L 8 AL 2675/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 2825/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 2675/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 13.05.2015 (S 2 AL 515/14) wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung zum Leistungsexport PD U2 – Mitnahme von Arbeitslosengeld nach dem SGB III in die Schweiz – hat.

Der 1964 geborene Kläger wohnte in der Schweiz und war dort bis 04.12.2012 abhängig beschäftigt (Blatt 179 der Beklagtenakte). Er bezog dort vom 14.12.2012 - 31.03.2012 Arbeitslosengeld (Alg; vgl. Blatt 12 und 200 der Beklagtenakte). Am 28.06.2013 verzog er nach Konstanz (Blatt 97 der Beklagtenakte), wo er sich am 01.07.2013 bei der Beklagten persönlich arbeitslos meldete und die Gewährung von Alg beantragte (Blatt 6/12 der Beklagtenakte). Die Beklagte bewilligte dem Kläger unter Berücksichtigung einer Zwischentätigkeit und einer Sperrzeit von drei Wochen (vgl. Vergleich vom 02.10.2013 im Verfahren S 2 AL 2304113 ER, Blatt 228/230 der Beklagtenakte) Alg vom 01.07.2013 bis 14.07.2013 und 04.09.2013 bis 10.12.2013 (Blatt 210/213, 217/220, 223/225, 240/242 der Beklagtenakte). Dauer und Läge des Alg-Anspruchs sind zwischen den Beteiligten streitig (S 2 AL 2825113).

Ab dem 01.12.2013 wohnte der Kläger wieder in Kreuzlingen, Schweiz, im Hotel und meldete sich bei der Schweizer Arbeitslosenversicherung arbeitslos (Blatt 256, 257 der Beklagtenakte). Leistungen erhielt er von dort nach eigenen Angaben keine. Der Kläger ist seit 23.10.2014 in Berlin gemeldet.

Mit Schreiben vom 21.01.2014 (Blatt 257 der Beklagtenakte) beantragte der Kläger, die Ausstellung eines Portable Document (PD) U2 zur Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit im Ausland, was die Beklagte mit Bescheid der Agentur für Arbeit Ulm vom 30.01.2014 (Blatt 259 der Beklagtenakte) ablehnte. Der Alg-Anspruch in Deutschland sei erschöpft, ein neuer Anspruch sei nicht entstanden. Den Widerspruch aus dem Schreiben des Klägers vom 03.02.2014 (Blatt 260 der Beklagtenakte) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2014 (Blatt 266/269 der Beklagtenakte) zurück.

Am 09.05.2014 meldete sich der Kläger zum 08.05.2014 erneut bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg (Blatt 284286 der Beklagtenakte). Mit Bescheid vom 20.05.2014 lehnte die Beklagte durch die Agentur für Arbeit Berlin Mitte die Gewährung von Alg ab (Bescheid vom 20.05.2014, Blatt 289/290 der Beklagtenakte, Widerspruchsbescheid vom 30.09.2014, Blatt 301/303 der Beklagtenakte); der am 01.07.2013 erworbene Anspruch sei erschöpft und seither kein neuer Anspruch auf Alg entstanden.

Mit seiner Klage vom 12.02.2014 hat der Kläger u.a. ausgeführt, seit 2007 als Wander- und Temporärarbeiter gearbeitet zu haben. Es müsse internationales Arbeitsrecht angewandt werden. Es könnten nicht nur einzelne Paragrafen herausgepickt werden, es müsste schon der ganze Gesetzestext gelesen werden. Das Arbeitsamt sei sicherlich über die tatsächliche Gesetzeslage informiert und entziehe sich wie üblich seiner Verantwortung. Ihm seien mindestens zwei Arbeitsstellen mit Festanstellung entgangen. Von den Behörden in Deutschland und der Schweiz erhalte er keine Unterstützung.

Das SG hat mit Urteil vom 13.05.2015 die Klage abgewiesen. Im Hinblick auf § 369 SGB III i.V.m. § 57 Abs. 3 SGG sei von der örtlichen Zuständigkeit des SG auszugehen, in der Sache sei die Klage jedoch unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Ausstellung eines U2 Dokuments zum Export von Alg aus Art. 64 VO (EG) Nr. 883/2004 vom 29.04.2004, welche aufgrund des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedsstaaten über die Freizügigkeit vom 21.06.1999 (in der Fassung des Beschlusses Nr. 112012 des Gemischten Ausschusses vom 31.03.2012 zur Ersetzung des Anhangs II des Abkommens über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) ab dem 01.04.2012 auch im Verhältnis mit der Schweiz gelte. Die Voraussetzungen des Art. 64 VO (EG) Nr. 883/2004 hätten zum Zeitpunkt des Antrags des Klägers am 21.01.2014 nicht mehr vorgelegen, da er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr die Voraussetzungen zum Bezug von Alg in Deutschland erfüllt habe. Der Leistungszeitraum sei bereits abgelaufen gewesen. Dies sei auch nicht zu beanstanden.

Gegen das ihm am 02.06.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger mit an das SG Berlin gerichtetem Schreiben vom 02.06.2015, das am 05.06.2015 beim SG Berlin, am 12.06.2015 beim SG Konstanz und am 25.06.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingegangen ist, Berufung eingelegt. Er lege Berufung ein und widerspreche dem Urteil, da das SG Länderabkommen und das gesetzlich geregelte Arbeitsrecht sowohl als auch zustehende Leistungen ignoriert und nicht beachtet habe. Über den IC-ICC Den Haag sei schon unter dem Zeichen OTP-CR-191115, Herr Dillon, ein Verfahren diesbezüglich eingeleitet worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 13.05.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2014 zu verurteilen, ihm eine U2 Bescheinigung auszustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat mit Schreiben 05.08.2015 auf die beabsichtigte Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen. Das Schreiben war den Beteiligten (dem Kläger am 18.08.2015, der Beklagten am 19.08.2015) zugestellt worden, sie erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 18.08.2015 (Blatt 12/14 der Senatsakte) ein Schreiben an das IC-ICC Den H. vorgelegt und u.a. ausgeführt, es lägen unzählige Stellungnahmen, Widersprüche, Erklärungen usw. vor. Es sei zweifelsfrei die Hinhaltetaktik und Verfahrensverzögerung ersichtlich. Grundlegendes soziales Recht werde nicht eingehalten. Er bitte das Gericht und nicht nur in seinem Namen, sondern im Namen aller hier in Deutschland lebenden Personen, die die gleiche rechtliche Problematik hätten, die deutsche Gerichtsbarkeit endlich in ihre gesetzliche und rechtliche Schranken zu weisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte, nachdem das SG nicht durch Gerichtsbescheid entschieden hatte, gemäß § 153 Abs. 4 SGG über die Berufung durch Beschluss und ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn der Senat hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten waren gehört worden.

Die – selbst wenn auf den Eingang des Berufungsschreibens beim LSG am 25.06.2015 abgestellt würde - gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig aber unbegründet.

Der Senat war zur Entscheidung über den Rechtsstreit zuständig, auch wenn der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Ausland (hier: Schweiz) gewohnt hatte bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort hatte, weshalb eine Verweisung des Rechtsstreits an das SG Berlin nicht in Betracht kommt. Denn das LSG ist nach § 29 Abs. 1 SGG i.V.m. § 1 AGSGG BW zur Entscheidung über Berufungen gegen die Urteile der baden-württembergischen SG berufen. Dabei prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig und die örtliche Zuständigkeit gegeben ist (§ 98 SGG i.V.m. § 17a Abs. 5 SGG). Im Übrigen war das SG Konstanz zur Entscheidung auch örtlich zuständig, nachdem der Kläger bei ausländischem Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthaltsort sein Wahlrecht nach § 369 SGB III dadurch ausgeübt hat, dass er beim SG Konstanz Klage erhoben und auf Nachfrage nicht die Zuständigkeit des SG Nürnberg gewählt hat.

Der Senat weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils als und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Ausführungen des SG zur Begründung seiner Entscheidung erweisen sich auch nach Prüfung durch den Senat als zutreffen, weshalb hierauf Bezug genommen wird. Daher wird lediglich ergänzend auf Folgendes hingewiesen:

Wenn ein Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland arbeitslos wird und Alg bezieht, sowie in einem anderen Mitgliedstaat der EU beziehungsweise des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) oder in der Schweiz Arbeit suchen will, kann das deutsche Alg für eine bestimmte Dauer dort weiter bezogen werden (dazu vgl. Art. 64 VO (EG) 833/2004). Über die nach Art. 64 VO (EG) 83372004 bestehenden Voraussetzungen stellt die deutsche Agentur für Arbeit das Portable Document U2 – PD U2 - für die Mitnahme des deutschen Leistungsanspruchs zur Arbeitsuche aus. Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung über die Voraussetzungen des Leistungsexports nach Art. 64 der auch im Verhältnis zur Schweiz anzuwendenden VO (EG) 833/2004 besteht damit nur dann, wenn die Voraussetzungen des Leistungsexports i.S.d. Art. 64 VO (EG) 833/2004 vorliegen. Nach Art. 64 Abs. 1 VO (EG) 833/2004 behält eine vollarbeitslose Person, die die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats erfüllt (hier: Bundesrepublik Deutschland) und sich zur Arbeitsuche in einen anderen Mitgliedstaat (hier: Schweiz) begibt, den Anspruch auf Geldleistungen bei Arbeitslosigkeit (hier: Alg nach dem SGB III) unter dann in der VO (EG) 833/004 näher beschriebenen Bedingungen. Damit setzt der Leistungsexport – bezogen auf den vorliegenden Fall - voraus, dass der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland noch die Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs auf Alg nach den Regelungen des SGB III erfüllt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall, wie auch der Senat nach eigener Prüfung feststellen musste (dazu vgl. auch das Verfahren L 8 AL 2675/15) ...

Dass der Kläger mittlerweile erneut einen Anspruch auf Alg und daher einen Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung PD U2 erworben hätte, konnte der Senat nicht feststellen

Auch soweit sich das Begehren auf Ausstellung einer Bescheinigung PD U2 zwecks Arbeitssuche in der Schweiz durch den Umzug des Klägers nach Berlin erledigt hätte, ergäbe sich im Hinblick auf das vorliegende Verfahrenkeine andere Entscheidung durch den Senat. Denn insoweit könnte im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage zwar wegen des häufig wechselnden Wohnortes des Klägers mit wiederholten Auslandsaufenthalten in der Schweiz und Österreich noch angenommen werden, dass wegen Wiederholungsgefahr ein besonderes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der von der Beklagten getroffenen Entscheidungen bestehen könnte. Doch erweist sich der angefochtene Bescheid vom 30.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2014 nicht als rechtswidrig, weshalb auch eine entsprechende Fortsetzungsfeststellungsklage unbegründet wäre.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht
Rechtskraft
Aus
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