L 8 R 926/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 50 R 438/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 R 926/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 1. Juli 2011 und der Bescheid der Beklagten vom 29. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2010 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. Mai 2010 bis zum 30. April 2016 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zur Hälfte zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1954 geborene, also jetzt 61 Jahre alte Kläger hat in der Zeit von 1970 bis 1973 den Beruf des Drehers erlernt, in dem er anschließend einen Monat lang tätig war. Vom 26. Juli 1973 bis zum 01. August 1982 war er als Möbelpacker und Fahrer beschäftigt. Anschließend arbeitete er bis einschließlich Juni 2004 als Lagerist. In der Zeit vom 17. Oktober 2005 bis zum 03. Mai 2006 war er selbständig tätig.

In der vom Sozialgericht eingeholten Arbeitgeberauskunft vom 30. September 2010 gab die Firma M GmbH an, dass der Kläger dort langjährig als Lagerist tätig gewesen sei. Die Arbeit habe eine dreijährige handwerkliche Lehrzeit oder Facharbeiter-Anlernzeit mit mindestens zwei Jahren Lehre vorausgesetzt, diese habe der Kläger durchlaufen. Die Tätigkeit habe die Annahme, Überprüfung, Einlagerung, Bereitstellung von Möbeln und Ordnungsaufgaben mit EDV beinhaltet. Die Arbeiten seien mittelschwer und im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen auszuführen gewesen, wobei ca. zwei Stunden Büroarbeit angefallen sei und ca. sechs Stunden eine Tätigkeit in Bewegung. Neben der Bürotätigkeit sei auch das Bewegen, Tragen und Heben von Möbeln bzw. Möbelcollies durchzuführen gewesen. Die Arbeiten seien überwiegend im Freien oder in untemperierten Räumen auszuführen gewesen und hätten häufiges Bücken durch Heben und Absetzen von Möbeln und Möbelteilen beinhaltet. Ein Tarifvertrag sei nicht anwendbar gewesen.

Am 22. Oktober 2009 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er gab an, wegen Bandscheibenvorfällen, Magenbeschwerden, Bluthochdrucks, ständigem Zittern des Kopfes und der Hände, Erregungs- und Erschöpfungszuständen, nervlicher Belastungszustände, Beschwerden des Bewegungsapparates, Kopfschmerzen und Schlafstörungen nicht mehr leistungsfähig zu sein.

Die Beklagte ließ den Kläger durch den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. M begutachten. In seinem Gutachten vom 01. März 2010 kam dieser zu dem Ergebnis, dass der Kläger als Lagerarbeiter nur noch unter drei Stunden täglich leistungsfähig sei, leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten jedoch noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten könne. Zu vermeiden seien Schichtdiensttätigkeit und Akkordarbeit. Tätigkeiten, die in Verbindung stünden mit häufigem Bücken, Heben und Tragen oder Bewegen von Lasten und Zwangshaltungen sowie Exposition bezüglich Nässe, Zugluft und extremen Temperaturschwankungen könne der Kläger nicht ausüben.

In ihrem ebenfalls im Auftrag der Beklagten erstellten Gutachten schätzte die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S unter dem Datum 18. März 2010 ein, dass der Kläger als Möbelpacker und Fahrer nur noch unter drei Stunden täglich leistungsfähig sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt jedoch sechs Stunden und mehr täglich. Die Arbeiten sollten in wechselnder Körperhaltung erfolgen und unter Meidung von Nachtschicht und Zeitdruck. Der Kläger sei psychotherapeutisch behandlungsbedürftig, eine entsprechende Therapie beginne im April 2010.

Mit Bescheid vom 29. März 2010 hat die Beklagte den Rentenantrag mit der Begründung abgelehnt, der Kläger sei noch in der Lage, sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.

Zur Begründung seines am 06. April 2010 bei der Beklagten erhobenen Widerspruches hat der Kläger bestritten, noch sechs Stunden berufstätig sein zu können. Durch seinen hohen Blutdruck sei er psychisch schlecht in der Lage, eine verantwortungsvolle Tätigkeit weiterhin auszuführen. Antidepressiva nehme er auch ständig ein. Ein Belastungs-EKG sei wegen zu hohen Blutdrucks sowie Schmerzen im Knie abgebrochen worden. Wegen seines eingeschränkten Gesundheitszustandes sei er momentan nicht in der Lage, eine Arbeit durchzuführen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2006 hat die Beklagte, ohne weitere Ermittlungen durchzuführen, den Widerspruch zurückgewiesen. Der Kläger sei noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen bzw. Gehen sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Er habe den Beruf eines Drehers erlernt und kurzzeitig ausgeübt. Von diesem hätte er sich gelöst und anderen Tätigkeiten zugewandt. Nach seinem beruflichen Werdegang sei die Beurteilung der Berufsunfähigkeit unter Berücksichtigung seiner bisherigen Tätigkeiten als Lagerarbeiter durchzuführen. Der Kläger sei auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes zu verweisen.

Mit der am 23. Juli 2010 bei dem Sozialgericht Potsdam erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.

Das Sozialgericht hat, neben der oben bereits erwähnten Arbeitgeberauskunft, Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte, und zwar des Facharztes für Orthopädie und Chirotherapie Dipl.-Med. K vom 13. Oktober 2010, der Ärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. H vom 20. Oktober 2010 und dem Psychologischen Psychotherapeuten Dipl.-Psych. K vom 22. März 2011 eingeholt. Sodann hat es Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens von dem Facharzt für Allgemeinmedizin sowie für Physikalische und Rehabilitative Medizin mit Zusatzbezeichnung (u.a.) Sozialmedizin, Dr. S vom 05. Mai 2011. Dieser hat folgende Diagnosen gestellt: - Depression, Hinweise auf Somatisierung; - Verschleißleiden der Wirbelsäule, Bandscheibenleiden, Funktionsstörungen im Bereich der Hals-, und Lendenwirbelsäule; - Spannungskopfschmerz; - Alkoholmissbrauch; - Tremor; - Bluthochdruck; - Hautleiden; - Funktionsstörungen der Hüft-, und Kniegelenke; - Operierte Fußfehlform (Clavus-Operation), rezidivierende Dornwarzenbildung im Bereich beider Füße; - Magenschleimhautentzündung; - Funktionsstörung der Schulter-, und Ellenbogengelenke, Zustand nach Ellenbogengelenkbruch rechts - Nierensteinleiden, Nierenschädigung (hypertensive Nephropathie mit Microalbuminurie).

Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger noch regelmäßig mittelschwere körperliche und geistig schwierige Arbeiten verrichten könne. Die Arbeiten könnten ausschließlich im Sitzen, überwiegend im Gehen oder überwiegend im Stehen erfolgen. Arbeiten über Kopf, mit Besteigen von Leitern und Gerüsten und mit Absturzgefahr seien dem Kläger nicht mehr möglich. Er könne im Freien mit Einwirkung von Witterungs- oder sonstigen Umwelteinflüssen tätig sein, Arbeiten mit Einwirkungen von hautreizenden Stoffen seien dem Kläger nicht mehr zumutbar. Arbeiten in Wechsel- und Nachtschicht könne der Kläger nicht verrichten, sowie keine Tätigkeiten an laufenden Maschinen oder EDV-Anlagen und Arbeiten mit Fahr- und Steuertätigkeiten. Unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen sei der Kläger in der Lage, acht Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein.

Mit Schreiben vom 31. Mai 2011 bat der Kläger um Weiterführung des Verfahrens, da er und seine Familie schon mehrere Jahre Opfer von Gewaltverbrechen seien. Die Folgen davon seien Depressionen, Bluthochdruck, Magenbeschwerden, Schlafstörungen. Außerdem trinke er abends vier bis fünf Bier, die einfachsten Dinge des täglichen Lebens überforderten ihn. Mit Urteil vom 01. Juli 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es ist dem Gutachten von Dr. S in der Leistungseinschätzung gefolgt. Bzgl. einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat es ausgeführt, dass der Kläger auf die Tätigkeit eines Pförtners verweisbar sei.

Gegen das am 04. August 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02. September 2011 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Das angegriffene Urteil stütze sich maßgeblich auf die Feststellungen des Gutachters Dr. S. Diese ärztliche Leistungsbeurteilung sei jedoch unrichtig. Die beim Kläger vorliegende depressive Störung werde von Dr. Slediglich als mittelgradig eingestuft und als medikamentös therapierbar. Im Gegensatz dazu habe sich der Dipl.-Psych. K nicht in der Lage gesehen, positiv festzustellen, dass der Kläger arbeitsfähig sei. Auch die Dipl.-Med. H sei hierzu außerstande gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 1. Juli 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 29. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, gegebenenfalls bei Berufsunfähigkeit, seit dem 1. Oktober 2009 auf Dauer zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat sich auf die Gründe der Vorentscheidung bezogen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens von der Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin und Praktischen Ärztin Dr. M vom 07. Mai 2012. Diese hat folgende Diagnosen gestellt: Angst und depressive Störung gemischt; Tendenz zur psychosomatischen Beschwerdeausgestaltung, Verdacht auf psychogenen Tremor; schädlicher Gebrauch von Alkohol. Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten acht Stunden täglich verrichten könne. Arbeiten in Hitze, Kälte, Zugluft, und Feuchtigkeit sowie unter starken Temperaturschwankungen könne der Kläger nicht mehr ausführen, auch dürfe er bei der Arbeit nicht mit hautreizenden Substanzen in Berührung kommen. Weiter ausgeschlossen seien Arbeiten mit einseitiger Belastung, unter Zeitdruck (Akkord-, und Fließband), in Wechsel- und Nachtschicht, auf Leitern und Gerüsten und mit besonderer Belastung der Wirbelsäule. Heben und Tragen sei bis zu 15 Kilo möglich, vorläufig solle der Kläger keine Arbeiten mit häufigem Publikumsverkehr durchführen. Das Reaktionsvermögen und die Konzentrationsfähigkeit seien leicht eingeschränkt, ebenso die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit. Zurzeit könne der Kläger auch keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, aber der private PKW könne genutzt werden. Es bestünde eine Besserungsmöglichkeit.

In der Zeit vom 06. Dezember 2012 bis 10. Januar 2013 hat der Kläger in der S-Klinik GmbH, Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapie, eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme absolviert. Die dortigen Ärzte kamen zu dem Ergebnis, dass er vollschichtig als Lagerarbeiter und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen tätig sein könne. Die benannten qualitativen Einschränkungen entsprechen im Wesentlichen den von Dr. M benannten, zusätzlich hat die Klinik angegeben, der Kläger solle nicht lange stehen.

Mit Schreiben vom 24. März 2013 hat der Kläger mitgeteilt, seine Berufung aufrechterhalten zu wollen. Er könne nicht mehr sechs Stunden täglich arbeiten, außerdem sei er berufsunfähig.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes, und dort des Facharztes für Psychiatrie G vom 24. Juni 2013 eingereicht. Dieser teilte mit, dass eine Summierung der Leiden hier so nicht festgestellt werden könne, im Gegenteil komme es unter dem laufenden Streitverfahren im Heilverfahren weder zu einer Verschlechterung, noch sei eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens nachgewiesen. Die Angstsymptomatik, die bereits im Gutachten von Frau Dr. nur im geringen und nicht im alltagsrelevanten Maße vorgelegen habe, sei nicht mehr diagnostiziert worden. Die qualitative Einschränkung des Publikumsverkehrs sei daher so nicht mehr notwendig. Diese Einschränkung sei sowieso durch den Zusatz "häufiger Publikumsverkehr" gemildert worden.

Der Kläger hat ein für das Jobcenter H am 09. Juli 2013 erstelltes sozialmedizinisches Gutachten von der Fachärztin für Anästhesie und Intensivmedizin Dipl.-Med. P zu den Akten gereicht. Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger täglich drei bis unter sechs Stunden leistungsfähig sei. Es sollte sich um zeitweise leichte und zeitweise mittelschwere Arbeit handeln, die ständig im Wechsel der Arbeitshaltungen auszuführen sei. Auszuschließen seien Zeitdruck, Nässe, Kälte, Zugluft, Temperaturschwankungen, andauernde Hitzearbeiten, Schmutzarbeiten, hautbelastende Stoffe, Feuchtarbeit, das Ersteigen von Treppen, Leitern und das Arbeiten auf Gerüsten und unter erhöhter Verletzungsgefahr, häufiges Bücken, Zwangshaltungen (z.B. Überkopfarbeit, Knien, Armvorhalt, vorn übergebeugt) und häufiges Heben und Tragen ohne mechanische Hilfsmittel über zehn Kilogramm. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die grobe Kraft der linken Hand und mit hohem Leistungsdruck. Der Kläger leide an verschiedenen Störungen, die seine Leistungsfähigkeit auf Dauer beeinträchtigten. Vordergründig leistungseinschränkend seien hierbei die seelischen Störungen, trotz intensiver Therapie habe keine vollkommene Stabilisierung erzielt werden können, eine dauerhafte ambulante Therapie sei erforderlich.

Auf Anforderung des Senats vom 12. August 2013 hat sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 27. September 2013 dahingehend geäußert, dass weiterhin von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen ausgegangen werde. Als zumutbare Verweisungstätigkeit könne der Versandfertigmacher genannt werden. Die Beklagte fügte ein von dem arbeitsmarkt- und berufskundigen Sachverständigen Dipl.-Verwaltungswirt L am 02. Februar 2012 erstelltes Gutachten bei. Darin hat dieser die Tätigkeit eines Versandfertigmachers folgendermaßen beschrieben: "Die Aufgaben eines Versandfertigmachers bestehen darin, Fertigerzeugnisse zur Verschönerung oder Aufbesserung des Aussehens aufzumachen oder zu kennzeichnen und so für den Endverbraucher aufzubereiten. Als Einzelaufgabe werden Waren beklebt, eingehüllt, gezählt oder sortiert; es werden Abziehbilder, Warenzeichen oder Etiketten angebracht. Es wird in Papp-, Holzschachteln oder sonstige Behältnisse eingepackt; diese werden verschlossen und es werden Hinweise oder Kennzeichnungen von außen angebracht. Wird z.B. ein so genanntes Beipack für hergestellte Maschinen oder Geräte erstellt (z.B. für einen Drucker), so werden Produktbeschreibungen und Bedienanleitungen, Gewährleistungsunterlagen, Software sowie ggf. Werbeunterlagen in einen Umschlag gegeben, der später zum eigentlichen Produkt dazugegeben wird. Andere Produkte, die maschinell nicht verpackt werden können (wie z.B. eine Schreibtischlampe), werden von Hand eingepackt und versandfertig gemacht ( ). Das Verpacken von Kleinteilen kommt in den verschiedensten Handelsbranchen vor. Handverpackt werden die unterschiedlichsten Güter und zwar immer dann, wenn es wegen der Beschaffenheit mit einer Verpackungsmaschine nicht machbar ist, wenn aufgrund des häufigen Produktwechsels eine maschinelle Verpackung wegen des ständigen Werkzeugwechsels unwirtschaftlich ist, wenn nur geringe Mengen des Produktes zu verpacken sind oder wenn besonders hochwertige, empfindliche Güter verpackt werden.

Die körperliche Belastung ist abhängig von den zu verrichtenden Detailaufgaben; in nennenswerter Anzahl sind in der Metall-, Elektro- oder Kunststoffindustrie sowie im Spielwaren- oder Hobbybereich Tätigkeiten vorhanden, die überwiegend im Sitzen verrichtet werden (mit der Möglichkeit eines Wechsels nach ca. 1 bis 1½ Stunden), nur "leicht" belasten und wirbelsäulen- oder gelenkbelastende Körperhaltungen müssen nicht eingenommen werden. Es wird körpernah gearbeitet ohne besondere Anforderungen an die Arme, Hände und Finger hinsichtlich Kraft, Ausdauer oder Feinmotorik. Das Arbeitstempo wird nicht durch Maschinen oder Anlagen vorgegeben und der Lohn nicht nach Akkordrichtsätzen errechnet, so dass sich besonderer Zeit- und Leistungsdruck nicht ergibt. Es handelt sich um einfache Routinearbeiten ohne mehr als geringe Anforderungen an das Reaktions- und Konzentrationsvermögen, die Auffassungsgabe, die Lern- und Merkfähigkeit, das Gedächtnis, die Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit sowie die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit. ( ). Bundesweit waren in der veröffentlichten Beschäftigtenstatistik für 2010 in der Berufsordnung 522 (Warenaufmacher, Versandfertigmacher) insgesamt 219.283 Arbeitnehmer erfasst. Aus dieser hohen Beschäftigtenzahl ist abzuleiten, dass, trotz unterschiedlicher körperlicher Anforderungen, die Anzahl der Arbeitsplätze für leistungsgeminderte Bewerber deutlich oberhalb von 300 bis 400 liegt".

Der Senat hat aus BERUFENET, den Berufsinformationen der Bundesagentur für Arbeit, Informationen zu der Tätigkeit des Fachlageristen beigezogen und den Beteiligten zugänglich gemacht.

Weiter hat der Senat den Beteiligten aus dem Archiv von BERUFENET Unterlagen über die Tätigkeit des Warenaufmachers, Stand: 28. November 2005, übersandt. Auf Anfrage des Senats hat der von der Bundesagentur für Arbeit mit der Pflege und Aktualisierung der Informationssysteme zum Bereich Bildung und Beruf beauftragte Verlag Bildung und Wissen mit Schreiben vom 14. Februar 2014 mitgeteilt, dass die Tätigkeiten des Warenaufmachers und des Versandfertigmachers aufgrund von Umstrukturierungen bei der Darstellung von Berufsinformationen 2012 in den Archivbereich verschoben worden seien. Berufssystematisch seien diese Berufe/Tätigkeiten nun unter der Beschreibung "Helfer/in-Lagerwirtschaft, Transport" subsumiert. Die vorhandenen Informationen der Archivbeschreibungen Versandfertigmacher und Warenaufmacher seien aus heutiger Sicht nicht zwingend veraltet. Die Informationen in diesen Beschreibungen würden in dieser Form aber nicht weiter gepflegt.

In der Tätigkeitsbeschreibung der Warenaufmacher in BERUFENET wird ausgeführt, dass diese für die Aufbereitung von Waren für den Versand und Verkauf zuständig seien. Sie würden den unterschiedlichen Produkten beispielsweise durch Bemalen, Blankreiben, Einfetten oder besonderes Zurichten und Ausformen den letzten Schliff verleihen. Außerdem würden sie die Ware durch Etikettieren, Stempeln, Bekleben, Ein- oder Annähen mit Reklame, Güte- oder anderen Warenzeichen versehen. Schließlich gehöre zu ihren Aufgaben auch, die Waren in geeigneter Form manuell oder maschinell zu verpacken und für den Versand auszuzeichnen. Sie könnten in Unternehmen unterschiedlicher Wirtschaftsbereiche tätig sein. Als exemplarische Auswahl wurde angegeben: Handel, Nahrung und Genussmittel, Land- und Forstwirtschaft, Fischerei und Fischzucht, Chemie, Pharmazie, Elektro, Herstellung und Reparatur von Büromaschinen und Computern, Metall, Maschinenbau, Papier und Druck, Textil, Bekleidung, Leder, Kunststoff, Holz und Möbel, Glas, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden, Feinmechanik, Optik und Fahrzeugbau.

Zur Tätigkeit der Versandfertigmacher ist in BERUFENET (Archiv) ausgeführt, dass diese verantwortlich seien für die Kontrolle des Warenausgangs und die Überwachung des Ladevorgangs. Sie ordneten die Sendungen nach Transportweg und Zielort und stellten unter Berücksichtigung von Tourenplänen und Eilbedürftigkeit der Waren Ladeeinheiten zusammen. Wesentliche Aufgaben seien, Richtigkeit, Menge und Beschaffenheit der zusammengestellten Sendungen zu überprüfen sowie die Versandpapiere zu bearbeiten bzw. zu kontrollieren. Oft müssten sie auch selbst beim innerbetrieblichen Warentransport mithelfen. Um immer einen Überblick über die Warenbewegungen zu haben, erfassten sie alle Vorgänge per EDV.

Weiter hat der Senat den Beteiligten Informationen aus BERUFENET bezüglich des Helfers – Lagerwirtschaft, Transport zur Kenntnis gegeben. Danach führen diese in Speditionen, in Unternehmen des Güterverkehrs, in der Hafenwirtschaft sowie in Industrie- und Handelsbetrieben unterschiedlicher Branchen meist einfache oder zuarbeitende Tätigkeiten aus. Die Arbeitsbedingungen werden folgendermaßen beschrieben: Arbeit im Gehen und Stehen; Arbeit mit technischen Geräten, Maschinen und Anlagen; Handarbeit; schweres Heben und Tragen; Arbeit in Lagerhallen; Arbeit im Freien; Arbeit im/am Wasser; wechselnde Arbeitsorte (z.B. zwischen Waren- und Gerätelagern, Kühlhäusern und Verkaufsräumen und Tätigkeiten im Freien wechseln); Arbeit bei Kälte, Hitze, Nässe, Feuchtigkeit und Zugluft; Arbeit mit Schmierstoffen; Arbeit bei künstlicher Beleuchtung; Umgang mit Chemikalien (z.B. Kühl- und Reinigungsmittel); Unfallgefahr und Verantwortung für Sachwerte.

Der Senat hat Anfragen an verschiedene Verbände gestellt und gebeten, das Anforderungsprofil der Tätigkeiten eines Warenaufmachers oder eines Versandfertigmachers mitzuteilen. Diese Anfragen haben folgendes ergeben:

- Der Bundesverband Metall, Vereinigung Deutscher Metallhandwerke, hat mit Schreiben vom 25. Februar 2014 mitgeteilt, dass er zu diesen beiden Tätigkeiten keine Informationen geben könne. Die angefragten Tätigkeiten gehörten nicht zu den von dem Verband vertretenen Berufsbildern. Möglicherweise könnten die Berufe Fachlagerist oder Fachkraft für Lagerlogistik die angefragten Tätigkeiten abdecken. Er hat Ausbildungsprofile zu diesen beiden Berufen beigefügt.

- Der Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. hat mit Schreiben vom 05. März 2014 mitgeteilt, dass es die Tätigkeiten eines Warenaufmachers oder eines Versandfertigmachers in der Branche des Einzelhandels nicht gebe. Möglicherweise nahe dieser Tätigkeitsbezeichnungen kämen die "Angestellte am Packtisch", "Hilfskräfte im Wareneingang oder im Lager" bzw. im gewerblichen Bereich, die "Handelshilfsarbeiter" bzw. "Packer". Bei den genannten Tätigkeiten handele es sich nach Einschätzung des Verbandes um mittelschwere Arbeiten, die überwiegend im Gehen und Stehen verrichtet würden. Sie fänden ausschließlich in geschlossenen Räumen statt, wobei je nach Filialausstattung durchschnittliche Temperaturschwankungen zu erwarten seien. Bei Verräumtätigkeiten aus Kühlräumen seien natürlich auch starke Temperaturschwankungen nicht auszuschließen. Bücken und Überkopfarbeit seien in der Regel zu erwarten, was auch verbunden sei mit Heben und Tragen von Lasten. Größere Umverpackungen könnten auch ein Gewicht bis zu 20 Kilogramm erreichen. Größere Anforderungen an die Kraft oder Fingerfertigkeit seien nicht erforderlich. In einigen Unternehmen werde auch in Wechselschicht gearbeitet, wobei die typische Verräumtätigkeit eher in den späten Abendstunden bzw. frühen Morgenstunden erfolge. Natürlich sei, wie bei jeder Tätigkeit, ein gewisser Zeitdruck vorhanden.

- Der Bundesverband des Deutschen Versandhandels e. V. hat mit Schreiben vom 04. März 2014 mitgeteilt, dass seines Erachtens die Bezeichnungen "Warenaufmacher" und "Versandfertigmacher" heute keine gängigen Bezeichnungen mehr darstellten. Mit dem Warenaufmacher könne ein Mitarbeiter im Wareneingang gemeint sein und mit dem Versandfertigmacher ein Mitarbeiter am Packplatz bzw. ein Packer. Allgemeingültige Aussagen für diese Berufsgruppe seien nur schwer zu treffen. Die Anforderungen an die konkreten Mitarbeiter und an die konkrete Funktion unterschieden sich von Arbeitgeber zu Arbeitgeber teilweise erheblich. Eine pauschale oder generelle Beantwortung sei daher nicht möglich. Aufgrund einer anonymen Ad-hoc-Befragung des Hauptgeschäftsführers des BVH bei Personalleitern und Geschäftsführern im BVH organisierter Betriebe ergebe sich folgendes Leistungsprofil: Körperlich leichte bis körperlich schwere Arbeiten, überwiegend im Stehen bzw. im Wechsel mit Gehen, sowie im Sitzen, allerdings nur bis zu 10 %. Bei Arbeiten an der Laderampe oder in Außenlagern sei man Kälte, Nässe, Zugluft, Hitze und auch starken Temperaturschwankungen sowie Lärm ausgesetzt. In geschlossenen Räumen sei mit Lärm zu rechnen. Die Arbeiten seien mit Steigen, Klettern, Hocken, Bücken oder über Kopf verbunden. Es fielen Heben und Tragen von Lasten von unter 1 kg bis zu 32,5 kg an. Die Arbeiten seien eher mit Anforderungen an die grobe Kraft der Hände verbunden. Sie könnten auch in Wechselschicht erfolgen. Sie seien überwiegend in wechselnder, teilweise aber auch einseitiger Körperhaltung durchzuführen. Sie erfolgten teilweise in Akkord- oder als Fließbandarbeit. Sie seien eher als geistig nicht schwierig einzuordnen, aber durchaus mit erhöhten Anforderungen an das Reaktionsvermögen und die Aufmerksamkeit durchzuführen.

- Der Deutsche Speditions- und Logistikverband e.V. hat mit Schreiben vom 06. März 2014 mitgeteilt, dass die Tätigkeiten eines Warenaufmachers oder eines Versandfertigmachers in der klassischen Spedition und Logistik nicht bekannt seien. Der Warenaufmacher im Versand finde sein Arbeitsumfeld in nahezu allen Bereichen des Groß- und Einzelhandels sowie bei Produzenten für Einzelhandelswaren. Die Arbeitnehmer dieser Berufsgruppe seien für die optische Herrichtung von Waren zuständig. Sie bereiteten das Erscheinungsbild von Artikeln auf und seien mit Polieren, Auspolstern, dem Bemalen oder Einfetten beschäftigt. Der Versandfertigmacher arbeite grundsätzlich in den Versandabteilungen der Industrie- und Handelsbetriebe und führe auch einfache Arbeiten, wie das Versandfertigmachen der Bestellungen, aus. Die Arbeitsplätze seien die Waren- und Gerätelager, Kühlhäuser, Umschlagsanlagen und Freilager. Wenn sie die Lieferungen zusammenstellten, müssten sie aber unter Umständen auch teilweise schwer heben. Für sehr schwere Produkte stünden ihnen ggf. Hebefahrzeuge zur Verfügung.

- Der Zentralverband Hartwarenhandel e.V. ("Hartwaren" ist laut dem Internetauftritt des Verbandes der Sammelbegriff für eine Vielzahl von Waren und Warengruppen, worunter vor allem die Sortimente Eisenwaren, Werkzeug, Beschläge, Schrauben, Befestigungstechnik, Sicherheitstechnik, Rasenmäher, Haushaltswaren, Glas, Porzellan/Keramik, Schneidwaren, Heimwerkerbedarf, Einbauküchen, Haushaltsgroß- und Elektrokleingeräte, Sanitärartikel und Arbeitsschutz fallen) hat mit Schreiben vom 11. April 2014 mitgeteilt, dass ihm die Tätigkeiten eines Warenaufmachers bzw. Versandfertigmachers nicht bekannt seien. Eine Umfrage bei seinen Mitgliedern in Berlin habe ergeben, dass keiner seiner Mitglieder solche Leute beschäftige.

- Der Arbeitgeberverband Nordostchemie e. V. hat mit Schreiben vom 28. April 2014 mitgeteilt, dass man die Tätigkeit eines reinen Warenaufmachers oder eines Versandfertigmachers in der kunststoffverarbeitenden Industrie in dieser einfachen Form nicht mehr oft vorfinden werde. In der kunststoffverarbeitenden Industrie finde man den Fachlageristen, der Güter annehme und Warenlieferungen für den Versand zusammenstelle. Es handele sich um mittelschwere bis körperlich schwere Arbeiten, die im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeführt würden, wobei Gehen und Stehen bis zu 80 % der Tätigkeit einnehmen könnten. Während der Durchführung der Arbeiten sei man insbesondere im Winter starken Temperaturschwankungen unterworfen. Wechselschicht und/oder Nachtschichten seien in diesem Bereich die Regel. Man sollte für diesen Beruf in guter körperlicher Verfassung sein. Für reine Versandfertigmacher sollte das eben Gesagte ebenfalls gelten. Ob in Deutschland mindestens 300 Arbeitsplätze für Versandfertigmacher existierten, bei denen lediglich leichte Arbeiten zu verrichten seien, und zwar im Sitzen, entziehe sich der Kenntnis des Arbeitgeberverbandes. Solche Arbeitsplätze, wie sie am Ende von Produktionsmaschinen für Kleinteile vorhanden gewesen seien, seien in der Regel in dieser Branche der Automatisierung in den letzten Jahrzehnten zum Opfer gefallen. Letzte noch bestehende Arbeitsplätze dürften im Jahr 2015 durch die Einführung des Mindestlohns verdrängt werden.

Der Senat hat den Beteiligten eine Stellungnahme der (damaligen) Bundesanstalt für Arbeit, Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg, vom 09. Mai 2004 in dem Rechtsstreit S 9 RA 5698/01 des Sozialgerichts Berlin zur Kenntnis gegeben. Darin wird ausgeführt, dass, auch wenn sich die Aufgaben und Arbeitsbedingungen für Kommissionierer, Versandfertigmacher und Warenaufmacher wegen der Vielzahl der beteiligten Wirtschaftsbranchen einer einheitlichen Würdigung entzögen, jedoch folgende Aspekte als charakteristisch für die Berufsausübung angesehen werden könnten: Es handele sich um körperlich leichte bis mittelschwere Arbeit, mit zeitweise schwerem Heben und Tragen, um Arbeiten im Gehen und Stehen, zeitweise im Sitzen, mit Zwangshaltungen wie Bücken, Hocken und Knien sowie mit vornübergeneigter Haltung, Arbeit in offenen oder geschlossenen, teilweise klimatisierten Lagerhallen bei vorwiegend künstlicher Beleuchtung, unter Einwirkung von Staub, Lärm und Abgasen und mit Absturz- und Unfallgefahr und unter Zeitdruck wegen Lieferterminen und in Wechselschicht. Körperliche Eignungsvoraussetzungen seien gute Körperkraft und Körpergewandtheit, Funktionsfähigkeit und Belastbarkeit der Wirbelsäule, der Arme, Hände und Beine, normales Sehvermögen für die Nähe, räumliches Sehvermögen, normales Hörvermögen, gesunde Atemwege und Schwindelfreiheit.

Der Senat hat den Dipl.-Verwaltungswirt und berufskundlichen Sachverständigen L zu einer gutachterlichen Stellungnahme zu den Ermittlungsergebnissen aufgefordert. Dieser hat in seiner Stellungnahme vom 30. September 2014 mitgeteilt, dass aus den aktuell von ihm geführten Telefongesprächen mit potenziellen in Betracht kommenden Firmen Veränderungen deutlich geworden seien, jedoch nicht mit dem Ergebnis, dass für leistungsgeminderte Arbeitnehmer keine Einsatzmöglichkeiten mehr vorhanden seien, d. h. mit einem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, ohne wirbelsäulen- und gelenkbelastende Körperhaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Einsatzfähigkeit der Hände hinsichtlich Kraft, Ausdauer und Feinmotorik, ohne besonderen Zeit- und Leistungsdruck, ohne besondere Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen, ohne besondere Anforderungen an die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit und ohne Anforderungen an die Schreib- und Lesefähigkeit. Allerdings hätten sich Veränderungen in unterschiedlicher Form ergeben, einige Firmen hätten den Versand komplett ins Ausland verlagert (z. B. B nach Portugal), andere hätten die Aufgaben Dienstleistern übertragen (z.B. L-Fernseher) und wieder andere hätten die firmeninternen Arbeitsabläufe so umgestaltet, dass "reine Einpackarbeiten" mit anderen Aufgaben kombiniert seien und damit für den hier gemeinten Personenkreis ausschieden (z. B. ). Bei allen Veränderungen ließen sich aus den Firmenkontakten jedoch drei Aufgabenbereiche benennen, in denen nach wie vor in der von ihm dargestellten Form gearbeitet werde. Bei der Herstellung von Lampen- und Leuchtmitteln (Firma P, ) werde vor der Freigabe für den Versand eine Endkontrolle der hergestellten Lampen durchgeführt, in dem die Funktion überprüft und das Ergebnis einer Tabelle abgehakt werde. Hierzu würden die Einzelteile von einem Hol- und Bringedienst an den Kontrollarbeitsplatz gebracht, an dem überwiegend im Sitzen gearbeitet werde, mit ausschließlich leichten Belastungen und außerhalb von Akkord oder besonderem Zeit- und Leistungsdruck. Das Einpacken von teuren Gütern oder Artikeln erfolge bei vielen Firmen von Hand und sei firmeneigenen Mitarbeitern übertragen, z.B. das Einpacken von hochwertigen Schreibgeräten (Firma P, ). Auch an diesen Arbeitsplätzen werde im Sitzen gearbeitet, Belastungen über leicht hinaus ergäben sich nicht. Der Kontakt mit dem Personalleiter der Firma N habe ergeben, dass die Zahl der Einpackkräfte (mit den hier relevanten Anforderungen und Belastungen) allein in diesem Betrieb oberhalb von 300 liege und dass nach seiner Kenntnis ähnliche Arbeitsverrichtungen in anderen Betrieben dieses Wirtschaftszweiges vorhanden seien (in der Süßwarenindustrie seien bundesweit über 50.000 Beschäftigte tätig). Nach aktueller Recherche gehe er, der Gutachter, weiterhin davon aus, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt immer noch Arbeitsplätze in nennenswerter Anzahl vorhanden seien, die nach offenen Bewerbungsverfahren besetzt würden und an denen auch stark eingeschränkte Arbeitnehmer unter wettbewerbsmäßigen Bedingungen arbeiten könnten.

Der Senat hat Anfragen an verschiedene Firmen gestellt und folgende Antworten erhalten:

- Die Firma S, hat am 27. November 2014 telefonisch mitgeteilt, dass es die Tätigkeiten des Warenaufmachers und Versandfertigmachers in ihrem Betrieb nicht gebe.

- Die Firma L hat mit Schreiben vom 02. Dezember 2014 mitgeteilt, dass die Berufsgruppe des Warenaufmachers und Versandfertigmachers dort nicht geführt werde.

- Die Firma P GmbH hat am 08. Dezember 2014 mitgeteilt, dass es den Versandfertigmacher bei ihr nicht gebe. Diese ältere Berufsbezeichnung enthalte den Lageristen Fertigware, den Transporteur und den Sachbearbeiter Zoll/Transport. Der Warenaufmacher sei bei ihnen zum Teil im Lagerist Fertigware enthalten, allerdings gebe es diesen Beruf in ihrem Betrieb so nicht. Die Firma P fügte Beschreibungen und Bewertungen von Arbeitsaufgaben für die Tätigkeiten des Lageristen, des Transporteurs und des Lageristen/ Kommissionierers bei.

- Die Firma F hat am 27. Februar 2015 mitgeteilt, dass in ihrem Unternehmen keine dem Versandfertigmacher vergleichbare Tätigkeit vorhanden sei. Sie übersandte Informationen zu den Funktionsbildern aus den Bereichen Versand/Logistik in ihrem Hause.

- Die Firma P hat mit Schreiben vom 02. April 2015 eine Arbeitsaufgaben-Beschreibung im Bereich der hochwertigen Schreibgeräte "Versand" (Kommissionierer im HWSG-Versand) übersandt. In ihrem Unternehmen gebe es hierfür drei Arbeitsplätze.

- Die L GmbH, die die Firma P übernommen hat, hat auf erneute Anfrage mitgeteilt, dass die Tätigkeit eines Versandfertigmachers oder ähnliche Arbeitsplätze unter anderen Bezeichnungen bei ihnen nicht vorhanden seien. In ihrer Logistik würden bestückte Kartons zu Paletten zusammengestellt, mit Folien verschweißt, etikettiert und zur Verladung auf LKWs bereitgestellt. Dabei handele es sich überwiegend um Arbeiten im Stehen, bei denen auch Lasten gehoben und umgelagert werden müssten. Auch erfolge dies häufig unter Zeitdruck, da die Kommissionierung der Kundenabfragen oft kurzfristig erfolge, um keine hohen Lagerbestände aufzubauen.

Die von dem Sachverständigen L neu aufgeführten Endkontrollarbeitsplätze für Leuchtmittel oder Lampen seien bei ihnen vorhanden. Es handele sich um überwiegend leichte Arbeiten im Sitzen, die Fingerfertigkeiten und sehr gute visuelle Fähigkeiten, weniger geistige Anforderungen, aber erhöhte Anforderungen an das Reaktionsvermögen und die Aufmerksamkeit stellten. Derzeit verfügten sie über ca. 80 Arbeitsplätze in 2, 3, oder 4er Wechselschicht. Alle Aufgabenstellungen seien auch unter Zeitvorgaben zu erfüllen, aber nicht im Akkord.

- Die Firma N hat zunächst mit Schreiben vom 19. Dezember 2014 mitgeteilt, dass es sich bei den bei ihr vorhandenen Arbeitsplätzen um körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten handele, die überwiegend im Gehen und im Stehen zu verrichten seien. Die Arbeiten seien mit Bücken verbunden und mit Heben und Tragen von Lasten bis 25 kg, sie stellten Anforderungen an die grobe Kraft der Hände. Es bestünden 45 Arbeitsplätze für Lagerhelfer.

Auf die erneute Anfrage des Senats im Hinblick auf die von dem Sachverständigen L genannten, dort angeblich vorhandenen Tätigkeiten hat die Firma N mit Schreiben vom 09. April 2015 mitgeteilt, dass es sich bei den von ihr im Schreiben vom 19. Dezember 2014 geschilderten Tätigkeiten um die von Süßwarenherstellerhelfern handele.

Die Beklagte hält daran fest, dass die Tätigkeit des Versandfertigmachers bzw. Warenaufmachers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorhanden sei. Bei durchgeführten Recherchen im Internet nach offenen Stellen unter der Bezeichnung Versandfertigmacher bzw. Warenaufmacher sei sie bundesweit auf entsprechende Angebote gestoßen. Sie legte Kopien der Ausdrucke bei. Weiterhin fügte sie ein Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen L vom 05. Mai 2014 bei und verwies darauf, dass laut Herrn L es im Jahr 2011 um die 220.000 Arbeitsplätze für Versandfertigmacher und Warenaufmacher gegeben habe. Herr L solle doch erst einmal ausschließen, dass von den 220.000 Arbeitsplätzen hinsichtlich des Restleistungsvermögens für den Kläger kein Arbeitsplatz geeignet sei.

Weiter verwies die Beklagte auf das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichtes vom 05. Mai 2015 (Aktenzeichen L 7 R 23/14), das wiederum Bezug nimmt auf eine berufskundliche Stellungnahme des Arbeitsvermittlers und Beraters J vom 16. Oktober 2014, in der dieser die Tätigkeit eines Versandfertigmachers dahingehend beschreibt, dass eine überwiegend sitzende Tätigkeitsausübung möglich sei und eine Einbindung in eine Taktfertigung meistens nicht vorhanden. Die zu bewegenden Gewichte lägen meist deutlich unter einem Kilogramm und wechselnde Schichten seien nicht üblich sowie Nachtschichttätigkeiten selten. Auch könne man gelegentlich aufstehen und gehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

Die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten hat dem Senat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) des Klägers ist zulässig und teilweise begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 01. Juli 2011 und der Bescheid der Beklagten vom 29. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2010 sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, als der Antrag zur Verurteilung der Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 01. Mai 2010 bis zum 31. April 2016 abgelehnt wurde.

Im Übrigen ist das Urteil rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), da er nicht voll erwerbsgemindert ist.

Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20. April 2007, Bundesgesetzblatt I S. 554, haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Nach Überzeugung des Senats sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen des Sozialgerichts Potsdam und des erkennenden Senats ist der Kläger noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung der von Dr. M in ihrem Gutachten benannten qualitativen Einschränkungen acht Stunden täglich zu verrichten. Arbeiten in Hitze, Kälte, Zugluft, und Feuchtigkeit sowie unter starken Temperaturschwankungen kann der Kläger nicht mehr ausführen, auch darf er bei der Arbeit nicht mit hautreizenden Substanzen in Berührung kommen. Weiter ausgeschlossen sind Arbeiten mit einseitiger Belastung, unter Zeitdruck (Akkord-, und Fließband), in Wechsel- und Nachtschicht, auf Leitern und Gerüsten und mit besonderer Belastung der Wirbelsäule. Heben und Tragen ist bis zu 15 Kilo möglich, vorläufig soll der Kläger keine Arbeiten mit Publikumsverkehr durchführen. Das Reaktionsvermögen und die Konzentrationsfähigkeit sind leicht eingeschränkt, ebenso die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit. Laut dem Gutachten von Dr. S sollen Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die Gebrauchsfähigkeit der Hände nicht mehr abgefordert werden. Bezüglich der einzunehmenden Körperhaltung hat Dr. S ausgeführt, dass der Kläger Tätigkeiten verrichten kann, die ständig im Sitzen und solche, die überwiegend im Gehen und im Stehen zu verrichten sind. Die Ärzte der S-Klinik haben zusätzlich angenommen, dass langes Stehen vermieden werden soll.

Der Senat folgt den Gutachten hinsichtlich der Einschätzung des quantitativen Leistungsvermögens sowie der Benennung qualitativer Einschränkungen in vollem Umfang. Sie sind schlüssig und berücksichtigen die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen umfassend und begründen die vorgenommene Leistungseinschätzung sowie das Vorliegen der qualitativen Einschränkungen nachvollziehbar und überzeugend. Es bestehen zwar Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und insbesondere neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, diese sind jedoch nicht so stark ausgeprägt, als dass der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen nicht mehr verrichten könnte. Die Gutachter haben die im Tatbestand genannten Diagnosen gestellt. Trotz dieser Erkrankungen halten die Sachverständigen eine Arbeitstätigkeit des Klägers in mindestens sechsstündigem Umfang für möglich.

Bei diesem Leistungsvermögen liegt eine Erwerbsminderung im Sinne des Gesetzes nicht vor. Die Einwendungen des Klägers sind nicht geeignet, zu einer anderen Einschätzung des Leistungsvermögens zu kommen. Insbesondere hat er keine medizinisch begründete Gegenvorstellung bzgl. der Gutachten beigebracht. Der Senat sieht auch keine weiteren medizinischen Ermittlungen für indiziert an. Es liegen aus dem Verwaltungs-, dem erstinstanzlichen Klage- und dem Berufungsverfahren verschiedene Gutachten und Berichte vor, die alle zu einer ähnlichen Einschätzung des Leistungsvermögens kommen. Diese Gutachten wurden auch von Ärzten der Fachrichtungen erstellt, auf denen die Gesundheitsstörungen des Klägers liegen.

Es liegt bei dem Kläger auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die die Benennung einer Verweisungstätigkeit erfordern würde. Ob ihm eine Verweisungstätigkeit benannt werden muss, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nach den Umständen des Einzelfalles festzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2006, Az. B 13 RJ 38/05 R, juris Rn. 23 m.w.N., und zuletzt Urteil vom 19. Oktober 2011, Az. B 13 R 78/09 R, dokumentiert in juris und in NZS 2012, 302). Der jeweilige Begründungsaufwand hängt insbesondere von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss das Tatsachengericht seine Entscheidung zur Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung begründen (BSG, a.a.O.). Die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungs-einschränkungen vorliegt, erfolgt zweckmäßigerweise in zwei Schritten (vgl. Urteil des BSG vom 11. März 1999, Az.: B 13 RJ 71/97 R = Neue Zeitschrift für Sozialrecht - NZS - 2000, 96 [97] ): Zuerst ist zu beurteilen, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten körperliche Verrichtungen (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw.) erlaubt, die bei ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen. Verbleiben insoweit Zweifel, folgt die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt.

Im Fall des Klägers sind Anhaltspunkte für eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht ersichtlich. Die bei ihm bestehenden, oben genannten qualitativen Einschränkungen entsprechen im Wesentlichen dem Leistungsbild einer leichten Tätigkeit und sind nicht so vielfältig, als dass sie sämtliche in Betracht kommenden Tätigkeiten ausschließen würden, noch besteht eine besonders ungewöhnliche oder schwerwiegende Leistungseinschränkung (wie z.B. die Einarmigkeit oder die Nichtbenutzbarkeit der Hände). Der Kläger kann die meisten der eben genannten körperlichen Verrichtungen mit dem bei ihm vorliegenden Leistungsbild noch ausführen.

Auch die Wegefähigkeit ist erhalten. Die Gutachterin Dr. M hat zwar angegeben, dass der Kläger zurzeit nicht in der Lage sei, viermal täglich mehr als 500 Meter zu Fuß zurückzulegen, und zwar in einem Zeitraum von 20 Minuten. Eine Wegeunfähigkeit besteht dennoch nicht, da er in der Lage ist, mit dem PKW etwaige Anfahrtswege zu bewältigen. Ein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht daher für den Kläger nicht.

Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Grund eines Leistungsfalles vom 22. Oktober 2009 ab dem 01. Mai 2010 bis zum 31. April 2016.

Gemäß § 240 SGB VI haben Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen [des § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI] Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze.

§ 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI lautet:

Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind,

2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und

3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger ist vor dem 02. Januar 1961 geboren und ist zur Überzeugung des Senats berufsunfähig.

Ausgangspunkt für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf des Versicherten. Darunter ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im allgemeinen diejenige der Versicherungspflicht unterliegende Tätigkeit zu verstehen, die zuletzt auf Dauer, d.h. mit dem Ziel verrichtet wurde, sie bis zum Eintritt der gesundheitlichen Unfähigkeit oder bis zum Erreichen der Altersgrenze auszuüben; in der Regel ist das die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls wenn sie die qualitativ höchste ist. Kann der bisherige Beruf nicht mehr ausgeübt werden, hängt der Rentenanspruch davon ab, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die sozial zumutbar ist und gesundheitlich wie fachlich noch bewältigt werden kann. Dabei richtet sich die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt (Mehrstufenschema). Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und der Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. z. B. Urteil des BSG vom 22. Oktober 1996, Az. 13 RJ 35/96, juris Rdnr. 20 und die Zusammenfassung bei Gürtner in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand 85. Ergänzungslieferung 2015, § 240 SGB VI Rdnrn. 24 ff). Die nach diesem Schema vorzunehmende Einordnung sowohl des bisherigen Berufs als auch der zumutbaren Verweisungstätigkeiten erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten oder der erforderlichen förmlichen Ausbildung. Entscheidend ist die Qualität der verrichteten oder zu verrichtenden Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die Merkmale Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit, umschrieben wird. Davon ausgehend darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf grundsätzlich auf die nächst niedrige Gruppe verwiesen werden, soweit sie den Versicherten weder nach seinem beruflichen Können noch hinsichtlich seiner gesundheitlichen Kräfte überfordern (vgl. Urteil des BSG vom 25. Juli 2001, Az. B 8 KN 14/00 R, juris Rdnrn. 14-16 m.w.N.) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist für den Kläger auf den vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zuletzt ausgeübten Beruf des Lageristen abzustellen. Entgegen der Arbeitgeberauskunft des letzten Arbeitgebers des Klägers, der Firma M , kommt dieser Tätigkeit jedoch nicht der Facharbeiterstatus (entsprechend dem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren) zu, sondern nur der der nächstniedrigeren Stufe, des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren). Dies ergibt sich aus den Berufsinformationen in BERUFENET zu der Tätigkeit des Lageristen. Die dort beschriebene Tätigkeit stimmt im Wesentlichen überein mit der von dem Arbeitgeber geschilderten. Sie erfordert eine im Berufsbildungsgesetz geregelte zweijährige Ausbildung. Der Kläger hat diese Ausbildung zwar nicht durchlaufen, hat jedoch eine Ausbildung als Dreher absolviert und hat durch langjährige einschlägige Berufserfahrung die Qualifikation eines Lageristen erworben. Es ist also von der Tätigkeit eines angelernten Arbeiters mit einer Regelausbildungszeit von zwei Jahren auszugehen.

Die letzte Tätigkeit des Klägers war nach den Angaben seines Arbeitgebers körperlich mittelschwer und verbunden mit Tragen und Bewegen von Möbeln und häufigem Bücken sowie überwiegend im Freien oder in untemperierten Räumen auszuführen. Dies entspricht auch der Beschreibung der Arbeitsbedingungen in BERUFENET. Danach handelt es sich um Arbeit im Gehen und Stehen; Arbeit mit technischen Geräten, Maschinen und Anlagen (z.B. Regalfahrzeuge, automatische Förder- und Sortieranlagen bedienen, Einlagerung mit speziellen Lagerverwaltungsprogrammen dokumentieren); schweres Heben und Tragen (z.B. Waren auf LKWs verladen oder Lieferungen ausladen); Arbeit in Lagerhallen; Arbeit im Freien (z.B. im Außenlager); wechselnde Arbeitsorte (z.B. wechselnde Temperaturen im Freien und in Kühllagern); Arbeit bei Kälte, Hitze, Nässe, Feuchtigkeit, Zugluft (z.B. Waren in der Ladevorzone oder im Freien auf LKWs verladen); Arbeit unter Lärm (in Lagerhallen); Tragen von Schutzkleidung, -ausrüstung (z.B. Sicherheitsschuhe und Handschuhe); Unfallgefahr (beim Führen von Gabelstaplern, Kränen oder Hebebühnen oder Bedienen von Förder- und Sortieranlagen); Verantwortung für Sachwerte (sachgerechter Umgang sowie sachgerechte Lagerung und Verpackung der Ware) sowie Schichtarbeit.

Sowohl der Kläger als auch die Beklagte gehen übereinstimmend davon aus, dass der Kläger diese seine letzte Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, auch der Senat hat nach dem Ergebnis der eingeholten Gutachten hieran keinen Zweifel. Zu berücksichtigen sind die oben genannten qualitativen Einschränkungen, mit diesen kann der Kläger seine bisherige Tätigkeit nicht mehr verrichten. Es ist daher eine Verweisungstätigkeit zu benennen.

Hat ein Versicherter eine vorgeschriebene zweijährige Ausbildung abgeschlossen bzw. ist ihm – wie dem Kläger, wie oben erläutert - ein entsprechender Berufsschutz zuzubilligen, ist er der oberen Gruppe der Angelerntenzuzuordnen. Angelernte Arbeiter sind auf Tätigkeiten ihrer Gruppe und der der Ungelernten verweisbar. Auf Tätigkeiten mit ganz geringem qualitativem Wert (z.B. Reiniger, Platzarbeiter, Parkplatzwächter) darf nicht verwiesen werden (Gürtner, aaO., Rdnr. 101 unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 30. März 1977, Az. 5 RJ 98/76, dort juris Rdnr. 23 = SozR 2200 § 1246 Nr. 16). Für Versicherte, die dem oberen Bereich der Angelernten angehören, z.B. einen Beruf mit einer erforderlichen Regelausbildung bis zu zwei Jahren ausgeübt haben, ist die Verweisbarkeit eingeschränkt. Bei diesen relativ hoch angesiedelten Angelernten müssen sich zumutbare Verweisungstätigkeiten durch Qualitätsmerkmale, etwa das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse, auszeichnen (Urteil des BSG vom 21. Juli 1987, Az. 4a RJ 39/86, juris Rdnr. 20 = SozR 2200 § 1246 Nr. 143 Seite 473 m.w.N.; Gürtner, aaO., Rdnr. 101).

Zumutbare Verweisungstätigkeiten lassen sich für den Kläger nicht finden. Dies folgert der Senat aus der Stellungnahme der (damaligen) Bundesanstalt für Arbeit, Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg, vom 10. Mai 2004 in dem Rechtsstreit S 9 RA 5698/01 des Sozialgerichts Berlin sowie aus den von ihm geführten Ermittlungen zu den von der Beklagten benannten Tätigkeiten eines Warenaufmachers bzw. Versandfertigmachers. Der Senat folgt der Einschätzung des Gutachters L, dass am Arbeitsmarkt noch mindestens 300 Arbeitsplätze als Warenaufmacher/Versandfertigmacher zu den von ihm benannten Arbeitsbedingungen vorhanden sind, nicht. Dabei bestreitet der Senat nicht, dass es Tätigkeiten gibt, die unter dieser Bezeichnung am Arbeitsmarkt angeboten werden, sie entsprechen zur Überzeugung des Senats jedoch nicht dem geschilderten Anforderungsprofil, sondern sind nicht leicht, sondern mindestens mittelschwer und nicht überwiegend sitzend auszuführen, sondern fast ausschließlich im Stehen und Gehen, außerdem sind sie in der Regel zumindest in Schichtarbeit zu verrichten und im Freien oder in untemperierten (Lager-)Räumen. Die Ermittlungen des Senats haben ergeben, dass die von dem Gutachter L geschilderten Tätigkeiten, die früher unstreitig vorhanden waren, im Rahmen einer veränderten Arbeitswelt nicht mehr angeboten werden. Dies hat der Arbeitgeberverband Nordostchemie e. V. in seiner Stellungnahme vom 28. April 2014 auch entsprechend bestätigt, wenn er ausführt, dass solche Arbeitsplätze, wie sie am Ende von Produktionsmaschinen für Kleinteile vorhanden gewesen seien, in der Regel in dieser Branche der Automatisierung in den letzten Jahrzehnten zum Opfer gefallen sind. Auch der Sachverständige L hat in seiner gutachterlichen Stellungnahme für den Senat vom 30. September 2014 bestätigt, dass aus den aktuell von ihm geführten Telefongesprächen mit potenziellen in Betracht kommenden Firmen Veränderungen deutlich geworden seien. Der Senat hält die Annahme des Sachverständigen, dies führe jedoch nicht zu dem Ergebnis, dass für leistungsgeminderte Arbeitnehmer keine Einsatzmöglichkeiten mehr vorhanden seien, nicht für zutreffend. Die durchgeführten Recherchen bei verschiedenen Verbänden und einzelnen Firmen derjenigen Branchen, für die der Sachverständige L die Existenz der genannten Arbeitsplätze angibt, nämlich der Bereiche Metall, Einzelhandel, Versandhandel, Speditions- und Logistikbranche, Hartwarenhandel, Chemie, Süßwarenindustrie, Schreibwaren und Elektro(klein)teile, haben keine Hinweise ergeben, dass entsprechende Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vorhanden sind. Die von dem Sachverständigen L einzeln benannten Firmen, und zwar konkret die Firmen N, P und P, bei denen nach seinen Recherchen noch seiner Leistungsbeschreibung entsprechende Arbeitsplätze, und zwar auch in ausreichender Zahl, vorhanden sein sollen, wurden sämtlich vom Senat angeschrieben und haben das Vorhandensein dieser Arbeitsplätze nicht bestätigt. Gleiches gilt für weitere Firmen aus den gleichen Branchen, nämlich der Süßwarenindustrie (S und L ) und Schreibwarenindustrie (F).

Untermauert wird das Ermittlungsergebnis des Senats durch die Auskunft der damaligen Bundesanstalt für Arbeit, Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg, aus dem Jahre 2004, das schon für den damaligen Zeitpunkt entsprechende Arbeitsmöglichkeiten nicht bestätigen konnte. Es hat ausgeführt, dass es sich bei den Tätigkeiten eines Warenaufmachers/Versandfertigmachers um körperlich leichte bis mittelschwere Arbeit, mit zeitweise schwerem Heben und Tragen, um Arbeiten im Gehen und Stehen, zeitweise im Sitzen mit Zwangshaltungen wie Bücken, Hocken und Knien sowie mit vornübergeneigter Haltung, Arbeit in offenen oder geschlossenen, teilweise klimatisierten Lagerhallen bei vorwiegend künstlicher Beleuchtung, unter Einwirkung von Staub, Lärm und Abgasen und mit Absturz- und Unfallgefahr und unter Zeitdruck wegen Lieferterminen sowie in Wechselschicht handelt. Körperliche Eignungsvoraussetzungen sind gute Körperkraft und Körpergewandtheit, Funktionsfähigkeit und Belastbarkeit der Wirbelsäule, der Arme, Hände und Beine, normales Sehvermögen für die Nähe, räumliches Sehvermögen, normales Hörvermögen, gesunde Atemwege und Schwindelfreiheit. Dabei erscheint diese Beschreibung gegenüber den Angaben der angeschriebenen Verbände und Firmen eher noch weniger gravierend. Nach den Angaben der Verbände und Firmen handelt es sich eher um mittelschwere bis schwere Tätigkeiten. Diese Anforderungen erfüllt der Kläger mit den bei ihm vorliegenden, oben beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen nicht mehr.

Auch die bei der Firma L GmbH vorhandenen Endkontrollarbeitsplätze für Leuchtmittel oder Lampen entsprechen dem Leistungsbild des Klägers nicht, weil sie erhöhte Anforderungen an das Reaktionsvermögen und die Aufmerksamkeit stellen, die bei dem Kläger nach dem Gutachten von Dr. M jedoch eingeschränkt sind.

Auch aus den von der Beklagten noch eingereichten Gutachten der Sachverständigen L vom 05. Mai 2014 und J vom 16. Oktober 2014 ergibt sich nichts anderes. Beide haben zwar angegeben, dass es die Tätigkeiten des Versandfertigmachers/Warenaufmachers mit dem oben beschriebenen, von dem Gutachter L angegebenen Leistungsprofil am Arbeitsmarkt gibt, haben jedoch hierfür keine Belege angeführt. Diese Angaben werden durch die Ermittlungsergebnisse des Senats in keiner Hinsicht gestützt, ihnen kann daher nicht gefolgt werden.

Die qualitativen Einschränkungen bestehen laut der Sachverständigen Dr. M seit dem Rentenantrag im Oktober 2009, dieser Zeitpunkt ist daher als Leistungsfall anzunehmen.

Wartezeit und versicherungsrechtliche Voraussetzungen sind für den Leistungsfall 22. Oktober 2009 erfüllt. Dies ergibt sich aus dem von der Beklagten übersandten Versicherungsverlauf vom 28. Juli 2015.

Die Rente ist wegen Besserungsaussicht jedoch zu befristen. Gemäß § 102 Abs. 2 Sätze 1 bis 4 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten wegen Erwerbsminderung werden gemäß § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI dann unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann.

Vorliegend ergibt sich aus den Feststellungen von Dr. M, dass die Rente zu befristen ist, und zwar bis zum 30. April 2016. Es besteht die Möglichkeit, dass durch eine stationäre psychosomatische Reha-Maßnahme und eine längerfristige ambulante Psychotherapie, eine Alkoholkarenz und eine körperliche Aktivierung das Leistungsvermögen gebessert werden kann.

Da es sich um eine Zeitrente handelt, beginnt die Rente mit dem Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Erwerbsminderung (§ 101 Abs. 1 SGB VI), hier also dem 01. Mai 2010.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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