlung erfolgt sei, die zur Stabilisierung seines Leistungsvermögens hätte beitragen können. Damit bestehe ein Anspruch auf die Gewährung von Krankengeld über den 02.06.2010 hinaus. Entgegen der Vorstellung des Klägers stehe ihm das Krankengeld jedoch nicht "bis auf Weiteres« zu, sondern lediglich bis zur Aussteuerung am 08.11.2010. An diesem Tag trete von Gesetzes wegen nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V die sog. "Aussteuerung" ein, da der Kläger am 08.11.2010 unter Berücksichtigung der von der Beklagten mitgeteilten Vorerkrankungszeiten seit 15.12.2008 insgesamt 546 Tage wegen derselben psychiatrischen Erkrankung arbeitsunfähig gewesen sei. Einen längeren Anspruch sehe das Gesetz nicht vor. Auf die Rechtsansicht des Klägers, wonach Krankengeld grundsätzlich unbefristet bewilligt werde und ein einmal entstandener Anspruch von Seiten der Beklagten nur im Wege einer ausdrücklichen Entscheidung nach § 48 SGB X aufzuheben und zu beenden sei, komme es daher nicht an. Das BSG und mit ihm die überwiegende Meinung in der Literatur gingen allerdings bislang von einer grundsätzlich abschnittsweisen und befristeten Bewilligung von Krankengeld aus (vgl. BSG, Urt. v. 13.07.2004 - B 1 KR 39/02 R; BSG, Urt. v. 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 R; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 09.02.2010 - L 11 KR 6029/09 ER-B - jeweils in Juris; aus der Literatur beispielsweise Knittel, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Stand Nov. 2012, § 44 SGB V Rn. 42). Die mit Bescheid vom 22.06.2010 ab 01.07.2009 gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit führe nicht nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V zu einem Ausschluss des Krankengeldes dem Grunde nach, sondern gegebenenfalls zu einer Kürzung des Auszahlungsbetrages auf der Grundlage des § 50 Abs. 2 SGB V.

Bereits am 21.02.2011 hatte der Kläger bei der Beklagten eine Überprüfung des Bescheids vom 27.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2010 nach § 44 SGB X beantragt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.03.2011 ab. Den dagegen vom Kläger am 25.03.2011 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2011 zurück. Auch nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehe kein Anspruch auf Krankengeld über den 02.06.2010 hinaus.

Dagegen erhob der Kläger am 15.06.2011 Klage zum SG (S 8 KR 1998/11).

Mit Urteil vom 23.01.2013 wies das SG diese Klage ab. Die Klage sei unzulässig, da dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis fehle. Derselbe Sachverhalt und dasselbe Klageziel seien Gegenstand des Klageverfahrens S 8 KR 3061/10, auf das sich der Kläger als den leichteren Weg verweisen lassen müsse. Die Klage wäre auch unbegründet, da die Voraussetzung des § 44 SGB X für ein Überprüfungsverfahren, dass der zu überprüfende Verwaltungsakt unanfechtbar geworden sei, bei dem Bescheid der Beklagten vom 27.05.2010 über die Einstellung des Krankengeldes zum 02.06.2010 nicht erfüllt sei, da der Kläger diesen gerade im Rechtsmittelverfahren angegriffen habe.

Die Urteile des SG wurden dem Kläger jeweils am 21.02.2013, das Urteil im Verfahren S 8 KR 3061/10 der Beklagten am 25.02.2013 zugestellt.

Am 28.02.2013 hat zunächst der Kläger gegen beide Urteile Berufung eingelegt. Die Berufung gegen das Urteil im Verfahren S 8 KR 3061/10 wird unter dem Aktenzeichen L 5 KR 902/13, die Berufung im Verfahren S 8 KR 1998/11 ist unter dem Aktenzeichen L 5 KR 903/13 geführt worden. Die Beklagte hat am 19.03.2013 gegen das Urteil im Verfahren S 8 KR 902/13 "Anschlussberufung" eingelegt.

Mit Beschluss vom 25.03.2013 hat der Senat die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen L 5 KR 902/13 verbunden.

Zu Begründung seiner Berufung gegen das Urteil des SG im Verfahren S 8 KR 3061/10 hat der Kläger vorgetragen, es sei nicht nachvollziehbar, wie die Blockfrist berechnet werde und zu welchem Zeitpunkt der maximale Krankengeldbezug von 78 Wochen ablaufe. Die Beklagte habe nicht erläutert, wie sich der Zeitpunkt des 08.11.2010 bestimme. Da zudem die Rentennachzahlung für die Zeit vom 06.08.2009 bis zum 31.05.2010 an die Beklagte geflossen sei, sei die Krankengeldanspruchsdauer für diese Zeit nicht verbraucht. Diese Fragen könnten aber letztlich dahinstehen, weil die Beklagte Krankengeld durch unbefristeten Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bewilligt habe und diese Bewilligung bisher nicht förmlich zurückgenommen oder aufgehoben worden sei. Im Übrigen verwies der Kläger - wie auch im Berufungsverfahren gegen das Urteil des SG zum Aktenzeichen S 8 KR 1998/11 - auf sein bisheriges Vorbringen, an dem er festhalte. Der Kläger hat zur Berufung der Beklagten noch ausgeführt, diese stelle eine "unselbstständige" und von seiner Berufung abhängige Anschlussberufung dar. Sie sei aber nicht begründet, da seine durchgehende Arbeitsunfähigkeit von zwei Ärzten unabhängig voneinander und aufgrund persönlicher Untersuchung festgestellt und vom Gerichtsgutachter im Rentenverfahren bestätigt worden sei. Da der Streitstoff weder von der Beklagten noch vom SG ausreichend aufgearbeitet worden sei, sei der Rechtsstreit in beiden Verfahren an das SG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

1. den Bescheid vom 20.08.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 26.08.2010 aufzuheben, soweit die Krankengeldbewilligung dadurch abschnittsweise befristet ist, hilfsweise festzustellen, dass von diesen Bescheiden und von den einzelnen Krankengeldzahlungen keine wirksame Befristung, auch nicht zum 02.06.2010, ausgeht, sondern Krankengeld durch unbefristeten Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bewilligt wurde, und den Bescheid der Beklagten vom 27.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2010 sowie den Überprüfungsbescheid vom 17.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Krankengeld über den 02.06.2010 hinaus bis auf Weiteres zu gewähren.

2. hilfsweise, den Rechtsstreit an das Sozialgericht Ulm zurückzuverweisen.

3. weiter hilfsweise, den Rechtsstreit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zu vertagen: a. das Gutachten nach § 109 SGG aus dem Parallelverfahren L 5 R 930/13 abzuwarten / beizuziehen und der Beurteilung über die weitere Vorgehensweise zugrunde zu legen,

b. einstweilen Frau A. P., damals D. R., zum Beweis des Klägervortrags zum Fallmanagement der Beklagten im Januar 2009 als Ursache für die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit mit Ablauf des 28.01.2009 als Zeugin zu hören,

c. einstweilen die Arbeitsagentur U. (früher Arbeitsagentur R. 6 ) zur Frage der Verfügbarkeit / Zumutbarkeit und zu Arbeitsangeboten zu hören (BSG-Urteile vom 10.05.2012, B 1 KR 20/11 R, RdNrn. 9 und 10, und vom 04.04.2006, B 1 KR 21/05 R, RdNr. 24),

d. weitere Sachverhaltsfeststellungen von Amts wegen zu treffen (§ 106 SGG) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ab 03.06.2010, möglichst bei Herrn Dr. med. P. W., Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie - Psychoanalyse, Facharzt für Allgemeinmedizin, W., B. / H., I.

4. die Verfahren L 5 KR 902/13 wegen Krankengeld und L 5 R 930/13 wegen Erwerbsminderungsrente mit dem Ziel der einheitlichen Beurteilung der gesundheitlichen Einschränkungen, der Restleistungsfähigkeit und der Auswirkungen hinsichtlich möglicher Tätigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

5. weiter hilfsweise, im Zusammenhang mit dem Parallelverfahren L 5 R 930/13 den Gutachtenauftrag nach § 109 SGG an Herrn Dr. med. P. W. - wie unter 3. c. - zu erweitern um die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ab 03.06.2010.

6. weiter hilfsweise, ein Gutachten nach § 109 SGG des Herrn Dr. med. P. W. - wie unter 3. c. - zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ab 03.06.2010 einzuholen.

7. hilfsweise die Revision zuzulassen.

sowie - sachdienlich gefasst - die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt gefasst,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 23.01.2013 im Verfahren S 8 KR 3061/10 aufzuheben und die Klage abzuweisen und die Berufungen des Klägers zurückzuweisen

Zur Begründung macht sie geltend, das SG sei zu Unrecht von einem Anspruch auf Krankengeld über den 02.06.2010 hinaus bis zur Aussteuerung am 08.11.2010 ausgegangen. Das SG stütze seine medizinische Einschätzung lediglich auf die Angaben der behandelnden Ärzte und auf das Sachverständigengutachten des Dr. K. aus dem Rentenverfahren, das ihr zwar zugestellt worden sei, auf Beschwerde des Klägers aber wieder zurückgefordert worden sei mit der Maßgabe, dass erstellte Kopien umgehend zu vernichten seien. Sie habe daher keine Möglichkeit gehabt, sich zu den gutachterlichen Ausführungen zu äußern. Die behandelnden Ärzte seien in ihren Stellungnahmen bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers von dessen letzter Tätigkeit ausgegangen. Die ihr vorgelegten Gutachten der Agentur für Arbeit und der D. bestätigten in Übereinstimmung mit den Feststellungen des MDK ihre Auffassung, wonach bei dem Kläger kein Krankengeldanspruch über den 02.06.2010 hinaus bestehe, da er nicht mehr arbeitsunfähig gewesen sei, sondern sich der Arbeitsvermittlung für leicht strukturierte Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck und ohne vermehrte Verantwortung vollschichtig zur Verfügung gestellt habe. Auf den Hinweis des Senats, dass der Beklagten im Parallelverfahren S 8 KR 1547/11, in dem es um die Bewilligung von Psychotherapiesitzungen gegangen sei, das Gutachten des Dr. K. nach Erteilung der Zustimmung des Klägers zur Kenntnis übersandt worden sei und zu einem Anerkenntnis der Beklagten geführt habe, hat die Beklagte ergänzend ausgeführt, auch in Kenntnis dieses Gutachtens bleibe sie bei ihrer Auffassung, da die Gewährung weiterer Psychotherapiesitzungen keine Arbeitsunfähigkeit begründe. Bezüglich der Berufung des Klägers gegen das Urteil im Verfahren S 8 KR 1998/11 verweist sie auf ihr Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG zu den Verfahren S 8 KR 3061/10, S 8 KR 1988/11 und S 8 KR 1547/11 sowie auf die Berufungsakten des Senats zu den Verfahren L 5 KR 902/13 und L 5 KR 903/13 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen des Klägers sind gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig. Die Berufung der Beklagten ist als selbstständige Anschlussberufung nach § 202 SGG in Verbindung mit § 524 Zivilprozessordnung (ZPO) statthaft und zulässig. Sie ist innerhalb der Frist des § 151 Abs. 1 SGG erhoben worden, da das Urteil des SG am 20.02.2013 an die Beklagte zur Zustellung zur Post gegeben worden ist. Mit der am 19.03.2013 beim Landessozialgericht (LSG) per Telefax eingegangenen Berufung hat die Beklagte damit die Monatsfrist des § 151 Abs. 1 SGG eingehalten.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, die Berufungen des Klägers sind hingegen unbegründet. Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht mit Bescheid vom 27.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2010 weiteres Krankengeld über den 02.06.2010 hinaus versagt. Der Kläger war nach dem 02.06.2010 nicht mehr arbeitsunfähig und hatte deshalb keinen Anspruch auf weiteres Krankengeld über den 02.06.2010 hinaus. Das SG hätte der Klage im Verfahren S 8 KR 3061/10 nicht teilweise stattgeben dürfen (I.) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG in diesem Verfahren ist deshalb unbegründet (II.). Seine Berufung gegen das Urteil des SG im Verfahren S 8 KR 1998/11 ist ebenfalls unbegründet, weil die Beklagte seinen Überprüfungsantrag zu Recht mit Bescheid vom 17.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2011 abgelehnt hat (III.).

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Krankengeld über den 02.06.2010 hinaus bis zur Aussteuerung am 08.11.2010, da er jedenfalls nach dem 02.06.2010 nicht mehr arbeitsunfähig war.

1.) Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Krankengeld sind die §§ 44 ff. SGB V. Nach § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an (§ 46 Satz 1 Nr. 1 SGB X), im Übrigen nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V - in der hier noch maßgeblichen Gesetzesfassung - von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Versicherte erhalten Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des (BSG) bestimmt allein das bei Entstehen eines Krankengeldanspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krankengeld hat (vgl. BSG, Urteile vom 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R und vom 02.11.2007 B 1 KR 38/06 R, beide in juris).

Bei Personen, bei denen Arbeitsunfähigkeit als die maßgebliche Voraussetzung für den Krankengeldanspruch erst während der Versicherung in der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V eintritt, ist für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit der Status als Arbeitsloser maßgeblich (stRspr., vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 21/05 R -, in juris m.w.N.). Ein in der KVdA versicherter Arbeitsloser ist arbeitsunfähig i.S. von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wenn er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, Arbeiten zu verrichten, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat. Entscheidend für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsloser sind im Grundsatz alle Arbeiten, die dem Versicherten arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind; insoweit ist die Zumutbarkeit auch krankenversicherungsrechtlich an § 121 Abs. 3 SGB III zu messen (BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 R -, in juris). Danach hängt die Zumutbarkeit vom Umfang der Einkommenseinbußen ab, die mit einer Arbeitsaufnahme verbunden wären: In den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit ist dem Arbeitslosen eine Minderung um mehr als 20 v.H. und in den folgenden drei Monaten um mehr als 30 v.H. des der Bemessung seines dem Arbeitslosengeld zu Grunde liegenden Arbeitsentgelts unzumutbar. Vom siebten Monat der Arbeitslosigkeit an ist dem Arbeitslosen eine Beschäftigung nur dann nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Nettoarbeitsentgelt unter Berücksichtigung der mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen niedriger ist als das Arbeitslosengeld. Nicht nur ab dem siebten Monat der Arbeitslosigkeit, sondern schon in den ersten sechs Monaten der Arbeitslosigkeit sind Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit damit alle Beschäftigungen, für die sich der Versicherte der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat und die ihm arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind. Einen darüber hinausgehenden besonderen krankenversicherungsrechtlichen Berufsschutz gibt es (auch in den ersten sechs Monaten der Arbeitslosigkeit) nicht. Hat die Arbeitsverwaltung dem Arbeitslosen ein konkretes Arbeitsangebot nicht unterbreitet, liegt krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vor, wenn der Arbeitslose gesundheitlich nicht (mehr) in der Lage ist, auch leichte Arbeiten in einem Umfang (z.B. vollschichtig) zu verrichten, für die er sich zuvor zwecks Erlangung des ALG-Anspruchs der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hat. Ist der Arbeitslose zwar nicht mehr in der Lage, mittelschwere oder schwere, wohl aber noch leichte Arbeiten zu verrichten, beseitigt dies seine objektive Verfügbarkeit nicht. Abstrakter Ermittlungen, welche Arbeiten dem krankheitsbedingt leistungsgeminderten Arbeitslosen nach § 121 Abs. 3 SGB III finanziell zumutbar sind, bedarf es nicht. Die Beklagte darf im Regelfall davon ausgehen, dass sich der Arbeitslose der Arbeitsverwaltung auch für leichte Arbeiten zur Verfügung gestellt hat (zum Ganzen BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 21/05 R -, a.a.O.).

Der Kläger war auf Grund des Bezugs von Arbeitslosengeld I gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ab 29.01.2009 in der KVdA versicherungspflichtig und erst am 25.06.2009 arbeitsunfähig erkrankt, so dass maßgebliches Versicherungspflichtverhältnis die KVdA ist. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der Kläger jedenfalls für leichte Tätigkeiten in vollem Umfang der Vermittlung zur Verfügung gestellt hat, so dass es darauf ankommt, ob der Kläger in dem hier streitigen Zeitraum ab dem 02.06.2010 solche Tätigkeiten (wieder) verrichten konnte.

2.) Diesen Maßstab zugrunde gelegt war der Kläger entgegen der Auffassung des SG über den 02.06.2010 hinaus nicht arbeitsunfähig, da er im streitgegenständlichen Zeitraum wieder in der Lage war, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig auszuüben.

Dies entspricht insbesondere der eigenen Einschätzung des Klägers. Dieser hat im Widerspruchsverfahren gegenüber der Beklagten selbst eingeräumt, noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten zu können, und damit weitere medizinische Ermittlungen durch die Beklagte verhindert. Der Kläger hat sich mit Schreiben vom 28.06.2010 gegen die von der Beklagten vorgesehene persönliche Untersuchung beim MDK gewandt und diese ausdrücklich mit der Begründung abgelehnt, es sei unstreitig, dass er frühere anspruchsvolle Tätigkeiten dauerhaft nicht mehr verrichten könne, aber noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig ausüben könne, was durch die Feststellung von teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit durch die D. im Rentenverfahren bestätigt worden sei.

Aus den Akten ergeben sich für den Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Einschätzung des Klägers unzutreffend sein könnte. Dr. L. hat in dem sozialmedizinischen Gutachten des MDK vom 25.05.2010 festgestellt, dass dem Kläger leicht strukturierte Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck und ohne vermehrte Verantwortung vollschichtig möglich sind. Dr. L. hat seine Einschätzung maßgeblich auf der Grundlage des im Rentenverfahren eingeholten Gutachtens des Neurologen und Psychiaters Dr. C. vom 22.10.2009 getroffen, der dargelegt hatte, dass dem Kläger zwar seine letzte Tätigkeit als Dipl. Verwaltungswirt nicht mehr zumutbar sei, er klar strukturierte Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck und ohne vermehrte Verantwortlichkeit jedoch noch vollschichtig ausüben könne. Auch aus dem Gutachten des Dr. K. ergibt sich - entgegen der Auffassung des SG - keine andere Einschätzung. Dr. K. hat in seinem Gutachten vom 06.05.2012 Tätigkeiten ohne Stressbelastung und Zeitdruck, ohne regelmäßigen Kundenverkehr und ohne erhöhte Fähigkeit an die Teamfähigkeit im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich als zumutbar angesehen. Dies hat er sowohl zu der vom Gericht formulierten Fragestellung angegeben, als auch zu der vom Kläger selbst modifiziert formulierten Fragestellung, wonach ausdrücklich auch die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, die Belastbarkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz, das Konzentrationsvermögen und die geistige Beweglichkeit zu berücksichtigen seien, in gleicher Weise angenommen. Er hat - anders als es das SG offenbar verstanden hat - das so beschriebene Leistungsbild auch nicht von der Durchführung einer psychotherapeutischer Behandlung abhängig gemacht. Dr. K. hat lediglich auf die Frage nach einer zu erwartenden Besserung in dem Gesundheitszustand des Klägers ausgeführt, er halte "bei Wiederaufnahme der Psychotherapie eine Stabilisierung des Leistungsvermögens im Sinne des oben genannten Leistungsbildes" für erreichbar. Dr. K. stellt daher das von ihm beschriebene Leistungsbild als solches nicht Frage, sondern prognostiziert lediglich eine Stabilisierung bei Weiterführung der Psychotherapie. Seine Äußerung ist auch nur vor dem Hintergrund zu verstehen, dass zum Zeitpunkt der Begutachtung im Mai 2012 Psychotherapie nicht stattfand, während in der streitigen Zeit nach dem 02.06.2010 durchgehend Psychotherapiesitzungen als Gruppensitzungen durchgeführt worden waren. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus den Aussagen des behandelnden Psychotherapeuten Dr. V., der in den im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Stellungnahmen und Berichten die durchgehende psychotherapeutische Behandlung des Klägers mehrfach beschreibt. In der Stellungnahme vom 31.08.2011 an das SG (zum Verfahren S 8 KR 1547/11) berichtet Dr. V. ausdrücklich davon, dass der Kläger an einer Gruppentherapie teilgenommen hat, die bis Sommer 2010 in einem wöchentlichen Setting zu 100 Minuten, danach in 14-tägigem Setting stattgefunden habe. Dass diese Therapie auch durchgehend seit Januar 2009 durchgeführt wurde, ergibt sich aus dem Bericht des Dr. V. vom 22.09.2010 an die D ... Die Annahme des SG, Dr. K. habe ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten nicht angenommen, sondern nur unter Durchführung einer Psychotherapie als gegeben erachtet, trifft daher nicht zu. Dem Gutachten von Dr. K. ist auch keine qualitative Aussage zur Arbeitsunfähigkeit des Klägers seit 2009 zu entnehmen. Dr. K. greift bei der Frage nach dem Beginn der von ihm festgestellten (lediglich qualitativen) Leistungseinschränkungen die Feststellung auf, dass der Kläger seit 2009 durchgehend arbeitsunfähig sei, weshalb er, der Gutachter, mit diesem Zeitpunkt auch das Eintreten des Leistungsvermögens sehe. Diese Aussage ist nicht als qualitative Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit zu verstehen, sondern lediglich als Anknüpfung an die durchgehende Attestierung der Arbeitsunfähigkeit. In seinem Gutachten für das Rentenverfahren hatte er die Arbeitsunfähigkeit nicht zu beurteilen, so dass er das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit nur aus dem Sachverhalt übernommen hat, ohne selbst eine inhaltliche Prüfung hierzu vorgenommen zu haben. Eine gutachterliche Feststellung zur Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab 2009 ist seinem Gutachten daher - anders als es das SG gesehen hat - nicht zu entnehmen.

Der Senat hatte keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen. Auch den vom Kläger mit Schriftsatz vom 13.10.2015, eingegangen beim LSG am 16.10.2015, hilfsweise gestellten Anträgen zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts war nicht nachzugehen.

Die Beiziehung eines im Erwerbsminderungsrentenverfahren (Berufungsverfahren L 5 R 930/13) beantragten Gutachtens nach § 109 SGG zur Frage der Erwerbsminderung (auch für den hier streitgegenständlichen Zeitraum) (Antrag 3.a.) führt nicht weiter, weil das Ergebnis eines solchen Gutachtens den hier verfolgten Krankengeldanspruch nicht tragen kann. Sofern das Gutachten die Frage der vollen Erwerbsminderung verneinen sollte, weil dem Kläger leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch vollschichtig zumutbar sind, wäre eine Arbeitsunfähigkeit damit nicht nachgewiesen. Sollte das Gutachten hingegen den Nachweis voller Erwerbsminderung erbringen, weil dem Kläger auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch unter drei Stunden zumutbar gewesen sind, so würde dies zu einem Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung führen, die nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V einem Krankengeldanspruch für den gleichen Zeitraum entgegenstehen würde.

Soweit der Kläger die Vernehmung der Frau P. (Mitarbeiterin der Beklagten) zur Ursache für die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit mit Ablauf des 28.01.2009 beantragt hat (Antrag 3.b.), betrifft dies den vorliegenden Sachverhalt nicht, da es im vorliegenden Fall um die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit zum 02.06.2010 geht.

Der Antrag auf Anhörung der Arbeitsagentur U. zur Frage der Verfügbarkeit/Zumutbarkeit und zu Arbeitsangeboten (Antrag 3.c.) ist zu unbestimmt gefasst, so dass der Senat dem nicht nachzugehen hat. Weitere Sachverhaltsfeststellungen von Amts wegen (Antrag 3.d.) hält der Senat nicht für erforderlich.

Soweit der Kläger die Verbindung des vorliegenden Verfahrens mit dem anhängigen Rentenverfahren angeregt hat (Antrag Ziff. 4), hält der Senat dies nicht für sachdienlich.

Eine Erweiterung des Gutachtenauftrags nach § 109 SGG aus dem Erwerbsminderungsrentenverfahren an den dort benannten Gutachter um die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit (Antrag Ziff. 5) kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil ein Gutachtenauftrag dort noch nicht erteilt worden ist. Darüber hinaus hätte die Erweiterung des Gutachtensauftrags um diese Frage auch zur Folge, dass über dieses Gutachten im Rentenverfahren auch in diesem Verfahren zumindest zu einer Frage ein Gutachten nach § 109 SGG eingeholt würde, obwohl ein Gutachten nach § 109 SGG in diesem Verfahren - wie noch ausgeführt wird - verspätet wäre.

Auch der weitere Hilfsantrag, nach § 109 SGG ein Gutachten bei Dr. W. zur Frage der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab dem 03.06.2010 (Antrag Ziff. 6) einzuholen, war abzulehnen. Nach § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen solchen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Dies ist vorliegend der Fall. Die Einholung des beantragten Gutachtens hätte die Erledigung des Rechtsstreits verzögert. Musste der Kläger erkennen, dass das Gericht von Amts wegen nicht weiter ermittelt, liegt grobe Nachlässigkeit vor, wenn der Antrag nicht in angemessener Frist, sondern erst unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung gestellt wird (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Auflage, § 109, Rz. 11; BSG, Urteil vom 10.12.1958 - 4 RJ 143/58 - in juris). So liegt der Fall hier. Der Senat hat mit seiner am 24.09.2015 erfolgten Ladung zur am 21.10.2015 stattfindenden mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, dass er von Amts wegen keine weiteren Gutachten einholen werde. Der erst am 16.10.2015 eingegangene Antrag des Klägers ist somit verspätet.

Es bestand für den Senat keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen, so dass auch eine Zurückverweisung an das SG nicht in Betracht kam (§ 159 SGG).

II.

Da Arbeitsunfähigkeit über den 02.06.2010 mithin nicht festgestellt werden kann, besteht auch kein Anspruch auf Krankengeld über den 08.11.2010 hinaus. Auf die vom Kläger in seiner Berufung erneut vertretene Rechtsauffassung, Krankengeld werde durch unbefristeten Dauerverwaltungsakt bewilligt und diese Bewilligung sei bisher nicht förmlich zurückgenommen oder aufgehoben worden, so dass ihm auch über den 08.11.2010 hinaus Krankengeld bis auf weiteres zustehe, kommt es deshalb nicht an. Lediglich ergänzend weist der Senat noch darauf hin, dass das BSG weiterhin in ständiger Rechtsprechung von einer abschnittsweisen Bewilligung des Krankengeldes ausgeht (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 25/14 R -, in juris m.w. N.). Keinesfalls kann ein Anspruch auf Krankengeld aber über den gesetzlich vorgesehenen maximalen Bezugszeitraum von 78 Wochen hinaus bestehen. Ob die Beklagte den Zeitpunkt der Aussteuerung zutreffend berechnet hat, bedarf keiner weiteren Prüfung, da der Kläger - wie dargelegt - keinen über den 02.06.2010 hinausgehenden Krankgeldanspruch hat, so dass es auf das Ende der Aussteuerung nicht ankommt.

III.

Soweit der Kläger im Rahmen des Überprüfungsverfahrens die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 27.05.2010 beantragt hatte, und dieses Überprüfungsbegehren im Berufungsverfahren noch weiter verfolgt, kann er auch auf diesem Wege keinen weitergehenden Anspruch auf Krankengeld durchsetzen. Denn für sein Überprüfungsverfahren, eingeleitet mit dem Antrag vom 01.02.2011, fehlte es von vorneherein an einem Rechtsschutzinteresse, da der zur Überprüfung gestellte Bescheid vom 27.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2010 am 01.02.2011 nicht bestandskräftig, sondern Gegenstand des Klageverfahrens S 8 KR 3061/10 war. Der Kläger muss sich daher auf die Überprüfung des Bescheides im Rechtsmittelverfahren verweisen lassen. Das SG hat seine Klage im Verfahren S 8 KR 1998/11 daher zu Recht als unzulässig mangels Rechtsschutzbedürfnis zurückgewiesen.

IV.

Die Berufungen des Klägers gegen die Urteile des SG bleiben deshalb ohne Erfolg.

Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des SG im Verfahren S 8 KR 3061/10 abzuändern und die Klage in vollem Umfang anzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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