Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 KA 171/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 64/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Jungpraxis setzt die Erstzulassung des Vertragsarztes bzw. eine Neuzulassung in einem anderen Planungsbereich voraus. Das Ausscheiden aus einer Berufsausübungsgemeinschaft genügt nicht.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.02.2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anpassung des Regelleistungsvolumens mit Bezug zur Fallzahl für das Quartal 1/2009. Die Klägerin ist als praktische Ärztin seit Dezember 1991 zur vertragsärztlichen Versorgung in A-Stadt zugelassen. Bis zum 30.9.2007 war sie ununterbrochen Mitglied einer Gemeinschaftspraxis mit teilweise unterschiedlichen Gemeinschaftspraxispartnern, zuletzt bestehend aus drei Ärzten. Die beiden Mitgesellschafter hatten nach einer sehr strittigen Auseinandersetzung der Gemeinschaftspraxis ohne das Wissen der Klägerin gegenüber der Beklagten beziehungsweise dem Zulassungsausschuss die Beendigung der Gemeinschaftspraxis zum 1.10.2007 angezeigt und übten in einer neuen Gemeinschaftspraxis zu zweit ihre Tätigkeit in den alten Praxisräumen weiter aus. Daher war die Klägerin seit dem 1.10.2007 in Einzelpraxis niedergelassen. Sie übte ihre Tätigkeit noch in den alten Praxisräumen aus, in denen ihr jedoch kein eigenes Arbeitszimmer mehr zur Verfügung stand. Am 21.12.2007 zog sie in die 300 m entfernten, zu der Zeit nur notdürftig renovierten Räume in der A-Straße. Vom Vermieter der ehemaligen Praxisräume war ihr untersagt, ein Hinweisschild auf die neuen Räumlichkeiten anzubringen. Die Renovierungsarbeiten waren am 30.5.2008 abgeschlossen, so dass es der Klägerin ab dem 1.6.2008 möglich war, den Praxisbetrieb vollständig aufzunehmen. Mit Bescheid vom 15.12.2008 wurde der Klägerin seitens der Beklagten ein Regelleistungsvolumen für das Quartal 1/2009 in Höhe von 10.024,56 EUR bei einer Fallzahl von 239 zugewiesen. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 12.1.2009 Widerspruch ein und beantragte gleichzeitig die Anpassung ihres Regelleistungsvolumens in Bezug auf die Fallzahl unter Zugrundelegung des Fachgruppendurchschnitts. Sie begründete diesen Antrag damit, dass sie eine so genannte Jungpraxis führe, die sich noch im Aufbau befinde. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Anpassung des Regelleistungsvolumens mit Bescheid vom 2.4.2009 ab, da der angeführte Anpassungsgrund Jungpraxis nicht gegeben sei. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 30.4.2009 Widerspruch ein. Erstmals in der Widerspruchsbegründung vom 2.6.2009 erklärte die Klägerin die genaueren weiteren Umstände ihres Umzugs aus der Gemeinschaftspraxis in die neue Einzelpraxis. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.2.2010 wies die Beklagte die Widersprüche gegen den Zuweisungsbescheid sowie gegen die Ablehnung des Anpassungsantrags zurück, wiederum mit der Begründung, dass eine Jungpraxis nicht vorliege, da der Zeitpunkt der ersten Niederlassung länger als fünf Jahre zurückliege. Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 2.3.2010 zugegangenen Widerspruchsbescheid vom 24.2.2010 erhob die Klägerin am 1.4.2010 Klage zum Sozialgericht München. Mit Bescheid vom 19.10.2010 erhöhte die Beklagte im Hinblick auf den in der Widerspruchsbegründung vom 2.6.2009 enthaltenen neuen Antrag auf Erhöhung des Regelleistungsvolumens mit Bezug zur Fallzahl wegen eines außergewöhnlichen oder unverschuldeten Grundes für das Quartal 1/2009 die Regelleistungsvolumen-Fallzahl auf 307 und erhöhte das Regelleistungsvolumen auf insgesamt 12.846,74 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.6.2011 ersetzte die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 24.2.2010, soweit ihm nicht durch den Anpassungsbescheid am 19.10.2010 abgeholfen wurde. Zur Begründung führte die Beklagte an, dass der von der Klägerin mit Widerspruchsbegründung vom 2.6.2009 gemachte Vortrag im Hinblick auf die Auflösung der alten Gemeinschaftspraxis geeignet sei, eine Fallzahlerhöhung aufgrund der außergewöhnlichen und unverschuldeten Umstände der Praxis der Klägerin zu begründen. Die Voraussetzung für eine Anpassung der Regelleistungsvolumen-relevanten Fallzahlen sei (gemäß IV der Durchführungsrichtlinien Abschnitt 2.1, Teil D, 1, 1.1 Abs. 3 vom 10.6.2009) zum Beispiel, dass ein außergewöhnlicher und/oder durch den Arzt unverschuldeter Grund vorliege, welcher zu einer niedrigeren Fallzahl im Aufsatzquartal geführt habe. Für die Feststellung, ob tatsächlich eine niedrigere Fallzahl im Aufsatzquartal vorliege, würde eine Durchschnittsfallzahl aus den letzten vier korrespondierenden Vorjahresquartalen unter Herausnahme des Quartals mit Besonderheit herangezogen. Daher seien die Fallzahlen der Gemeinschaftspraxis aus Quartal 1/07, 1/06 und 1/05 herangezogen worden, diese seien sodann - mangels lebenslanger Arztnummer (LANR) zu dieser Zeit - jeweils gedrittelt und der Durchschnitt bezogen auf die drei Quartale von 307 Fällen berechnet worden. Daher sei dieser Wert als neue Regelleistungsvolumen-relevante Fallzahl für das Quartal 1/2009 angesetzt worden. Die Klägerin begründet ihre Klage, nunmehr auch gerichtet gegen den neuen Widerspruchsbescheid vom 22.6.2011, damit, dass die Fallzahl immer noch geringer sei als die im Quartal 1/2009 tatsächlich von der Klägerin abgerechneten 481 Fälle. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die so genannte Jungpraxis-Regelung auch für sie gelten müsse, da diese immer dann Anwendung finden müsse, wenn sich eine Praxis in der Aufbauphase befinde, unabhängig vom erstmaligen Niederlassungszeitpunkt. Die Beklagte führte aus, dass es sich grundsätzlich bei den Regelleistungsvolumen-relevanten Fällen gemäß Teil F Nummer 2.3 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses (EBewA) vom 27./28.8.2008 und gemäß dem Honorarvertrag Teil B Nummer 2.3.2 um die kurativ-ambulanten Arzt- und Behandlungsfälle des Vorjahresquartals - ausgenommen Notfälle und Überweisungsfälle - handele. In Bayern sei zwischen der Beklagten und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen die "Vereinbarung über die Vergütung und Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahr 2009 gemäß §§ 82 Abs. 2, 87, 87 a, 87 b, 87 c SGB V" durch den Schiedsspruch des Landesschiedsamtes nach § 89 SGB V festgesetzt worden. Dieser Honorarvertrag sehe in Abschnitt 2.1, Teil D Nummer 1.1 die Antragsmöglichkeit auf Korrektur des Regelleistungsvolumens mit Bezug zur Fallzahl vor. Hierzu habe der Vorstand der Beklagten Durchführungsrichtlinien (DRL) zur Korrektur des Regelleistungsvolumens mit Bezug zur Fallzahl erlassen. Gemäß Punkt IV Ziffer 1 sei eine Anpassung des Regelleistungsvolumens bei Vorliegen eines außergewöhnlichen beziehungsweise eines durch den Arzt unverschuldeten Grundes möglich, wenn dies zu einer niedrigeren Fallzahl im Aufsatzquartal geführt habe. Die Anpassung bei der Klägerin sei entsprechend Punkt V 2 Abs. 1 zutreffend mit 307 Fällen erfolgt. Bei einem Umzug aus einer Gemeinschaftspraxis in eine Einzelpraxis handele sich zwar möglicherweise um eine Praxis in der Aufbauphase im weiteren Sinne, auf das Vorliegen einer so genannten Jungpraxis könne sich die Klägerin jedoch nicht berufen. Das SG gab der Klage mit Urteil vom 26.2.2014 statt. Die von der Klägerin geführte Praxis habe im Quartal 1/2009 nämlich die Voraussetzungen einer Aufbaupraxis erfüllt und sie habe daher einen Anspruch darauf gehabt, sogleich durch Fallzahlerhöhungen ihr Honorar bis zum Durchschnitt der Fachgruppe steigern zu können. Nach den DRL der Beklagten unter Punkt IV Nr. 1.1 Spiegelstrich 6 liege eine Praxis im Aufbau (Jungpraxis) dann vor, wenn die Praxis im Vorjahresquartal zwar bereits in Betrieb gewesen sei, sich aber noch im Aufbau befunden habe. Diese Voraussetzungen seien bei der Klägerin gegeben, da sie ihre Einzelpraxis erst zum 4. Quartal 2007 gegründet habe. Zwar sei die Klägerin im Quartal 1/2009 bereits mehr als drei bis fünf Jahre lang (seit Dezember 1991) vertragsärztlich tätig gewesen, entscheidend sei jedoch, dass sie nach dem "Rauswurf" aus der BAG erst seit Oktober 2007 in Einzelpraxis tätig gewesen sei. Für den unter dem Gesichtspunkt der Aufbaupraxis maßgeblichen Zeitpunkt sei auf diesen Zeitpunkt abzustellen. Hier sei gerade eine neue Praxis gegründet und nicht die alte bestehende (Gemeinschaft-)Praxis fortgeführt worden. Diese neue Einzelpraxis sei eine neue Rechtspersönlichkeit, die erst mit Aufnahme ihrer Tätigkeit in Rechtsbeziehungen zu der Beklagten eingetreten sei. Dies rechtfertige aus der Sicht des Gerichts die Gleichstellung mit der Neuniederlassung. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Die Fallwerterhöhung auf 307 Fälle sei zutreffend ermittelt worden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könnten nur Praxen in der Aufbauphase nach der Erstzulassung oder Neuzulassungen nach vorheriger Tätigkeit in einem anderen Planungsbereich als Anfängerpraxen gewertet werden. Beide Voraussetzungen lägen bei der Klägerin nicht vor. Die neuen Praxisräume befinden sich nur 300 m von den ehemaligen entfernt im selben Planungsbereich.
Die Beklagte stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 8.4.2014.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogene Beklagtenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagte ist begründet. Das SG hat die Einzelpraxis der Klägerin zu Unrecht als Anfängerpraxis angesehen. Das Urteil vom 26.2.2014 war deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen. Rechtsgrundlage sind die Regelungen, die der Bewertungsausschuss (BewA) auf der Grundlage des § 87b Abs. 2 und 3 i.V.m. Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB V normiert hat. Nach § 87b Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB V hatte der BewA das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach den Abs. 2 und 3 sowie Vorgaben zur Umsetzung von Abs. 2 Satz 3 zu bestimmen. Nach dem Scheitern einer Einigung im BewA schuf der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBewA) durch Beschluss vom 27./28.8.2008 im Teil F Nr. 3.2.1, 3.4 und 3.5 sogenannte Basisregelungen: Diese sehen vor, dass für die Bemessung des RLV die Fallzahl im Vorjahresquartal maßgebend ist (Nr. 3.2.1 Satz 2), weiterhin, dass bei Überschreitung der fachgruppendurchschnittlichen Fallzahl um mehr als 50 % eine Abstaffelung des Fallwerts stattzufinden hat (a.a.O. Satz 3) und dass Ausnahmen hiervon bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen geregelt werden können (a.a.O. Nr. 3.4). Ferner ist geregelt, dass die KÄVen zusammen mit den Krankenkassen im Gesamtvertrag ergänzende Regelungen für Neuzulassungen und Kooperationsumwandlungen "zur Sicherung einer angemessenen Vergütung" gesamtvertraglich beschließen können (a.a.O. Teil H Nr. 5). Im Bezirk der Beklagten ist dies durch die vom Landesschiedsamt erfolgte Festsetzung der Vereinbarung zwischen der KVB und den Landesverbänden der Krankenkassen in Bayern sowie den Landesverbänden der Ersatzkassen in Bayern über die "Vergütung und Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahr 2009 gemäß §§ 82 Abs. 2, 87, 87a, 87b, 87c SGBV" geschehen. Unter Teil B in Abschnitt 2.1 wird bestimmt, wie das Regelleistungsvolumen berechnet wird. Unter Teil D in Abschnitt 1.1 ist geregelt, wie das Regelleistungsvolumen zu korrigieren ist, bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Fallzahl, z.B. bei einem außergewöhnlichen und/oder durch den Arzt unverschuldeten Grund, der zu einer niedrigeren Fallzahl des Arztes im Aufsatzquartal geführt hat, z.B. Krankheit des Arztes bzw. Praxis im Aufbau (Jungpraxis), wobei das Nähere gemäß Teil D Abschnitt 1.2 Abs. 3 die KVB in Durchführungsrichtlinien regelt (Honorarvertrag 2009). Die auf diese Grundlage erlassenen Durchführungsrichtlinien des Vorstandes der Beklagten sehen in IV. 1. 1.1 vor, dass eine Praxis im Aufbau (Jungpraxis) vorliegt, "wenn die Praxis im Vorjahresquartal zwar bereits in Betrieb war, sich aber noch im Aufbau befindet." In diesem Fall wird bei einer unterdurchschnittlichen Fallzahl im Vorjahresquartal "das ursprünglich zugewiesene RLV durch ein RLV ersetzt, das auf der Basis der tatsächlichen Fallzahl im Abrechnungsquartal, maximal jedoch der Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe berechnet wird" (V. 2.). In allen anderen Fällen erfolgt die Anpassung nach Ziffer IV. 1.2, die auch die Beklagte bei ihrer Teilabhilfe herangezogen hat. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Jungpraxis" ist die Beklagte zutreffen davon ausgegangen, dass nur die Erstzulassung oder die Neuzulassung in einem anderen Planungsbereich darunter zu subsumieren ist, nicht jedoch das Ausscheiden aus einer Berufsausübungsgemeinschaft einer bereits seit 1991 niedergelassenen Vertragsärztin. Zwar hat das Bundessozialgericht (Urteil vom 17.7.2013, B6 KA 44/12 R, juris) in der Rn. 29 die Konstellation der Auflösung einer Berufsausübungsgemeinschaft offen gelassen, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Eine Erweiterung der Anfängerregelung auch auf die Fälle des Ausscheidens aus einer Berufsausübungsgemeinschaft wie im vorliegenden Fall ist jedoch nicht möglich. Durch diese Auslegung ergäbe sich nämlich eine optimale Möglichkeit, durch zivilrechtliche Vertragsgestaltungen die Anwendbarkeit der RLV-Fallzahlbegrenzung zu unterlaufen. Da zudem ein Steigern der Fallzahlen grundsätzlich mit einer Verzögerung von einem Jahr möglich war, liegt auch keine besondere Härte vor, die unbedingt zur Anwendung der Regelungen für Anfängerpraxen führen müsste.
Damit war das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG, § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Revision war nicht zuzulassen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anpassung des Regelleistungsvolumens mit Bezug zur Fallzahl für das Quartal 1/2009. Die Klägerin ist als praktische Ärztin seit Dezember 1991 zur vertragsärztlichen Versorgung in A-Stadt zugelassen. Bis zum 30.9.2007 war sie ununterbrochen Mitglied einer Gemeinschaftspraxis mit teilweise unterschiedlichen Gemeinschaftspraxispartnern, zuletzt bestehend aus drei Ärzten. Die beiden Mitgesellschafter hatten nach einer sehr strittigen Auseinandersetzung der Gemeinschaftspraxis ohne das Wissen der Klägerin gegenüber der Beklagten beziehungsweise dem Zulassungsausschuss die Beendigung der Gemeinschaftspraxis zum 1.10.2007 angezeigt und übten in einer neuen Gemeinschaftspraxis zu zweit ihre Tätigkeit in den alten Praxisräumen weiter aus. Daher war die Klägerin seit dem 1.10.2007 in Einzelpraxis niedergelassen. Sie übte ihre Tätigkeit noch in den alten Praxisräumen aus, in denen ihr jedoch kein eigenes Arbeitszimmer mehr zur Verfügung stand. Am 21.12.2007 zog sie in die 300 m entfernten, zu der Zeit nur notdürftig renovierten Räume in der A-Straße. Vom Vermieter der ehemaligen Praxisräume war ihr untersagt, ein Hinweisschild auf die neuen Räumlichkeiten anzubringen. Die Renovierungsarbeiten waren am 30.5.2008 abgeschlossen, so dass es der Klägerin ab dem 1.6.2008 möglich war, den Praxisbetrieb vollständig aufzunehmen. Mit Bescheid vom 15.12.2008 wurde der Klägerin seitens der Beklagten ein Regelleistungsvolumen für das Quartal 1/2009 in Höhe von 10.024,56 EUR bei einer Fallzahl von 239 zugewiesen. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 12.1.2009 Widerspruch ein und beantragte gleichzeitig die Anpassung ihres Regelleistungsvolumens in Bezug auf die Fallzahl unter Zugrundelegung des Fachgruppendurchschnitts. Sie begründete diesen Antrag damit, dass sie eine so genannte Jungpraxis führe, die sich noch im Aufbau befinde. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Anpassung des Regelleistungsvolumens mit Bescheid vom 2.4.2009 ab, da der angeführte Anpassungsgrund Jungpraxis nicht gegeben sei. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 30.4.2009 Widerspruch ein. Erstmals in der Widerspruchsbegründung vom 2.6.2009 erklärte die Klägerin die genaueren weiteren Umstände ihres Umzugs aus der Gemeinschaftspraxis in die neue Einzelpraxis. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.2.2010 wies die Beklagte die Widersprüche gegen den Zuweisungsbescheid sowie gegen die Ablehnung des Anpassungsantrags zurück, wiederum mit der Begründung, dass eine Jungpraxis nicht vorliege, da der Zeitpunkt der ersten Niederlassung länger als fünf Jahre zurückliege. Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 2.3.2010 zugegangenen Widerspruchsbescheid vom 24.2.2010 erhob die Klägerin am 1.4.2010 Klage zum Sozialgericht München. Mit Bescheid vom 19.10.2010 erhöhte die Beklagte im Hinblick auf den in der Widerspruchsbegründung vom 2.6.2009 enthaltenen neuen Antrag auf Erhöhung des Regelleistungsvolumens mit Bezug zur Fallzahl wegen eines außergewöhnlichen oder unverschuldeten Grundes für das Quartal 1/2009 die Regelleistungsvolumen-Fallzahl auf 307 und erhöhte das Regelleistungsvolumen auf insgesamt 12.846,74 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.6.2011 ersetzte die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 24.2.2010, soweit ihm nicht durch den Anpassungsbescheid am 19.10.2010 abgeholfen wurde. Zur Begründung führte die Beklagte an, dass der von der Klägerin mit Widerspruchsbegründung vom 2.6.2009 gemachte Vortrag im Hinblick auf die Auflösung der alten Gemeinschaftspraxis geeignet sei, eine Fallzahlerhöhung aufgrund der außergewöhnlichen und unverschuldeten Umstände der Praxis der Klägerin zu begründen. Die Voraussetzung für eine Anpassung der Regelleistungsvolumen-relevanten Fallzahlen sei (gemäß IV der Durchführungsrichtlinien Abschnitt 2.1, Teil D, 1, 1.1 Abs. 3 vom 10.6.2009) zum Beispiel, dass ein außergewöhnlicher und/oder durch den Arzt unverschuldeter Grund vorliege, welcher zu einer niedrigeren Fallzahl im Aufsatzquartal geführt habe. Für die Feststellung, ob tatsächlich eine niedrigere Fallzahl im Aufsatzquartal vorliege, würde eine Durchschnittsfallzahl aus den letzten vier korrespondierenden Vorjahresquartalen unter Herausnahme des Quartals mit Besonderheit herangezogen. Daher seien die Fallzahlen der Gemeinschaftspraxis aus Quartal 1/07, 1/06 und 1/05 herangezogen worden, diese seien sodann - mangels lebenslanger Arztnummer (LANR) zu dieser Zeit - jeweils gedrittelt und der Durchschnitt bezogen auf die drei Quartale von 307 Fällen berechnet worden. Daher sei dieser Wert als neue Regelleistungsvolumen-relevante Fallzahl für das Quartal 1/2009 angesetzt worden. Die Klägerin begründet ihre Klage, nunmehr auch gerichtet gegen den neuen Widerspruchsbescheid vom 22.6.2011, damit, dass die Fallzahl immer noch geringer sei als die im Quartal 1/2009 tatsächlich von der Klägerin abgerechneten 481 Fälle. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die so genannte Jungpraxis-Regelung auch für sie gelten müsse, da diese immer dann Anwendung finden müsse, wenn sich eine Praxis in der Aufbauphase befinde, unabhängig vom erstmaligen Niederlassungszeitpunkt. Die Beklagte führte aus, dass es sich grundsätzlich bei den Regelleistungsvolumen-relevanten Fällen gemäß Teil F Nummer 2.3 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses (EBewA) vom 27./28.8.2008 und gemäß dem Honorarvertrag Teil B Nummer 2.3.2 um die kurativ-ambulanten Arzt- und Behandlungsfälle des Vorjahresquartals - ausgenommen Notfälle und Überweisungsfälle - handele. In Bayern sei zwischen der Beklagten und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen die "Vereinbarung über die Vergütung und Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahr 2009 gemäß §§ 82 Abs. 2, 87, 87 a, 87 b, 87 c SGB V" durch den Schiedsspruch des Landesschiedsamtes nach § 89 SGB V festgesetzt worden. Dieser Honorarvertrag sehe in Abschnitt 2.1, Teil D Nummer 1.1 die Antragsmöglichkeit auf Korrektur des Regelleistungsvolumens mit Bezug zur Fallzahl vor. Hierzu habe der Vorstand der Beklagten Durchführungsrichtlinien (DRL) zur Korrektur des Regelleistungsvolumens mit Bezug zur Fallzahl erlassen. Gemäß Punkt IV Ziffer 1 sei eine Anpassung des Regelleistungsvolumens bei Vorliegen eines außergewöhnlichen beziehungsweise eines durch den Arzt unverschuldeten Grundes möglich, wenn dies zu einer niedrigeren Fallzahl im Aufsatzquartal geführt habe. Die Anpassung bei der Klägerin sei entsprechend Punkt V 2 Abs. 1 zutreffend mit 307 Fällen erfolgt. Bei einem Umzug aus einer Gemeinschaftspraxis in eine Einzelpraxis handele sich zwar möglicherweise um eine Praxis in der Aufbauphase im weiteren Sinne, auf das Vorliegen einer so genannten Jungpraxis könne sich die Klägerin jedoch nicht berufen. Das SG gab der Klage mit Urteil vom 26.2.2014 statt. Die von der Klägerin geführte Praxis habe im Quartal 1/2009 nämlich die Voraussetzungen einer Aufbaupraxis erfüllt und sie habe daher einen Anspruch darauf gehabt, sogleich durch Fallzahlerhöhungen ihr Honorar bis zum Durchschnitt der Fachgruppe steigern zu können. Nach den DRL der Beklagten unter Punkt IV Nr. 1.1 Spiegelstrich 6 liege eine Praxis im Aufbau (Jungpraxis) dann vor, wenn die Praxis im Vorjahresquartal zwar bereits in Betrieb gewesen sei, sich aber noch im Aufbau befunden habe. Diese Voraussetzungen seien bei der Klägerin gegeben, da sie ihre Einzelpraxis erst zum 4. Quartal 2007 gegründet habe. Zwar sei die Klägerin im Quartal 1/2009 bereits mehr als drei bis fünf Jahre lang (seit Dezember 1991) vertragsärztlich tätig gewesen, entscheidend sei jedoch, dass sie nach dem "Rauswurf" aus der BAG erst seit Oktober 2007 in Einzelpraxis tätig gewesen sei. Für den unter dem Gesichtspunkt der Aufbaupraxis maßgeblichen Zeitpunkt sei auf diesen Zeitpunkt abzustellen. Hier sei gerade eine neue Praxis gegründet und nicht die alte bestehende (Gemeinschaft-)Praxis fortgeführt worden. Diese neue Einzelpraxis sei eine neue Rechtspersönlichkeit, die erst mit Aufnahme ihrer Tätigkeit in Rechtsbeziehungen zu der Beklagten eingetreten sei. Dies rechtfertige aus der Sicht des Gerichts die Gleichstellung mit der Neuniederlassung. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Die Fallwerterhöhung auf 307 Fälle sei zutreffend ermittelt worden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könnten nur Praxen in der Aufbauphase nach der Erstzulassung oder Neuzulassungen nach vorheriger Tätigkeit in einem anderen Planungsbereich als Anfängerpraxen gewertet werden. Beide Voraussetzungen lägen bei der Klägerin nicht vor. Die neuen Praxisräume befinden sich nur 300 m von den ehemaligen entfernt im selben Planungsbereich.
Die Beklagte stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 8.4.2014.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogene Beklagtenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagte ist begründet. Das SG hat die Einzelpraxis der Klägerin zu Unrecht als Anfängerpraxis angesehen. Das Urteil vom 26.2.2014 war deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen. Rechtsgrundlage sind die Regelungen, die der Bewertungsausschuss (BewA) auf der Grundlage des § 87b Abs. 2 und 3 i.V.m. Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB V normiert hat. Nach § 87b Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB V hatte der BewA das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach den Abs. 2 und 3 sowie Vorgaben zur Umsetzung von Abs. 2 Satz 3 zu bestimmen. Nach dem Scheitern einer Einigung im BewA schuf der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBewA) durch Beschluss vom 27./28.8.2008 im Teil F Nr. 3.2.1, 3.4 und 3.5 sogenannte Basisregelungen: Diese sehen vor, dass für die Bemessung des RLV die Fallzahl im Vorjahresquartal maßgebend ist (Nr. 3.2.1 Satz 2), weiterhin, dass bei Überschreitung der fachgruppendurchschnittlichen Fallzahl um mehr als 50 % eine Abstaffelung des Fallwerts stattzufinden hat (a.a.O. Satz 3) und dass Ausnahmen hiervon bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen geregelt werden können (a.a.O. Nr. 3.4). Ferner ist geregelt, dass die KÄVen zusammen mit den Krankenkassen im Gesamtvertrag ergänzende Regelungen für Neuzulassungen und Kooperationsumwandlungen "zur Sicherung einer angemessenen Vergütung" gesamtvertraglich beschließen können (a.a.O. Teil H Nr. 5). Im Bezirk der Beklagten ist dies durch die vom Landesschiedsamt erfolgte Festsetzung der Vereinbarung zwischen der KVB und den Landesverbänden der Krankenkassen in Bayern sowie den Landesverbänden der Ersatzkassen in Bayern über die "Vergütung und Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahr 2009 gemäß §§ 82 Abs. 2, 87, 87a, 87b, 87c SGBV" geschehen. Unter Teil B in Abschnitt 2.1 wird bestimmt, wie das Regelleistungsvolumen berechnet wird. Unter Teil D in Abschnitt 1.1 ist geregelt, wie das Regelleistungsvolumen zu korrigieren ist, bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Fallzahl, z.B. bei einem außergewöhnlichen und/oder durch den Arzt unverschuldeten Grund, der zu einer niedrigeren Fallzahl des Arztes im Aufsatzquartal geführt hat, z.B. Krankheit des Arztes bzw. Praxis im Aufbau (Jungpraxis), wobei das Nähere gemäß Teil D Abschnitt 1.2 Abs. 3 die KVB in Durchführungsrichtlinien regelt (Honorarvertrag 2009). Die auf diese Grundlage erlassenen Durchführungsrichtlinien des Vorstandes der Beklagten sehen in IV. 1. 1.1 vor, dass eine Praxis im Aufbau (Jungpraxis) vorliegt, "wenn die Praxis im Vorjahresquartal zwar bereits in Betrieb war, sich aber noch im Aufbau befindet." In diesem Fall wird bei einer unterdurchschnittlichen Fallzahl im Vorjahresquartal "das ursprünglich zugewiesene RLV durch ein RLV ersetzt, das auf der Basis der tatsächlichen Fallzahl im Abrechnungsquartal, maximal jedoch der Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe berechnet wird" (V. 2.). In allen anderen Fällen erfolgt die Anpassung nach Ziffer IV. 1.2, die auch die Beklagte bei ihrer Teilabhilfe herangezogen hat. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Jungpraxis" ist die Beklagte zutreffen davon ausgegangen, dass nur die Erstzulassung oder die Neuzulassung in einem anderen Planungsbereich darunter zu subsumieren ist, nicht jedoch das Ausscheiden aus einer Berufsausübungsgemeinschaft einer bereits seit 1991 niedergelassenen Vertragsärztin. Zwar hat das Bundessozialgericht (Urteil vom 17.7.2013, B6 KA 44/12 R, juris) in der Rn. 29 die Konstellation der Auflösung einer Berufsausübungsgemeinschaft offen gelassen, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Eine Erweiterung der Anfängerregelung auch auf die Fälle des Ausscheidens aus einer Berufsausübungsgemeinschaft wie im vorliegenden Fall ist jedoch nicht möglich. Durch diese Auslegung ergäbe sich nämlich eine optimale Möglichkeit, durch zivilrechtliche Vertragsgestaltungen die Anwendbarkeit der RLV-Fallzahlbegrenzung zu unterlaufen. Da zudem ein Steigern der Fallzahlen grundsätzlich mit einer Verzögerung von einem Jahr möglich war, liegt auch keine besondere Härte vor, die unbedingt zur Anwendung der Regelungen für Anfängerpraxen führen müsste.
Damit war das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG, § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Revision war nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved