L 16 R 741/15 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 56 R 1576/15 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 741/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Gerade im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes muss für das Gericht nachvollziehbar sein, auf welcher Grundlage die streitigen Feststellungen vorgenommen wurden.
2. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, im Verwaltungsverfahren unterlassene Ermittlungen nachzuholen.
3. Leidet ein Betriebsprüfungsbescheid an schwerwiegenden Mängeln, besteht auch nach Auflösung der in Liquidation befindlichen Gesellschaft regelmäßig kein überwiegendes Interesse des Rentenversicherungsträgers an dessen Vollzug bei einer Entscheidung in der Hauptsache.
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 11. August 2015 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Juni 2015 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens in beiden Rechtszügen.

Gründe:

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten die sofortige Vollziehung des Bescheids der Antragsgegnerin vom 22.06.2015, mit dem diese gegenüber der Antragstellerin eine Beitragsforderung von 25.962,64 EUR einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 6.118,00 EUR festgesetzt hat.

Die Antragstellerin, die sich seit 03.02.2014 (Eintragung im Handelsregister) in Liquidation befindet, hatte den Betrieb von Bars und Restaurants zum Gegenstand (hier vor allem ehemaliges Restaurant I. in A-Stadt).

Vom 19.09.2014 bis 24.04.2015 führte die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung durch.

Mit Bescheid vom 22.06.2015 setzte sie nach Anhörung mit Schreiben vom 24.04.2015 eine Nachforderung zur Sozialversicherung in Höhe von 25.962,64 EUR (darin enthalten Säumniszuschläge in Höhe von 6.118,00 EUR) fest. Die Betriebsprüfung habe ergeben, dass für alle in der Anlage genannten Personen in ihrer Tätigkeit als Service Restaurant, Service Kochen, sonstige Dienstleistungen (Dienstleistungen als Bar- und Servicekraft), gastronomische Beratung/Management und küchentechnische Beratung ein dem Grunde nach sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestehe. Beiträge wurden für die Kalenderjahre 2011, 2012, und 2013 festgesetzt. Sie betreffen entsprechend der Bezeichnung im Bescheid folgende Personen: N. D., S. K., S. E., S. G., B. H., L. K., C. K., M. M., N. M., R. P., M. R., J. S., J. S., K. Z., C., G., S., B., S. B., B., A. D., H., A. K., S. K., L., M., M., F. N.-D., M. von P., W., W., G., K., N., S. W., A. W., S. S., N. L., M. P., M. a G., B. W., L. Z., J., K. und T.

Soweit für den weit überwiegenden Teil dieser ingesamt 26 Personen Beiträge festgesetzt wurden, enthält der Bescheid den Vermerk "unbekannt", zum Teil sind nur Vor- oder Nachname benannt, eine Versicherungsnummer ist nur den Arbeitnehmern D., K., S. W., A. W., S. S., N. L., M. P. und M. a G. zugeordnet. Nähere Ausführungen enthält der Bescheid lediglich zur Person des Kochs N. D., da dieser als einziger den Fragebogen zur sozialversicherungsrechtlichen Feststellung beantwortet habe. Dessen Angaben ließen auf ein Beschäftigungsverhältnis schließen. Die anderen Auftragnehmer und die Antragsgegnerin seien ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen, weshalb eine Beurteilung nach Aktenlage in Anlehnung an den Fragebogen bzw. das Tätigkeitsfeld der bei der Antragsgegnerin in den gleichen Berufsgruppen abhängig beschäftigten Arbeitnehmer erfolgt sei. Es handle sich ausweislich der teilweise vorhandenen Belege ausschließlich um Servicepersonal in der Gastronomie und es sei von den gleichen Umständen auszugehen. Es seien auch Säumniszuschläge zu erheben. Die Antragstellerin habe grob fahrlässig die Beschäftigungsverhältnisse falsch beurteilt, sie habe die gleichen Arbeiten auch von abhängig Beschäftigten ausführen lassen und sich nicht um die Klärung des Status der anderen Mitarbeiter bemüht.

In den von der Antragsgegnerin vorgelegten Akten befinden sich (Monats-)Rechnungen von N. D. über "Kochen", Rechnungen von M. a G. über "Service Restaurant", von R. K. für "Service Kochen", von M. P. über "Dienstleistung als Bar und Servicekraft", von R. P. über "Produktion Kochen", von J. S. über 9 Arbeitsstunden am 23.01.2011, Monatsrechnungen von M. M. als "Mietkoch", von C. über Gastronomische Beratung/Management, von F. N.-D. über "küchentechnische Beratung", von PRT (S. K.) über Veranstaltungsbetreuung, Monatsrechnungen von B. W. über "geleistete Tätigkeit", von S. S. über "erbrachte Dienstleistung", von S. von K. über Servicetätigkeit, und von A. S. über "Bar und Servicetätigkeiten". Abgeheftet ist außerdem eine von der Antragsgegnerin bearbeitete Buchungsliste der Buchhaltung über Fremdleistungen. Diese Liste enthält teilweise Namen mit dem Hinweis Aushilfe, Koch, Service Restaurant oder Putzen, daneben aber auch Warenlieferungen oder Namen wie "G. 30 EUR" ohne nähere Erläuterung. Diese Liste wurde von der Antragstellerin auf Anforderung der Antragsgegnerin vorgelegt.

Mit ihrem Widerspruch vom 22.07.2015 beantragte die Antragstellerin, die sofortige Vollziehung des Bescheides auszusetzen. Mit Fax vom 23.07.2015 beantragte sie beim Sozialgericht München die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs. Die Antragsgegnerin habe sich alleine auf die Prüfung des N. D. gestützt, die anderen Auftragnehmer seien nicht geprüft worden, so dass der Bescheid auf einer fehlerhaften Tatsachenfeststellung beruhe. Die Antragstellerin beschäftige festangestellte Arbeitnehmer und vergebe daneben Aufträge an selbstständige Auftragnehmer, die unterschiedlich häufig für sie tätig seien. Die Auftragserteilung erfolge großteils mündlich und sehr kurzfristig, da es im Gastronomiebereich häufig nicht möglich sei, den benötigten Personalbedarf zu bestimmen. Es sei unerlässlich, Selbstständige zu beauftragen, die abhängig von der Bedarfslage einspringen könnten. Diese Auftragnehmer seien nicht weisungsgebunden. So könnten die Köche, auch wenn die Speisekarte vorgegeben sei, selbst Einkäufe tätigen und die Speisekarte mitgestalten. Den Bedienungen könnten keine Weisungen erteilt werden, wie sie zu bedienen hätten, welche Empfehlungen auszusprechen seien und welche Kenntnisse sie aufweisen müssten. Es bestehe keine Weisungsgebundenheit hinsichtlich Zeit und Ort der Tätigkeit und keine festen Anwesenheitszeiten. Es bestehe keine Vertretungsregelung und sie seien nicht berechtigt, wie die festangestellten Mitarbeiter die Sozialeinrichtungen der Antragstellerin zu nutzen, hätten im Gegensatz zu diesen keinen eigenen Spind und würden nicht zur Weihnachtsfeier eingeladen, sie partizipierten nicht von der Mitgliedschaft bei F.F. Sie trügen auch keine Dienstkleidung und seien größtenteils nicht im Besitz eines Schlüssels. Sie seien frei gewesen, einen Auftrag anzunehmen, seien für mehrere Auftraggeber tätig gewesen und nicht zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet gewesen. Die Abrechnung sei aufgrund individueller Preisvereinbarung nach Stunden erfolgt. Es habe ein Unternehmerrisiko bestanden, da nur die geleisteten Stunden bezahlt worden seien. Einige Auftragnehmer besäßen auch eine eigene Betriebsstätte. Köche hätten ihre eigenen Messer mitgebracht. N. D., R. P., S. B. und M. von P. seien als Köche selbstständig gewesen. F. N.-D. sei für verschiedene Dienstleistungen, unter anderem als Koch und als Berater, gebucht worden. Beraterdienstleistungen würden typischerweise von Selbstständigen erbracht. M. a G. habe ein eigenes Gewerbe angemeldet, einen individuellen Stundensatz ausgehandelt und ein erhebliches Unternehmerrisiko getragen, da nicht abzusehen gewesen sei, welchen Gewinn sie erzielen werde. Sie habe selbst bestimmt, wie lange sie wann tätig sein wolle. Gleiches gelte für B. W., S. S., S. von K. und J. S. S. K. sei Inhaber des Unternehmens PRT und als solcher mit der Betreuung von Veranstaltungen beauftragt worden. A. K. sei Inhaber des Unternehmens W.G. & C., das sich auf Beratungsleistungen im Bereich Bar und Service spezialisiert habe, trete werbend am Markt auf, besitze eine eigene Betriebsstätte und sei aufgrund freier Preisgestaltung tätig gewesen. M. P. habe vom 01.09.2011 bis 30.11.2011 bei der Antragstellerin eine Ausbildung absolviert und sei vor und nach der Ausbildung abhängig von der Auftragslage als selbstständige Barkraft bei der Antragstellerin tätig gewesen. Diese Tätigkeit habe sich erheblich von der Tätigkeit während der Ausbildung unterschieden. Er habe den Stundensatz von 10,00 EUR festgelegt und Rechnungen gestellt. Für die Auftragnehmer N. M., S. E., M. R., L. Z., L. K., S. K., K., A. D., M., M. a G., T. R, A. W., C. K., J. S., B. H., G., K. Z., M. M., W., die nur an einzelnen Tagen, teilweise nur ein einziges Mal, als Servicekraft für die Antragstellerin tätig gewesen seien, habe bereits keine Eingliederung in die betriebliche Organisation der Antragstellerin stattgefunden. Auch C. sei in ihrer Tätigkeit für das allgemeine Management, die Veranstaltungsleitung und den Einkauf selbstständig tätig gewesen. Herr J. K. sei vom 24.11.2011 bis zum 31.05.2012 als geringfügig Beschäftigter tätig gewesen. Die Beiträge seien entrichtet worden, so dass keine Nachforderung bestehe. Bei der Position B. handele es sich um eine Rechnung für Blumen anlässlich einer Hochzeit am 12.12.2012. Bei der Position L. handele es sich um die Rechnung für eine Weinlieferung, die im Auftrag und für einen Kunden von dessen Lieferanten bezogen worden sei. Bei der Position M. handele es sich um einen Entsorgungsfachbetrieb. Rechnungen hierüber wurden vorgelegt. Schließlich ergebe sich eine unbillige Härte daraus, dass die Vollziehung des Bescheides vom 22.06.2015 die Zahlungsunfähigkeit der Klägerin im Sinne des § 17 Insolvenzordnung (InsO) zur Folge hätte.

Die Antragsgegnerin lehnte mit Schreiben vom 28.07.2015 den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab und beantragte gegenüber dem Sozialgericht, den Antrag abzulehnen. Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestünden nicht. Die betroffenen Personen seien am Verfahren beteiligt worden. Allerdings habe wegen mangelnder Mitwirkung auch der Antragstellerin nur nach Aktenlage entschieden werden können. Bedienungs- und Küchenpersonal in gastronomischen Einrichtungen stünden grundsätzlich in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Typische Merkmale unternehmerischen Handelns wie z.B. das Aushandeln von Preisen, Warenbezug, Einstellung von Personal, Einsatz von Kapital und Maschinen, Kundenakquisition und insbesondere ein Unternehmerrisiko im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hätten nicht festgestellt werden können. Die betroffenen Personen seien auch in die betrieblichen Organisationsstrukturen der Antragstellerin eingebunden gewesen. Die Positionen J. K., B. L. und M. seien im Hauptsachverfahren weiter zu prüfen. Die hierauf entfallende Gesamtforderung von 342,55 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen rechtfertige jedoch nicht die Aussetzung der Vollziehung des gesamten Bescheides.

Dieser Auffassung schloss sich das Sozialgericht an und lehnte mit Beschluss vom 11.08.2015 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestünden nicht. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Abgabenbescheiden bewusst auf den Adressaten verlagert habe, um die notwendigen Einnahmen der öffentlichen Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben sicherzustellen. Diese Risikoverteilung würde unterlaufen, wenn bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens die Vollziehung ausgesetzt würde. In den Fällen des § 86a Abs. 2 SGG sei in der Regel das Vollziehungsinteresse vorrangig. Es könne davon ausgegangen werden, dass die im Bescheid vom 22.06.2015 genannten Personen bei der Antragsgegnerin abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig gewesen seien. Regelmäßig würden Tätigkeiten im Restaurant- und Veranstaltungsbetrieb als Koch, Bedienung, Barkraft und im Management im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werden. Dies zeige sich auch daran, dass die Antragstellerin selbst Köche und Servicekräfte als festangestellte Mitarbeiter beschäftigt habe. Würden festangestellte Mitarbeiter in der gleichen Tätigkeit beschäftigt, seien Unterschiede in der Tätigkeit herauszuarbeiten, die die Tätigkeit der letzteren im Vergleich zu der der festangestellten Mitarbeiter zu einer selbstständigen machten. Dass Bedarf an flexiblen Arbeitskräften bestehe, Rechnungen gestellt würden, teilweise Gewerbeanmeldungen vorgelegen hätten und die sozialen Einrichtungen der Antragstellerin nicht genutzt werden könnten, sei hierfür nicht ausreichend. Soweit die Auftragnehmer S. K. als Inhaber des Unternehmens PRT und A. K. als Inhaber des Unternehmens W.G. & C. jeweils ein eigenes Unternehmen aufgebaut hätten, sei nicht erkennbar und noch zu prüfen, ob auch die Tätigkeit für die Antragstellerin hierunter falle, was ausweislich der vorgelegten Internetausdrucke schwer vorstellbar sei. Auch kurzzeitige Arbeitseinsätze würden in den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV fallen. Das Vorbringen hinsichtlich der Position J. K. sei mangels Vorlage von Nachweisen nicht überprüfbar. Gleiches gelte für den Vortrag, bei der Position "B." handele es sich um eine Blumenrechnung und die Position "L." sei mit der Rechnung der Firma E.M.P. et F. identisch. Soweit die Antragstellerin geltend mache, bei der Position M. sei fälschlicherweise eine Rechnung eines Entsorgungsfachbetriebes berücksichtigt worden, werde darauf hingewiesen, dass dies wohl zutreffend sei, von der Antragsgegnerin im Rahmen des Widerspruchs aber geprüft werde. Für die einzelnen Personen seien die vorgebrachten Tatsachen und Argumente zu würdigen und weitere Ermittlungen durchzuführen. Gegebenenfalls würden sich auch die betroffenen Auftragnehmer, die sich bis jetzt nicht geäußert haben, nunmehr an dem Verfahren beteiligen und die von der Antragsgegnerin erbetenen Auskünfte erteilen. Bei danach offenem Ausgang des Widerspruchsverfahrens könne die Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch nicht darauf gestützt werden, dass die Vollziehung des Bescheides für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Antragstellerin habe lediglich pauschal vorgetragen, dass sie Insolvenzantrag stellen müsste, ohne die aktuelle Vermögenssituation konkret darzustellen. Das Interesse der Antragsgegnerin an einer zeitnahen Durchsetzung der Forderung sei aber gerade dann hoch, wenn die Antragstellerin behaupte, dass Zahlungsunfähigkeit drohe. In einer solchen Situation sei die Antragsgegnerin verstärkt gehalten, die Beiträge rasch einzutreiben, um die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung sicherzustellen. Die Antragstellerin habe auch nicht dargelegt, dass die Durchsetzbarkeit der Forderung bei weiterem Zuwarten nicht weiter gefährdet wäre als derzeit. Der Beschluss wurde der Antragstellerin am 18.08.2015 zugestellt.

Am 11.09.2015 (Eingang beim Sozialgericht) hat sie Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt, die dem Bayer. Landessozialgericht am 02.10.2010 vorgelegt worden ist. Die Beschwerde wird im Wesentlichen mit dem Vortrag aus der ersten Instanz begründet.

Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 13.10.2015 zur Beschwerde Stellung genommen und beantragt,

diese zurückzuweisen.

Bei der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen müsse es sich um Nachteile handeln, die durch spätere Rückzahlung von tatsächlich nicht geschuldeten Beiträgen nicht mehr korrigierbar seien. Dazu zählten Fälle, in denen die Zahlung zur Arbeitgeberinsolvenz führen oder der Bestand des Unternehmens gefährdet würde. Da sich die Beschwerdeführerin in Liquidation befinde, könne durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ohnehin der Erhalt des Betriebs nicht mehr gesichert werden. In diesem Fall würden die öffentlichen Interessen an der Geltendmachung der Forderung gegenüber den Liquidatoren überwiegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft und form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist auch begründet. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist begrenzt auf die Dauer des Widerspruchverfahrens.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22.06.2015 ist statthaft gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, da der Widerspruch gegen den Beitragsbescheid keine aufschiebende Wirkung entfaltet (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

Ob vorläufiger Rechtsschutz gewährt wird, steht im Ermessen des Gerichts ("kann") und erfordert grundsätzlich eine Interessenabwägung der relevanten öffentlichen und privaten Belange für den Fall der Gewährung bzw. Nichtgewährung des vorläufigen Rechtsschutzes bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage. In den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG (Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten, Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben) ist Prüfungsmaßstab § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 3. Auflage 2011, Rn. 164 mit weiteren Nachweisen). Nach dieser Regelung soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- und Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 28.02.2014, die im Wesentlichen darauf beruhen, dass für den Senat anhand der von der Antragsgegnerin vorgelegten Akten nicht feststellbar ist, auf welcher Grundlage die Antragsgegnerin für den größten Teil der in der Anlage aufgeführten Personen zu den streitigen Feststellungen gekommen ist. Derzeit würde der Bescheid gerichtlicher Überprüfung voraussichtlich nicht standhalten.

Streitig ist zwischen den Beteiligten eine Beitragsforderung in Höhe von 19.844,64 EUR zuzüglich der hieraus errechneten Säumniszuschläge aufgrund einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV. Auf welche Grundlagen die Antragsgegnerin die darin getroffenen Feststellungen gestützt hat und welche Ermittlungen sie durchgeführt hat, kann nach den vorgelegten Akten nur bedingt nachvollzogen werden. Zwar befinden sich für einzelne der Personen Rechnungen in den Akten. Bei der überwiegenden Zahl der im Bescheid als Arbeitnehmer aufgeführten (und von der Antragsgegnerin selbst als unbekannt gekennzeichneten) Personen erschließt sich dem Senat jedoch nicht, auf welcher Grundlage die Antragsgegnerin zum Ergebnis gekommen ist, diese seien jeweils bei der Antragstellerin beschäftigt gewesen. Möglicherweise waren Grundlage die auszugsweise in den Akten abgehefteten Auflistungen über Fremdleistungen, die aber nur teilweise Rückschlüsse dahingehend zulassen, es habe sich dabei um Beschäftigungsverhältnisse gehandelt. Auch im Bescheid wird dies nicht näher erläutert. Die Formulierung "teilweise" legt nahe, dass tatsächlich nur für einen Teil der angenommenen Beschäftigungsverhältnisse Quittungen bzw. Rechnungen vorgelegen haben.

Der Einwand der Antragstellerin, dass es sich dabei nicht einmal um Dienstleistungen, sondern um Warenlieferungen gehandelt habe, erscheint vor dem Hintergrund der vorgelegten Rechnungen (M.) nicht von vornherein unberechtigt und gibt Anlass zu Zweifeln, ob für alle im Bescheid genannten Personen, soweit es sich dabei um Personen handelt, die für die Feststellung einer Beitragspflicht erforderlichen Feststellungen getroffen wurden.

Die Träger der Rentenversicherung prüfen bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem Gesetz, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern (§ 28p Abs. 1 SGB IV). Die Arbeitgeber sind verpflichtet, an der Prüfung mitzuwirken und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen (§ 28p Abs. 5 SGB IV). Dazu gehören insbesondere Geschäftsbücher, Listen und die Unterlagen, aus denen Angaben zur Beschäftigung hervorgehen. Welche Verpflichtungen die Arbeitgeber im Einzelnen treffen, regelt die Beitragsverfahrensverordnung (BVV). Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Verordnung ist § 28p Abs. 9 Nr. 1 SGB IV. Aber eine fehlende Mitwirkung entbindet den Träger der Rentenversicherung aus den o.g. Gründen nicht von seiner Pflicht zur Amtsermittlung (§ 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X). Die Verpflichtung zur Feststellung der angefallenen Beiträge steht nicht nur im Interesse des Arbeitgebers, sondern vor allem im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer. Denn es handelt sich bei Sozialversicherungsbeiträgen nicht um Abgaben im Sinne einer Steuer, ihnen steht vielmehr ein konkreter Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber, bei Erfüllung der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen auch die gesetzlich garantierten Leistungen zu erhalten (Beschluss des Bayer. Landessozialgericht (LSG) vom 30.07.2012, L 5 R 267/12 B ER). Nur wenn der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt hat und dadurch die erforderlichen Feststellungen nicht mehr getroffen werden können, sieht das Gesetz in § 28f Abs. 2 SGB IV die Möglichkeit vor, Arbeitsentgelte zu schätzen oder einen Summenbescheid zu erlassen. Entscheidend ist, ob ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann (zu den Anforderungen an einen Summenbescheid vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 17.12.2014, B 12 KR 19/12 R). Unter Umständen ist, soweit einzelne Beschäftigte ermittelbar sind und andere nicht, auch "zweigleisig" zu fahren. Ermöglicht der Arbeitgeber die erforderlichen Feststellungen auch im Widerspruchsverfahren nicht, kann er sich im Gerichtsverfahren nicht mehr mit Erfolg gegen einen Summenbescheid wenden (BSG, Urteil vom 07.02.2002, B 12 KR 12/01 R).

In jedem Fall ist aber zunächst festzustellen, dass der Beitragsforderung Beschäftigungsverhältnisse zu Grunde gelegen haben. Soweit es sich um einmalige oder von vornherein befristete Beschäftigungsverhältnisse gehandelt hat, sind die Regelungen zur Versicherungsfreiheit in § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV zu beachten. Gerade bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen im Gastronomiebereich, in dem viele Studenten arbeiten, stellt sich außerdem die Frage, ob diese nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) von der Krankenversicherungspflicht befreit sind. Gleiches gilt für die Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 27 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III).

Ob und auf welcher Grundlage die Antragsgegnerin diese Feststellungen getroffen hat und ob ihr dies möglich gewesen wäre, vermag der Senat für den überwiegenden Teil der im Bescheid aufgeführten Personen nicht festzustellen. Danach ist lediglich nachvollziehbar, dass die Antragsgegnerin sich ohne Erfolg an Herrn S.K., Herrn J. K. und Frau S. S. gewandt hat. Dass die Antragstellerin ihre Aufzeichnungspflichten verletzt hätte, kann weder den Akten entnommen werden, noch wird dies von der Antragsgegnerin vorgetragen. Dass es während der über sechs Monate andauernden Prüfung nicht möglich gewesen sein soll, mit dem Ansprechpartner der Antragstellerin persönlich zu klären, welche Personen für die Antragstellerin in welcher Funktion tätig waren und bei welchen Posten es sich um Waren- oder Lieferantenrechnungen handelt, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Dies zu klären und damit die erforderlichen Ermittlungen im Verwaltungsverfahren nachzuholen, wird nicht als Aufgabe der Gerichte angesehen (vgl. zur Funktionstrennung von Verwaltung und Gerichten: BSG, Urteil vom 25.06.2015, B 14 AS 30/14 R - Terminbericht).

Zwar teilt auch der Senat die Auffassung des Sozialgerichts, dass der Vortrag zur Selbstständigkeit der "auf Rechnung" beschäftigten Aushilfen nicht geeignet ist, eine Beschäftigung auszuschließen. Insbesondere stehen weder eine anderweitig ausgeübte Selbstständigkeit noch die Möglichkeit, einen Auftrag abzulehnen oder für andere Auftraggeber tätig zu sein, der Annahme einer Beschäftigung entgegen. Das bedeutet, dass die als Servicemitarbeiter, Bedienungen und Köche beauftragten Personen wohl ebenso bei der Antragstellerin beschäftigt gewesen sein dürften wie die fest angestellten Mitarbeiter, wenn auch im Einzelfall nur kurzfristig. Auch die Tatsache, dass Einzelne offensichtlich nur einmalig für die Antragstellerin gearbeitet haben, steht weder einer Eingliederung in deren Betrieb im Rahmen dieser kurzfristigen Tätigkeit noch der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses entgegen.

Auch wenn danach hinsichtlich des wohl größeren Teils der geforderten Summe keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken bestehen, werden aufgrund der dargestellten Mängel des streitigen Bescheids die Interessen der Antragstellerin, bis zum Abschluss der im Übrigen auch von der Antragsgegnerin selbst noch für erforderlich angesehenen Ermittlungen von einer Vollstreckung vorläufig verschont zu bleiben, als überwiegend angesehen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der Auflösung der Gesellschaft. Richtig ist, dass der Betrieb der Antragstellerin aufgrund deren Auflösung nicht mehr gefährdet werden kann. Von den noch durchzuführenden Ermittlungen hängt aber ab, in welcher Höhe die Forderung der Antragsgegnerin berechtigt ist, was unter Umständen Auswirkungen auf die Frage haben kann, ob eine ordnungsgemäße Liquidation noch möglich ist. Bis dahin sind die Interessen der Antragsgegnerin durch die Regelung in § 73 Abs. 2 Satz 2 GmbH-Gesetz weitgehend geschützt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt derjenigen des Sozialgerichts (§§ 52, Abs. 3, 47 Abs. 2 Gerichtskostengesetz).

Dieser Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved