L 9 KR 69/12 KL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 69/12 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 27/15 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen steht ein (gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer) Beurteilungsspielraum zu, welche Dienstleistungen er in die Kalkulation des Festbetrags für bestimmte Hilfsmittel (hier: Hörhilfen) einbezieht und wie er den daraus resultierenden Dienstleistungsanteil berechnet.
2. § 35 Abs. 5 SGB V ist im Hilfsmittelbereich insgesamt entsprechend anzuwenden. Daher ist auch bei der Festsetzung eines Festbetrags für bestimmte Hilfsmittel ein unteres Preisdrittel zu bilden.
3. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen darf die technischen Anforderungen an ein Hilfsmittel, für das er einen Festbetrag festsetzen will, nicht abweichend von den technischen Anforderungen, die er in seinem Hilfsmittelverzeichnis für die entsprechende Hilfsmittelgruppe formuliert hat, festlegen.
4. Leistungserbringer im Hilfsmittelbereich können die Festsetzung von Festbeträgen für bestimmte Hilfsmittel anfechten, wenn sie in durch § 127 SGB V eingeräumten, subjektiven Rechten verletzt werden.
5. Bei der Anfechtung einer Festbetragsfestsetzung sind alle Veränderungen der Sach- und Rechtslage bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu berücksichtigen.
Bemerkung
BSG: Revision zurückgenommen
Der Beschluss des Beklagten vom 12. Dezember 2011 wird insoweit teilweise aufgehoben, als für die Zeit vom 1. März 2012 bis zum 30. Juni 2014 ein Festbetrag von weniger als 846,86 Euro festgesetzt wurde. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte zu 1/10 und die Klägerinnen gesamtschuldnerisch zu 9/10. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerinnen wenden sich gegen einen vom Beklagten festgesetzten Festbetrag.

Der beklagte Spitzenverband Bund der Krankenkassen (Eigenbezeichnung: GKV-Spit-zenverband) beschloss am 12. Dezember 2011 folgendes "Festbetragsgruppensystem für Hörhilfen", welches am 1. Februar 2012 im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde und am 1. März 2012 in Kraft trat:

I. Allgemeine Erläuterungen zum Festbetragsgruppensystem und zu den Festbeträgen

Der GKV-Spitzenverband bestimmt gemäß § 36 Abs. 1 SGB V Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Die Festbeträge für Hörhilfen wurden mit Wirkung vom 1. Januar 2005 auf der Bundesebene durch die ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen festgesetzt und zum 1. Januar 2007 angepasst. Sie gelten bis zur Festsetzung von neuen Festbeträgen durch den GKV-Spitzenverband unverändert weiter.

Für die Versorgung von an Taubheit grenzenden Patienten wird eine neue Abrechnungsposition gebildet. Der neue Festbetrag tritt am 1. März 2012 in Kraft. Maßgeblich für die Anwendung des neuen Festbetrages ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung. Für das Festbetragsgruppensystem gelten die medizinischen, technischen und sonstigen Anforderungen der Produktgruppe 13 "Hörhilfen" des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 SGB V.

Der Festbetrag umfasst sämtliche Leistungen, die im Zusammenhang mit der Abgabe der Produkte entstehen. Ausgenommen hiervon sind Kosten, für die bereits separate Festbeträge existieren (zum Beispiel Ohrpassstücke). Der Festbetrag wird jeweils für eine Hörhilfe in einfacher Stückzahl festgelegt. Bei dem Festbetrag für an Taubheit grenzende Versicherte handelt es sich um einen Nettobetrag. Der Festbetrag gilt für die Versorgung von Erwachsenen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr.

Mit dem Festbetrag sind im Einzelnen folgende Leistungen abgegolten, die mit der Bereitstellung der Produkte an den Versicherten entstehen: • Anamnese, Daten zur Schwerhörigkeit, Erfassung der sozialen Umfeldsituation, Dokumentation durch den Hörgeräteakustiker • Betrachtung der äußeren Ohren, der Gehörgänge und der Trommelfelle • Ermittlung der Kenndaten, Audiometrie • Kontrollotoskopie • Gehörgangstamponade • Kontrollotoskopie • Voreinstellung der ausgewählten Geräte, Geräteeinstellung z.B. PC, AGC, Frequenzen, Kanaligkeit etc. • Filter im Hörkanal (Einstellung) • Rückkoppelungsmanagement (Einstellung) • Störgeräuschunterdrückende Software • Hörprogrammanpassung • Mehrmikrofontechnik-Anpassung • Vergleichende Hörgeräteanpassung • Toleranztest • Erste Einweisung im Rahmen der Hörgeräteauslieferung, Bedienung und Handhabung • Rezeptabrechnung

Die Definition der an Taubheit grenzenden Patienten erfolgt auf der Basis der WHO-Definition von 2001Table of grades of hearing impairment (Tonaudiogramm). Hörgeräte, die für die Versorgung von an Taubheit grenzenden Patienten abgegeben werden, müssen über folgende Features verfügen: • Digitaltechnik • Mehrkanaligkeit (mindestens 4 Kanäle) • Rückkoppelungs- und Störschallunterdrückung • Mindestens 3 Hörprogramme • Verstärkungsleistung &8805; 75 dB

Der GKV-Spitzenverband setzt gemäß § 36 Abs. 2 SGB V folgenden Festbetrag für die Versorgung von an Taubheit grenzenden Versicherten fest:

II. Festbeträge für Hörhilfen

Positionsnummer Bezeichnung Festbetrag

13.20.10 Hörgerät für an Taubheit grenzende Versicherte 786,86 EUR 13.99.99.1006 Abschlag in EUR für das zweite Hörgerät (13.20.10) bei beidohriger (binauraler) Versorgung 157,37 EUR

Dem ging Folgendes voraus: Mit Wirkung zum 1. Januar 2005 setzten die damaligen Spitzenverbände der Krankenkassen erstmals bundesweit geltende Festbeträge für Hörhilfen fest (Beschluss vom 1. Dezember 2004), für ein- und mehrkanalige Hinter-dem-Ohr-(HdO-) und Im-Ohr-(IO-)Gerä¬te (mit und ohne AGC [Automatic Gain Control = automatische Verstärkungsregelung]) auf 421,28 Euro je Gerät. Der Beschluss der Spitzenverbände vom 23. Oktober 2006 änderte hieran nichts. Aufgrund des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. Dezember 2009 (Az.: B 3 KR 20/08 R), dem der Kostenerstattungsantrag einer Versicherten mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit zugrunde lag, gelangte der Beklagte zum Schluss, dass das bisherige Festbetragssystem und der einheitliche Festbetrag für Hörhilfen für Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit unzureichend seien. Er erfragte bei zahlreichen Herstellern die Abgabepreise für von ihnen produzierten Hörgeräte mit den im o.g. Beschluss genannten technischen Anforderungen (Schreiben vom 2. Juni 2010). Nach Eingang der Antworten – nicht alle angeschriebenen Hersteller reagierten auf die Anfrage – wählte der Beklagte 37 der erfragten Hörgeräte aus, ordnete sie nach der Preishöhe und ging davon aus, dass das untere Preisdrittel bei 485.- Euro ende. Zusätzlich berücksichtigte er bei der Kalkulation der Festbeträge auch einen zwischen den Beteiligten unstreitigen Festrabatt von 10 % sowie einen Dienstleistungsanteil, dem er eine Arbeitszeit von 254,50 Minuten und einen Stundenverrechnungssatz von 45,50 Euro zugrunde legte; diesen Wert entnahm er der von der Handwerkskammer Region Stuttgart herausgegebenen Broschüre "Wie viel kostet eine Handwerkerstunde?" (Stand: Februar 2010). Am 12. Mai 2011, veröffentlicht im Bundesanzeiger am 26. Mai 2011, machte der Beklagte das Stellungnahmeverfahren "zur Festsetzung von Festbeträgen für Hörhilfen für an Taubheit grenzende Schwer¬hö¬rige zum geänderten Festbetragsgruppensystem für Hörhilfen" bekannt. In der Folgezeit nahmen u.a. die Bundesinnung der Hörgeräteakustiker (biha) und der Bundesverband der Hörgeräteindustrie e.V. Stellung (Schreiben vom 17. Juni 2011). Die biha verwies bezüglich der erforderlichen Arbeitszeit auf ihre Angaben in einem früheren Stellungnahmeverfahren (Schreiben vom 18. Oktober 2004), wonach bei erwachsenen Schwerhörigen über die gesamte Versorgungslaufzeit von 6 Jahren ein Arbeitsaufwand von 1.146 Minuten (19,12 Stunden) entstehe. Ferner machte sie geltend, technische Vorgaben wie Mehrmikrofontechnik, Mehrkanaligkeit (mindestens 4 Kanäle), mindestens 3 Hörprogramme, Verstärkungsleistung &8805; 75 dB und Filter im Hörkanal ließen sich dem o.g. Urteil des BSG nicht entnehmen. Daraufhin ging der Beklagte bei seiner Kalkulation von einem Arbeitsaufwand von 461 Minuten (1.146 Minuten abzüglich der mit der Nachbetreuung nach den Angaben der biha verbundenen 685 Minuten) aus.

Am 10. Juli 2013 hat der Beklagte nach Durchführung eines neuen Stellungnahmeverfahrens mit Wirkung zum 1. November 2013 folgenden weiteren Beschluss gefasst:

I. Festbetragsgruppensystem

Der GKV-Spitzenverband bestimmt gemäß § 36 Abs. 1 SGB V Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Dabei sollen unter Berücksichtigung des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 SGB V in ihrer Funktion gleichartige und gleichwertige Mittel in Gruppen zusammengefasst und die Einzelheiten der Versorgung festgelegt werden.

Für die Versorgung von schwerhörigen Versicherten mit Ausnahme der an Taubheit grenzenden schwerhörigen Versicherten wird eine neue Festbetragsgruppe gebildet.

Hörgeräte, die für schwerhörige Versicherte, ausgenommen für an Taubheit grenzend schwerhörige Versicherte, abgegeben werden, müssen über folgende Features verfügen: - Digitaltechnik - Mehrkanaligkeit (mindestens 4 Kanäle) - Rückkoppelungs- und Störschallunterdrückung - Mindestens 3 Hörprogramme - Verstärkungsleistung ( 75 dB

Mit dem Festbetrag sind im Einzelnen folgende Leistungen abgegolten, die mit der Bereitstellung der Produkte an den Versicherten und bei dessen Versorgung grundsätzlich erforderlich sind: - Anamnese, Erfassung der sozialen Umfeldsituation - Otoskopie im Rahmen der Statuserhebung (Betrachtung der äußeren Ohren, Gehörgänge und Trommelfelle) - Erhebung der Ton- und Sprachaudiometrie - Vorauswahl geeigneter Hörgeräte - Voreinstellung der ausgewählten Geräte entsprechend dem individuellen Hörverlust, z. B. Peak Clipping, Frequenzen, Kanaligkeit, Rückkopplungsmanagement, Störgeräuschunterdrückung [mittels Software und/oder Hardware (z. B. Mehrmikrofontechnik)], Hörprogrammanpassung - Vergleichende Hörgeräteanpassung - Toleranztest - Einweisung in die Bedienung und Handhabung - Feinanpassung - Dokumentation durch den Hörgeräteakustiker, auch der Messergebnisse im Störschall - Rezeptabrechnung

II. Festbeträge

Der Festbetrag wird jeweils für eine Hörhilfe in einfacher Stückzahl festgelegt. Bei dem Festbetrag handelt es sich um einen Nettobetrag. Der Festbetrag gilt für die Versorgung von Erwachsenen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr.

Der neue Festbetrag tritt am 1. November 2013 in Kraft. Bis dahin gelten die mit Wirkung vom 1. Januar 2005 auf der Bundesebene durch die ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen festgesetzten und zum 1. Januar 2007 angepassten Festbeträge zu den Festbetragsgruppen 13.20.01, 13.20.02, 13.20.03, 13.99.99.1002, 13.99.99.1003 und 13.99.99.1004 unverändert weiter und verlieren anschließend ihre Gültigkeit. Maßgeblich für die Anwendung des neuen Festbetrages ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung.

Der GKV-Spitzenverband setzt gemäß § 36 Abs. 2 SGB V folgenden Festbetrag für die Versorgung von schwerhörigen Versicherten mit Ausnahme der an Taubheit grenzenden schwerhörigen Versicherten fest:

III. Festbetragsgruppen und Festbetrag

Festbetragsgruppe (Positionsnummer) Bezeichnung Festbetrag

13.20.12 Hörgerät für schwerhörige Versicherte, ausgenommen für an Taubheit grenzend schwerhörige Versicherte 733,59 EUR 13.99.99.1007 Abschlag in EUR für das zweite Hörgerät (13.20.12) bei beidohriger (binauraler) Versorgung 146,72 EUR

Dieser Beschluss wird u.a. von drei Versicherten vor dem 1. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg mit einer Klage angefochten (Az.: L 1 KR 241/13 KL), über die noch nicht entschieden ist.

Die Klägerin zu 1) ist die biha, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Klägerin zu 2) ist eine GmbH, die unter anderem Leistungen des Hörgeräteakustiker-Handwerks erbringt. Im Rahmen ihrer am 29. Februar 2012 gemeinsam erhobenen Klage bringen die Klägerinnen vor:

Die Klage sei als Anfechtungsklage statthaft.

Die Klagebefugnis ergebe sich für die Klägerin zu 2) aus einer Verletzung der nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Berufsausübungsfreiheit. Denn der Beklagte habe den Festbetrag auf einer fehlerhaften und nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Kalkulationsgrundlage bemessen und fehlerhaft Hörgeräte in die Kalkulation ein- bzw. gerade nicht einbezogen, so dass der daraus resultierende Festbetrag zu niedrig festgesetzt worden sei. Dies sei ein Eingriff in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Vertrags- und Preisgestaltungsfreiheit. Die Hörgeräteakustiker dürften in ih¬ren Verträgen nach § 127 Abs. 4 SGB V keine Preise vereinbaren, die den Festbetrag überstiegen. Da somit die Verhandlungsmöglichkeiten begrenzt seien, werde dem Kläger zu 2) ein beträchtlicher Verhandlungsspielraum abgeschnitten, wenn die Festbeträge zu niedrig kalkuliert seien. Die Klagebefugnis der Klägerin zu 1) ergebe sich aus einer gesetzlichen Prozessstandschaft. Sie sei eine Handwerksinnung, deren Zuständigkeit sich bezirklich auf das ganze Bundesgebiet erstrecke und deren ausdrückliche satzungsgemäße Aufgabe u.a. sei, die gemeinsamen gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder zu fördern und ggf. gerichtlich durchzusetzen. Durch § 127 Abs. 4 SGB V bleibe die rechtlich erhebliche Auswirkung einer Festbetragsfestsetzung – anders als im Arzneimittelbereich – nicht auf das Verhältnis zwischen Krankenkassen und Versicherten beschränkt. Vielmehr werde die rechtliche Bindung an den Festbetrag über diese Vorschrift auf das Verhältnis zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern erstreckt. Es bestehe auch ein finanzielles Interesse an einem Erfolg der Klage im Hinblick auf Regressverfahren der Krankenkassen gegen Hörgeräteakustiker.

Die Klage sei auch begründet.

Die Klägerinnen störten sich nicht daran, dass verschiedene Festbeträge für verschiedene Versichertengruppen gebildet würden, sondern hielten allein die fehlerhafte Kalkulation des Festbetrags sowie die Einbeziehung der "vergleichenden Hörgeräteanpassung" in den mit dem Festbetrag abgegoltenen Leistungskatalog für rechtswidrig. Weil Art. 12 Abs. 1 GG die Gesamtheit der mit der Berufstätigkeit zusammenhängenden Modalitäten schütze, sei auch die freie Vertrags- und Preisgestaltung vom Schutzbereich dieses Grundrechts erfasst. In die Freiheit der Berufsausübung griffen auch z.B. Vergütungsregelungen und hierauf gründende Entscheidungen ein, die auf die Einnahmen, welche durch eine berufliche Tätigkeit erzielt werden könnten, und damit auch auf die Existenzerhaltung von nicht unerheblichem Einfluss seien. Der Festbetragsbeschluss des Beklagten vom 12. Dezember 2011 habe eine objektiv erkennbare berufsregelnde Tendenz und bewirke im Ergebnis eine vorhersehbare, in Kauf genommene schwerwiegende Beeinträchtigung der beruflichen Betätigungsfreiheit der Klägerin zu 2) und sämtlicher anderer Hörgeräteakustiker, die Mitglieder der Klägerin zu 1) seien. Durch die fehlerhafte Kalkulation habe der Beklagte bei der Bemessung des Festbetrages von dem ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum fehlerhaft Gebrauch gemacht; außerdem sei er von einer zu niedrigen, d.h. falschen Grenze seines Beurteilungsspielraums ausgegangen. Auch wenn die Festbetragsfestsetzung in Form der Allgemeinverfügung ohne Begründung ergehen könne, habe der Beklagte gleichwohl den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum fehlerfrei auszufüllen.

Die durch § 36 Abs. 3 SGB V in Bezug genommenen § 35 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2, 1. Halbs. SGB V enthielten unbestimmte Rechtsbegriffe, bei deren Ausfüllung dem Beklagten ein Beurteilungsspielraum zustehe. § 35 Abs. 5 Satz 4 SGB V sei entgegen der Auffassung des Beklagten auf die Festbetragsfestsetzung von Hörhilfen nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar. Anders als bei Arzneimitteln gebe es im Hilfsmittelbereich schon keine Festbetragsgruppen. Der Grundsatz des optimalen Behinderungsausgleiches mache es erforderlich, tatsächlich alle verfügbaren und dem aktuellen Stand der Hörgerätetechnik entsprechenden Geräte in die Festbetragskalkulation einfließen zu lassen. Anders als für den Bereich der Arzneimittel seien Hörgeräte mangels der von § 35 Abs. 5 Satz 4 SGB V vorausgesetzten Vergleichbarkeiten nicht "substituierbar", da für jeden Versicherten ein anderes Hörgerät erst zu einem optimalen Behinderungsausgleich führen könne. Darüber hinaus habe der Beklagte § 35 Abs. 5 Satz 4 SGB V inhaltlich fehlerhaft angewendet. Denn er habe außer Acht gelassen, dass jeweils zwei Hörsysteme mit einem Preis von 169 Euro bzw. 439 Euro gleich viel kosteten. Wenn denn ein unteres Preisdrittel i.S.v. § 35 Abs. 5 Satz 4 SGB V zu ermitteln sei, müsse dies preis- und nicht hörgerätebezogen vorgenommen werden. Das lege schon der Wortlaut der Vorschriften nahe, der auf den "Abgabepreis" und preisliche "Intervalle" abstelle. Die o.g. jeweils preisgleichen Hörsysteme hätten daher jeweils nur als eine Preisniveaustufe berücksichtigt werden dürfen.

Weil nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine möglichst vollständige Angleichung an das Hörvermögen Gesunder zu gewährleisten sei, hätte der Beklagte auch Hörgeräte berücksichtigen müssen, die aufgrund ihrer medizinisch technischen Innovationen nach aktuellem Stand für an Taubheit grenzend Schwerhörige im Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile böten. 14 der 37 vom Beklagten einbezogenen Hörgeräte berücksichtigen die von ihm festgelegten technischen Features nicht bzw. nicht vollständig. Die Hörgeräte - NEXT E HP BTE (U H), - Milo Plus UP (P Gmbh), - Latitude 4 HP BTE (U H), - STYLE Pro Power (H A GmbH), - Siemens CIELO 2 Activ mit P Hörereinheit (S A T GmbH), - Latitude 8 HP BTE (U H), - Latitude 16 HP BTE (U H), - STYLE Exclusive Power (H A GmbH), - Triano 3P (S A T GmbH), - Passport HP BTE (U H), - Siemens Centra HP (S A T GmbH) und - Siemens Centra Activ mit P Höreinheit (S A T GmbH) erreichten die vom Beklagten festgelegte Mindestverstärkung von 75 dB nicht. Hätte der Beklagte zutreffend nur die 23 verbleibenden Hörgeräte berücksichtigt, läge die Preisobergrenze des unteren Preisdrittels bei 595 Euro. Unter den 37 berücksichtigten Hörgeräten befinde sich auch keines, das nach dem aktuellen Stand der Technik mit besonderen Features ausgestattet sei, die für an Taubheit grenzende Schwerhörige im Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile böten: So würden Hörgeräte mit Sprachanhebung damals wie heute angeboten. Bei dieser erkenne das Hörgerät Sprache und erhöhe sogar bei Kombination von Sprache und Lärm die wichtigen Sprachanteile, d.h. das Störgeräusch werde über eine Technik reduziert und gleichzeitig die Sprache angehoben. Obwohl der Beklagte entsprechende Hörgeräte abgefragt habe, habe er sie bei seiner Auflistung unberücksichtigt gelassen. Die vom Beklagten im unteren Preisdrittel berücksichtigten Hörgeräte blieben jedoch hinsichtlich des erzielbaren Behinderungsausgleichs bei an Taubheit grenzenden Schwer¬hörigen regelmäßig hinter dem Grad an Hörverstehen zurück, der mit den übrigen vom Beklagten aufgelisteten Hörgeräten erreicht werden könne. Daher reichten die Hörgeräte des unteren Preisdrittels in den überwiegenden Fällen gerade nicht aus, um den Versorgungsanspruch der an Taubheit grenzend schwerhörigen Versicherten zu er¬füllen. Nahe gelegen hätte es vielmehr, dem Grundsatz des "optimalen Behinderungs¬ausgleichs" dadurch Rechnung zu tragen, tatsächlich alle verfügbaren, dem aktuellen Stand der Hörgerätetechnik entsprechenden Hörgeräte in die Festbetragskalkulation einfließen zu lassen. 6 Hörgeräte – NEXT E HP BTE (U H), Milo Plus UP (P Gmbh), Latitude 4 HP BTE (U H), Latitude 8 HP BTE (U H), Latitude 16 HP BTE (U H), Passport HP BTE (U H) – erreichten eine Verstärkungsleistung von nur 70 bzw. 74 dB und würden nunmehr unter der Produktart 13.20.12 (Hörgeräte für schwerhörige Versicherte, ausgenommen für an Taubheit grenzend schwerhörige Versicherte) gelistet bzw. seien ganz aus dem Hilfsmittelverzeichnis gelöscht worden. Das Modell Next E HP BTE (U H) verfüge nur über zwei Programme. Nach der im aktuellen Hilfsmittelverzeichnis hinsichtlich der Verstärkungsleistung in Bezug genommenen DIN EN 60118-0 betrage die Bezugs-Prüffrequenz im Regelfall 1600 Hz. Wenn der Beklagte demgegenüber für die 6 o.g. beanstandeten Hörgeräte eine maximale Verstärkung &8805; 75 dB bei einer beliebigen Prüffrequenz ausreichen lasse, entspreche dies nicht den von ihm selbst aufgestellten Forderungen an die Prüfvoraussetzungen geeigneter Hörgeräte. Statt 37 hätte der Beklagte daher nur 25 Hörgeräte für den Preisvergleich berücksichtigen dürfen. Für das untere Preisdrittel ergebe sich dann ein Wert von 545 Euro. Es sei widersprüchlich, wenn der Beklagte Hörgeräte in die Untergruppe 13.20.10 des Hilfsmittelverzeichnisses nur aufnehme, wenn sie gerade bei 1600 Hz eine Verstärkungsleistung von mindestens 75 dB aufwiesen, im Rahmen der Festbetragsfestsetzung aber auch Geräte berücksichtige, die diese Verstärkungsleistung bei einer beliebigen Prüffrequenz erbrächten.

Im Vergleich zu den vorherigen Festbetragsfestsetzungen finde sich erstmals in den allgemeinen Erläuterungen zum Festbetragsgruppensystem die Leistungsposition "vergleichende Hörgeräteanpassung". Hierbei werde dem Versicherten – zusätzlich zur gesetzlich vorgesehenen Versorgung mit nur einem vom Hörgeräteakustiker vorausgewählten Hörgerät – die Möglichkeit gegeben, aus einer Vielzahl von in Betracht kommenden Hörsystemen das für seine individuellen Bedürfnisse Beste auszuwählen. Dabei stelle der Hörgeräteakustiker dem Versicherten in der Regel bis zu 4 Hörsysteme zur Probe und Testung zur Verfügung. Für jedes dieser Hörgeräte sei eine individuelle Voreinstellung nach dem benötigten Frequenzverhalten und dem jeweiligen Bedarf an Verstärkung und Dynamik zur Korrektur der vorliegenden Schwerhörigkeit erforderlich (sog. Frequenz- und Dynamikanpassung). Nachdem der Versicherte die Hörgeräte ausprobiert habe, würden vom Hörgeräteakustiker – wiederum unter Berücksichtigung der subjektiven Belange des Versicherten – im Rahmen eines Toleranztests jeweils Messungen für Zahlen, Wörter und/oder Sätze sowie entsprechende Korrekturen an den Voreinstellungen durchgeführt. Eine "vergleichende Hörgeräteanpassung" bedeute demnach für die anpassenden Hörgeräteakustiker einen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand. Denn zum einen könnten im Rahmen der vergleichenden Anpassung nur qualitativ hochwertige technische – und damit kostenintensive – Hörsysteme eingesetzt werden. Zum anderen müssten die Hörsysteme zeitintensiv individuell auf den jeweiligen Hörverlust des an Taubheit grenzend Schwerhörigen eingestellt werden, so dass der Versicherte am Ende dieses Vorganges aus der Mehrzahl der Geräte das für sich passendste auswählen könne. Bislang sei diese Leistungsposition von der Klägerin zu 1) in den Versorgungsverträgen mit den Krankenkassen nach § 127 Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) als zusätzliche Leistung vereinbart worden. Durch die Einbeziehung in den Festbetrag verlören die Klägerinnen diese Verhandlungsposition; es gehe ihnen somit ein Verhandlungsargument verloren, mit dem sie den Vertragspreis in Richtung der als vertragliche Preisobergrenze geltenden Festbetragshöhe (§ 127 Abs. 4 SGB V) verhandeln und somit Vertragspreis und Festbetrag einander annähern könnten. Die Anforderung einer "vergleichenden Hörgeräteanpassung" überschreite die zu beachtenden Grenzen der Erforderlichkeit bzw. Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit und verstoße auch gegen Art. 12 Abs. 1 GG in Gestalt der Vertrags- und Preisgestaltungsfreiheit. Nach der Rechtsprechung des BSG sei die Einbeziehung von Begleitleistungen notwendiger Bestandteil einer Festbetragsfestsetzung im Hilfsmittelbereich. Im Einzelfall erforderliche "Zusatzleistungen" seien demgegenüber vom Festbetrag nicht umfasst, sondern würden von der Krankenkasse gesondert vergütet. Bei den hörgeräteakustischen Nachsorge- und fortlaufenden Anpassungsleistungen für an Taubheit grenzend Schwerhörige handele es sich um solche "Begleitleistungen". Sie – die Klägerinnen – rügten nicht die maßgebliche Länge des zu berücksichtigen Nachbetreuungszeitraums (685 Minuten), sondern allein die Tatsache, dass dieser in die Festbetragsbemessung nicht einbezogen worden sei. Wegen der vom Beklagten geforderten drei Hörprogramme (z.B. für besonders ruhige Hörsituationen, für Hören im Straßenverkehr und für die Kommunikation in geräuschvoller Umgebung) müssten die besonders identifizierten Hörsituationen eingehend analysiert und individuell an die konkreten Anforderungen des Betroffenen angepasst werden. Andernfalls führe der technische Mindeststandard von drei Hörprogrammen in der Praxis nicht zu adäquaten Ergebnissen. Einen entsprechend hohen Dienstleistungsaufwand habe der Beklagte jedoch nicht berücksichtigt. Der im Rahmen der Festbetragsfestsetzung nicht mehr berücksichtigte Zeitraum der Nachsorge schließe sich unmittelbar an die patientenindividuelle Hörgeräteauswahl und -abgabe an. Zu diesem Zeitpunkt sei die Anpassung der Hörprogramme und somit die Versorgung der Versicherten noch nicht abgeschlossen, sondern dauere in aller Regel an. Der Versicherte sei überfordert, müsste er bereits zum Zeitpunkt des Empfangs des Hörsystems sämtliche Einstellungen erlernt haben. An Taubheit grenzende Schwerhörige nähmen bis zu 12 Termine zur Anpassung und Feineinstellung ihrer Hörsysteme beim Hörgeräteakustiker wahr. Darüber hinaus müsse der Hörgeräteakustiker in der Nachsorgezeit die äußere Beschaffenheit, die Funktion des Hörgeräts und ihre Bedienung turnusmäßig überprüfen und dem Schwerhörigen schrittweise und wiederholt erläutern. Dabei habe er jeweils auch eine audiometrische Überprüfung vorzunehmen und das äußere Ohr – mit und ohne Hörgerät – hinsichtlich etwaiger Druckstellen und Hautreizungen anzusehen. Zum Erkennen von audiologischen Veränderungen des Hörvermögens des Schwerhörigen habe der Hörgeräteakustiker zudem mindestens zweimal jährlich die Hörgeräte audiometrisch und sprachaudiometrisch zu überprüfen und hierzu die Hörgeräte komplett nach technischen und audiologischen Kriterien zu messen. Insgesamt sei von einem zeitlichen Aufwand von deutlich über 20 Stunden auszugehen. Nach dem Wortlaut von § 33 Abs. 1 Satz 4 SGB V seien vom Anspruch des Versicherten auch die oben beschriebene Nachsorge und die dort anfallenden Dienstleistungen des Hörgeräteakustikers erfasst. Dies sei in der Vergangenheit von den Spitzenverbänden der Krankenkassen stets auch klargestellt worden.

Jedes Hörgerät sei individuell für den Versicherten anzupassen, wobei die Qualität der Anpassdienstleistungen des Hörgeräteakustikers für den erzielten Hörerfolg des Einzelnen ausschlaggebend sei. Das Verhältnis von einzusetzender Hörgerätetechnik und der Anpassdienstleistungen werde mit 30 Prozent zu 70 Prozent für den Hörerfolg des Versicherten eingeschätzt.

Der Beklagte habe seiner Festbetragsbemessung einen zu niedrigen Stundenverrechnungssatz zugrunde gelegt. Der Beklagte habe sich hierbei maßgeblich auf eine von der Handwerkskammer Region Stuttgart herausgegebenen Flyer ("Wie viel kostet eine Handwerkerstunde?") gestützt. Diese Handwerkskammer habe jedoch der Klägerin zu 1) auf Nachfrage bestätigt, dass der Wert von 45,50 Euro nicht das Ergebnis einer durchgeführten Erhebung sei und dieser Wert keinesfalls dem Stundenverrechnungssatz eines Hörgeräteakustiker-Betriebs entspreche. Bei kapitalintensiven Betrieben, die zudem sehr gut bezahlte Fachkräfte beschäftigten, liege der Stundenverrechnungssatz teilweise deutlich über 100 Euro (Schreiben vom 23. Januar 2012). Stattdessen hätte ein Stundenverrechnungssatz von mindestens 60 Euro angesetzt werden müssen. Für das Gesundheitshandwerk der Orthopädietechnik sei allgemein ein durchschnittlicher Stundensatz i.H.v. 59,30 Euro anerkannt. Die Handwerker der Orthopädietechnik und der Hörgeräteakustik seien im Hinblick auf Ausbildungsstand und Vergütung vergleichbar, wovon auch das Statistische Bundesamt ausgehe, wenn es im Rahmen seiner statistischen Zuordnung beide Berufsfelder als Gesundheitshandwerk systematisch derselben Klassifikation der Wirtschaftszweige zuordne. Auf Anfrage habe auch die Handwerkskammer für München und Oberbayern bestätigt, dass ein Stundenverrechnungssatz von 40,77 Euro, jedoch auch von 45,50 Euro, in ihrem Handwerkskammerbezirk, insbesondere im Großraum München, kaum kostendeckend sein dürfte (Schreiben vom 28. September 2012). Auch die Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main habe die Einschätzung der Handwerkskammer Region Stuttgart bestätigt (Schreiben vom 27. November 2012). Der Beklagte lasse das im Handwerksrecht geltende Gebot der ständigen Meisterpräsenz unberücksichtigt. Das Hörgeräteakustikerhandwerk zähle zu den generell gefahrengeneigten Gesundheitshandwerken, bei denen das gesamte handwerkliche Geschehen von einem langjährig ausgebildeten Handwerksmeister durchgeführt bzw. von ihm laufend überwacht werden müsse. Daher sei in jedem Betrieb eine ständige Anwesenheit des Hörgeräteakustikermeisters erforderlich. Bemerkenswert sei, dass der Beklagte selbst in seinen Präqualifizierungsempfehlungen nach § 126 Abs. 1 Satz 3 SGB V die Erteilung einer Präqualifikation von Hörgeräteakustikerbetrieben nur bei Beschäftigung eines Hörgeräteakustikermeisters in der jeweiligen Betriebsstätte gestatte. Der Beklagte habe den erforderlichen Zeitaufwand des Hörgeräteakustikers zunächst mit 254,50 Minuten (4 Stunden 14,5 Minuten) inklusive der Dienstleistungen für den regelhaft 6 Jahre dauernden Zeitraum der Nachbetreuung kalkuliert. Nachdem im Anhörungsverfahren dieser Wert für den erforderlichen Zeitaufwand des Hörgeräteakustikers stark kritisiert worden sei, habe der Beklagte aus der Zeitermittlung die gesamte Nachbetreuung von 6 Jahren herausgenommen und seiner Festbetragskalkulation im Ergebnis einen zeitlichen Aufwand von 461 Minuten (7 Stunden 41 Minuten) zugrunde gelegt. Der Beklagte verkenne, dass die Klägerin zu 1) im Rahmen ihres Stellungnahmerechts nach § 36 Abs. 1 Satz 3 SGB V nicht, auch nicht stellvertretend für ihre Mitglieder, verpflichtet gewesen sei, selbst einen angemessenen Stundenverrechnungssatz für das Hö¬r¬geräteakustikerhandwerk zu ermitteln oder ermitteln zu lassen und diesen dem Beklagten mitzuteilen. Eigene statistische Erhebungen zum Stundenverrechnungssatz für das Hörgeräteakustikerhandwerk hätten zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Vielmehr hätte der Beklagte im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes einen angemessenen Stundenverrechnungssatz ermitteln müssen. Unabhängig hiervon habe sich die Klägerin zu 1) in ausreichendem Maße an der Ermittlung eines angemessenen Stundenverrechnungssatzes beteiligt und konstruktive Vorschläge gemacht. Nach dem "Eckpunktepapier zur Meisterpräsenz in den Betrieben der Gesundheitshandwerke" des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) aus dem Februar 2013 rechtfertigten die handwerkliche Herstellung von Körperersatzstücken für den einzelnen Patienten und die Leistungserbringung direkt am menschlichen Körper mit den damit einhergehenden Gefahren für die Gesundheit nicht nur die Einstufung der Gesundheitshandwerke als zulassungspflichtig, sondern darüber hinaus auch besonders hohe Anforderungen an die grundsätzlich ständige Präsenz des Betriebsleiters. Im Übrigen sei zu bezweifeln, dass der Beklagte weitergehende Branchendaten berücksichtigt hätte. So habe die Klägerin zu 1) ihm im zeitlich späteren Festbetragsfestsetzungsverfahren für Hörhilfen für nicht an Taubheit grenzend Schwerhörige (somit für alle anderen Schwerhörigkeitsgrade) entsprechende Daten der DATEV übersandt, aus denen sich ein angemessener Stundenverrechnungssatz im Hörgeräteakustikerhandwerk von 82,03 Euro ergeben habe. Der Beklagte habe diese Daten jedoch gänzlich unberücksichtigt gelassen.

Ohne der Klägerin zu 1) Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, habe der Beklagte einen Abschlag für das zweite Hörgerät bei binauraler Versorgung i.H.v. 157,37 Euro beschlossen. Bei an Taubheit grenzenden Schwerhörigen sei grundsätzlich davon auszugehen, dass ein beidohriger Hörverlust vorliege. Dies ergebe sich schon aus der Definition der Schwerhörigkeit nach WHO 4, die eine Schwerhörigkeit auf dem besseren Ohr im Mittel über 81 dB voraussetze. Der Abschlag für das zweite Hörgerät sei nicht gerechtfertigt, weil davon auszugehen sei, dass dieses bei der Versorgung von an Taubheit grenzenden Schwerhörigen (fast) immer erforderlich sei und die beiden Hörgeräte individuell aufeinander abgestimmt und angepasst werden müssten.

Die Klägerinnen beantragen,

den Beschluss des Beklagten vom 12. Dezember 2011 über das Festbetragsgruppensystem für Hörhilfen aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt seine angefochtene Entscheidung und trägt hierzu im Einzelnen vor:

Nach der Rechtsprechung des BSG beschränke sich die gerichtliche Kontrolle der festgesetzten Festbetragshöhe auf die "zutreffende Konkretisierung der bestehenden Zielvorgaben" sowie ggf. wissenschaftlich haltbare Schätzungen, wo in Unkenntnis der Reaktion jedes einzelnen Arzneimittelanbieters prognostische Elemente und Schätzungen mit in die Festbetragsfestsetzung einfließen müssten. Die alleinrichtige Höhe eines Gerätepreises mit nur einer richtigen Rechenformel, wie sie den Klägerinnen vorschwebe, könne es aus rechtlicher Sicht nicht geben.

Der Sinn des Stellungnahmeverfahrens nach § 36 SGB V werde verfehlt, wenn die Klägerin zu 1) in diesem die Auffassung vertrete, die von ihm – dem Beklagten – bestimmten technischen Anforderungen gingen über den Umfang der nach § 33 SGB V geschuldeten Versorgung hinaus, diesen Standpunkt im anschließenden Klageverfahren jedoch revidierten, um einen Beurteilungsfehler zu rügen. Versehentlich habe er 6 Hörgeräte (Siemens CIELO 2sp, TRIALO 3p, Siemens CEN-TRA Activ mit P-Hörereinheit, Siemens CENTRA HP, STYLE Pro Power und STYLE Exclusive Power) mit einer Verstärkungsleistung von weniger als 75 dB berücksichtigt. Von den verbleibenden 31 Hörgeräten verfügten 22 über das von der Klägerseite hervorgehobene besondere Feature der Sprachanhebung. Er – der Beklagte – habe sich hinsichtlich der technischen Anforderungen an die Hörgeräte an den vom BSG in seinem Urteil vom 17. Dezember 2009 genannten Versorgungszielen orientiert und daher davon ausgehen dürfen, dass eine allgemeine, von den verschiedenen Hörsituationen unabhängige Sprachanhebung nicht erforderlich sei.

Auch wenn man der "Preisniveaustufentheorie" der Klägerin folgte, bliebe der höchste Preis des dann neu zu bildenden unteren Drittels unverändert bei 485 Euro. Würde man nur die aus Klägersicht berücksichtigungsfähigen Hörgeräte in die Preisermittlung einbeziehen und hierbei – entsprechend der Vorstellung der Klägerin – Hörgeräte gleichen Preises außer Acht lassen, betrüge der höchste Preis des unteren Drittels unverändert 485 Euro. Letztlich komme es hierauf jedoch nicht entscheidend an. Denn eine erneute Produkt- und Preisabfrage habe ergeben, dass es inzwischen wesentlich mehr (104) Hörgeräte gebe, die den o.g. technischen Anforderungen genügten. Lege man diese 104 Hörgeräte zugrunde, ergebe sich ein Betrag für das untere Preisdrittel von 399 Euro. Von den 104 Hörgeräten wiesen insgesamt 46 Geräte einen "offiziellen Abgabepreis" von unter 485 Euro auf.

Die Klägerin zu 1) sei im Stellungnahmeverfahren zur Festbetragsfestsetzung vom 1. Dezember 2004 selbst davon ausgegangen, dass die "vergleichende Hörgeräteanpassung" zu den mit dem Festbetrag abgegoltenen Dienstleistungen zähle. Dem Gesamtversorgungsaufwand von 1146 Minuten habe er nicht geschätzt, sondern Angaben der Klägerin zu 1) aus einem früheren Stellungnahmeverfahren unmittelbar entnommen. Nach der Rechtsprechung des BSG dürfe er – der Beklagte – festlegen, welche vorbereitende, begleitende und nachgehende Dienstleistung vom Festbetrag umfasst sein sollten. Die vergleichende Hörgeräteanpassung stelle entweder eine erforderliche Begleitleistung oder aber eine vom Versorgungsanspruch nicht erfasste Leistung dar, deren Mehrkosten von den Versicherten zu tragen wären. Aus der Gesetzesbegründung zu § 36 SGB V ergebe sich nur, dass die durch den Festbetrag tatsächlich abgedeckten Dienstleistungen eindeutig zu bestimmen seien, nicht jedoch, dass alle grundsätzlich festbetragsfähigen Dienstleistungen, die im Rahmen der Hilfsmittelversorgung entstünden, zwingend vom Festbetrag umfasst sein müssten. Der Abschlag bei beidohriger Versorgung sei gerechtfertigt, weil der Festbetrag stückbezogen kalkuliert worden sei und ein bestimmter Dienstleistungsaufwand (Information über den Ablauf einer Hörsystemversorgung, Erstellung und Dokumentation des audiologischen Gesprächs/allgemeine Fragen zur Schwerhörigkeit, allgemeine Information und Beratung über individuelle Hörsystemlösungen, Erklären der Messergebnisse, Vorauswahl der in Frage kommenden Hörsysteme, Einweisung in den Gebrauch des Hörsystems bis zur sicheren Bedienung, Zubehörberatung) nur einmalig anfallen könnten. Treffe der Einwand zur Einbeziehung der vergleichenden Hörgeräteanpassung zu, müsste folglich der insoweit zu berücksichtigte Dienstleistungsaufwand um den Anteil für diese Leistung und somit der Festbetrag gekürzt werden. Falls eine vergleichende Hörgeräteanpassung tatsächlich die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit überschritte, dürften Krankenkassen diese Leistung auch nicht zum Gegenstand ihrer Verträge nach § 127 SGB V machen. Die Erforderlichkeit der vergleichenden Hörgeräteanpassung folge der audiologischen Lehrmeinung, dass auch im Zeitalter digitaler bzw. digital programmierbarer Hörgeräte das Übertragungsverhalten verschiedener Geräte im Ohr zu testen sei und die Übertragungseigenschaften eines Hörgerätes von den akustischen Wandlern, insbesondere vom Hörer und der individuellen Otoplastik, abhing, so dass eine exakte Überprüfung und Einstellung der Hörsysteme erst in der Tragesituation möglich sei. Da die individuelle Krümmung, Weite, Länge und Gewebebeschaffenheit des Gehörganges die Übertragungseigenschaften erheblich beeinflussen könnten, seien die am Markt verfügbaren Geräte nicht für jeden Versicherten gleichermaßen geeignet. Die erwähnten individuellen Eigenschaften der Versicherten könnten nicht in eine systematische Anpassung einbezogen werden. Bei der vergleichenden Hörgeräteanpassung spiele vor allem der subjektive Eindruck der Hörgeschädigten eine Rolle.

Die angeblich "validen" Branchendaten der DATEV seien ihm im Stellungnahmeverfahren ebenso wenig zur Verfügung gestellt worden wie anderes aussagekräftiges Datenmaterial. Bei dem von ihm – dem Beklagten – zugrunde gelegten Stundenverrechnungssatz handele es sich um eine maßvolle Konkretisierung der gesetzlichen Zielvorgaben (Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven und Ausrichtung an einer möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeit). Das Hörgeräteakustikerhandwerk weise in seiner Kostenstruktur gegenüber anderen Handwerksbereichen keine Besonderheiten oder wesentlichen Unterschiede auf, die zwingend zu einem höheren Stundenverrechnungssatz führen müssten. Das Schema der Kalkulation sei weitgehend identisch, wie sich übereinstimmend den Veröffentlichungen der Handwerkskammer Stuttgart, der Arbeitsgemeinschaft der Bayerischen Handwerkskammern und der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main entnehmen lasse. Ein Stundenverrechnungssatz setze sich danach aus 3 Bestandteilen (mit folgenden Anteilen) zusammen: - Personalkosten in Gestalt von Bruttostundenlohn (30 Prozent) und Lohnnebenkosten (25 Prozent) für einen handwerklichen Mitarbeiter, - betriebliche und kalkulatorische Gemeinkosten (40 Prozent) - Zuschlag für Unternehmerrisiko und -gewinn (im Folgenden: Gewinnzuschlag, 5 Prozent). Dem Stundenverrechnungssatz von 45,50 Euro liege ein Basis-Bruttolohn von etwa 14 Euro stündlich zugrunde. Hieraus ergebe sich bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich ein Bruttomonatsgehalt von 2.426 Euro bzw. im Bruttojahresgehalt von 29.112 Euro. Dieses Gehalt liege sogar noch etwas über dem Gehalt, dass mithilfe des vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung betreuten Portals www.lohnspiegel.de als Bruttojahresgehalt eines Hörgeräteakustikermeisters (mit 10 Jahren Berufserfahrung in einer Leitungsposition) im Jahre 2012 ermittelt worden sei. Nach den von diesem Portal ermittelten Gehaltswerten verdiene ein Augenoptikermeister etwas mehr als ein Hörgeräteakustikermeister, ein Zahntechniker hingegen etwas weniger. Nach dem in Bayern ab 1. Januar 2013 geltenden Lohn- und Gehaltstarifvertrag für Augenoptiker erhalte ein Augenoptiker mit Gesellenprüfung, dem ein besonderes schwieriges Aufgabengebiet übertragen worden sei, nach 10 Berufsjahren ein Bruttomonatsgehalt von 2.275 Euro (Stundenlohn: 13,13 Euro), ein Augenoptikermeister nach 10 Berufsjahren 2.525 Euro (Stundenlohn: 14,57 Euro). Stundenlöhne unter 14 Euro fänden sich noch in anderen Gewerbezweigen der Gesundheitshandwerker, z.B. für Arbeitnehmer des Orthopädieschuhmacherhandwerks (13,10 Euro stündlich ab Oktober 2012; im Zahntechnikerhandwerk durchschnittlich 12,02 Euro). Im Übrigen sei zu beachten, dass die für zahlreiche Gewerbe zuständigen Handwerkskammern regelmäßig auf die gewerbespezifischen Innungen verwiesen, u.a. die Klägerin zu 1) als einziger Innung für Hörgeräteakustiker bundesweit. Der Hinweis der Klägerseite auf die erforderliche Meisterpräsenz sei unbeachtlich, weil bereits die durchschnittlichen Gehälter für Hörgeräteakustikermeister in die Berechnung eingeflossen seien. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass pro Betrieb in den Jahren 2011 und 2012 durchschnittlich 1,2 Auszubildende "produktiv" tätig geworden seien. Nach den Angaben der Handwerkskammer Region Stuttgart läge der Stundenverrechnungssatz auch bei anderen zur Meisterpräsenz verpflichteten "Gefahrenhandwerken" durchschnittlich zwischen 40 und 50 Euro. Das Hörgeräteakustikhandwerk sei ebenso wie die Gruppe der Gesundheitshandwerker insgesamt nicht besonders kapitalintensiv. Auch der für das Orthopädietechnikhandwerk genannte Stundenverrechnungssatz von 59,30 Euro überzeuge nicht. Hierbei handele es sich ersichtlich um eine Verhandlungsposition der entsprechenden Bundesinnung bei der Vereinbarung freier Preise für bestimmte Hilfsmittel in den Verträgen nach § 127 Abs. 1 bis 3 SGB V. Bei der ebenfalls am 12. Dezember 2011 beschlossenen Festsetzung von Festbeträgen für Einlagen – auch diese würden von Orthopädietechnikern abgegeben – sei lediglich ein Stundenverrechnungssatz von 42,85 Euro (netto) zugrunde gelegt worden.

Die von den Klägerinnen genannte Methode zur Messung der Verstärkungsleistung ergebe sich so nicht aus dem Festbetragsgruppensystem, da dort nur von einer "Verstärkungsleistung &8805; 75 dB" die Rede sei.

Die im streitigen Festbetragsgruppensystem festgelegten Features gewährleisteten für die betroffene Gruppe von Schwerhörigen auch das Telefonieren, ohne dass insoweit eine spezielle Produktanforderung erforderlich gewesen sei. Das Telefonieren mit Hörgeräten sei ohne spezielles Zubehör möglich. Dafür genüge es, den Lautsprecher des Telefons direkt an das Mikrofon zu halten. Bei einem HdO-Hörgerät solle der Hörer des Telefons daher nicht auf das Ohr, sondern auf die über dem Ohr befindlichen Mikrofone gehalten werden, damit die erforderliche Verstärkungsleistung des Sprachsignals durch das Hörgerät erfolgen könne. Dies sei mit den technischen Anforderungen sichergestellt. Erforderlich hierfür sei ein spezielles Telefonprogramm, über das praktisch alle modernen Hörsysteme verfügten. Damit würden Rückkoppelungen zwischen dem Lautsprecher im Telefon und dem Mikrofon des Hörsystems verhindert. Diese Voraussetzung sei also durch das Feature "Rückkoppelungs- und Störschallunterdrückung" abgebildet. Eine Induktionsspule sei bei den meisten modernen Telefonen nicht mehr einsetzbar, weil diese nicht mehr über magnetische Lautsprecher verfügten.

Im Rahmen ihrer Replik tragen die Klägerinnen vor: Die Annahme, dass ein Hörgeräteakustikbetrieb von einer einzigen Arbeitskraft betrieben werde, entspreche nicht der Wirklichkeit. Dies ergebe schon ein Vergleich der 2356 Stunden, die ein durchschnittlicher Hörgeräteakustikerbetrieb jährlich geöffnet habe (9,5 Stunden täglich an 5 Tagen wöchentlich unter Abzug von 12 Feiertagen, somit durchschnittlich 1624 Arbeitsstunden (= [365 Tage minus 110 Wochenendtage minus 12 Feiertage minus 30 Urlaubstage minus 10 Krankheitstage] mal 8 Stunden), die ein durchschnittlicher Arbeitnehmer jährlich arbeite. Der infolgedessen erforderliche zweite qualifizierte Mitarbeiter im Hörgeräteakustikerbetrieb bilde sich im Stundenverrechnungssatz nicht ab. Statistische Daten belegten dies: Dividiere man die laut Statistischem Bundesamt insgesamt 13.956 im Hörgeräteakustikerhandwerk tätigen Personen durch die 5449 Hörgeräteakustikerbetriebsstätten (so eine Erhebung zum 31. Dezember 2013 durch die Klägerin zu 1), ergäben sich 2,56 Mitarbeiter je Betrieb. Auch der vom Beklagten zugrunde gelegte Gewinnanteil von nur 5 Prozent gehe bei der Annahme des Beklagten, der Inhaber eines "Ein-Mann-Betriebs" sei die einzige Arbeitskraft im Betrieb des Hörgeräteakustikermeisters, fehl: Bei 983.000 im Jahre 2013 abgegebenen Hörgeräten und 5449 Hörgeräteakustikerbetriebsstätten seien durchschnittliche 180 Hörgeräte pro Hörgeräteakustikerbetrieb verkauft worden. Multipliziert mit der vom Beklagten errechneten Arbeitszeit von 461 Minuten je Versorgung mit einem Hörgerät resultiere daraus die Anzahl von 1.382,40 Stunden, die ein Hörgeräteakustikermeister im Rahmen seines Ein-Mann-Betriebs aufwenden müsse und die er von den gesetzlichen Krankenkassen vergütet bekomme, wenn er im Jahr 180 Hörgeräte abgebe. Nach dem Berechnungsschema des Beklagten erhalte ein Hörgeräteakustiker ein Gehalt von 29.112 Euro brutto im Jahr (= 12 x 2426 Euro) und erziele pro vergüteter Arbeitsstunde ein Gewinn von (45,50 Euro x 5 % =) 2,28 Euro. Addiere man nun dieses Jahresgehalt mit dem unternehmerischen Jahresgewinn von (180 Hörgeräte x 7,68 Stunden x 2,28 Euro Gewinn =) 3151,87 Euro, ergebe sich ein jährliches betriebswirtschaftliches Gewinnergebnis von 32.263,87 Euro, angesichts dessen sich ein Hörgeräte¬akustikermeister, der für seinen Ein-Mann-Betrieb das volle wirtschaftliche Risiko trage und allein, d.h. ohne zweite qualifizierte Arbeitskraft, mindestens 2356 Stunden Öffnungszeiten abdecken müsse, nicht auf die Eröffnung bzw. Führung eines entsprechenden Betriebes einlassen werde. Zutreffend sei vielmehr der von der Klägerin zu 1) ermittelte Stundenverrechnungssatz von 82,03 Euro (netto). Ausgehend vom Jahresumsatz der Hörgeräteakustikerbetriebe zwischen 30.000 und 540.000 Euro (DATEV-Daten) bzw. von unter 50.000 bis 500.000 Euro (Statistisches Bundesamt für das Jahr 2011) und unter der Prämisse, dass in jedem Hörgeräteakustikerbetrieb die ständige Meisterpräsenz gewährleistet werden müsse, gleichzeitig aber davon auszugehen sei, dass nicht jede Hörgeräteakustikerleistung vom Meister selbst (aber von ihm überwacht), sondern (auch) von Gesellen durchgeführt werde, sei für jeden produktiven Mitarbeiter von 40.000 Euro Gesamtbruttopersonalkosten als gemitteltem Wert zwischen Gesellen- und Meistergehalt auszugehen. Dies decke sich in etwa mit dem vom Statistischen Bundesamt ermittelten durchschnittlichen Bruttojahresverdienst eines Vollzeitbeschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen (43.480 Euro). Errechne man nunmehr aus den zugrunde gelegten 40.000 Euro die Basis-Personalkosten pro Stunde (inkl. Lohnnebenkosten), seien einerseits die oben ermittelten 203 Arbeitstage á 8 Arbeitsstunden sowie eine Produktivität des Personals von durchschnittlich 80 Prozent zu berücksichtigen. Hieraus errechne sich ein erwirtschafteter Umsatz pro Stunde von 144,88 Euro. Mit dem aus der DATEV-Ermitt¬lung vorgegebenen Satz von 26,8 Prozent für Personalkosten errechneten sich hieraus Basis-Personalkosten in Höhe von 30,79 Euro je Stunde. Hinzu kämen nach den DATEV-Daten sonstige Kosten wie Raumkosten, betriebliche Steuern, Versicherungsbeiträge, Kfz-Kosten, Werbe-/Reisekosten, Kosten für Warenabgabe, Abschreibungen und Reparatur-/Instandhaltungskosten mit einem Anteil von 24,7 Prozent (d.h. 28,38 Euro je Stun¬de) sowie ein Gewinnanteil von 19,9 Prozent, d.h. 22,86 Euro je Stunde. Somit ergebe sich ein Stundenverrechnungssatz von (30,79 Euro + 28,38 Euro + 22,86 Euro =) 82,03 Euro. Auch der Hinweis des Beklagten auf Auszubildende in Hörgeräteakustikerbetrieben sei falsch. Zum einen habe ein Auszubildender – zumindest in den ersten Lehrjahren – keine Produktivität für den Betrieb, sondern müsse erst mühsam und mit viel Zeitaufwand angelernt werden. Zum anderen gebe es – wenn überhaupt – nur in jedem 8. Betrieb einen Auszubildenden im dritten Lehrjahr. Der Stundenverrechnungssatz von 59,30 Euro für das Orthopädietechnikerhandwerk sei schon deshalb als "anerkannt" anzusehen, weil ihm eigene Berechnungen des Bundesinnungsverbandes für Orthopädietechnik und eine von einer Unternehmensberatung durchgeführten, dem Beklagten vorliegenden Studie zugrunde lägen.

Auch der Hinweis auf die vom Beklagten erneut durchgeführte Produkt- und Preisabfrage überzeuge nicht. Zum einen enthalte diese Liste nicht 104, sondern nur 103 Hörgeräte. Zum anderen fehlten in der Liste 44 Hörgeräte, die bis Ende des Jahres 2013 in die Produktuntergruppe 13.20.10 in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen worden seien sowie 8 weitere bis zum 30. Juni 2014 aufgenommene Hörgeräte, wie sich aus der beigefügten Liste ergebe. Von den somit zu berücksichtigenden 155 Hörgeräten hätten sie – die Klägerinnen – für 150 Hörgeräte die Preise ermitteln können; auf dieser Grundlage ergebe sich ein Durchschnittspreis von 707 Euro. Der Hinweis des Beklagten auf die von der Klägerin mit den Krankenkassenverbänden geschlossenen Versorgungsverträge nach § 127 SGB V sei unmaßgeblich. Die Leistungsbringer und ihre Verbände könnten nicht bis zum Abschluss des hier geführten Verfahrens warten, um entsprechende Versorgungsverträge zu schließen, da die Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen abgeschlossene Versorgungsverträge voraussetzten. Entgegen der Darstellung des Beklagten verfügten nicht 22, sondern nur 20 Hörgeräte über die Eigenschaft der Sprachanhebung. Lasse man nunmehr die 6 Hörgeräte mit einer Verstärkungsleistung von unter 75 dB außer Acht, läge die Obergrenze des unteren Preisdrittels bei 580 Euro.

Hierauf dupliziert der Beklagte wie folgt: Die Abweichung von 52 zu den von den Klägerinnen mit Stand vom 30. Juni 2014 ermittelten insgesamt 155 Hörgeräten erkläre sich durch die unterschiedlichen Abfragezeitpunkte, durch vom Hersteller nicht mitgeteilte Preise, durch fehlerhafte doppelte Aufnahmen in das Hilfsmittelverzeichnis sowie den Umstand, dass insgesamt 37 Hörgeräte nach Herstellerinformation nicht mehr produziert werden. Auf Grundlage der bereinigten Liste mit insgesamt 148 Hörgeräten ergebe sich als oberster Preis des unteren Preisdrittels ein Betrag von 419 Euro. Zum gleichen Ergebnis gelange man nach der zum Stichtag 31. Oktober 2013 maßgeblichen (erstmals in der mündlichen Verhandlung überreichten) Liste mit 140 Hörgeräten. Mit Stichtag vom 1. Juli 2015 seien zwischenzeitlich 214 Hörgeräte in der Produktgruppe 13.20.10 des Hilfsmittelverzeichnisses gelistet. Weil keine Anhaltspunkte für eine Preisverschiebung nach oben erkennbar seien, halte er – der Beklagte – eine nochmalige Aktualisierung nicht für erforderlich, zumal die Hörgerätehersteller ihrer Auskunftsverpflichtung nach § 36 Abs. 2 Satz 2 SGB V erfahrungsgemäß zum Teil nur eingeschränkt oder mit zeitlichen Verzögerungen nachkämen. Sollte der Senat eine Aktualisierung gleichwohl für geboten erachten, möge er die Klägerinnen, denen die entsprechenden Preise bekannt sein müssten, um Auskunft bitten. Die Berechnungen der Klägerseite zu den maßgeblichen Stundenverrechnungssätzen überzeugten nicht, weil die DATEV-Daten im Allgemeinen nicht diesem Zweck dienten. Entscheidend sei, dass der von ihm – dem Beklagten – gewählte Berechnungssatz nachvollziehbar und willkürfrei sei.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 16. Januar 2015 erörtert.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Die angefochtene Festbetragsfestsetzung ist für die Zeit bis zum 30. Juni 2014 rechtswidrig. Der Beklagte muss für diesen Zeitraum einen Festbetrag i.H.v. 846,86 Euro festsetzen.

A. Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Festbetragsfestsetzung für Hörhilfen ist § 36 SGB V. Diese Vorschrift lautet:

(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmt Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Dabei sollen unter Berücksichtigung des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 in ihrer Funktion gleichartige und gleichwertige Mittel in Gruppen zusammengefasst und die Einzelheiten der Versorgung festgelegt werden. Den Spitzenorganisationen der betroffenen Hersteller und Leistungserbringer ist unter Übermittlung der hierfür erforderlichen Informationen innerhalb einer angemessenen Frist vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen setzt für die Versorgung mit den nach Absatz 1 bestimmten Hilfsmitteln einheitliche Festbeträge fest. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. Die Hersteller und Leistungserbringer sind verpflichtet, dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf Verlangen die zur Wahrnehmung der Aufgaben nach Satz 1 und nach Absatz 1 Satz 1 und 2 erforderlichen Informationen und Auskünfte, insbesondere auch zu den Abgabepreisen der Hilfsmittel, zu erteilen.

(3) § 35 Abs. 5 und 7 gilt entsprechend.

Nach § 35 Abs. 5 und 7 SGB V gilt:

(5) Die Festbeträge sind so festzusetzen, daß sie im allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten. Sie haben Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, sollen einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen und haben sich deshalb an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten; soweit wie möglich ist eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl sicherzustellen. Die Festbeträge sind mindestens einmal im Jahr zu überprüfen; sie sind in geeigneten Zeitabständen an eine veränderte Marktlage anzupassen. Der Festbetrag für die Arzneimittel in einer Festbetragsgruppe nach Absatz 1 Satz 2 soll den höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis einer Standardpackung nicht übersteigen. Dabei müssen mindestens ein Fünftel aller Verordnungen und mindestens ein Fünftel aller Packungen zum Festbetrag verfügbar sein; zugleich darf die Summe der jeweiligen Vomhundertsätze der Verordnungen und Packungen, die nicht zum Festbetrag erhältlich sind, den Wert von 160 nicht überschreiten. Bei der Berechnung nach Satz 4 sind hochpreisige Packungen mit einem Anteil von weniger als 1 vom Hundert an den verordneten Packungen in der Festbetragsgruppe nicht zu berücksichtigen. Für die Zahl der Verordnungen sind die zum Zeitpunkt des Berechnungsstichtages zuletzt verfügbaren Jahresdaten nach § 84 Abs. 5 zu Grunde zu legen. (6) (7) Die Festbeträge sind im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Klagen gegen die Festsetzung der Festbeträge haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gruppeneinteilung nach Absatz 1 Satz 1 bis 3, gegen die rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder anderen geeigneten Vergleichsgrößen nach Absatz 1 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Festsetzung der Festbeträge ist unzulässig.

Hieran gemessen erweist sich die Klage als zulässig und teilweise begründet.

B. Die Klage ist zulässig.

I. Statthafte Klageart ist die (isolierte) Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG). Denn Festbetragsfestsetzungen sind Verwaltungsakte in der Form von Allgemeinverfügungen nach § 31 Satz 2 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch - SGB X - (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - 1 BvL 28/95, 1 BvL 29/95, 1 BvL 30/95 - ["Festbeträge"], BVerfGE 106, 275; BSG, Urteile vom 01. März 2011 - B 1 KR 7/10 R, B 1 KR 10/10 R und B 1 KR 13/10 R - ["Sortis"] und vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R -, juris, m.w.N.). Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage bedarf es nicht. Hätte die Anfechtungsklage Erfolg, gälte für Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit keinerlei Festbetrag. Dies ergibt sich aus Folgendem: Durch den Beschluss vom 1. Dezember 2004 wurden Festbeträge für Hörhilfen unbefristet – dies ist rechtlich zulässig (BSG, Urteil vom 22. November 2012 - B 3 KR 19/11 R - ["Festbeträge Einlagen"], juris) – festgesetzt. Mit einer neuen Allgemeinverfügung wird dann grundsätzlich die zeitlich vorhergehende Allgemeinverfügung für die Zeit ab Inkrafttreten der neuen Festsetzung aufgehoben. Wird jedoch die neue Allgemeinverfügung aufgehoben, wird die frühere unbefristete Festsetzung wieder wirksam (BSG a.a.O.; Urteil vom 01. März 2011 - B 1 KR 10/10 R - ["Sortis"], juris). Im vorliegenden Fall gilt die neue, hier streitige Festsetzung vom 12. Dezember 2011 nur für Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit, d.h. einen Teil der von der früheren Allgemeinverfügung erfassten Gruppe (alle Versicherte). Nur insoweit hat die neue Festsetzung die frühere Allgemeinverfügung abgelöst. Die Festsetzung durch den Beschluss vom 1. Dezember 2004 hat jedoch durch die Allgemeinverfügung vom 10. Juli 2013 – wie in dieser ausdrücklich geregelt – nach dem 31. Oktober 2013 ihre Gültigkeit verloren. Mit der Aufhebung der Festbetragsfestsetzung vom 12. Dezember 2011 gälte daher weder die Allgemeinverfügung vom 1. Dezember 2004 noch die ausdrücklich auf "schwerhörige Versicherte mit Ausnahme der an Taubheit grenzenden schwerhörigen Versicherten" begrenzte Festsetzung vom 10. Juli 2013. Die Aufhebung der Festbetragsfestsetzung vom 12. Dezember 2011 hätte daher für Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit den Wegfall jeglichen Festbetrags und somit das klägerseitig verfolgte Maximalziel zur Folge, ohne dass es eines weiteren Verpflichtungsantrags bedürfte.

II. Die Klägerinnen verfügen über die erforderliche Klagebefugnis. Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein. Dies setzt voraus, dass die Verletzung der eigenen Rechte oder der in zulässiger Prozessstandschaft vertretenen Rechte eines Dritten geltend gemacht wird und die Verletzung dieser Rechte danach auch möglich erscheint (BSG, Urteil vom 22. November 2012 – B 3 KR 19/11 R – ["Festbeträge Einlagen"], juris).

1. Zu Recht wenden sich die Kläger hier nicht gegen die gesetzliche Möglichkeit selbst, Festbeträge für Hilfsmittel festzusetzen (§ 36 SGB V). Das insoweit allein in Betracht kommende Grundrecht der Berufsfreiheit der Leistungserbringer (Art. 12 Abs. 1 GG) ist durch die gesetzliche Einführung von Festbeträgen für Hilfsmittel nicht berührt. Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 17. Dezember 2002 (a.a.O.) entschieden, dass Anbieter von Hilfsmitteln in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit nicht tangiert sind, soweit der Gesetzgeber die (früheren) Spitzenverbände der Krankenkassen zur Festsetzung von Festbeträgen für Hilfsmittel ermächtigt hat.

2. Im vorliegenden Rechtsstreit wenden sich die Klägerinnen auch nicht gegen die Festbetragsfestsetzung als solche, sondern gegen einen Eingriff in die ihnen durch § 127 SGB V eingeräumten subjektiven Rechte.

a. Gemäß § 126 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB V dürfen Hilfsmittel an Versicherte nur auf der Grundlage von Verträgen nach § 127 Abs. 1, 2 und 3 SGB V abgegeben werden. Vertragspartner der Krankenkassen können hierbei nur Leistungserbringer sein, die die Voraussetzungen für eine ausreichende, zweckmäßige und funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel erfüllen. Für diese Verträge zwischen Krankenkassen(-verbänden) und den Leistungserbringer(-verbänden) sieht § 127 Abs. 1 bis 3 SGB V ein gestuftes System vor. Soweit dies zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen und in der Qualität gesicherten Versorgung zweckmäßig ist, können im Wege der Ausschreibung Verträge über die Lieferung einer bestimmten Menge von Hilfsmitteln, die Durchführung einer bestimmten Anzahl von Versorgungen oder die Versorgung für einen bestimmten Zeitraum geschlossen werden (§ 127 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Allerdings sind für Hilfsmittel, die für einen bestimmten Versicherten individuell angefertigt werden, oder Versorgungen mit hohem Dienstleistungsanteil Ausschreibungen in der Regel nicht zweckmäßig (§ 127 Abs. 1 Satz 4 SGB V). Werden solche Ausschreibungen nicht durchgeführt, schließen Krankenkassen- und Leistungserbringerseite Verträge über die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln, deren Wiedereinsatz, die Qualität der Hilfsmittel und zusätzlich zu erbringender Leistungen, die Anforderungen an die Fortbildung der Leistungserbringer, die Preise und die Abrechnung (§ 127 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Soweit für ein erforderliches Hilfsmittel keine Verträge der Krankenkasse nach § 127 Abs. 1 und 2 SGB V mit Leistungserbringern bestehen oder durch Vertragspartner eine Versorgung der Versicherten in einer für sie zumutbaren Weise nicht möglich ist, trifft die Krankenkasse eine Vereinbarung im Einzelfall mit einem Leistungserbringer (§ 127 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Nach Abs. 4 dieser Vorschrift können für Hilfsmittel, für die ein Festbetrag festgesetzt wurde, in den Verträgen nach den Absätzen 1, 2 und 3 SGB V Preise höchstens bis zur Höhe des Festbetrags vereinbart werden.

b. Durch dieses System werden den Leistungserbringern subjektive Rechte zweierlei Art eingeräumt.

aa. Zum einen können sie Einzelheiten der Versorgung zum Gegenstand der Verträge machen. Soweit für Hilfsmittel Festbeträge bestehen, besteht diese Möglichkeit indes nur akzessorisch zu den Bestimmungen des Beklagten im Rahmen von § 36 Abs. 1 SGB V. Diese Vorschrift berechtigt den Beklagten u.a. dazu, "Einzelheiten der Versorgung" festzulegen. Der Gesetzgeber reagiert damit auf den Umstand, dass der Sachleistungsanspruch nach § 33 SGB V sich nicht in der Überlassung von Hilfsmitteln erschöpft, sondern auch deren notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen (§ 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V), mithin vorbereitende, begleitende und nachgehende Dienstleistungen (BSG, Urteil vom 22. November 2012 – B 3 KR 19/11 R – ["Festbeträge Einlagen"], juris) umfasst. Bei der Festsetzung von Festbeträgen für Hilfsmittel ist daher zwangsläufig eine Regelung zu treffen, welche der erforderlichen Begleitleistungen vom Festbetrag umfasst sein sollen. Die Einbeziehung derartiger Begleitleistungen ist notwendiger Bestandteil einer Festbetragsfestsetzung im Hilfsmittelbereich. Zugleich wird dadurch klargestellt, welche im Einzelfall ebenfalls erforderlichen Zusatzleistungen vom Festbetrag nicht umfasst und deshalb von der Krankenkasse gesondert zu vergüten sind (BSG a.a.O.). Daher sind bei Hilfsmitteln, für die Festbeträge festgesetzt wurden, nur solche Einzelheiten der Versorgung vertraglichen Vereinbarungen zugänglich, die nicht bereits mit dem Festbetrag abgegolten sind.

bb. Zum anderen können Leistungserbringer – auch bei Bestehen von Festbeträgen – Regelungen zum Leistungsumfang (vgl. § 127 Abs. 1 Satz 1 SGB V: "Verträge über die Lieferung einer bestimmten Menge von Hilfsmitteln, die Durchführung einer bestimmten Anzahl von Versorgungen oder die Versorgung für einen bestimmten Zeitraum") vereinbaren. Weil sie jedoch hierbei hinsichtlich der Preise wegen § 127 Abs. 4 SGB V auf den Festbetrag begrenzt sind, sind ihre Verhandlungsmöglichkeiten umso stärker eingeschränkt, je geringer der Festbetrag festgesetzt wird. Auch insoweit werden subjektive Rechte nur relativ, d.h. in Abhängigkeit von der Höhe des Festbetrags, eingeräumt.

cc. Schließlich ist durch § 127 Abs. 1 bis 3 SGB V die Möglichkeit eröffnet, Vereinbarungen zu Regelungsmaterien zu schließen, die einer Einbeziehung in Festbetragsregelungen von vornherein nicht zugänglich sind, z.B. Bestimmungen zur Abrechnung (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Januar 2011 – L 9 KR 530/07 –, juris) oder zur technisch-handwerklichen Ausführung (BSG a.a.O.). Insoweit sind den Leistungserbringern und ihren Verbänden durch das Gesetz quasi absolute subjektive Rechte eingeräumt.

c. Die Einwände der Klägerinnen betreffen nur die unter aa. und bb. beschriebenen, in ihrem Umfang akzessorischen subjektiven Rechte, weil sie ihre durch § 127 Abs. 2 SGB V eingeräumten vertraglichen Verhandlungsmöglichkeiten in zweifacher Hinsicht eingeschränkt sehen: durch die Festsetzung eines zu geringen Festbetrags und durch die Einbeziehung der vergleichenden Hörgeräteanpassung als vom Festbetrag abgegoltene Dienstleistung. Eine Verletzung in diesen subjektiven Rechten erscheint nicht ausgeschlossen.

3. Die Klägerin zu 1) kann insoweit die Verletzung eigener Rechte und – als Handwerksinnung (§ 54 Abs. 1 S. 1 Handwerksordnung - HwO) in gesetzlicher Prozessstandschaft (BSG a.a.O.) – die Verletzung der Rechte der von ihr vertretenen Leistungserbringer geltend machen.

C. Die Klage ist teilweise begründet. Sie hat nur insoweit Erfolgt, als für die Zeit bis zum 30. Juni 2014 wegen der fehlerhaften Einbeziehung nicht berücksichtigungsfähiger Hörgeräte ein zu geringes unteres Preisdrittel ermittelt wurde.

I. Bei Festbetragsfestsetzungen nach § 36 SGB V ist ein eigener Prüfungsmaßstab anzuwenden, der die Besonderheiten dieser Regelungsmaterie zu beachten hat.

1. Für die Festbetragsgruppenbildung im Arzneimittelbereich gibt § 35 SGB V dem hier-mit beauftragten Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) ein engmaschiges Programm vor, bei dessen Umsetzung der Gesetzgeber ihm nur einen geringen Gestaltungsspielraum belässt. Die dem GBA nach § 35 Abs. 1ff SGB V übertragenen Entscheidungen werden im Rah¬men der untergesetzliche Normen darstellenden Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassen und unterliegen grundsätzlich uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Anders liegt es dagegen bei der Entscheidung über Zeitpunkt, Zuschnitt und Auswahl der Gruppe. Insoweit darf die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom GBA als Normgeber getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungs¬spiel¬raum auszufüllen (BSG, Urteil vom 17. September 2013 – B 1 KR 54/12 R – ["Paliperidon"], juris, m.w.N.). Auch die gerichtliche Kontrolle der festgesetzten Festbetragshöhe erfolgt grundsätzlich in vollem Umfang. Sie beschränkt sich jedoch dort auf die zutreffende Konkretisierung der bestehenden Zielvorgaben nebst wissenschaftlich haltbarer Schätzungen, wo in Unkenntnis der Reaktion jedes einzelnen Arzneimittelanbieters prognostische Elemente und Schätzungen mit in die Festbetragsfestsetzung einfließen müssen. Es besteht allerdings kein Beurteilungsspielraum des Beklagten mit Blick darauf, dass im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche, in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleistet ist (BSG, Urteil vom 01. März 2011 – B 1 KR 7/10 R – ["Sortis"], juris).

2. Diese Grundsätze lassen sich wegen struktureller Unterschiede der Regelungsmaterien nur bedingt auf den gerichtlichen Prüfungsmaßstab im Rahmen von § 36 SGB V übertragen. Denn zum einen wird über die Festbetragsgruppenbildung nicht im Wege einer (untergesetzlichen) Norm, sondern durch Verwaltungsakt (in Gestalt einer Allgemeinverfügung) entschieden. Zum anderen berechtigt § 36 Abs. 1 Satz 2 SGB V – wie bereits dargestellt – den Beklagten auch, "Einzelheiten der Versorgung" festzulegen.

3. Welcher gerichtliche Prüfungsmaßstab bei den drei vom Beklagten nach § 36 Abs. 1 SGB V zu treffenden Entscheidungen jeweils gilt, muss der Senat nicht abschließend klären. Denn die Entscheidungen, dass Hörhilfen einer Festbetragsfestsetzung zugänglich sind und dass im Hinblick auf Hörhilfen für Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit eine eigene Festbetragsgruppe gebildet wird, werden klägerseitig ersichtlich nicht in Frage gestellt. Hinsichtlich der Einzelheiten der Versorgung kann nach Auffassung des Senats nur eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle gelten, die ausschließlich in den Blick nimmt, ob ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde gelegt wurde und die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben (Meyer-Ladewig/Kel-ler/Leithe¬rer, Sozialgerichts¬gesetz, 11.A., § 54 Rd. 31d m.w.N.; BSG, Urteil vom 17. September 2013, a.a.O.). Der Beklagte ist innerhalb dieser Grenzen frei, welche Dienstleistungen er in die Kalkulation des Festbetrags einbezieht (i.E. so wohl schon BSG, Urteil vom 22. November 2012 – B 3 KR 19/11 R – ["Festbeträge Einlagen"], juris) und welche im Umkehrschluss einer Vereinbarung nach § 127 SGB V zugänglich sind.

4. Hinsichtlich der Festbetragshöhe gilt im Kern der für den Arzneimittelbereich entwickelte gerichtliche Prüfungsmaßstab. Diese Entscheidung des Beklagten unterliegt daher grundsätzlich uneingeschränkter gerichtlicher Überprüfung. Der vollen Kontrolle unterliegt, ob der Beklagte bei der Ermittlung des unteren Preisdrittels gemäß § 36 Abs. 3 i.V.m. § 35 Abs. 5 Satz 4 SGB V alle Geräte berücksichtigt hat, die den von ihm im Zusammenhang mit den "Einzelheiten der Versorgung" aufgestellten technischen Anforderungen entsprechen, sowie ob er das untere Preisdrittel rechnerisch korrekt bestimmt und beim sog. Dienstleistungsanteil nur die unter Ziffer I seines Beschlusses aufgeführten Dienstleistungen einbezogen hat. Soweit im Rahmen des Dienstleistungsanteils aber auch betriebswirtschaftliche Überlegungen und Berechnungen in die Kalkulation einfließen, verengt sich die gerichtliche Überprüfung auf die Nachvollziehbarkeit und Widerspruchsfreiheit der vom Beklagten hierfür gegebenen Begründung. Weil dem Gesetz insoweit keine näheren Vorgaben zur Methodik zu entnehmen sind, sind grundsätzlich mehrere vertretbare Berechnungsweisen denkbar. Dieser Umstand rechtfertigt daher auch die Erkenntnis, dass es die allein richtige Festsetzung eines Festbetrags nicht gibt (Flint, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, Stand 2014, § 35 SGB V, Rd. 92).

II. Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ist die angefochtene Festbetragsfestsetzung nicht zu beanstanden, sofern klägerseitig - die Einbeziehung der vergleichenden Hörgeräteanpassung und der Ausschluss der Nachbetreuung (hierzu 1.), - die entsprechende Anwendung von § 35 Abs. 5 Satz 4 SGB V (hierzu 2.), - die Berücksichtigung jedes die technischen Anforderungen aufweisenden Hörgeräts bei der Ermittlung des unteren Preisdrittels (hierzu 3.), - die Berechnung des Dienstleistungsanteils (hierzu 4.), - der Abschlag bei beidohriger Versorgung (hierzu 5.), gerügt wird.

1. Dass der Beklagte im Rahmen der Festbetragskalkulation bestimmte Dienstleistungen (z.B. die vergleichende Hörgeräteanpassung) eingeschlossen, andere (z.B. die Nach¬betreuung) ausgeschlossen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

a. Gemessen an dem unter C. I. 3. genannten Prüfungsmaßstab durfte der Beklagte die Nachbetreuung und die damit im Einzelnen verbundenen Dienstleistungen insgesamt aus der Festbetragskalkulation aus¬schließen. Er war insoweit auch nicht an frühere Festbetragsfestsetzungen gebunden, bei deren Kalkulation diese Dienstleistungen Berücksichtigung fanden. Vertrauensschutz zugun¬sten der betroffenen Versicherten, aber auch der Leistungserbringer (Hörgeräteakustiker) wurde dadurch nicht begründet.

b. Der Beklagte war auch befugt, die vergleichende Hörgeräteanpassung in die Kalkulation des Festbetrags einzubeziehen. Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob diese Leistung überhaupt vom Sachleistungsanspruch des Versicherten nach § 33 SGB V umfasst ist. Ist sie es nicht, ist nicht nur der Versicherte hierdurch bessergestellt, weil ihm gegenüber eine Leistung durch den Hörgeräteakustiker erbracht wird (und werden muss), auf die er nach dem Gesetz keinen Anspruch hätte. Auch die Leistungserbringer werden nicht benachteiligt, weil sie in jedem einzelnen Leistungsfall einen Vergütungsanspruch gegen die Krankenkassen erwerben. Unabhängig hiervon leuchtet die Notwendigkeit einer vergleichenden Hörgeräteanpassung, die i.Ü. auch in § 5 Abs. 2 lit. a) der von den Partnern der Bundesmantelverträge geschlossenen "Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen nach § 135 Abs. 2 SGB V zur Hörgeräteversorgung" als Bestandteil des gesetzlichen Sachleistungsanspruchs vorausgesetzt wird, unmittelbar ein, weil die individuelle Krümmung, Weite, Länge und Gewebebeschaffenheit des Gehörganges die Übertragungseigenschaften erheblich beeinflussen und deshalb die am Markt verfügbaren Geräte nicht für jeden Versicherten gleichermaßen geeignet sind. Dies entspricht – soweit ersichtlich – auch einhelliger audiologischer Auffassung, wie etwa Veröffentlichungen der Europäischen Union der Hörgeräteakustiker e.V. - euha - (" Hörsysteme: Worauf müssen Sie achten? 10-Punkte-Katalog zur Qualität der Hörgeräte-Anpassung", dort Ziffer 6; http://www.euha.org/informationen/uep-preis/, recherchiert am 16. Juli 2015), der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie ("Konzept für die zukünftige Hörgeräteversorgung in Deutschland", entwickelt mit dem Deutschen Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte e.V. und der biha, Juni 2004; http://www.hno.org/kollegen/KonzeptHoergeraeteversorgung Juni2004.pdf; recherchiert am 16. Juli 2015) oder des Deutschen Hörgeräte-Instituts, einer in der Rechtsform einer GmbH betriebenen akkreditierten Prüfstelle für Hörgeräte/Hörtechnik, deren einziger Gesellschafter die biha ist (http://www.dhi-online.de/DhiNeu/06 Hmv/Pg13 2 definition.html, recherchiert am 16. Ju¬li 2015) belegen. Ist eine vergleichende Hörgeräteanpassung indes notwendig, ist sie auch Bestandteil des Sachleistungsanspruchs nach § 33 SGB V.

2. Zutreffend hat der Beklagte bei der Ermittlung des Festbetrags auf das untere Preisdrittel abgestellt.

Hierzu war er wegen des pauschalen Verweises in § 36 Abs. 3 SGB V u.a. auf § 35 Abs. 5 SGB V in seiner Gesamtheit, d.h. einschließlich dessen Satz 4, verpflichtet (Flint, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, Stand 2014, § 36 SGB V, Rd. 71; Kraftberger, in: Hänlein/Kruse/Schuler Lehr- und Praxiskommentar Sozialgesetzbuch V, 4.A. 2012, § 36 Rd. 22; vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R –, juris, Rd. 27: "Materiell maßgebend sind gemäß § 36 Abs. 3 SGB V die Kriterien des § 35 Abs. 5 SGB V"; a.A.: Wabnitz, in: Spickhoff Medizinrecht, § 37 SGB V Rd. 13). Weder dem Wortlaut von § 36 Abs. 3 SGB V noch der Gesetzesbegründung sind Anhaltspunkte für die klägerseitig vertretene Auffassung, § 35 Abs. 5 Satz 4 SGB V sei im Hilfsmittelbereich nicht anzuwenden, zu entnehmen. Zwar existieren bei Hilfsmitteln – anders als im Arzneimittelbereich – keine Standardpackungen; die durch § 36 Abs. 3 SGB V vorgeschriebene bloß "entsprechende" Geltung von § 35 Abs. 5 SGB V erlaubt indes ein sinnvolles Verständnis von dessen Satz 4 auch ohne die Worte "einer Standardpackung". Gleiches gilt für die nur auf den Arzneimittelbereich zugeschnittenen Sätze 5 bis 8 des § 35 Abs. 5 SGB V: Dass diese Vorgaben für den Hilfsmittelsektor grundsätzlich nicht passen und ihre "entsprechende" Geltung daher zur Nicht-Anwen-dung führt, kann Zweifel an der Sinnhaftigkeit der nach Satz 4 zu bildenden Preisgrenze nicht begründen. Die klägerseitige Rechtsauffassung wäre auch mit der historischen Entwicklung von § 35 Abs. 5 bzw. § 36 Abs. 3 SGB V unvereinbar. Denn bis zum 31. Dezember 2003 umfasste § 35 Abs. 5 SGB V nur die (auch heute noch gültigen) Sätze 1 bis 3; § 36 Abs. 3 SGB V lautete: "§ 35 Abs. 5 Satz 1, 2 und Satz 3 zweiter Halbsatz sowie Abs. 7 gilt." Erst im Zusammenhang mit der der "Ausschöpfung von Einsparpotenzialen" (BT-Drs. 15/1525, S. 87) dienenden Ergänzung von § 35 Abs. 5 SGB V um die auch derzeit geltenden Sätze 4 bis 6 durch Art. 1 Nr. 23 Buchst. d des GKV-Modernisierungsgesetzes – GMG – vom 14. November 2003 (BGBl. I 2190) erhielt auch § 36 Abs. 3 SGB V seine heutige, auf § 35 Abs. 5 SGB V insgesamt verweisende Fassung. Dem Gesetzgeber war hierbei bewusst, dass die neu in § 35 Abs. 5 SGB V eingefügten Regelungen nicht unmittelbar auf den Hilfsmittelbereich angewandt werden können. Denn nach der Neufassung von § 36 Abs. 3 SGB V gilt § 35 Abs. 5 SGB V – anders als nach der Vorgängerfassung – nur noch "entsprechend".

Es leuchtet auch nicht ein, dass aus sachlichen Gründen ein unteres Preisdrittel bei Hilfsmitteln nicht sollte gebildet werden können; das Vorgehen des Beklagten im hiesigen Fall belegt anschaulich das Gegenteil.

Die klägerseitig vertretene Rechtsauffassung hätte im Übrigen zur Folge, dass dem Gesetz keine eindeutigen Kriterien zu entnehmen wären, bei welcher konkreten, relativ zu ermittelnden Grenze ein Festbetrag "im allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung" noch gewährleistet, Wirtschaftlichkeitsreserven ausschöpft und einen wirksamen Preiswettbewerb auslöst (vgl. § 35 Abs. 5 Sätze 1 und 2 SGB V).

3. Der Beklagte hat das untere Preisdrittel i.S.v. § 35 Abs. 5 Satz 4 SGB V methodisch korrekt ermittelt, in dem er sämtliche Hörgeräte, die die technischen Anforderungen erfüllten, in seine Berechnung einbezog. Das mit der Einführung von § 35 Abs. 5 Sätze 4 bis 6 SGB V (s.o.) verbundene Ziel, Einsparpotenziale auszuschöpfen, würde durch die klägerseitig vertretene "Preisstufentheorie" nur unzureichend verfolgt. Es ist nicht einsichtig, warum der zufällige Umstand, dass zwei oder mehrere die technischen Anforderungen erfüllende Hörgeräte auch denselben Herstellerpreis aufweisen, Einfluss auf die Höhe des Festbetrags bzw. auf die Umsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) haben sollten.

4. Die Berechnung des Dienstleistungsanteils durch den Beklagten ist nicht zu beanstanden.

a. Zutreffend hat der Beklagte einen Arbeitsaufwand von 461 Minuten zugrunde gelegt. Dieser Wert basiert auf den Angaben der biha zur erforderlichen Arbeitszeit von 1.146 Minuten für die auf den gesetzlichen Versorgungsanspruch begrenzte Betreuung eines schwerhörigen Versicherten im Laufe eines Versorgungszeitraums von 6 Jahren (vgl. § 31 der Richtlinie des GBA über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung – Hilfsmittelrichtlinie [HiMi-RL]). Hiervon hat der Beklagte die Arbeitszeit (685 Minuten) abgesetzt, die auf die nach Ziffer I des angefochtenen Beschlusses nicht mehr vom Festbetrag umfasste Nachbetreuung entfällt. Inwiefern der Beklagte hierbei fehlerhaft oder gar willkürlich vorgegangen sein soll, ist weder nach dem klägerischen Vorbringen noch anderweitig ersichtlich.

b. Nachvollziehbar und widerspruchsfrei ist der Beklagte ferner von einem Stundenverrechnungssatz von 45,50 Euro ausgegangen. Dieser zunächst pauschal der o.g. Broschüre der Handwerkskammer Region Stuttgart entnommene Wert ist nicht zu beanstanden, wie die vom Beklagten im gerichtlichen Verfahren nachgelieferten Kontrollüberlegungen belegen.

aa. Ausgangspunkt ist zunächst ein Bruttostundenlohn eines Hörgeräteakustikers von 14.- Euro. Dieser führt – bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden bzw. einer Monatsarbeitszeit von 173,3 Stunden – zu einem Bruttolohn von monatlich 2.426,20 Euro bzw. jährlich 29.114,40 Euro. Diese Werte hat der Beklagte verglichen mit dem Bruttomonatslohn eines Augenoptikers mit Gesellenprüfung (mit besonders schwierigem Aufgabengebiet) nach 10 Berufsjahren i.H.v. 2.275.- Euro (Stundenlohn: 13,13 Euro) sowie eines Augenoptikermeisters nach 10 Berufsjahren i.H.v. 2.525.- Euro (Stundenlohn: 14,57 Euro), jeweils nach dem in Bayern ab 1. Januar 2013 geltenden Lohn- und Gehaltstarifvertrag für Augenoptiker. Bedenkt man hierbei, dass es sich bei Bayern – gerichtsbekannt – um ein Bundesland mit im Bundesvergleich hohen Tariflöhnen handelt und gleichzeitig nichts dafür spricht, dass vor 2013 höhere Tariflöhne galten, und berücksichtigt man ferner die weiteren vom Beklagten ermittelten o.g. Vergütungen in ähnlichen Berufen des Gesundheitshandwerks, erweist sich ein Stundenlohn von 14.- Euro als tragfähige Grundlage.

Plausibel ist auch der daraus abgeleitete Stundenverrechnungssatz von 45,50 Euro. Auch insoweit durfte der Beklagte auf die Angaben in der o.g. Broschüre der Handwerkskammer Region Stuttgart zurückgreifen, da diese im wesentlichen mit den Informationen anderer Handwerkskammern (HwK) in deren Broschüren zum gleichen Thema ("Wie viel kostet eine Handwerkerstunde?"), insbesondere zu den Kostenanteilen, übereinstimmen. Danach ergibt sich folgendes Bild (jeweils ohne Mehrwertsteuer):

Kostenart HwK Region Stuttgart Arbeitsgemeinschaft der bayerischen HwK HwK Frankfurt-Rhein-Main Bruttostundenlohn 14.- Euro 13,50 Euro 12,85 Euro Lohnnebenkosten 11,90 Euro 10,92 Euro 10,40 Euro betriebliche Gemeinkosten 17,40 Euro 14,45 Euro 13,49 Euro Gewinn u.a. 2,20 Euro 1,90 Euro 1,80 Euro Gesamt 45,50 Euro 40,77 Euro 38,54 Euro

Berücksichtigt man auch insoweit, dass der Beklagte mit den von der HwK Region Stuttgart herausgegebenen Daten auf die Situation in einem Bundesland mit hohem Lohn- und Kostenniveau abgestellt hat, ist der Vorwurf eines zu geringen Stundenverrechnungssatzes nicht gerechtfertigt.

bb. Die von der Klägerseite erhobenen Einwände greifen nicht durch.

(1) Soweit sie der Kalkulation des Beklagten ein eigenes Berechnungsmodell gegenüber stellt und auf dessen Grundlage zu einem erheblich höheren Stundenverrechnungssatz gelangt, übersieht sie, dass nach dem oben dargelegten gerichtlichen Kontrollmaßstab zunächst die vom Beklagten gewählte Kalkulation auf ihre Nachvollziehbarkeit und Widerspruchsfreiheit zu überprüfen ist. Nur wenn diese sich als völlig ungeeignet erweisen sollte, wären andere Berechnungsmodelle in den Blick zu nehmen. Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf die Einwände, - der Stundenverrechnungssatz liege teilweise deutlich über 100 Euro, - ein Stundenverrechnungssatz von 45,50 Euro sei nicht kostendeckend, - der Beklagte hätte im Wege der Amtsermittlung weitergehende Erhebungen durchführen müssen, - richtigerweise hätte ein Stundenverrechnungssatz von 82,03 Euro bzw. mindestens 59,30 Euro zugrunde gelegt werden müssen.

(2) Auch der Verweis der Klägerseite auf die obligatorische Meisterpräsenz im Hörgeräteakustikerhandwerk überzeugt nicht. Ungeachtet der Frage, inwiefern das Prinzip der (ständigen) Meisterpräsenz nach der neueren Rechtsprechung noch uneingeschränkt Geltung beanspruchen kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2013 – I ZR 222/11 –, juris; hierzu Hüpers, GewArch 2013, 409 sowie Detterbeck, GewArch 2014, 147), hat es jedenfalls nicht zur Folge, dass der Stundenverrechnungssatz nur auf dem Meistern zu zahlenden Bruttolohn basieren darf. Dies würde voraussetzen, dass sämtliche Leistungen, die Hörgeräteakustiker im Zusammenhang mit der Versorgung der Versicherten im Hilfsmittelbereich – hier insbesondere die Abgabe von Hörgeräten – erbringen, nur von Mitarbeitern mit Meisterqualifikation durchzuführen sind. Handwerksrechtlich bestehen jedoch keinerlei Vorgaben, dass bestimmte Tätigkeiten nur von Meistern, Gesellen, Lehrlingen oder Angelernten ausgeübt werden dürfen. Das der Pflicht zur Meisterpräsenz zugrunde liegende Betriebsleiterprinzip (§ 7 Handwerksordnung) geht vielmehr davon aus, dass sämtliche handwerkliche Tätigkeiten in einem Handwerksbetrieb von einem Betriebsleiter mit Meisterbefähigung oder gleichstehender Qualifikation organisiert, überwacht und fachlich verantwortet werden. Demzufolge dürfen auch in den Gesundheitshandwerken gefahrengeneigte Arbeiten von einem Gesellen, Lehrling oder Angelernten durchgeführt werden, solange dies unter der Aufsicht und Anleitung eines Meisters geschieht (Detterbeck a.a.O.). Aus diesem Grund ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte als Ausgangspunkt einen Wert zugrunde gelegt hat, der nach dem in Bayern ab 1. Januar 2013 geltenden Lohn- und Gehaltstarifvertrag für Augenoptiker zwischen den Bruttostundenlöhnen für Gesellen und Meister liegt.

Der Beklagte setzt sich damit auch nicht in Widerspruch zu seinen "Empfehlungen gemäß § 126 Absatz 1 Satz 3 SGB V für eine einheitliche Anwendung der Anforderungen zur ausreichenden, zweckmäßigen und funktionsgerechten Herstellung, Abgabe und Anpassung von Hilfsmitteln", hier in der – zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltenden – Fassung vom 11. Mai 2015. Danach gilt für den fachlichen Leiter: - er trägt die fachliche Verantwortung für die Leistungserbringung, - er führt die Versorgung selbst durch oder übernimmt die fachliche Leitung und Überwachung der ausführenden Mitarbeiter, - er koordiniert die Versorgungsprozesse und überprüft bei Bedarf die erbrachten Leistungen, - er steht für Fragen und ggf. praktische Hilfestellung bei der Leistungserbringung zur Verfügung, was seine ständige Erreichbarkeit zu den üblichen Betriebszeiten impliziert; allerdings muss er nicht immer persönlich vor Ort sein, es sei denn, dass dies durch andere Regelungen vorgeschrieben ist (z.B. Handwerksrecht), - er muss grundsätzlich im Rahmen der üblichen Betriebszeiten beschäftigt sein.

Darüber hinaus gilt nach diesen Empfehlungen aber auch:

"Im Rahmen der Eintragung in die Handwerksrolle nach § 7 Handwerksordnung wird von den zuständigen Handwerkskammern auch die Meisterpräsenz geprüft. Mit dem Nachweis der Eintragung in die Handwerksrolle ist daher der Nachweis über die Sicherstellung der Erreichbarkeit der fachlichen Leitung im Rahmen der üblichen Betriebszeit erbracht. [ ] Das Berufsrecht hat grundsätzlich Vorrang vor dem Leistungserbringungsrecht. Daher sind berufsrechtlich geregelte Qualifikationen auch dann anzuerkennen, wenn es sich um berufsrechtlich anerkannte Ausnahmegenehmigungen, z.B. Ausnahmebewilligungen und Ausübungsberechtigungen von Handwerkskammern, handelt."

Dies belegt, dass nach den Empfehlungen des Beklagten nach § 126 SGB V keine Anforderungen an die berufliche Qualifikation in den Gesundheitshandwerken gestellt werden soll, die über die berufsrechtlichen Erfordernisse der HwO hinausgehen.

5. Der Beklagte durfte einen Abschlag für das zweite Hörgerät bei beidohriger Versorgung festsetzen. Denn ein bestimmter Dienstleistungsaufwand (Information über den Ab¬lauf einer Hörsystemversorgung, Erstellung und Dokumentation des audiologischen Gesprächs/allgemeine Fragen zur Schwerhörigkeit, allgemeine Information und Beratung über individuelle Hörsystemlösungen, Erklären der Messergebnisse, Vorauswahl der in Frage kommenden Hörsysteme, Einweisung in den Gebrauch des Hörsystems bis zur sicheren Bedienung, Zubehörberatung) fällt – worauf der Beklagte mit Recht und von der Klägerseite unwidersprochen hinweist – nur einmalig an. Dem steht deren Behauptung, bei Versicherten mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit sei quasi per definitionem eine beidohrige Versorgung erforderlich, offenkundig nicht entgegen. Auch der Hinweis, dass beide Hörgeräte aufeinander abgestimmt und angepasst werden müssten, ändert nichts daran, dass der o.g. Dienstleistungsaufwand eben gerade nicht zweimal erbracht werden muss.

IV. Begründet ist die Klage indes für die Zeit bis zum 30. Juni 2014, soweit die Klägerseite die Einbeziehung nicht berücksichtigungsfähiger Hörgeräte bei der Ermittlung des unteren Preisdrittels beanstandet. Denn der Beklagte hat in seine hierzu erstellte Liste auch Hörgeräte aufgenommen, die keine Verstärkungsleistung von &8805; 75 dB aufweisen. Hierdurch wird ein subjektives Recht der Klägerinnen verletzt.

1. Blieben allerdings nur die 6 Hörgeräte, bei denen auch der Beklagte eine Verstärkungsleistung von ( 75 dB eingeräumt hat (Siemens CIELO 2sp, TRIALO 3p, Siemens CEN¬TRA Activ mit P-Hörereinheit, Siemens CENTRA HP, STYLE Pro Power und STYLE Exclusive Power), unberücksichtigt, endete das untere Preisdrittel der insoweit korrigierten Liste gleichwohl bei 485.- Euro; auf die zutreffende Bestimmung der Mindestverstärkungsleistung käme es nicht an. Setzt man jedoch auch die 6 weiteren Hörgeräte ab, über deren Berücksichtigung Streit besteht – NEXT E HP BTE (U H), Milo Plus UP (P GmbH), Latitude 4 HP BTE (U H), Latitude 8 HP BTE (U H), Latitude 16 HP BTE (U H), Passport HP BTE (U H) –, liegt das untere Preisdrittel bei 545.- Euro, die Festbetragsfestsetzung war somit (zumindest anfänglich) rechtswidrig.

Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten hätte er diese zuletzt genannten 6 Hörgeräte nicht berücksichtigen dürfen. Ausschlaggebend hierfür ist die klägerseitig hervorgehobene Divergenz zwischen den technischen Anforderungen im o.g. Beschluss (&8805; 75 dB, ohne Angabe, bei welcher Frequenz diese Verstärkungsleistung erreicht werden muss) und den im aktuellen HMV genannten Anforderungen an Hörgeräte für die Hilfsmittelgruppe 13.20.10 ("Verstärkungsleistung nach DIN EN 60118-0 am Ohrsimulator nach DIN EN 60318-4 )= 75 dB"; nach Ziffer 4.16 dieser DIN beträgt die Bezugsprüffrequenz eines Hörgeräts grundsätzlich 1600 Hz, vgl. http://www.dhi-online.de/DhiNeu/12 Fachtec/FtMeTec/Mt Norm/118 0 4 16.html). Die 6 zuletzt genannten Hörgeräte erbringen – dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig – eine Verstärkungsleistung &8805; 75 dB nur bei einer beliebigen Frequenz, nicht aber gerade bei der Bezugsprüffrequenz von 1600 Hz. Dieser Unterschied ist rechtlich schon deshalb von Bedeutung, weil sie dem Regelungsprogramm des Beklagten zuwiderläuft. Dieser hat in Ziffer I seines angefochtenen Beschlusses vom 12. Dezember 2011 ausdrücklich vorgesehen, dass für "das Festbetragsgruppensystem [ ] die medizinischen, technischen und sonstigen Anforderungen der Produktgruppe 13 "Hörhilfen" des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 SGB V" gelten und somit einen Gleichlauf der technischen Anforderungen im Blick gehabt. Diesen Ansatz hat der Beklagte mit seinem o.g. Beschluss vom 13. Juli 2013 konsequent fortgesetzt, der wie folgt eingeleitet wird:

"Der GKV-Spitzenverband bestimmt gemäß § 36 Abs. 1 SGB V Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Dabei sollen unter Berücksichtigung des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 SGB V in ihrer Funktion gleichartige und gleichwertige Mittel in Gruppen zusammengefasst und die Einzelheiten der Versorgung festgelegt werden." (Hervorhebung nur hier)

Aus welchen Gründen der Beklagte gleichwohl ein Abweichen für vertretbar hält, ist weder von ihm erläutert worden noch anderweitig ersichtlich.

2. Dies gilt allerdings nur bis zum 30. Juni 2014. Insoweit geht der Hinweis der Klägerseite, zwischenzeitlich seien erheblich mehr Hörgeräte mit den geforderten Features auf dem Markt erhältlich, fehl und belegt vielmehr den Standpunkt des Beklagten. Denn nach der von der biha eingereichten Liste (Stand: 30. Juni 2014) mit 150 Geräten, für die Preise zu ermitteln waren, endet das untere Preisdrittel bei 419.- Euro. Schließlich ergibt auch die vom Beklagten daraufhin mit demselben Stichtag (30. Juni 2014) durchgeführte Erhebung der die einschlägigen o.g. Anforderungen erfüllenden Hörhilfen nach der von ihm vorgelegten, um Doppeleintragungen u.ä. bereinigten Liste mit 148 Geräten ein unteres Preisdrittel in derselben Höhe und somit deutlich unter dem o.g. Wert von 485.- Euro zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Beklagten.

Aus der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Liste zum Stichtag 31. Oktober 2013 lässt sich kein für den Beklagten günstigeres Ergebnis, etwa die Rechtmäßigkeit der Festbetragshöhe bereits ab diesem Zeitpunkt, ableiten. Diese Zusammenstellung konnte der Senat aus mehreren Gründen nicht verwerten, weil ihr Aussagegehalt unklar bleibt. Der maschinell gedruckte Text besteht aus einer 86 Hörgeräte umfassenden Tabelle mit vier Spalten: die erste Spalte enthält lückenhaft aufsteigende Ordnungsziffern von der Zahl 1 bis zur Zahl 147; der zweiten Spalte ist die jeweilige Positionsnummer des HMV, der vierten Spalte sind aufsteigende Preisangaben zu entnehmen. Drucktechnisch leicht hervorgehoben ist die 29. Zeile (Ordnungsziffer 47, Preis: 419.- Euro). Zu bemängeln ist zunächst, dass die für die dritte Spalte vorgesehenen Modellbezeichnungen der einzelnen Hörgeräte in weiten Bereichen nur teilweise zu entziffern sind. Nicht erkennbar ist, aus welchen Gründen diese Liste nicht mit durchgängigen Ordnungsziffern versehen ist bzw. nach welchen Kriterien einzelne Geräte aus einer ursprünglich umfangreicheren Tabelle gestrichen wurden (so fehlen z.B. die in der ursprünglichen Liste wohl unter den Ordnungsziffern 6, 8, 12, 13, 17, 19, 21 geführten Geräte). Dass diese Liste auf den Stichtag 31. Oktober 2013 bezogen sein soll, ergibt sich nur aus einer entsprechenden handschriftlichen Ergänzung. Unklar bleibt hingegen, ob sich die Datumsangabe nur auf die zu diesem Zeitpunkt im HMV in der Produktgruppe 13.20.10 (Hörgeräte für Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit) erfassten Geräte bezieht oder auch auf die Preisangaben. Sollten sich – wie von den Vertreterinnen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat behauptet – die Preisangaben dieser Liste auf den Stichtag 30. Juni 2014 beziehen, käme ihr allein deshalb keinerlei Aussagekraft zu, denn auf divergierende Zeitpunkte bezogenen Angaben ist kein Erkenntniswert beizumessen.

3. Im Ergebnis ist somit die Festbetragshöhe zwar seit dem 30. Juni 2014 (und bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung) rechtmäßig, war hingegen anfänglich rechtswidrig. Dies ist im vorliegenden Fall nicht bedeutungslos.

a. Zwar gilt der Grundsatz, dass bei Anfechtungsklagen die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgebend ist (Meyer-Ladewig/Keller/ Lei-therer, Sozialgerichtsgesetz, 11.A., § 54 Rd. 33 m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung des BSG). Diese Regel gilt jedoch nicht ausnahmslos. Richtet sich die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, kommt es auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an (a.a.O., Rd. 33a; Böttiger in: Breitkreuz/Fichte, Sozialgerichtsgesetz, § 54 Rd. 68). Denn bei ihnen wirkt die getroffene Regelung über den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes fort, und die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines solchen Verwaltungsaktes kann von nachträglichen Änderungen der Rechts- und Sachlage abhängen. Deshalb müssen bei der Überprüfung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung alle Rechts- und Sachverhaltsänderungen, die vom Beginn der durch die Verwaltungsentscheidungen getroffenen Regelung bis zur Entscheidung in der Tatsacheninstanz eintreten, berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 11. März 1987 – 10 RAr 5/85 –, juris, m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn für einen Anfangszeitraum rechtswidrige Bescheide aufgrund von Veränderungen der Sachlage erst zu einem späteren Zeitpunkt rechtmäßig werden (BSG, Urteil vom 09. November 2011 – B 12 R 1/10 R –, juris).

b. Die streitbefangene Festbetragsfestsetzung ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weil sie – wie bereits dargelegt – unbefristet gilt. Darüber hinaus gebietet das materielle Recht dem Beklagten, die Festbeträge mindestens einmal im Jahr zu überprüfen bzw. sie in geeigneten Zeitabständen an eine veränderte Marktlage anzupassen (§ 36 Abs. 3 i.V.m. § 35 Abs. 5 Satz 3 SGB V). Der Gesetzgeber ging offenkundig davon aus, dass sich die Sachlage, z.B. durch das Angebot neuer geeigneter Hilfsmittel oder durch das Produktions-/Vertriebsende bislang berücksichtigter Hilfsmittel, festbetragsrelevant ändern kann. Dies hat jedoch zur Konsequenz, dass während des gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung einer Festbetragsfestsetzung eine solche anfänglich rechtmäßig gewesen sein und im Laufe des Rechtsstreits aufgrund tatsächlicher Änderungen rechtswidrig werden kann, aber auch umgekehrt – wie im vorliegenden Fall – aus einer anfänglich rechtswidrigen eine rechtmäßige Allgemeinverfügung werden kann. Dem ist in Anwendung der o.g. prozessrechtlichen Überlegungen dadurch Rechnung zu tragen, dass eine Festbetragsfestsetzung bei ursprünglich bestehender, inzwischen zu verneinender Rechtswidrigkeit nur bezogen auf einen abgelaufenen Zeitraum aufzuheben ist.

c. Durch den zu geringen Festbetrag für die Zeit bis zum 30. Juni 2014 sind die Klägerinnen auch in ihren subjektiven Rechten betroffen. Denn sie waren für diese Zeit wegen § 127 Abs. 4 SGB V daran gehindert, in den Verträgen mit der Krankenkassenseite höhere Preise zu vereinbaren. Dies wirkt sich in einer nicht unerheblichen Zahl von Versorgungsfällen auch heute noch nachteilig auf die Hörgeräteakustiker als Leistungserbringer aus.

Zwar darf der Senat bei lebensnaher Betrachtung davon ausgehen, dass in zahlreichen Leistungsfällen Krankenkassen nur den Festbetrag von 786,86 Euro übernommen und die Versicherten den darüber hinausgehenden Betrag selbst gezahlt haben, sodass auf den ersten Blick ein abgeschlossener Leistungsfall vorzuliegen scheint; allenfalls könnte die "rückwirkende" Erhöhung des Festbetrags dazu führen, dass der Versicherte im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X eine höhere Zahlung seiner Krankenkasse an den Hörgeräteakustiker verlangen und hierdurch zugleich einen Erstattungsanspruch in derselben Höhe gegen diesen Leistungserbringer geltend machen könnte. Allerdings ist dem Senat nicht bekannt, mit welchem Inhalt die Leistungserbringer Verträge nach § 127 SGB V (zu deren Inhalt s.o. B. II. 2. b. aa. und bb.) für die Zeit vom 1. März 2012 bis zum 30. Juni 2014 geschlossen haben. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass diese Verträge eine Anpassungsklausel (an einen höheren Festbetrag) enthalten oder Streitgegenstand in anderen Verfahren sind, die u.U. im Hinblick auf das hiesige Verfahren zum Ruhen gebracht wurden. Bei lebensnaher Betrachtung ist aber auch davon auszugehen, dass – wie der dem Parallelverfahren L 9 KR 54/12 KL zugrunde liegende Sachverhalt anschaulich belegt – in zahlreichen Leistungsfällen die vom Versicherten zu tragende, den Festbetrag übersteigende Zahlung durch den Leistungserbringer bis zum Abschluss von Rechtsstreiten zwischen den Versicherten und ihren Krankenkasse gestundet wurde. In allen diesen noch nicht abgeschlossenen Versorgungsfällen erhalten die Hörgeräteakustiker im Umfang der Festbetragserhöhung einen anderen, typischerweise nicht insolvenzgefährdeten Schuldner in Gestalt der zuständigen Krankenkasse.

Schließlich hat die Klägerseite nachvollziehbar auf Regressverfahren von Krankenkassen gegen Hörgeräteakustiker hingewiesen, die im kassenseitigen Vorwurf gründen, die Leistungserbringer hätten z.B. entgegen den aus Verträgen nach § 127 SGB V resultierenden Pflichten keine oder nur eine unzureichende Versorgung mit zum Festbetrag erhältlichen Hörgeräten angeboten bzw. erbracht. Sollten insofern Regressansprüche bestehen, würde ihr Umfang jedenfalls durch die Höhe des Festbetrags beeinflusst.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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