Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 4087/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 98/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 05.12.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtlichen Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit.
Der 1964 geborene Kläger bezog seit 01.03.2011 Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 73,49 EUR täglich; die Anspruchsdauer betrug 360 Tage (Bewilligungsbescheid vom 21.03.2011). Am 26.09.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit am Folgetag. Am 11.10.2011 legte der Kläger die vollständigen Antragsunterlagen vor, u. a. eine Gewerbeanmeldung vom 27.09.2011 für die Tätigkeit "Ingenieurdienstleistung; Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Hard- und Software; S. digitale Systeme, P.S." und einen Geschäftsplan für Einzelunternehmen (Businessplan) vom 26.09.2011. In diesem Plan wurde als Geschäftsvorhaben die Entwicklung einer Kleinsteuerung zur Belüftung von Kellerräumen angegeben. Kurzfristiges Ziel (zwölf Monate) sei das Erzielen erster Erlöse aus Gerätevertrieb und Dienstleistung. Ein Internetauftritt bestünde noch nicht; Prospektmaterial sei ebenfalls noch nicht vorhanden. Der Kläger sei allerdings über den Internetauftritt eines früheren Gewerbebetriebs noch erreichbar.
Mit Bescheid vom 20.10.2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, laut Businessplan sei erst nach elf Monaten mit Einnahmen zu rechnen. Die Entwicklung eines Produkts zähle zu den Vorarbeiten und nicht zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit. Die Tragfähigkeit sei somit nicht gegeben und es liege noch keine selbständige Tätigkeit, deren Aufnahme mit einem Gründungszuschuss gefördert werden könne, vor.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 04.11.2013 Widerspruch. Er trug vor, die Entwicklung eines Produkts zähle nicht zu den Vorarbeiten, sondern sei unabdingbarer Bestandteil der Tätigkeit eines Ingenieurbüros mit angeschlossenem Vertrieb. Dass der im Businessplan ausgewiesene Gewinn in der ersten Zeit der Selbständigkeit nicht ausreiche, um seinen Lebensunterhalt zu sichern, sei Folge seines unternehmerischen Risikos; die Erzielung von Gewinnen durch die selbständige Tätigkeit sei eben durch die notwendige Entwicklung des Produkts bedingt. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach den Angaben des Klägers benötige er allein 1.500 Arbeitsstunden für die Entwicklung der Kleinsteuerung. Danach seien noch weitere 500 Arbeitsstunden erforderlich, um das Produkt auf den Markt zu bringen. Im Ergebnis sei nach den Angaben des Klägers deshalb von Vorbereitungsarbeiten in einem Umfang von ca. 2.000 Stunden auszugehen. Demnach sei im ersten angestrebten Förderzeitraum nicht mit positiven Einnahmen zu rechnen; es sei vielmehr davon auszugehen, dass bis zum Ende des beantragten Förderzeitraums (Mai 2012) keine Tragfähigkeit vorliegen werde. Der Kläger erfülle deshalb die Anspruchsvoraussetzungen nicht.
Mit der am 08.12.2011 beim Sozialgericht Ulm (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. In seinem Fall sei die Startphase der Unternehmensgründung im Vergleich zu anderen Geschäftsideen verlängert. Dies beruhe auf dem Umstand, dass die Gründung eines Entwicklungsbüros mit angeschlossenem Vertrieb auf der Entwicklung und Vermarktung eines Produkts beruhe. Dies beeinträchtige die Tragfähigkeit der Existenzgründung jedoch nicht. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten; ihres Erachtens seien die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt. Mit Urteil vom 05.12.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zu Recht abgelehnt; die Tragfähigkeit der Existenzgründung sei nicht nachgewiesen. Der Kläger habe erstmals ab dem elften Monat mit Umsätzen – noch nicht mit Gewinnen – gerechnet. Damit überschreite er die erste Phase von neun Monaten deutlich, in der er seinen Lebensunterhalt nicht decken könne. Eine selbständige Tätigkeit müsse zwar nicht sofort, sondern erst nach einer Anlaufphase tragfähig sein; die Dauer der Anlaufphase habe sich jedoch am Gesetz zu orientieren. Da der Gründungszuschuss in der ersten Förderphase für die Dauer von neun Monaten bewilligt werden könne, müsse sich die Existenzgründung zumindest am Ende dieses Zeitraums soweit gefestigt haben, dass mit den Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit der Lebensunterhalt bestritten werden könne. Diese Voraussetzung sei im Fall des Klägers nach dessen eigener Einschätzung nicht erfüllt.
Gegen dieses ihm gemäß Postzustellungsurkunde am 17.12.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.01.2014 unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Der Gründungszuschuss sei vom Gesetzgeber eingeführt worden, um einen Anreiz für den Übergang in die Selbständigkeit zu schaffen. Eine Absicht des Gesetzgebers, Unternehmen mit guter Zukunftsperspektive, die aber in der Startphase unter großem zeitlichen und finanziellen Aufwand betrieben werden, nur wegen der langen Anlaufphase von der Förderung auszunehmen, könne aus dem Gesetzestext nicht abgeleitet werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 05.12.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.11.2011 zu verurteilen, ihm einen Gründungszuschuss ab 27.09.2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig und das angegriffene Urteil des SG für zutreffend. Die Tragfähigkeit der Existenzgründung könne nur bejaht werden, wenn zu erwarten sei, dass der Lebensunterhalt in angemessener Zeit mit den Einnahmen aus der Gründung bestritten werden kann. Schließlich sei es die Zielsetzung des Gründungszuschusses, den Lebensunterhalt der Gründer, die Alg nicht mehr beanspruchen können, zu sichern.
Der Berichterstatter hat den Sachverhalt am 14.10.2014 mit den Beteiligten erörtert. In diesem Termin hat der Kläger angegeben, er habe nach wie vor keine Umsätze erzielt. Die Entwicklung des Produkts sei nunmehr aber abgeschlossen und die Ware auf Lager. Auch die Homepage sei fertiggestellt, so dass der Vertrieb nun beginnen könne.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, die Akten des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in der hier anzuwendenden ab 01.04.2008 geltenden Fassung) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurden die maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) beachtet. Die Berufung ist jedoch unbegründet, das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG), da sich aus § 57 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in der hier maßgeblichen, ab 01.08.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I S. 1706; im Folgenden: a.F.) ein gebundener Anspruch auf einen Gründungszuschuss ergibt. Die zwischenzeitliche Rechtsänderung durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854; in Kraft getreten am 27.12.2011), die der Agentur für Arbeit nun einen Ermessensspielraum einräumt, findet, da das Gesetz eine Rückwirkung nicht vorsieht, für den hier streitigen Zeitraum keine Anwendung (vgl. § 422 Abs. 1 SGB III).
Nach § 57 Abs. 1 SGB III a. F. haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. Der Anspruch wird nach § 57 Abs. 2 S. 1 SGB III a.F. geleistet, wenn die Antragstellerin (1.) bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch oder (b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buche gefördert worden ist, (2.) bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfügt, (3.) der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und (4.) ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Diese Voraussetzungen lagen im Fall des Klägers am 27.09.2011 nicht vor, denn der Kläger hat zu diesem Zeitpunkt (noch) keine selbständige Tätigkeit im Sinne des § 57 Abs. 1 SGB III a.F. aufgenommen.
Die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt vor, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wird. Wann eine selbständigen Tätigkeit aufgenommen wird, beurteilt sich dabei nach den Umständen des Einzelfalles (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 05.05.2010 – B 11 AL 28/09 R – SozR 4-4300 § 57 Nr. 5 = SGb 2011, 281). Eine selbständige Tätigkeit kann unter bestimmten Umständen auch durch Vorbereitungshandlungen aufgenommen werden, Voraussetzung ist aber, dass diese im Geschäftsverkehr Außenwirkung entfalten und nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (BSG, a.a.O.). Es muss also eine nach außen erkennbare endgültige Existenzgründung vorgenommen werden (BSG, Urteil vom 01.06.2006 – B 7a AL 34/05 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 1). Die im Gesetz angelegte Nachhaltigkeit der Förderung macht es erforderlich, vorbereitende Maßnahmen nur dann als "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" zu werten, wenn der Existenzgründer im Geschäftsverkehr nach außen auftritt. Reine Vorbereitungshandlungen ohne diese Außenwirkung genügen nicht.
Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, hat der Kläger am 27.09.2011 (noch) keine selbständige Tätigkeit aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt – und während der gesamten (begehrten) ersten Förderphase – beschränkte sich die Geschäftstätigkeit auf reine Vorbereitungshandlungen, die noch keine Außenwirkung entfaltet haben und deshalb auch nicht als Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gewertet werden können. Nach dem vorgelegten Businessplan sollte das Produkt, dessen Herstellung und Vertrieb beabsichtigt war, erst entwickelt werden. Für diese Phase der Tätigkeit hatte der Kläger selbst ca. 1.500 Arbeitsstunden veranschlagt. Bei einer 40-Stunden-Woche ergibt dies eine Zeitdauer von 37,5 Wochen. Erst danach sollte das Produkt auf den Markt gebracht werden. Für die vorausgehende Entwicklungsphase kann eine Außenwirkung im Geschäftsverkehr nicht festgestellt werden. Die Betriebsräume befanden sich im Wohnhaus des Klägers, die Einstellung von Mitarbeitern war nicht beabsichtigt. Die vorgesehenen Tätigkeiten beschränkten sich damit allein auf die Entwicklung des Produkts durch den Kläger selbst, die keinerlei Außenwirkung entfaltet hat; eine selbständige Tätigkeit im Sinne des Gesetzes lag somit nicht vor.
Darüber hinaus war die Existenzgründung , wie das SG zutreffend entschieden hat, auch nicht tragfähig im Sinne des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III a.F. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils des SG vom 05.12.2013 Bezug und sieht deshalb von einer Darstellung (weiterer) eigener Gründe ab. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Kläger noch im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 14.10.2014, also mehr als drei Jahre nach Anmeldung des Gewerbes, angegeben hat, noch keine einzige Steuerung verkauft zu haben.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger – erstmals – betont, seine selbständige Tätigkeit habe auch das Anbieten von "Ingenieurdienstleistungen" umfasst. Er hat dazu allerdings auch ausgeführt, diese Tätigkeit habe vor allem zu Beginn der selbständigen Tätigkeit nicht im Vordergrund gestanden; es habe sich eher um eine Alternative gehandelt, die "für den Notfall" gedacht gewesen sei. Im Übrigen bezog sich der Begriff "Ingenieurdienstleistungen" im Businessplan ausschließlich auf die Vermarktung der noch zu entwickelnden Kleinsteuerung. Damit war das Anbieten sonstiger, mit dieser Geschäftsidee nicht zusammenhängender Ingenieurdienstleistungen nicht Gegenstand des gestellten Antrags auf Gründungszuschuss und damit auch nicht der vorzunehmenden Prüfung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtlichen Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit.
Der 1964 geborene Kläger bezog seit 01.03.2011 Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 73,49 EUR täglich; die Anspruchsdauer betrug 360 Tage (Bewilligungsbescheid vom 21.03.2011). Am 26.09.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit am Folgetag. Am 11.10.2011 legte der Kläger die vollständigen Antragsunterlagen vor, u. a. eine Gewerbeanmeldung vom 27.09.2011 für die Tätigkeit "Ingenieurdienstleistung; Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Hard- und Software; S. digitale Systeme, P.S." und einen Geschäftsplan für Einzelunternehmen (Businessplan) vom 26.09.2011. In diesem Plan wurde als Geschäftsvorhaben die Entwicklung einer Kleinsteuerung zur Belüftung von Kellerräumen angegeben. Kurzfristiges Ziel (zwölf Monate) sei das Erzielen erster Erlöse aus Gerätevertrieb und Dienstleistung. Ein Internetauftritt bestünde noch nicht; Prospektmaterial sei ebenfalls noch nicht vorhanden. Der Kläger sei allerdings über den Internetauftritt eines früheren Gewerbebetriebs noch erreichbar.
Mit Bescheid vom 20.10.2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, laut Businessplan sei erst nach elf Monaten mit Einnahmen zu rechnen. Die Entwicklung eines Produkts zähle zu den Vorarbeiten und nicht zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit. Die Tragfähigkeit sei somit nicht gegeben und es liege noch keine selbständige Tätigkeit, deren Aufnahme mit einem Gründungszuschuss gefördert werden könne, vor.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 04.11.2013 Widerspruch. Er trug vor, die Entwicklung eines Produkts zähle nicht zu den Vorarbeiten, sondern sei unabdingbarer Bestandteil der Tätigkeit eines Ingenieurbüros mit angeschlossenem Vertrieb. Dass der im Businessplan ausgewiesene Gewinn in der ersten Zeit der Selbständigkeit nicht ausreiche, um seinen Lebensunterhalt zu sichern, sei Folge seines unternehmerischen Risikos; die Erzielung von Gewinnen durch die selbständige Tätigkeit sei eben durch die notwendige Entwicklung des Produkts bedingt. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach den Angaben des Klägers benötige er allein 1.500 Arbeitsstunden für die Entwicklung der Kleinsteuerung. Danach seien noch weitere 500 Arbeitsstunden erforderlich, um das Produkt auf den Markt zu bringen. Im Ergebnis sei nach den Angaben des Klägers deshalb von Vorbereitungsarbeiten in einem Umfang von ca. 2.000 Stunden auszugehen. Demnach sei im ersten angestrebten Förderzeitraum nicht mit positiven Einnahmen zu rechnen; es sei vielmehr davon auszugehen, dass bis zum Ende des beantragten Förderzeitraums (Mai 2012) keine Tragfähigkeit vorliegen werde. Der Kläger erfülle deshalb die Anspruchsvoraussetzungen nicht.
Mit der am 08.12.2011 beim Sozialgericht Ulm (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. In seinem Fall sei die Startphase der Unternehmensgründung im Vergleich zu anderen Geschäftsideen verlängert. Dies beruhe auf dem Umstand, dass die Gründung eines Entwicklungsbüros mit angeschlossenem Vertrieb auf der Entwicklung und Vermarktung eines Produkts beruhe. Dies beeinträchtige die Tragfähigkeit der Existenzgründung jedoch nicht. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten; ihres Erachtens seien die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt. Mit Urteil vom 05.12.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zu Recht abgelehnt; die Tragfähigkeit der Existenzgründung sei nicht nachgewiesen. Der Kläger habe erstmals ab dem elften Monat mit Umsätzen – noch nicht mit Gewinnen – gerechnet. Damit überschreite er die erste Phase von neun Monaten deutlich, in der er seinen Lebensunterhalt nicht decken könne. Eine selbständige Tätigkeit müsse zwar nicht sofort, sondern erst nach einer Anlaufphase tragfähig sein; die Dauer der Anlaufphase habe sich jedoch am Gesetz zu orientieren. Da der Gründungszuschuss in der ersten Förderphase für die Dauer von neun Monaten bewilligt werden könne, müsse sich die Existenzgründung zumindest am Ende dieses Zeitraums soweit gefestigt haben, dass mit den Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit der Lebensunterhalt bestritten werden könne. Diese Voraussetzung sei im Fall des Klägers nach dessen eigener Einschätzung nicht erfüllt.
Gegen dieses ihm gemäß Postzustellungsurkunde am 17.12.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.01.2014 unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Der Gründungszuschuss sei vom Gesetzgeber eingeführt worden, um einen Anreiz für den Übergang in die Selbständigkeit zu schaffen. Eine Absicht des Gesetzgebers, Unternehmen mit guter Zukunftsperspektive, die aber in der Startphase unter großem zeitlichen und finanziellen Aufwand betrieben werden, nur wegen der langen Anlaufphase von der Förderung auszunehmen, könne aus dem Gesetzestext nicht abgeleitet werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 05.12.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.11.2011 zu verurteilen, ihm einen Gründungszuschuss ab 27.09.2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig und das angegriffene Urteil des SG für zutreffend. Die Tragfähigkeit der Existenzgründung könne nur bejaht werden, wenn zu erwarten sei, dass der Lebensunterhalt in angemessener Zeit mit den Einnahmen aus der Gründung bestritten werden kann. Schließlich sei es die Zielsetzung des Gründungszuschusses, den Lebensunterhalt der Gründer, die Alg nicht mehr beanspruchen können, zu sichern.
Der Berichterstatter hat den Sachverhalt am 14.10.2014 mit den Beteiligten erörtert. In diesem Termin hat der Kläger angegeben, er habe nach wie vor keine Umsätze erzielt. Die Entwicklung des Produkts sei nunmehr aber abgeschlossen und die Ware auf Lager. Auch die Homepage sei fertiggestellt, so dass der Vertrieb nun beginnen könne.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, die Akten des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in der hier anzuwendenden ab 01.04.2008 geltenden Fassung) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurden die maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) beachtet. Die Berufung ist jedoch unbegründet, das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG), da sich aus § 57 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in der hier maßgeblichen, ab 01.08.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I S. 1706; im Folgenden: a.F.) ein gebundener Anspruch auf einen Gründungszuschuss ergibt. Die zwischenzeitliche Rechtsänderung durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854; in Kraft getreten am 27.12.2011), die der Agentur für Arbeit nun einen Ermessensspielraum einräumt, findet, da das Gesetz eine Rückwirkung nicht vorsieht, für den hier streitigen Zeitraum keine Anwendung (vgl. § 422 Abs. 1 SGB III).
Nach § 57 Abs. 1 SGB III a. F. haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. Der Anspruch wird nach § 57 Abs. 2 S. 1 SGB III a.F. geleistet, wenn die Antragstellerin (1.) bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch oder (b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buche gefördert worden ist, (2.) bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfügt, (3.) der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und (4.) ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Diese Voraussetzungen lagen im Fall des Klägers am 27.09.2011 nicht vor, denn der Kläger hat zu diesem Zeitpunkt (noch) keine selbständige Tätigkeit im Sinne des § 57 Abs. 1 SGB III a.F. aufgenommen.
Die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt vor, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wird. Wann eine selbständigen Tätigkeit aufgenommen wird, beurteilt sich dabei nach den Umständen des Einzelfalles (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 05.05.2010 – B 11 AL 28/09 R – SozR 4-4300 § 57 Nr. 5 = SGb 2011, 281). Eine selbständige Tätigkeit kann unter bestimmten Umständen auch durch Vorbereitungshandlungen aufgenommen werden, Voraussetzung ist aber, dass diese im Geschäftsverkehr Außenwirkung entfalten und nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (BSG, a.a.O.). Es muss also eine nach außen erkennbare endgültige Existenzgründung vorgenommen werden (BSG, Urteil vom 01.06.2006 – B 7a AL 34/05 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 1). Die im Gesetz angelegte Nachhaltigkeit der Förderung macht es erforderlich, vorbereitende Maßnahmen nur dann als "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" zu werten, wenn der Existenzgründer im Geschäftsverkehr nach außen auftritt. Reine Vorbereitungshandlungen ohne diese Außenwirkung genügen nicht.
Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, hat der Kläger am 27.09.2011 (noch) keine selbständige Tätigkeit aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt – und während der gesamten (begehrten) ersten Förderphase – beschränkte sich die Geschäftstätigkeit auf reine Vorbereitungshandlungen, die noch keine Außenwirkung entfaltet haben und deshalb auch nicht als Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gewertet werden können. Nach dem vorgelegten Businessplan sollte das Produkt, dessen Herstellung und Vertrieb beabsichtigt war, erst entwickelt werden. Für diese Phase der Tätigkeit hatte der Kläger selbst ca. 1.500 Arbeitsstunden veranschlagt. Bei einer 40-Stunden-Woche ergibt dies eine Zeitdauer von 37,5 Wochen. Erst danach sollte das Produkt auf den Markt gebracht werden. Für die vorausgehende Entwicklungsphase kann eine Außenwirkung im Geschäftsverkehr nicht festgestellt werden. Die Betriebsräume befanden sich im Wohnhaus des Klägers, die Einstellung von Mitarbeitern war nicht beabsichtigt. Die vorgesehenen Tätigkeiten beschränkten sich damit allein auf die Entwicklung des Produkts durch den Kläger selbst, die keinerlei Außenwirkung entfaltet hat; eine selbständige Tätigkeit im Sinne des Gesetzes lag somit nicht vor.
Darüber hinaus war die Existenzgründung , wie das SG zutreffend entschieden hat, auch nicht tragfähig im Sinne des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III a.F. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils des SG vom 05.12.2013 Bezug und sieht deshalb von einer Darstellung (weiterer) eigener Gründe ab. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Kläger noch im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 14.10.2014, also mehr als drei Jahre nach Anmeldung des Gewerbes, angegeben hat, noch keine einzige Steuerung verkauft zu haben.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger – erstmals – betont, seine selbständige Tätigkeit habe auch das Anbieten von "Ingenieurdienstleistungen" umfasst. Er hat dazu allerdings auch ausgeführt, diese Tätigkeit habe vor allem zu Beginn der selbständigen Tätigkeit nicht im Vordergrund gestanden; es habe sich eher um eine Alternative gehandelt, die "für den Notfall" gedacht gewesen sei. Im Übrigen bezog sich der Begriff "Ingenieurdienstleistungen" im Businessplan ausschließlich auf die Vermarktung der noch zu entwickelnden Kleinsteuerung. Damit war das Anbieten sonstiger, mit dieser Geschäftsidee nicht zusammenhängender Ingenieurdienstleistungen nicht Gegenstand des gestellten Antrags auf Gründungszuschuss und damit auch nicht der vorzunehmenden Prüfung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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