Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 3829/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 561/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der hälftigen Verrechnung der dem Kläger von der Beklagten gewährten Verletztenrente mit einer offenen Forderung der Allgemeinen Ortskrankenkasse A. (AOK) trotz eines zwischenzeitlich durchlaufenen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers. Der im Jahr 1958 geborene Kläger, der bis zum 30.6.2000 als selbstständiger Unternehmer einen Malerbetrieb führte, erlitt am 20.1.1978 einen bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Württembergischen Bauberufsgenossenschaft (WBBG), versicherten Arbeitsunfall, wegen dem er seit dem 7.8.1978 eine Verletztenrente, zunächst bis Ende Februar 1980 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v. H., ab dem 1.3.1980 nach einer MdE von 30 v. H. und aktuell, seit dem 1.11.2011, nach einer MdE von 40 v. H. bezieht (Bescheid vom 20.12.2011). Die monatliche Höhe der Verletztenrente belief sich ab dem 1.12.2010 auf 362,24 EUR, ab dem 1.7.2011 auf 365,83 EUR, ab dem 1.1.2012 auf 487,77 EUR, ab dem 1.7.2012 auf 498,40 EUR, ab dem 1.7.2013 auf 499,65 EUR, ab dem 1.7.2014 auf 507,99 EUR und seit dem 1.7.2015 auf 518,66 EUR. Daneben bezieht der Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung A ... Aus einer ausgeübten Erwerbstätigkeit bezieht der Kläger Einkünfte i.H.v. ca. 850,- EUR. Mit Schreiben vom 08.12.1997 teilte die WBBG dem Kläger mit, dass dort Beitragsrückstände i.H.v 16.000,- DM bestünden und beabsichtigt sei, entsprechend § 51 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), die Hälfte der ihm gezahlten Verletztenrente hiergegen aufzurechnen. Nach Anhörung des Klägers wurde die Aufrechnung ab 1.2.1998 vorgenommen. Erstmals mit Schreiben vom 20.2.2004 beantragte die AOK, Bezirksdirektion Böblingen, wegen vom Kläger nicht entrichteter Gesamtsozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen (bis zum 15.2.2004) und sonstigen Kosten i.H.v. insg. 10.932,73 EUR bei der Beklagten die Verrechnung ihrer Forderung mit derzeitigen oder künftigen an den Kläger gezahlter Geldleistungen. Die Beklagte lehnte dies unter Hinweis auf die laufende Aufrechnung ab. Mit Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart (AG) vom 9.4.2009 (- 9 IN 382/09 -), der Beklagten am 11.5.2009 zugestellt, wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Die Drittschuldner wurden angewiesen, nur noch an den Insolvenzverwalter zu leisten. Der Kläger stellte Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung. Mit Schreiben vom 20.5.2009 teilte die Beklagte dem Insolvenzverwalter u.a. mit, dass sich die dortigen Beitragsschulden des Klägers auf 2.887,23 EUR beliefen (Stand: 29.4.2009), die durch eine hälftige Aufrechnung mit der dem Kläger gewährten Verletztenrente, damals i.H.v. 176,86 EUR monatlich, getilgt würden. Sie, die Beklagte, sehe sich als berechtigt an, dies auch weiterhin durchführen zu dürfen. Sodann sei über ein Verrechnungsersuchen der AOK zu befinden. Im weiteren Fortgang des Insolvenzverfahrens wurde bei einer Forderungssumme von insg. 4.065.362,- EUR für die AOK im Rahmen der Schlussverteilung eine Forderung i.H.v. 23.749,45 EUR festgestellt. Das Insolvenzverfahren endete, nachdem das AG mit Beschluss vom 6.7.2011 einen Insolvenzplan vom 7.2.2011 bestätigte. In diesem Plan war bei einer vom Kläger eingebrachten Summe von 8.000,- EUR u.a. niedergelegt, dass mit Durchführung des Plans alle restlichen Forderungen als erlassen gelten. Spezifische Regelungen betreffend die Beitragsschuld des Klägers gegenüber der AOK beinhaltete der Insolvenzplan nicht. Auf Anfrage der Beklagten teilte die AOK, Bezirksdirektion Stuttgart/Böblingen, unter dem 23.8.2010 mit, dass die dortige Forderung noch bestehe und sich auf 23.749,45 EUR belaufe. Mit Schreiben vom 14.9.2010 hörte die Beklagte den Kläger zu der beabsichtigten Auf- bzw. Verrechnung der Forderung der AOK auf Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen i.H.v. 23.749,45 EUR an. Ihm wurde Gelegenheit zur Äußerung, insb. zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, eingeräumt. Auf Anfrage der Beklagten teilte die AOK mit Schreiben vom 22.10.2010 mit, dass ihre bestandskräftige Forderung vom AG in die Tabelle eingetragen worden sei, woraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 26.10.2010 der AOK und dem Kläger gegenüber mitteilte, dass sie ab dem 1.12.2010 die Verrechnung der gemeldeten Forderung mit der von ihr zu zahlenden Leistung vornehmen und monatlich einen Betrag von 181,12 EUR an die AOK abführen werde. Mit Bescheid vom 22.12.2010 entschied die Beklagte, die Forderung der AOK i.H.v. 23.749,45 EUR gemäß § 51 bzw. § 52 SGB I ab 1.12.2010 mit der Hälfte der dem Kläger gewährten Verletztenrente zu verrechnen. Begründend führte sie aus, dass eine Verfügung über den nicht zur Insolvenzmasse gehörenden unpfändbaren Teil der Rente vom Anwendungsbereich des § 114 Insolvenzordnung (InsO) nicht erfasst werde. Im weiteren Fortgang verrechnete die Beklagte sodann ab dem 1.12.2010 aus der dem Kläger gewährten Verletztenrente zugunsten der AOK zunächst einen Betrag von 181,12 EUR monatlich. Ab dem 1.7.2011 verrechnete sie monatlich 182,91 EUR, ab dem 1.1.2012 monatlich 243,88 EUR, ab dem 1.8.2012 monatlich 249,20 EUR, ab dem 1.7.2013 monatlich 249,82 EUR, ab dem 1.7.2014 monatlich 253,99 EUR und seit dem 1.7.2015 monatlich 259,33 EUR zugunsten der AOK. Den gegen den Verrechnungsbescheid erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.5.2011 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzungen für eine Verrechnung nach § 52 SGB I lägen vor. Es liege eine Verrechnungsermächtigung der AOK über eine bestandskräftige Beitragsforderung i.H.v. 23.749,45 EUR vor. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er durch die Verrechnung hilfebedürftig i.S.d. Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) bzw. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) werde. Der Umstand, dass über das Vermögen des Klägers ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, hindere die Verrechnung von Beitragsansprüchen mit dem nicht pfändbaren Teil des monatlichen Zahlbetrages der Verletztenrente nicht. Die Verrechnung erfolge in Teile der Verletztenrente, die nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst seien. Im Rahmen der Ermessensprüfung seien Gründe, die gegen eine hälftige Verrechnung sprächen, nicht ersichtlich geworden. Hiergegen hat der Kläger am 30.6.2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgetragen, die Forderung der AOK sei von dieser bereits im Insolvenzverfahren angemeldet und dort im Rang 0-1 vom Insolvenzverwalter festgestellt worden. In Durchführung des vom AG bestätigten Insolvenzplans habe sich für die AOK ein quotaler Auszahlungsbetrag von 39,72 EUR ergeben, der ausgekehrt worden sei. Dies führe dazu, dass nach Durchführung des Insolvenzverfahrens alle restlichen Forderungen "erlassen" seien, sodass die weitere Verrechnung durch die Beklagte mit der Verletztenrente ab dem 1.7.2011 rechtswidrig sei. Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat vorgetragen, die Regelungen der Verrechnung sowie der Aufrechnung im SGB I privilegierten die Sozialversicherungsträger, weswegen eine Verrechnung nicht durch Regelungen des Insolvenzrechts ausgeschlossen sei. Insolvenzrechtliche Vorschriften bezögen sich nur auf jene Vermögensgegenstände, die zur Insolvenzmasse rechneten. Der monatliche Rentenauszahlungsanspruch unterliege als laufende Geldleistung nur wie Arbeitseinkommen der Pfändung; solange dieser die Pfändungsfreigrenze nicht überschreite, rechne er nicht zur Insolvenzmasse. Vor diesem Hintergrund sei es auch unbeachtlich, dass zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren abgeschlossen sei. Mit Urteil vom 19.12.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, nach § 52 SGB I könne der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig sei. Eine Aufrechnung sei nach § 51 Abs. 1 SGB I möglich, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar seien. Dies sei vorliegend gegeben. Der Verrechnung stehe auch das zwischenzeitlich abgeschlossene Insolvenzverfahren nicht entgegen. Zwar hätte die AOK nach den insolvenzrechtlichen Bestimmungen lediglich einen Anspruch auf die quotale Bedienung ihrer Forderung i.H.v. 39,72 EUR gehabt, die Privilegierung der Forderung der AOK durch die vorrangigen Regelungen des SGB I sei jedoch nicht zu beanstanden, da insolvenzrechtliche Bestimmungen der Verrechnung nicht entgegenstünden.
Gegen das ihm am 7.1.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7.2.2013 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung trägt er am 13.3.2014 vor, durch den gerichtlich bestätigten Insolvenzplan seien alle Forderungen gegen ihn erlassen. Das SG habe insofern missachtet, dass dem Ziel des Insolvenzverfahrens, dem redlichen Schuldner zu ermöglichen, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien, nur dann Rechnung getragen werde, wenn auch die sozialversicherungsrechtliche Verrechnung nach Erlass des Insolvenzplans unzulässig sei. I.d.S. habe das Bundessozialgericht (BSG) zuletzt entschieden, dass die (dort gegenständliche) Beitragsforderung nach Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht mehr durchsetzbar sei. In der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2015 hat der Kläger erklärt, die Verrechnung für die Zeit während des laufenden Insolvenzverfahrens zu akzeptieren und nur die Verrechnung ab dem 1.7.2011 anzugreifen.
Der Kläger beantragt (zuletzt),
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Dezember 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2011 aufzuheben, soweit die Beklagte über den 30. Juni 2011 hinaus Verrechnungen mit Forderungen der AOK A. auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge durchführt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, das SG habe zutreffend darauf hingewiesen, dass die Durchführung eines Insolvenzverfahrens einer Verrechnung von Beitragsforderungen nicht entgegen stehe. Der Gesetzgeber habe insofern die Durchsetzung von Beitrags- und Erstattungsforderungen von Trägern der Sozialversicherung gegenüber sonstigen Gläubigern privilegiert. Das BSG habe sich in seiner vom Kläger angeführten Entscheidung vom 14.3.2013 (- B 13 R 5/11 R -) auf § 294 Insolvenzordnung (InsO), der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für einzelne Insolvenzgläubiger verbiete, gestützt. Indes sei sie, die Berufsgenossenschaft, kein Insolvenzgläubiger. Überdies handle es sich bei der Verrechnung, einem Sonderfall der Aufrechnung, nicht um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge und die bei der Beklagten für den Kläger geführten Verwaltungsakten, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2015 geworden sind, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2015 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung (vgl. § 143 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) wurde form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegt und ist auch im Übrigen zulässig. Sie führt jedoch für den Kläger nicht zum Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Streitgegenstand ist der Verrechnungsbescheid der Beklagten vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.5.2011. Statthafte Klageart hiergegen ist die reine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Alt. 1 SGG (BSG, Urteil vom 7.2.2012 - B 13 R 85/09 R - veröffentlicht in juris, dort Rn. 30; Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, Stand April 2012, § 52 SGB I, Rn. 36); mit der Kassation des angegriffenen Verrechnungsbescheids würde der Anspruch des Klägers auf Zahlung der ihm bewilligten Verletztenrente in der bewilligten Höhe wiederaufleben, ohne dass es eines (zusätzlichen) Leistungsantrages bedürfte. Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, die Verrechnung für die Zeit während des laufenden Insolvenzverfahrens zu akzeptieren und seinen Antrag zuletzt darauf beschränkt hat, den angefochtenen Bescheid nur insoweit anzufechten, als die Beklagte über den 30. Juni 2011 hinaus Verrechnungen zugunsten der AOK vornimmt, hat er die Berufung teilweise zurückgenommen (§ 156 Abs. 1 Satz 1 SGG), so dass der Senat nur noch bezüglich der Verrechnungen ab dem 1.7.2011 zur Entscheidung berufen ist.
Die Beklagte hat ab dem 1.7.2011 in nicht zu beanstandender Weise die Forderung der AOK auf Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen mit laufenden Zahlungen von Verletztenrente an den Kläger verrechnet. Der Bescheid vom 22.12.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.5.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Dem in § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) niedergelegten Erfordernis, den Kläger vor Erlass des Bescheides anzuhören, wurde die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 14.9.2010 gerecht.
Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Nach § 51 Abs. 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II oder des SGB XII wird. Auf die Aufrechnung des § 51 SGB I finden die das Institut der Aufrechnung im Zivilrecht regelnden Vorschriften der §§ 387 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsprechende Anwendung (BSG, Urteil vom 12.11.1980 - 1 RA 105/79 - veröffentlicht in juris, dort Rn. 46). Die Verrechnung steht somit der Aufrechnung gleich; während jedoch bei der Aufrechnung der Leistungsträger selbst auch Gläubiger der Geldforderung ist, mit der aufgerechnet wird, besteht bei der Verrechnung keine Identität von Gläubiger und Schuldner. Eine wirksame Verrechnung setzt mithin mit Ausnahme des Erfordernisses der Gegenseitigkeit den Tatbestand der Aufrechnung sowie eine Ermächtigung für den ermächtigten Leistungsträger, die Verrechnung vorzunehmen, voraus.
Vorliegend bestand - mit Ausnahme der Gegenseitigkeit der Forderungen - eine Aufrechnungslage (und damit eine Verrechnungslage) im Sinne der §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I. Gesamtsozialversicherungsbeiträge i.S.d. § 28d Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sind grundsätzlich Beiträge im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I, mit denen nach § 52 SGB I eine Verrechnung durchgeführt werden kann (vgl. Hessisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 8.4.2014 - L 2 R 526/11 - veröffentlicht in juris). Die sich gegenüberstehenden Forderungen - die Pflicht zur Entrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages und der Anspruch des Klägers auf Verletztenrente - sind als Geldleistungsansprüche nach § 51 SGB I gleichartig. Die Hauptforderung, der Anspruch auf Zahlung der Verletztenrente, ist auch im Hinblick auf zukünftige Rentenansprüche erfüllbar. Die Gegenforderung, die bestandkräftige Forderung der AOK, war hinreichend bestimmt und auch im Übrigen durchsetzbar. Hierbei können zulässigerweise auch die aufgelaufenen Säumniszuschläge und sonstigen Kosten bei der Geltendmachung von Beitragsansprüchen im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I berücksichtigt werden, da diese als Nebenforderung Teil der Beitragsforderung sind (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.3.2015 - L 1 R 425/14 B ER - veröffentlich in juris, dort Rn. 35; Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, Stand April 2012, § 51 SGB I, Rn. 16).
Die AOK hat vorliegend bereits mit dem ersten Verrechnungsersuchen vom 20.2.2004 eine hinreichend substantiierte Ermächtigungserklärung vorgelegt. Das Bestehen der Forderung hat sie sodann unter dem 23.8.2010 bestätigt und auf insg. 23.749,45 EUR beziffert.
Die Wirksamkeit der Verrechnung scheitert auch nicht an dem Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit der aufzurechnenden Forderung. Die Beklagte hat dem Kläger unter dem 14.9.2010 mitgeteilt, dass die Forderung der AOK i.H.v. 23.749,45 EUR verrechnet werde, woraus für den Kläger erkennbar war, welche Beitragsansprüche durch die Verrechnung zum Erlöschen gebracht werden sollten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24.7.2003 - B 4 RA 60/02 R - veröffentlicht in juris).
Die einseitig durch Verwaltungsakt geregelte Verrechnung steht - ebenso wie die Aufrechnung - im pflichtgemäßen Ermessen des sie durchführenden Leistungsträgers, mit dem diesem eine breite Handlungsmöglichkeit hinsichtlich des "ob" und des Umfangs einer Verrechnung zur Verfügung steht, um so die Besonderheiten des Einzelfalls und insb. die wirtschaftliche Situation des Leistungsempfängers angemessen berücksichtigen zu können. Dabei ist das Verrechnungsermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und es sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I). In diesem (eingeschränkten) Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle, insb. auf Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Fehlgebrauch. Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung der Beklagten mit derartigen Fehlern behaftet ist, bestehen für den Senat nicht. Insb. hat die Beklagte, wie aus dem Inhalt des Widerspruchsbescheides ersichtlich wird, erkannt, dass ihr ein Ermessensspielraum eröffnet ist und ihre zulässigen Erwägungen dargelegt.
Die Höhe der monatlichen Verrechnung zugunsten der AOK mit einem Betrag von 182,91 EUR ab dem 1.7.2011, von 243,88 EUR ab dem 1.1.2012, von 249,20 EUR ab dem 1.8.2012, von 249,82 EUR ab dem 1.7.2013, von 253,99 EUR ab dem 1.7.2014 und seit dem 1.7.2015 von 259,33 EUR unterliegt in Ansehung der monatlichen Höhe der bewilligten Verletztenrente (ab dem 1.7.2011: 365,83 EUR, ab dem 1.1.2012: 487,77 EUR, ab dem 1.7.2012: 498,40 EUR, ab dem 1.7.2013: 499,65 EUR, ab dem 1.7.2014: 507,99 EUR und seit dem 1.7.2015: 518,66 EUR) keinen Bedenken, da dem Kläger jeweils die Hälfte der Verletztenrente verblieben ist.
Da der Kläger neben der ihm verbleibenden Verletztenrente auch eine Rente wegen Erwerbsminderung bezieht, die er im Termin zur mündlichen Verhandlung mit ca. 360,- EUR angegeben hat, und er Erwerbseinkünfte i.H.v. ca. 850,- EUR (netto) monatlich hat, steht für den Senat, auch in Ermangelung eines entgegen stehenden substantiierten klägerischen Vortrages und angesichts der Tatsache, dass der Kläger in der Vergangenheit Hilfebedürftigkeit geltend gemacht hat, nämlich im Jahr 2004 bei einem Nettoeinkommen von damals 282,17 EUR und einem vom Landratsamt Böblingen errechneten Gesamtbedarf von 994,80 EUR, fest, dass der Kläger durch die Verrechnung nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB II oder des SGB XII geworden ist.
Der Verrechnung der Beklagten steht schließlich, worüber der vorliegende Rechtsstreit zuvorderst geführt wird, nicht entgegen, dass über das Vermögen des Klägers ein Insolvenzverfahren durchgeführt wurde. Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2015 erklärt hat, die Verrechnung für die Zeit während des laufenden Insolvenzverfahrens zu akzeptieren, ist nur noch darüber zu befinden, ob die Verrechnung nach Beendigung des Insolvenzverfahrens, die vorliegend dadurch eintrat, dass das AG einen Insolvenzplan mit Beschluss vom 6.7.2011 gerichtlich bestätigt hat, noch möglich ist. Dies ist zu bejahen. Endet das Insolvenzverfahren durch die gerichtliche Bestätigung eines Insolvenzplans und erlangt diese gerichtliche Bestätigung nach § 248 Abs. 1 InsO formelle Rechtskraft, treten gemäß § 254 Abs. 1 Satz 1 InsO die in seinem gestaltenden Teil festgelegten materiellen Wirkungen unmittelbar für und gegen alle Beteiligten ein. Insolvenzforderungen können nur noch in Höhe der vereinbarten Quoten durchgesetzt werden. Soweit sie als erlassen gelten (vgl. § 227 Abs. 1 InsO), sind sie zwar nicht erloschen, bestehen indes nur noch als natürliche, unvollkommene Verbindlichkeiten fort, deren Erfüllung möglich ist, aber nicht erzwungen werden kann. Dies folgt im Gegenschluss aus den Regelungen in § 254 Abs. 3 und § 255 Abs. 1 Satz 1 InsO (vgl. Bundesgerichtshof [BGH]; Urteil vom 9.4.1992 - IX ZR 304/90 - veröffentlicht in juris unter Hinweis auf BT-Drucks. 12/2443, S. 213; Bundesgerichtshof [BGH]). Mit einer solchen nicht durchsetzbaren Forderung kann grundsätzlich nicht aufgerechnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 29.3.2007 - IX ZB 204/05 - veröffentlicht in juris). § 94 InsO bestimmt jedoch, dass wenn ein Insolvenzgläubiger zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes oder auf Grund einer Vereinbarung zur Aufrechnung berechtigt, dieses Recht durch das Verfahren nicht berührt wird. Der hierdurch verfolgte Regelungszweck, ein bei Verfahrenseröffnung bestehendes Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung unberührt zu lassen, macht die Anwendung der Norm im Falle eines Insolvenzplans zwar nicht zwingend erforderlich, weil im Falle der Bereinigung einer Insolvenz mittels eines Insolvenzplans der Insolvenzgläubiger eines solchen Schutzes nicht im gleichen Umfang bedarf; er wird vielmehr bereits dadurch geschützt, dass er zu dem Termin zur Erörterung und Abstimmung über den Plan besonders geladen wird (§ 235 Abs. 3 InsO) und er durchsetzen kann, dass dem Plan die gerichtliche Bestätigung versagt wird, § 94 InsO dient jedoch vornehmlich dem Vertrauensschutz. Eine vor Insolvenzeröffnung erworbene Aufrechnungsbefugnis und die daraus folgende Selbstexekutionsbefugnis sind eine von der Rechtsordnung weitgehend geschützte Rechtsstellung (vgl. §§ 389, 392, 406 BGB), die auch im Insolvenzverfahren uneingeschränkt anerkannt bleiben soll (BT-Drucks. 12/2443, S. 140). Hieraus folgt, dass die Aufrechnung mit einer Forderung, die nach dem Insolvenzplan als erlassen gilt, dann erhalten bleibt, wenn die Aufrechnungslage bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden hat (BGH, Urteil vom 19.5.2011 - IX ZR 222/08 - veröffentlicht in juris). Dies gilt gleichermaßen auch für eine Verrechnung, die einer Aufrechnung insofern gleich zu stellen ist (BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 18/03 R - veröffentlicht in juris). I.d.S. hat auch das BSG bereits entschieden, dass die Verrechnung nach § 52 SGB I während eines laufenden Insolvenzverfahrens zulässig ist, wenn die Verrechnungslage bereits vor Insolvenzeröffnung bestand (Urteil vom 10.12.2003, a.a.O.).
Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 9.4.2009 standen sich die Forderungen schon auf- bzw. verrechenbar gegenüber. Die Forderung der AOK auf Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen bezog sich auf den Zeitraum vom 1.11. - 31.12.1999. Sie war fällig (vgl. § 7a Abs. 6 Satz 2 SGB IV) und bestandskräftig festgestellt. Der Anspruch des Klägers auf Auszahlung der Verletztenrente wurde diesem bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Renten(stamm-)recht zuerkannt (Bescheid vom 15.1.1980) und war damit in ausreichender Weise (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12.7.1990 - 4 RA 47/88 -; Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 18/03 R -; Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 25.10.1984 - IX ZR 110/83 - jew. veröffentlicht in juris) in seinem Kern schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet.
Die Zulassung der Auf- bzw. Verrechnung nach der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans führt auch nicht zu unbilligen Ergebnissen. Aufrechnungsmöglichkeiten eines Insolvenzgläubigers bzw. Verrechnungsmöglichkeiten eines Sozialversicherungsträgers sind vor der Entscheidung über die Bestätigung des Insolvenzplans für den Schuldner bzw. den Insolvenzverwalter erkennbar. Der Schuldner, vorliegend der Kläger, kann versuchen, den betreffenden Gläubiger zu einem Verzicht auf sein Aufrechnungsrecht zu bewegen, oder - falls dies nicht gelingt - die fortbestehende Aufrechnungsmöglichkeit bei der Gestaltung des Insolvenzplans einbeziehen. Dies ist vorliegend nicht geschehen. Da mithin für den Kläger Möglichkeiten bestanden, der fortbestehenden Auf- bzw. Verrechnungsmöglichkeit bei der Gestaltung des Insolvenzplans, Rechnung zu tragen, kann von einer Beschädigung der Gläubigerautonomie durch die Zulassung der Verrechnung mit einer nach dem Insolvenzplan als erlassen geltenden Forderung nicht die Rede sein (vgl. BGH, Urteil vom 19.5.2011 - IX ZR 222/08 - veröffentlicht in juris, dort Rn. 12 f.).
Soweit das BSG in seiner Entscheidung vom 14.3.2013 (a.a.O, Rn. 45 der juris-Veröffentlichung) angeführt hat, die Beitragsforderung sei nicht mehr durchsetzbar, nimmt dies auf den oben angeführten Gegenschluss der Regelungen in § 254 Abs. 3 und § 255 Abs. 1 Satz 1 InsO Bezug, führt jedoch, wie oben unter Hinweis auf die BGH Rechtsprechung bereits ausgeführt, nicht dazu, dass die Forderung der AOK nicht mehr verrechenbar ist.
Soweit der Verrechnung klägerseits entgegen gebracht wird, der Zweck des Insolvenzverfahrens, dem redlichen Schuldner einen wirtschaftlichen Neubeginn zu ermöglichen, stehe der sich aus § 52 SGB I ergebenden Verrechnungsbefugnis entgegen, verkennt dies, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 51 Abs. 2 SGB I die Sozialleistungsträger bei der Durchsetzung von Beitrags- und Erstattungsforderungen im Wege der Aufrechnung bzw. Verrechnung gegenüber anderen Gläubigern privilegiert hat (vgl. BSG, Urteil vom 19.1.1978 - 4 RJ 47/77 -; Urteil vom 27.3.1996 - 14 Reg 10/95 -; Urteil vom 7.2.2012, a.a.O. jew. veröffentlicht in juris).
Der Bescheid vom 22.12.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.5.2011 ist mithin rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der hälftigen Verrechnung der dem Kläger von der Beklagten gewährten Verletztenrente mit einer offenen Forderung der Allgemeinen Ortskrankenkasse A. (AOK) trotz eines zwischenzeitlich durchlaufenen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers. Der im Jahr 1958 geborene Kläger, der bis zum 30.6.2000 als selbstständiger Unternehmer einen Malerbetrieb führte, erlitt am 20.1.1978 einen bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Württembergischen Bauberufsgenossenschaft (WBBG), versicherten Arbeitsunfall, wegen dem er seit dem 7.8.1978 eine Verletztenrente, zunächst bis Ende Februar 1980 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v. H., ab dem 1.3.1980 nach einer MdE von 30 v. H. und aktuell, seit dem 1.11.2011, nach einer MdE von 40 v. H. bezieht (Bescheid vom 20.12.2011). Die monatliche Höhe der Verletztenrente belief sich ab dem 1.12.2010 auf 362,24 EUR, ab dem 1.7.2011 auf 365,83 EUR, ab dem 1.1.2012 auf 487,77 EUR, ab dem 1.7.2012 auf 498,40 EUR, ab dem 1.7.2013 auf 499,65 EUR, ab dem 1.7.2014 auf 507,99 EUR und seit dem 1.7.2015 auf 518,66 EUR. Daneben bezieht der Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung A ... Aus einer ausgeübten Erwerbstätigkeit bezieht der Kläger Einkünfte i.H.v. ca. 850,- EUR. Mit Schreiben vom 08.12.1997 teilte die WBBG dem Kläger mit, dass dort Beitragsrückstände i.H.v 16.000,- DM bestünden und beabsichtigt sei, entsprechend § 51 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), die Hälfte der ihm gezahlten Verletztenrente hiergegen aufzurechnen. Nach Anhörung des Klägers wurde die Aufrechnung ab 1.2.1998 vorgenommen. Erstmals mit Schreiben vom 20.2.2004 beantragte die AOK, Bezirksdirektion Böblingen, wegen vom Kläger nicht entrichteter Gesamtsozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen (bis zum 15.2.2004) und sonstigen Kosten i.H.v. insg. 10.932,73 EUR bei der Beklagten die Verrechnung ihrer Forderung mit derzeitigen oder künftigen an den Kläger gezahlter Geldleistungen. Die Beklagte lehnte dies unter Hinweis auf die laufende Aufrechnung ab. Mit Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart (AG) vom 9.4.2009 (- 9 IN 382/09 -), der Beklagten am 11.5.2009 zugestellt, wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Die Drittschuldner wurden angewiesen, nur noch an den Insolvenzverwalter zu leisten. Der Kläger stellte Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung. Mit Schreiben vom 20.5.2009 teilte die Beklagte dem Insolvenzverwalter u.a. mit, dass sich die dortigen Beitragsschulden des Klägers auf 2.887,23 EUR beliefen (Stand: 29.4.2009), die durch eine hälftige Aufrechnung mit der dem Kläger gewährten Verletztenrente, damals i.H.v. 176,86 EUR monatlich, getilgt würden. Sie, die Beklagte, sehe sich als berechtigt an, dies auch weiterhin durchführen zu dürfen. Sodann sei über ein Verrechnungsersuchen der AOK zu befinden. Im weiteren Fortgang des Insolvenzverfahrens wurde bei einer Forderungssumme von insg. 4.065.362,- EUR für die AOK im Rahmen der Schlussverteilung eine Forderung i.H.v. 23.749,45 EUR festgestellt. Das Insolvenzverfahren endete, nachdem das AG mit Beschluss vom 6.7.2011 einen Insolvenzplan vom 7.2.2011 bestätigte. In diesem Plan war bei einer vom Kläger eingebrachten Summe von 8.000,- EUR u.a. niedergelegt, dass mit Durchführung des Plans alle restlichen Forderungen als erlassen gelten. Spezifische Regelungen betreffend die Beitragsschuld des Klägers gegenüber der AOK beinhaltete der Insolvenzplan nicht. Auf Anfrage der Beklagten teilte die AOK, Bezirksdirektion Stuttgart/Böblingen, unter dem 23.8.2010 mit, dass die dortige Forderung noch bestehe und sich auf 23.749,45 EUR belaufe. Mit Schreiben vom 14.9.2010 hörte die Beklagte den Kläger zu der beabsichtigten Auf- bzw. Verrechnung der Forderung der AOK auf Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen i.H.v. 23.749,45 EUR an. Ihm wurde Gelegenheit zur Äußerung, insb. zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, eingeräumt. Auf Anfrage der Beklagten teilte die AOK mit Schreiben vom 22.10.2010 mit, dass ihre bestandskräftige Forderung vom AG in die Tabelle eingetragen worden sei, woraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 26.10.2010 der AOK und dem Kläger gegenüber mitteilte, dass sie ab dem 1.12.2010 die Verrechnung der gemeldeten Forderung mit der von ihr zu zahlenden Leistung vornehmen und monatlich einen Betrag von 181,12 EUR an die AOK abführen werde. Mit Bescheid vom 22.12.2010 entschied die Beklagte, die Forderung der AOK i.H.v. 23.749,45 EUR gemäß § 51 bzw. § 52 SGB I ab 1.12.2010 mit der Hälfte der dem Kläger gewährten Verletztenrente zu verrechnen. Begründend führte sie aus, dass eine Verfügung über den nicht zur Insolvenzmasse gehörenden unpfändbaren Teil der Rente vom Anwendungsbereich des § 114 Insolvenzordnung (InsO) nicht erfasst werde. Im weiteren Fortgang verrechnete die Beklagte sodann ab dem 1.12.2010 aus der dem Kläger gewährten Verletztenrente zugunsten der AOK zunächst einen Betrag von 181,12 EUR monatlich. Ab dem 1.7.2011 verrechnete sie monatlich 182,91 EUR, ab dem 1.1.2012 monatlich 243,88 EUR, ab dem 1.8.2012 monatlich 249,20 EUR, ab dem 1.7.2013 monatlich 249,82 EUR, ab dem 1.7.2014 monatlich 253,99 EUR und seit dem 1.7.2015 monatlich 259,33 EUR zugunsten der AOK. Den gegen den Verrechnungsbescheid erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.5.2011 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzungen für eine Verrechnung nach § 52 SGB I lägen vor. Es liege eine Verrechnungsermächtigung der AOK über eine bestandskräftige Beitragsforderung i.H.v. 23.749,45 EUR vor. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er durch die Verrechnung hilfebedürftig i.S.d. Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) bzw. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) werde. Der Umstand, dass über das Vermögen des Klägers ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, hindere die Verrechnung von Beitragsansprüchen mit dem nicht pfändbaren Teil des monatlichen Zahlbetrages der Verletztenrente nicht. Die Verrechnung erfolge in Teile der Verletztenrente, die nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst seien. Im Rahmen der Ermessensprüfung seien Gründe, die gegen eine hälftige Verrechnung sprächen, nicht ersichtlich geworden. Hiergegen hat der Kläger am 30.6.2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgetragen, die Forderung der AOK sei von dieser bereits im Insolvenzverfahren angemeldet und dort im Rang 0-1 vom Insolvenzverwalter festgestellt worden. In Durchführung des vom AG bestätigten Insolvenzplans habe sich für die AOK ein quotaler Auszahlungsbetrag von 39,72 EUR ergeben, der ausgekehrt worden sei. Dies führe dazu, dass nach Durchführung des Insolvenzverfahrens alle restlichen Forderungen "erlassen" seien, sodass die weitere Verrechnung durch die Beklagte mit der Verletztenrente ab dem 1.7.2011 rechtswidrig sei. Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat vorgetragen, die Regelungen der Verrechnung sowie der Aufrechnung im SGB I privilegierten die Sozialversicherungsträger, weswegen eine Verrechnung nicht durch Regelungen des Insolvenzrechts ausgeschlossen sei. Insolvenzrechtliche Vorschriften bezögen sich nur auf jene Vermögensgegenstände, die zur Insolvenzmasse rechneten. Der monatliche Rentenauszahlungsanspruch unterliege als laufende Geldleistung nur wie Arbeitseinkommen der Pfändung; solange dieser die Pfändungsfreigrenze nicht überschreite, rechne er nicht zur Insolvenzmasse. Vor diesem Hintergrund sei es auch unbeachtlich, dass zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren abgeschlossen sei. Mit Urteil vom 19.12.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, nach § 52 SGB I könne der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig sei. Eine Aufrechnung sei nach § 51 Abs. 1 SGB I möglich, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar seien. Dies sei vorliegend gegeben. Der Verrechnung stehe auch das zwischenzeitlich abgeschlossene Insolvenzverfahren nicht entgegen. Zwar hätte die AOK nach den insolvenzrechtlichen Bestimmungen lediglich einen Anspruch auf die quotale Bedienung ihrer Forderung i.H.v. 39,72 EUR gehabt, die Privilegierung der Forderung der AOK durch die vorrangigen Regelungen des SGB I sei jedoch nicht zu beanstanden, da insolvenzrechtliche Bestimmungen der Verrechnung nicht entgegenstünden.
Gegen das ihm am 7.1.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7.2.2013 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung trägt er am 13.3.2014 vor, durch den gerichtlich bestätigten Insolvenzplan seien alle Forderungen gegen ihn erlassen. Das SG habe insofern missachtet, dass dem Ziel des Insolvenzverfahrens, dem redlichen Schuldner zu ermöglichen, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien, nur dann Rechnung getragen werde, wenn auch die sozialversicherungsrechtliche Verrechnung nach Erlass des Insolvenzplans unzulässig sei. I.d.S. habe das Bundessozialgericht (BSG) zuletzt entschieden, dass die (dort gegenständliche) Beitragsforderung nach Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht mehr durchsetzbar sei. In der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2015 hat der Kläger erklärt, die Verrechnung für die Zeit während des laufenden Insolvenzverfahrens zu akzeptieren und nur die Verrechnung ab dem 1.7.2011 anzugreifen.
Der Kläger beantragt (zuletzt),
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Dezember 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2011 aufzuheben, soweit die Beklagte über den 30. Juni 2011 hinaus Verrechnungen mit Forderungen der AOK A. auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge durchführt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, das SG habe zutreffend darauf hingewiesen, dass die Durchführung eines Insolvenzverfahrens einer Verrechnung von Beitragsforderungen nicht entgegen stehe. Der Gesetzgeber habe insofern die Durchsetzung von Beitrags- und Erstattungsforderungen von Trägern der Sozialversicherung gegenüber sonstigen Gläubigern privilegiert. Das BSG habe sich in seiner vom Kläger angeführten Entscheidung vom 14.3.2013 (- B 13 R 5/11 R -) auf § 294 Insolvenzordnung (InsO), der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für einzelne Insolvenzgläubiger verbiete, gestützt. Indes sei sie, die Berufsgenossenschaft, kein Insolvenzgläubiger. Überdies handle es sich bei der Verrechnung, einem Sonderfall der Aufrechnung, nicht um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge und die bei der Beklagten für den Kläger geführten Verwaltungsakten, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2015 geworden sind, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2015 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung (vgl. § 143 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) wurde form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegt und ist auch im Übrigen zulässig. Sie führt jedoch für den Kläger nicht zum Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Streitgegenstand ist der Verrechnungsbescheid der Beklagten vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.5.2011. Statthafte Klageart hiergegen ist die reine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Alt. 1 SGG (BSG, Urteil vom 7.2.2012 - B 13 R 85/09 R - veröffentlicht in juris, dort Rn. 30; Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, Stand April 2012, § 52 SGB I, Rn. 36); mit der Kassation des angegriffenen Verrechnungsbescheids würde der Anspruch des Klägers auf Zahlung der ihm bewilligten Verletztenrente in der bewilligten Höhe wiederaufleben, ohne dass es eines (zusätzlichen) Leistungsantrages bedürfte. Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, die Verrechnung für die Zeit während des laufenden Insolvenzverfahrens zu akzeptieren und seinen Antrag zuletzt darauf beschränkt hat, den angefochtenen Bescheid nur insoweit anzufechten, als die Beklagte über den 30. Juni 2011 hinaus Verrechnungen zugunsten der AOK vornimmt, hat er die Berufung teilweise zurückgenommen (§ 156 Abs. 1 Satz 1 SGG), so dass der Senat nur noch bezüglich der Verrechnungen ab dem 1.7.2011 zur Entscheidung berufen ist.
Die Beklagte hat ab dem 1.7.2011 in nicht zu beanstandender Weise die Forderung der AOK auf Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen mit laufenden Zahlungen von Verletztenrente an den Kläger verrechnet. Der Bescheid vom 22.12.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.5.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Dem in § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) niedergelegten Erfordernis, den Kläger vor Erlass des Bescheides anzuhören, wurde die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 14.9.2010 gerecht.
Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Nach § 51 Abs. 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II oder des SGB XII wird. Auf die Aufrechnung des § 51 SGB I finden die das Institut der Aufrechnung im Zivilrecht regelnden Vorschriften der §§ 387 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsprechende Anwendung (BSG, Urteil vom 12.11.1980 - 1 RA 105/79 - veröffentlicht in juris, dort Rn. 46). Die Verrechnung steht somit der Aufrechnung gleich; während jedoch bei der Aufrechnung der Leistungsträger selbst auch Gläubiger der Geldforderung ist, mit der aufgerechnet wird, besteht bei der Verrechnung keine Identität von Gläubiger und Schuldner. Eine wirksame Verrechnung setzt mithin mit Ausnahme des Erfordernisses der Gegenseitigkeit den Tatbestand der Aufrechnung sowie eine Ermächtigung für den ermächtigten Leistungsträger, die Verrechnung vorzunehmen, voraus.
Vorliegend bestand - mit Ausnahme der Gegenseitigkeit der Forderungen - eine Aufrechnungslage (und damit eine Verrechnungslage) im Sinne der §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I. Gesamtsozialversicherungsbeiträge i.S.d. § 28d Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sind grundsätzlich Beiträge im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I, mit denen nach § 52 SGB I eine Verrechnung durchgeführt werden kann (vgl. Hessisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 8.4.2014 - L 2 R 526/11 - veröffentlicht in juris). Die sich gegenüberstehenden Forderungen - die Pflicht zur Entrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages und der Anspruch des Klägers auf Verletztenrente - sind als Geldleistungsansprüche nach § 51 SGB I gleichartig. Die Hauptforderung, der Anspruch auf Zahlung der Verletztenrente, ist auch im Hinblick auf zukünftige Rentenansprüche erfüllbar. Die Gegenforderung, die bestandkräftige Forderung der AOK, war hinreichend bestimmt und auch im Übrigen durchsetzbar. Hierbei können zulässigerweise auch die aufgelaufenen Säumniszuschläge und sonstigen Kosten bei der Geltendmachung von Beitragsansprüchen im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I berücksichtigt werden, da diese als Nebenforderung Teil der Beitragsforderung sind (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.3.2015 - L 1 R 425/14 B ER - veröffentlich in juris, dort Rn. 35; Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, Stand April 2012, § 51 SGB I, Rn. 16).
Die AOK hat vorliegend bereits mit dem ersten Verrechnungsersuchen vom 20.2.2004 eine hinreichend substantiierte Ermächtigungserklärung vorgelegt. Das Bestehen der Forderung hat sie sodann unter dem 23.8.2010 bestätigt und auf insg. 23.749,45 EUR beziffert.
Die Wirksamkeit der Verrechnung scheitert auch nicht an dem Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit der aufzurechnenden Forderung. Die Beklagte hat dem Kläger unter dem 14.9.2010 mitgeteilt, dass die Forderung der AOK i.H.v. 23.749,45 EUR verrechnet werde, woraus für den Kläger erkennbar war, welche Beitragsansprüche durch die Verrechnung zum Erlöschen gebracht werden sollten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24.7.2003 - B 4 RA 60/02 R - veröffentlicht in juris).
Die einseitig durch Verwaltungsakt geregelte Verrechnung steht - ebenso wie die Aufrechnung - im pflichtgemäßen Ermessen des sie durchführenden Leistungsträgers, mit dem diesem eine breite Handlungsmöglichkeit hinsichtlich des "ob" und des Umfangs einer Verrechnung zur Verfügung steht, um so die Besonderheiten des Einzelfalls und insb. die wirtschaftliche Situation des Leistungsempfängers angemessen berücksichtigen zu können. Dabei ist das Verrechnungsermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und es sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I). In diesem (eingeschränkten) Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle, insb. auf Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Fehlgebrauch. Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung der Beklagten mit derartigen Fehlern behaftet ist, bestehen für den Senat nicht. Insb. hat die Beklagte, wie aus dem Inhalt des Widerspruchsbescheides ersichtlich wird, erkannt, dass ihr ein Ermessensspielraum eröffnet ist und ihre zulässigen Erwägungen dargelegt.
Die Höhe der monatlichen Verrechnung zugunsten der AOK mit einem Betrag von 182,91 EUR ab dem 1.7.2011, von 243,88 EUR ab dem 1.1.2012, von 249,20 EUR ab dem 1.8.2012, von 249,82 EUR ab dem 1.7.2013, von 253,99 EUR ab dem 1.7.2014 und seit dem 1.7.2015 von 259,33 EUR unterliegt in Ansehung der monatlichen Höhe der bewilligten Verletztenrente (ab dem 1.7.2011: 365,83 EUR, ab dem 1.1.2012: 487,77 EUR, ab dem 1.7.2012: 498,40 EUR, ab dem 1.7.2013: 499,65 EUR, ab dem 1.7.2014: 507,99 EUR und seit dem 1.7.2015: 518,66 EUR) keinen Bedenken, da dem Kläger jeweils die Hälfte der Verletztenrente verblieben ist.
Da der Kläger neben der ihm verbleibenden Verletztenrente auch eine Rente wegen Erwerbsminderung bezieht, die er im Termin zur mündlichen Verhandlung mit ca. 360,- EUR angegeben hat, und er Erwerbseinkünfte i.H.v. ca. 850,- EUR (netto) monatlich hat, steht für den Senat, auch in Ermangelung eines entgegen stehenden substantiierten klägerischen Vortrages und angesichts der Tatsache, dass der Kläger in der Vergangenheit Hilfebedürftigkeit geltend gemacht hat, nämlich im Jahr 2004 bei einem Nettoeinkommen von damals 282,17 EUR und einem vom Landratsamt Böblingen errechneten Gesamtbedarf von 994,80 EUR, fest, dass der Kläger durch die Verrechnung nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB II oder des SGB XII geworden ist.
Der Verrechnung der Beklagten steht schließlich, worüber der vorliegende Rechtsstreit zuvorderst geführt wird, nicht entgegen, dass über das Vermögen des Klägers ein Insolvenzverfahren durchgeführt wurde. Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2015 erklärt hat, die Verrechnung für die Zeit während des laufenden Insolvenzverfahrens zu akzeptieren, ist nur noch darüber zu befinden, ob die Verrechnung nach Beendigung des Insolvenzverfahrens, die vorliegend dadurch eintrat, dass das AG einen Insolvenzplan mit Beschluss vom 6.7.2011 gerichtlich bestätigt hat, noch möglich ist. Dies ist zu bejahen. Endet das Insolvenzverfahren durch die gerichtliche Bestätigung eines Insolvenzplans und erlangt diese gerichtliche Bestätigung nach § 248 Abs. 1 InsO formelle Rechtskraft, treten gemäß § 254 Abs. 1 Satz 1 InsO die in seinem gestaltenden Teil festgelegten materiellen Wirkungen unmittelbar für und gegen alle Beteiligten ein. Insolvenzforderungen können nur noch in Höhe der vereinbarten Quoten durchgesetzt werden. Soweit sie als erlassen gelten (vgl. § 227 Abs. 1 InsO), sind sie zwar nicht erloschen, bestehen indes nur noch als natürliche, unvollkommene Verbindlichkeiten fort, deren Erfüllung möglich ist, aber nicht erzwungen werden kann. Dies folgt im Gegenschluss aus den Regelungen in § 254 Abs. 3 und § 255 Abs. 1 Satz 1 InsO (vgl. Bundesgerichtshof [BGH]; Urteil vom 9.4.1992 - IX ZR 304/90 - veröffentlicht in juris unter Hinweis auf BT-Drucks. 12/2443, S. 213; Bundesgerichtshof [BGH]). Mit einer solchen nicht durchsetzbaren Forderung kann grundsätzlich nicht aufgerechnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 29.3.2007 - IX ZB 204/05 - veröffentlicht in juris). § 94 InsO bestimmt jedoch, dass wenn ein Insolvenzgläubiger zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes oder auf Grund einer Vereinbarung zur Aufrechnung berechtigt, dieses Recht durch das Verfahren nicht berührt wird. Der hierdurch verfolgte Regelungszweck, ein bei Verfahrenseröffnung bestehendes Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung unberührt zu lassen, macht die Anwendung der Norm im Falle eines Insolvenzplans zwar nicht zwingend erforderlich, weil im Falle der Bereinigung einer Insolvenz mittels eines Insolvenzplans der Insolvenzgläubiger eines solchen Schutzes nicht im gleichen Umfang bedarf; er wird vielmehr bereits dadurch geschützt, dass er zu dem Termin zur Erörterung und Abstimmung über den Plan besonders geladen wird (§ 235 Abs. 3 InsO) und er durchsetzen kann, dass dem Plan die gerichtliche Bestätigung versagt wird, § 94 InsO dient jedoch vornehmlich dem Vertrauensschutz. Eine vor Insolvenzeröffnung erworbene Aufrechnungsbefugnis und die daraus folgende Selbstexekutionsbefugnis sind eine von der Rechtsordnung weitgehend geschützte Rechtsstellung (vgl. §§ 389, 392, 406 BGB), die auch im Insolvenzverfahren uneingeschränkt anerkannt bleiben soll (BT-Drucks. 12/2443, S. 140). Hieraus folgt, dass die Aufrechnung mit einer Forderung, die nach dem Insolvenzplan als erlassen gilt, dann erhalten bleibt, wenn die Aufrechnungslage bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden hat (BGH, Urteil vom 19.5.2011 - IX ZR 222/08 - veröffentlicht in juris). Dies gilt gleichermaßen auch für eine Verrechnung, die einer Aufrechnung insofern gleich zu stellen ist (BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 18/03 R - veröffentlicht in juris). I.d.S. hat auch das BSG bereits entschieden, dass die Verrechnung nach § 52 SGB I während eines laufenden Insolvenzverfahrens zulässig ist, wenn die Verrechnungslage bereits vor Insolvenzeröffnung bestand (Urteil vom 10.12.2003, a.a.O.).
Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 9.4.2009 standen sich die Forderungen schon auf- bzw. verrechenbar gegenüber. Die Forderung der AOK auf Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen bezog sich auf den Zeitraum vom 1.11. - 31.12.1999. Sie war fällig (vgl. § 7a Abs. 6 Satz 2 SGB IV) und bestandskräftig festgestellt. Der Anspruch des Klägers auf Auszahlung der Verletztenrente wurde diesem bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Renten(stamm-)recht zuerkannt (Bescheid vom 15.1.1980) und war damit in ausreichender Weise (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12.7.1990 - 4 RA 47/88 -; Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 18/03 R -; Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 25.10.1984 - IX ZR 110/83 - jew. veröffentlicht in juris) in seinem Kern schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet.
Die Zulassung der Auf- bzw. Verrechnung nach der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans führt auch nicht zu unbilligen Ergebnissen. Aufrechnungsmöglichkeiten eines Insolvenzgläubigers bzw. Verrechnungsmöglichkeiten eines Sozialversicherungsträgers sind vor der Entscheidung über die Bestätigung des Insolvenzplans für den Schuldner bzw. den Insolvenzverwalter erkennbar. Der Schuldner, vorliegend der Kläger, kann versuchen, den betreffenden Gläubiger zu einem Verzicht auf sein Aufrechnungsrecht zu bewegen, oder - falls dies nicht gelingt - die fortbestehende Aufrechnungsmöglichkeit bei der Gestaltung des Insolvenzplans einbeziehen. Dies ist vorliegend nicht geschehen. Da mithin für den Kläger Möglichkeiten bestanden, der fortbestehenden Auf- bzw. Verrechnungsmöglichkeit bei der Gestaltung des Insolvenzplans, Rechnung zu tragen, kann von einer Beschädigung der Gläubigerautonomie durch die Zulassung der Verrechnung mit einer nach dem Insolvenzplan als erlassen geltenden Forderung nicht die Rede sein (vgl. BGH, Urteil vom 19.5.2011 - IX ZR 222/08 - veröffentlicht in juris, dort Rn. 12 f.).
Soweit das BSG in seiner Entscheidung vom 14.3.2013 (a.a.O, Rn. 45 der juris-Veröffentlichung) angeführt hat, die Beitragsforderung sei nicht mehr durchsetzbar, nimmt dies auf den oben angeführten Gegenschluss der Regelungen in § 254 Abs. 3 und § 255 Abs. 1 Satz 1 InsO Bezug, führt jedoch, wie oben unter Hinweis auf die BGH Rechtsprechung bereits ausgeführt, nicht dazu, dass die Forderung der AOK nicht mehr verrechenbar ist.
Soweit der Verrechnung klägerseits entgegen gebracht wird, der Zweck des Insolvenzverfahrens, dem redlichen Schuldner einen wirtschaftlichen Neubeginn zu ermöglichen, stehe der sich aus § 52 SGB I ergebenden Verrechnungsbefugnis entgegen, verkennt dies, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 51 Abs. 2 SGB I die Sozialleistungsträger bei der Durchsetzung von Beitrags- und Erstattungsforderungen im Wege der Aufrechnung bzw. Verrechnung gegenüber anderen Gläubigern privilegiert hat (vgl. BSG, Urteil vom 19.1.1978 - 4 RJ 47/77 -; Urteil vom 27.3.1996 - 14 Reg 10/95 -; Urteil vom 7.2.2012, a.a.O. jew. veröffentlicht in juris).
Der Bescheid vom 22.12.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.5.2011 ist mithin rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved