L 3 AS 1738/13

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 17 AS 7404/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 1738/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Rechtsstreit ist erledigt, wenn ein nach Klageerhebung eingetretenes außergerichtliches Ereignis dem Rechtsschutzbegehren die Grundlage entzogen hat und das Rechtsschutzbegehren deshalb für den Rechtsschutzsuchenden gegenstandlos geworden ist.
2. Zur Frage, ob es sich bei der Zustimmung zur Ortsabwesenheit im Sinne von § 7 Abs. 4a SGB II um einen Verwaltungsakt handelt.
3. Eine Wiederholungsgefahr (als Fall eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses) ist in Bezug auf die Frage der erlaubten oder der unerlaubten, gemäß § 7 Abs. 4a Satz 1 SGB II den Leistungsanspruch entfallen lassenden Ortsabwesenheit nicht gegeben, weil die Beantwortung dieser Frage stets von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängt.
4. Für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage müssen nicht nur die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen wie das Fortsetzungsfeststellungsinteresse gegeben sein, sondern auch die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 26. September 2013 wird zurückgewiesen.

II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich dagegen, dass der Beklagte seiner angekündigten Ortsabwesenheit im Oktober 2011 nicht in vollem Umfang zugestimmt hat.

Der im Jahr 1980 geborene Kläger bezog – mit zeitweiligen Unterbrechungen – ab Juni 2009 vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Er wohnt in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter S K , seiner Bevollmächtigten im vorliegenden Berufungsverfahren. Der Kläger hat am 19. Oktober 2010 ein Hochschulstudium im Bauingenieurwesen an der HTW D als Dipl.-Ing. (FH) – Bau (allgemeines Bauwesen) abgeschlossen. Seitdem war er ohne Beschäftigung.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 1. Juni 2011 Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 31. Dezember 2011.

Mit Schreiben vom 25. September 2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er sich vom 3. Oktober 2011 bis zum 15. Oktober 2011 in den Urlaub abmelde.

Der Beklagte informierte den Kläger mit Schreiben vom 27. September 2011 unter anderem darüber, dass ihm 21 Kalendertage pro Jahr für "Urlaub" zur Verfügung stünden. Da ihm bereits vom 29. August 2011 bis zum 9. September 2011, mithin für 12 Kalendertage, die Ortsabwesenheit genehmigt worden sei, könne der angezeigten Ortsabwesenheit nur bis zum 11. Oktober 2011 zugestimmt werden. Wenn der Kläger über den 11. Oktober 2011 hinaus unerlaubt ortsabwesend sein sollte, entfalle sein Leistungsanspruch mit Ablauf der genehmigten Abwesenheit. Er müsse in diesem Fall mit der Erstattung der Leistung rechnen. Der Kläger wurde gebeten, sich umgehend persönlich beim Beklagten aus seiner Ortsabwesenheit zurückzumelden.

Gegen dieses Schreiben legte der Kläger mit Schreiben vom 4. Oktober 2011 Widerspruch ein und verwies darauf, dass ihm nach § 3 Abs. 1 des Mindesturlaubsgesetzes für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) 24 Tage Urlaub zustünden.

Mit Schreiben vom 17. Oktober 2011 hörte der Beklagte den Kläger zur vorläufigen Einstellung der Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an und teilte ihm mit, dass bis zur persönlichen Vorsprache in der Eingangszone seine Leistungen vorläufig storniert würden. Mit Schreiben vom 27. Oktober 2011 hörte der Beklagte ihn weiter dazu an, dass er für die Zeit vom 12. Oktober 2011 bis zum 19. Oktober 2011 Arbeitslosengeld II in Höhe von 182,63 EUR zu Unrecht bezogen habe, da er in dieser Zeit unerlaubt ortsabwesend gewesen sei. Aufgrund dieser Tatsache errechne sich kein Leistungsanspruch mehr und es sei beabsichtigt, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zurückzufordern.

Nach Aktenlage ergriff der Beklagte nach der Anhörung wegen der angekündigten Ortsabwesenheit keine den Kläger belastenden Maßnahmen. So gab der Beklagte im Rahmen eines Eilverfahrens gegen einen Sanktionsbescheid vom 29. September 2011 (Az. S 17 AS 5755/11 ER) am 20. Oktober 2011 vor dem Sozialgericht Dresden ein Anerkenntnis ab, infolge dessen Leistungen, die aus anderen Gründen als der Ortsabwesenheit einbehalten worden waren, ausgezahlt wurden. Zur vorläufigen Zahlungseinstellung fertigte ein Mitarbeiter des Beklagten unter dem 24. Oktober 2011 folgenden Vermerk: "Achtung: zur vorläufigen Zahlungseinstellung! Herr K war bei dem Erörterungstermin am 20. Oktober 2011 persönlich anwesend. Insoweit wurde zumindest dargelegt, dass er sich nun wieder hier aufhält. Zu beachten ist außerdem, dass im Verfahren ein Schreiben (Kopie anbei) eingereicht wurde, mit welchem wohl am 04.10.2011 die Verschiebung des Urlaubs vom 06.10. bis 15.10. angezeigt wurde." In einem den Sanktionsbescheid vom 29. September 2011 betreffenden Abhilfebescheid wurde darauf hingewiesen, dass der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 1. Juni 2011 erneut seine Gültigkeit erlange.

Auch bestätigte der Beklagte im Berufungsverfahren auf Anfrage mit Schreiben vom 21. September 2015 – vom Kläger unwidersprochen –, dass keine Sanktion verhängt worden sei.

Der Beklagte verwarf den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2011 als unzulässig, da es sich bei dem angegriffenen Schreiben vom 27. September 2011 nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) handle, der mit einem Widerspruch anfechtbar sei. Denn es sei keine Regelung über den Leistungsanspruch getroffen worden.

Der Kläger hat hiergegen am 12. Dezember 2011 Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte nicht berechtigt sei, Verwaltungsakte jeglicher Art zu erlassen. Daher sei er auch nicht berechtigt gewesen, über den Urlaubsanspruch zu entscheiden.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26. September 2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es sich bei dem Schreiben vom 27. September 2011 nicht um einen Verwaltungsakt handle. § 7 Abs. 4a SBG II stelle keine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass eines ausschließlich die Frage der Ortsabwesenheit regelnden Verwaltungsaktes dar. Vielmehr handele es sich um eine behördliche Verwaltungshandlung im Sinne des § 44a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und damit um eine Maßnahme, die eine Behörde in einem Verfahren auf Antrag vornehme oder vorzunehmen ablehne, ohne dass dabei das Verfahren durch eine mögliche Sachentscheidung abgeschlossen werde.

Die Bevollmächtigte des Klägers im Berufungsverfahren hat in dem am 7. Oktober 2013 eingegangenen Schreiben sechs erstinstanzliche Aktenzeichen, unter anderem das des vorliegenden Klageverfahrens, sowie "Gerichtsbescheid vom 18.10.2013" angegeben und "Beschwerde/Widerspruch" eingelegt. Es werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der Berichterstatter hat den Kläger darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel als Berufung ausgelegt werden könne.

Der Kläger hat im Berufungsverfahren seine Auffassung weiter vertreten, dass Arbeitsgemeinschaften auf Grund des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 20. Dezember 2012 (Az. 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 [Arbeitslosengeld II, Hartz IV-Arbeitsgemeinschaft]) zum 31. Dezember 2010 aufgelöst worden seien und demzufolge der Beklagte keine Verwaltungsakte erlassen dürfe. Der Beklagte sei ein Eigenbetrieb der Landeshauptstadt D und arbeite auf privatrechtlicher Basis. Später ist vorgetragen worden, dass es sich beim Beklagten um ein selbständiges Unternehmen der Privatwirtschaft handle. Gleiches gelte auch für die Bundesagentur für Arbeit.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichtes Dresden vom 26. September 2013 den Bescheid des Beklagten vom 27. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2011 aufzuheben und festzustellen, dass er während 24 Tagen Ortsabwesenheit im Jahr 2011 einen fortbestehenden Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II hat.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Bei ihm, dem Beklagten, handle es sich um eine gemeinsame Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit und des Kommunalen Trägers (hier der Landeshauptstadt D ) im Sinne des §§ 6, 6d und 44b SGB II. Er sei demnach in Ausführung des SGB II berechtigt, Verwaltungsakte zu erlassen. Auf eine Zulassung nach der Verordnung zur Zulassung von kommunalen Trägern als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Kommunalträger-Zulassungsverordnung – KomtrZV) komme es nicht an, weil er kein zugelassener kommunaler Träger im Sinne des SGB II sei.

Das Gericht hat den Ausgestaltungsvertrag zur Gründung des Jobcenters D beigezogen und auf den im Internet abrufbaren Geschäftsplan für das Jahr 2015 des Beklagten hingewiesen. Den Antrag auf Beiziehung der Geschäftsordnung des Beklagten hat das Gericht abgelehnt. Die "Rechtsbeschwerde" des Klägers gegen die "Ablehnung unseres Antrages auf Einsicht in die Geschäftsordnung des Jobcenters D " ist dem Bundessozialgericht vorgelegt worden, welches sich mit Schreiben vom 25. August 2015 an die Klägerbevollmächtigte gewandt und das klägerische Schreiben wegen fehlender Zuständigkeit als erledigt angesehen hat. In Bezug auf das Einsichtsgesuch in die Geschäftsordnung des Beklagten hat sich die Klägerbevollmächtigte noch auf das Informationsfreiheitsgesetz und das Recht auf Akteneinsicht berufen. Diesbezüglich sind mit Schreiben vom 13. August 2015 und 27. August 2015 Hinweise seitens des Gerichts erfolgt.

Die Beklagtenvertreterin hat mit Schreiben vom 13. September 2015 nochmals umfassend zur Berufung vorgetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen, die beigezogenen Akten des Sozialgerichtes Dresden über die abgeschlossenen und offenen SGB II-Verfahren des Klägers sowie die beigezogenen Veraltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Klägers verhandeln und entscheiden, weil er hierauf in der Ladung hingewiesen worden ist (vgl. § 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

II. Das als "Beschwerde/Widerspruch" bezeichnete, gegen den "Gerichtsbescheid vom 18.10.2013" gerichtete Rechtsmittel bedarf der Auslegung.

Bei der Angabe "Gerichtsbescheid vom 18.10.2013" handelt es sich um eine offensichtliche Falschbezeichnung. Denn das Rechtsmittelschreiben trägt das Datum 6. Oktober 2013 und ging am 7. Oktober 2013, mithin 11 Tage vor dem angegebenen Erlassdatum des Gerichtsbescheides, beim Sozialgericht ein. Auch ist gegen einen Gerichtsbescheid, der wie ein Urteil wirkt (vgl. § 105 Abs. 3 Halbsatz 1 SGG), nur die Berufung gemäß § 143 SGG oder die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 144 SGG sowie nach Maßgabe von § 161 SGG gegeben. Da die Klägerbevollmächtigte im Schreiben vom 6. Oktober 2013 unter anderem das Aktenzeichen des Klageverfahrens S 17 AS 7404/11 angab und zum Ausdruck brachte, nicht mit der Entscheidung des Sozialgerichtes Dresden einverstanden zu sein, ist das Rechtsschutzbegehren dahingehend auszulegen, dass gegen den im genannten Klageverfahren ergangenen Gerichtsbescheid vom 26. September 2013 Berufung eingelegt werden sollte.

III. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft.

Gemäß § 143 SGG findet gegen die Urteile der Sozialgerichte die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften des Zweiten Teils Zweiter Abschnitt Erster Unterabschnitt des Sozialgerichtsgesetzes (§§ 143 bis 159 SGG) nichts anderes ergibt. Etwas anderes ergibt sich aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Danach bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Vorliegend wurde mit die Klage nicht die Gewährung oder Zahlung von Geldleistungen oder den finanziellen Ausgleich von Nachteilen, mithin nicht ein Anspruch auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, geltend gemacht, sondern die Rechtswidrigkeit einer teilweisen Versagung der Zustimmung zur Ortsabwesenheit. Diese Klage fällt nicht unter § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG.

IV. Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen hat. Dem Kläger fehlte bereits zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Rechtsstreit, das heißt die Klage, in der Hauptsache erledigt war (1.). Für eine zulässige Fortführung des Rechtsstreites in der Form einer Fortsetzungsfeststellungsklage fehlt dem Kläger das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse (2.).

1. Das Rechtsschutzbedürfnis ist eine allgemeine Sachurteilsvoraussetzung, die bei jeder Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gegeben sein muss. Der Begriff des Rechtsschutzbedürfnisses bedeutet, dass nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung hat (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 27. März 2014 – L 3 AS 187/14 B ER – info also 2014, 125 = juris Rdnr. 15, m. w. N.; Sächs. LSG, Beschluss vom 31. Juli 2014 – L 3 AL 71/13 B PKH – juris Rdnr. 17, m. w. N.; Sächs. LSG, Beschluss vom 18. Mai 2015 – L 3 BK 15/13 B PKH – juris Rdnr. 16, m. w. N.).

Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt unter anderem, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung weder gegenwärtig noch zukünftig die Stellung des Klägers oder Antragstellers verbessern würde (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 8 SO 24/10 RNZS 2012, 798 [799] = juris Rdnr. 10; Sächs. LSG, Beschluss vom 28. Januar 2015 – L 3 AS 6/15 B ER PKH – juris Rdnr. 5; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG [11. Aufl., 2014], Vor § 51 Rdnr. 16a). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat (vgl. Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung [28. Erg.-Lfg., März 2015], Vor § 40 Rdnr. 94).

Ein Rechtsstreit ist erledigt, wenn ein nach Klageerhebung eingetretenes außergerichtliches Ereignis dem Rechtsschutzbegehren die Grundlage entzogen hat und das Rechtsschutzbegehren deshalb für den Rechtsschutzsuchenden gegenstandlos geworden ist (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 13. Februar 2014 – L 3 AS 874/11 – juris Rdnr. 20, m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 12.04.2001 – 2 C 16/00BVerwGE 114, 149 (151&8201;f.) = NVwZ 2001, 1286 = juris Rdnr. 14, m. w. N.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 3. Dezember 2009 – 20 A 628/05 – ZfB 2010, 5 ff. = juris Rdnr. 65, m. w. N.; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung [28. Erg.-Lfg., März 2015], § 161 Rdnr. 9, m. w. N.).

So liegt hier der Fall. Wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte sich ohne Zustimmung des zuständigen Trägers nach dem SGB II außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhalten und deshalb nicht für die Eingliederung in Arbeit zur Verfügung stehen, erhalten sie gemäß § 7 Abs. 4a Satz 1 SGB II keine Leistungen. In diesem Sinne wurden dem Kläger vom Beklagten keine Leistungen auf Grund der zwischen ihnen ursprünglich streitigen, angekündigten Ortsabwesenheit des Klägers vorenthalten, und zwar weder durch die Ablehnung einer Leistungsbewilligung noch durch die Aufhebung oder Rücknahme einer Leistungsbewilligung (vgl. §§ 45 und 48 SGB X) oder durch die vorläufige Zahlungseinstellung (vgl. § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 331 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – [SGB III]).

Wegen der Leistungsbewilligung im Bescheid vom 1. Juni 2011 wäre nur eine Aufhebung der Bewilligungsentscheidung nach Maßgabe von § 48 SGB X wegen einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung, das heißt des bezeichneten Bewilligungsbescheides für den sechsmonatigen Bewilligungszeitraum, vorgelegen haben, in Betracht gekommen. Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i. V. m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X muss die Behörde den Bescheid innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Aufhebung für die Vergangenheit rechtfertigen, erlassen. Zu den Tatsachen in diesem Sinne rechnen nach allgemeiner Auffassung neben den Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, auch alle Tatsachen, die für die Aufhebung für die Vergangenheit von Bedeutung sind (vgl. Schütze, in: von Wulffen/Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 45 Rdnr. 81; Steinwedel, in: Kasseler Kommentar – Sozialversicherungsrecht – [Stand: 86. Erg.-Lfg., Juni 2015], § 45 Rdnr. 27). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes beginnt deshalb die Jahresfrist in der Regel frühestens nach der Anhörung des Begünstigten (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juli 2000 – B 7 AL 88/99 RSozR 3-1300 § 45 Nr. 42 S. 138&8201;ff. = juris Rdnr. 23 ff.). In der vorliegenden Angelegenheit erfolgte die Anhörung des Klägers durch den Beklagten im Oktober 2011. Selbst bei großzügigster Bemessung des Zeitraumes bis zum Abschluss des Anhörungsverfahrens war die Jahresfrist bis zum Erlass des Gerichtsbescheides vom 26. September 2013 ersichtlich abgelaufen. Eine Aufhebungsentscheidung wegen der streitbefangenen Ortsabwesenheit im Oktober 2011 konnte und kann deshalb rechtmäßig nicht mehr ergehen. Somit braucht der Kläger keine Aufhebungsentscheidung mehr zu befürchten, weshalb ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

Wegen des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses sind die Fragen, ob der Beklagte befugt war (und ist), gegenüber dem Kläger Verwaltungsakte zu erlassen, und ob es sich, was das Sozialgericht verneinte, bei der Zustimmung zur Ortsabwesenheit im Sinne von § 7 Abs. 4a SGB II um einen Verwaltungsakt handelt (ebenfalls verneinend z. B. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. September 2010 – L 9 B 166/09 AS – juris Rdnr. 7 ff.; SG Detmold, Beschluss vom 1. August 2011 – S 18 AS 1684/11 ER – juris Rdnr.6; bejahend z. B. Leopold, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [4. Aufl., 2015], § 7 Rdnr. 273; Wolff-Dellen, in: Löns/Herold-Tews, SGB II [3. Aufl., 2011], § 7 Rn. 47b) nicht entscheidungserheblich. Entsprechendes gilt für die Frage nach der richtigen Klageart, die von der Rechtsnatur der teilweise versagten Zustimmung zur Ortsabwesenheit abhängt. Auf sie ist deshalb in diesem Berufungsverfahren nicht einzugehen.

Deshalb wird lediglich am Rande angemerkt, dass die Einstellung des Klägers und seiner Bevollmächtigten zur Zuständigkeit des Beklagten inkonsequent ist. Denn Leistungsbewilligungen und -zahlungen nahmen sie trotz des behaupteten Zuständigkeitsmangels weitgehend unbeanstandet hin. Im Klageverfahren Az. S 17 AS 4231/11 machte er sogar einen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld II geltend. Und Gegenstand des Klageverfahrens Az. S 6 AS 4043/14 ist die Forderung des Klägers gegenüber dem Beklagten auf Übernahme der Kosten für eine Brille.

2. Die Klage ist auch nicht als Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne von § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG zulässig.

Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht, wenn sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Danach kann im Falle einer Hauptsacheerledigung grundsätzlich eine Anfechtungsklage in unmittelbarer Anwendung von § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG und eine Verpflichtungsklage in analoger Anwendung von § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 1976 – RAr 107/75 – BSGE 42, 212 [216] = juris Rdnr. 25; BSG, Urteil vom 28. September 2005 – B 6 KA 73/04 RSozR 4-2500 § 75 Nr. 3 = juris Rdnr. 16; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 131 Rdnr. 7c, m. w. N.) als Fortsetzungsfeststellungsklage betrieben werden. Ob ein Übergang von einer allgemeinen Leistungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung von § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG zulässig ist, ist streitig (bejahend z. B. BSG, Urteil vom 16. Mai 2013 – B 3 P 5/12 R – SozR 4-3300 § 115 Nr. 2 Rdnr. 13 = juris Rdnr. 13, m. w. N.; verneinend z. B. Keller, a. a. O., , m. w. N.).

Stets ist eine Fortsetzungsfeststellungsklage jedoch nur zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verwaltungsentscheidung oder -maßnahme besteht. Ein berechtigtes Interesse in diesem Sinne kann beispielsweise im Falle einer Wiederholungsgefahr bestehen (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 12. November 2012 – L 3 AS 618/12 B ER – juris Rdnr. 18; Sächs. LSG, Beschluss vom 28. Januar 2015 – L 3 AS 6/15 B ER PKH – juris Rdnr. 6; vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG [11. Aufl., 2014], § 131 Rdnr. 10a, m. w. N.). Voraussetzung für eine etwaige Wiederholungsgefahr, die ein Feststellungsinteresse begründen kann, ist zweierlei: Zum einen muss die konkrete, in naher Zukunft oder absehbarer Zeit tatsächlich bevorstehende Gefahr eines gleichartigen Verwaltungsaktes bestehen. Zum anderen müssen die tatsächlichen und rechtlichen Umstände im Wesentlichen unverändert sein (vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – B 9 SB 1/12 R – SozR 4-3250 § 145 Nr. 4 = juris, jeweils Rdnr. 22, m. w. N.; Sächs. LSG, Beschluss vom 13. März 2013 – L 3 AS 538/12 B PKH – juris Rdnr. 15; Keller, a. a. O., § 131 Rdnr. 10b, m. w. N.).

Vorliegend mangelt es an einer Wiederholungsgefahr in dem beschriebenen Sinne, weil die Frage der erlaubten oder der unerlaubten, gemäß § 7 Abs. 4a Satz 1 SGB II den Leistungsanspruch entfallen lassenden Ortsabwesenheit stets von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängt. So ist die Aufzählung der wichtigen Gründe für eine Ortsabwesenheit in § 7 Abs. 4a Satz 3 SGB II nicht abschließend ("insbesondere"). Mithin bedarf die Frage, ob ein wichtiger Grund – und damit eine der Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 7 Abs. 4a Satz 2 SGB II auf Erteilung der Zustimmung – vorliegt, einer Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls. Auch ist der zuständigen Behörde in § 7 Abs. 4a Satz 4 SGB II ein Ermessen für die Erteilung einer Zustimmung auch in den Fällen, in denen für den Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs kein wichtiger Grund vorliegt und die Eingliederung in Arbeit nicht beeinträchtigt wird, eingeräumt. Die nach § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X erforderliche Begründung der Ermessensentscheidung erfordert aber immer eine auf den Einzelfall eingehende Darlegung (vgl. BSG, Urteil vom 18. April 2000 – B 2 U 19/99 RSozR 3-2700 § 76 Nr. 2 = juris Rdnr. 20). Selbst die im Widerspruchsverfahren streitige Dauer der zulässigen Ortsabwesenheit ist nicht starr. Denn gemäß § 7 Abs. 4a Satz 5 SGB II "soll" die Dauer der Abwesenheit nach § 7 Abs. 4a Satz 4 SGB II "in der Regel" insgesamt drei Wochen im Kalenderjahr nicht überschreiten. Dies bedeutet, dass im begründeten Einzelfall die Dauer auch über drei Wochen im Kalenderjahr hinausgehen kann.

Selbst wenn ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Hinblick auf die Frage, ob der Beklagte befugt war (und ist), gegenüber dem Kläger im Geltungsbereich des SGB II Verwaltungshandlungen vornehmen und Verwaltungsentscheidungen treffen zu dürfen, wegen der über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung zu bejahen wäre, wäre die Fortsetzungsfeststellungsklage gleichwohl nicht zulässig. Denn für ihre Zulässigkeit müssen nicht nur die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen wie das Fortsetzungsfeststellungsinteresse gegeben sein, sondern auch die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen (vgl. Keller, a. a. O., § 131 Rdnr. 9). Zu diesen zählt auch das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG [11. Aufl., 2014], Vor § 51 Rdnr. 15). Ein Rechtsschutzbedürfnis ist nicht gegeben, wenn es einen einfacheren Weg gibt oder mit einer anderen Rechtsschutzform ein weitergehender Rechtsschutz erlangt werden kann (vgl. Keller, a. a. O., Vor § 51 Rdnr. 16a; Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung [28. Erg.-Lfg., März 2015], Vor § 40 Rdnr. 89).

So ist es im Fall des Klägers. Denn er betrieb zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorliegende Berufung noch vor dem Sozialgericht Dresden das gegen den Beklagten gerichtete Klageverfahren Az. S 6 AS 275/14. Dieses bezieht sich auf den Bescheid vom 29. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2014. Hierbei handelt es sich um einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt im Sinne gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Der Kläger macht in diesem Klageverfahren unter anderem geltend, dass der Beklagte rechtlich und wirtschaftlich selbständig sei. Der Begründungsansatz entspricht dem im vorliegenden Verfahren zur Unzuständigkeit des Beklagten in SGB II-Angelegenheiten. Der Kläger kann also in dem genannten Klageverfahren in Bezug auf den streitbefangenen Verwaltungsakt klären lassen, ob der Beklagte befugt war, den Verwaltungsakt zu erlassen, sofern die Klage zulässig und der angefochtene Bescheid im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden ist. Demgegenüber käme einer etwaigen Feststellungsentscheidung im vorliegenden Verfahren keine Bindungswirkung im Rechtssinne für andere Verfahren zu. Denn in materielle Rechtskraft (vgl. § 141 Abs. 1 SGG) erwächst nur die Urteilsformel im Sinne von § 136 Abs. 1 Nr. 4 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 1999 – B 11 AL 69/98 RSozR 3-1500 § 75 Nr. 31 = juris Rdnr. 19, m. w. N.; BSG, Urteil vom 24. November 2011 – B 14 AS 15/11 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 53 = juris, jeweils Rdnr. 20, m. w. N.; BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 60/12 RBSGE 114, 1 ff. = SozR 4-4200 § 22 Nr. 69 = juris, jeweils Rdnr. 14, m. w. N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG [11. Aufl., 2014], § 141 Rdnr. 7). Hingegen nehmen an der Rechtskraftwirkung des Urteils nicht tatsächliche Feststellungen und rechtliche Erwägungen (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 1999, a. a. O.) oder Ausführungen über materiell-rechtliche Vorfragen oder präjudizielle Rechtsverhältnisse (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2011, a. a. O., m. w. N.), mit anderen Worten die Entscheidungsgründe (vgl. Keller, a. a. O., Rdnr. 7b), teil. Nur wenn die Urteilsformel den Inhalt der Entscheidung nicht mit Sicherheit erkennen lässt, können die Entscheidungsgründe, und unter Umständen auch das Beteiligtenvorbringen, ergänzend zur Bestimmung herangezogen werden (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2014 – B 11 AL 138/13 B – juris Rdnr. 13, m. w. N.). Für den Kläger folgt daraus, dass in einer für ihn günstigen Entscheidung in der Urteilsformel nur die Feststellung hätte getroffen werden können, dass der Bescheid des Beklagten vom 27. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2011 rechtswidrig war. Etwaige Ausführungen in den Entscheidungsgründen zu der von ihm behaupteten Unzuständigkeit des Beklagten hätte kein Gericht in irgendeinem anderen Verfahren gebunden.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

VI. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Dr. Scheer Schuler Guericke
Rechtskraft
Aus
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