L 32 SF 288/15 AB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
32
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 SF 288/15 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Gesuch der Antragsteller, sämtliche Vertreter des Richters am Sozialgericht Diel als Vorsitzenden der 34. Kammer – Kostenkammer – und deren Vertreter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird als unzulässig verworfen. Im Übrigen wird die Sache an das Sozialgericht Cottbus zur Entscheidung über das Gesuch, den Richter am Sozialgericht Diel als Vorsitzenden der 34. Kammer – Kostenkammer – wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgegeben.

Gründe:

Mit Schreiben vom 21. September 2015 lehnen die Antragsteller im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens den Richter am Sozialgericht Diel und dessen sämtliche Vertreter sowie deren jeweilige Vertreter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Es stehe zu befürchten, dass die abgelehnten Richter einer Entscheidung über das Befangenheitsgesuch schon deshalb nicht unvoreingenommen gegenüberstehen, weil im Falle einer erfolgreichen Ablehnung die Arbeit der Kostenkammer durch diese übernommen werden müsste. Bei der Vielzahl der bereits jetzt zu erledigenden Verfahren werde jeder Richter wohl so ziemlich alles dafür tun, um nicht mit weiteren Verfahren belastet zu werden. Genau diese Gefahr aber bestehe, wenn die Richter des Sozialgerichts Cottbus einen Kollegen für befangen erklären.

Der Senat ist als im Rechtszug zunächst höheres Gericht gemäß §§ 61 Abs 1 Satz 1 SGG, 45 Abs 3 ZPO zur Entscheidung berufen. Für die Ausschließung und Ablehnung eines Richters gelten nach § 60 Abs 1 Satz 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren die §§ 41 bis 44, 45 Abs 2 Satz 2, 47 bis 45 ZPO entsprechend. Nach § 45 Abs 3 ZPO entscheidet das im Rechtszug zunächst höhere Gericht, wenn das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlussunfähig wird. Nach Absatz 1 der Vorschrift gilt: Über das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Nach diesen Regelungen des § 45 ZPO begründet sich bei Ablehnung aller Richter eines Sozialgerichts die Zuständigkeit des LSG. Dabei kommt es nicht darauf an, dass bei offensichtlich unzulässigen bzw rechtsmissbräuchlichen Befangenheitsgesuchen der abgelehnte Richter bzw dessen ebenfalls abgelehnte Vertreter auch über das Befangenheitsgesuch entscheiden dürfen (vgl BVerfG, Beschluss vom 02.06.2005, 2 BvR 625/01, RdNr 54; BSG, 19.01.2010, B 11 AL 13/09 C RdNr 11), denn sie sind angesichts der gesetzlichen Vorgaben der §§ 60 SGG, 45 ZPO dazu nicht verpflichtend berufen. Im vorliegenden Fall wurde mit der Abgabe an das Landessozialgericht sachgerecht das insoweit bestehende Ermessen ausgeübt.

Das Ablehnungsgesuch ist offensichtlich unzulässig und rechtsmissbräuchlich. Gemäß §§ 61 Abs 1 Satz 1 SGG, 42 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Hierzu bestimmt § 42 Abs 2 ZPO, dass wegen Besorgnis der Befangenheit die Ablehnung stattfindet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen ist, sondern darauf, ob vom Standpunkt des Beteiligten aus objektiv und vernünftig betrachtet Gründe vorliegen, die das Misstrauen rechtfertigen (Hüßtege in Thomas/Putzo: ZPO, 35. Aufl., § 42 RdNr 9 mwN). Die pauschale Ablehnung eines gesamten Gerichts oder Senats ohne Vortrag von Befangenheitsgründen, die sich individuell auf den oder die beteiligten Richter beziehen, ist rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig (BVerfG, Beschluss vom 11.03.2013, 1 BvR 2853/11, RdNr 28; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer: SGG, 11. Aufl., § 60 RdNr 10b mwN, insbesondere mit Verweis auf BSG, Beschluss vom 19.01.2010, B 11 AL 13/09 C RdNr 11; Hüßtege in Thomas/Putzo: ZPO, 35. Aufl., § 42 RdNr 1a, mwN).

So stellt sich dies hier dar. Die Antragsteller haben in ihrem Schreiben vom 21. September 2015 pauschal alle Richter des Sozialgerichts Cottbus, die als Vertreter des geschäftsplanmäßig zuständigen Kammervorsitzenden, ohne konkrete Anhaltspunkte vorzubringen, die bei vernünftiger objektiver Betrachtung auf eine Befangenheit der Richter hindeuten, abgelehnt. Anhaltspunkte für eine Befangenheit ergeben sich nicht ansatzweise aus dem Vorbringen der Antragsteller, es stehe zu befürchten, dass die abgelehnten Richter einer Entscheidung über das Befangenheitsgesuch schon deshalb nicht unvoreingenommen gegenüberstehen, weil im Falle einer erfolgreichen Ablehnung die Arbeit der Kostenkammer übernommen werden müsste. Den Richtern wird im Rahmen der Richterselbstverwaltung die Arbeit geschäftsplanmäßig zugeteilt, um den Anspruch auf den gesetzlichen Richter zu gewährleisten. Dabei wird auf unvorhersehbare unproportionale Belastungen reagiert. Das richterliche Leben ist daher stets davon geprägt, dass kurzfristig erhebliche Eingänge auftreten können, die sich durch die Bestimmung des gesetzlichen Richters auch bei einzelnen Richtern ballen können. Aus der Möglichkeit des zusätzlichen Arbeitsanfalls pauschal zu schlussfolgern, dass Befangenheitsgesuche, die vom Vertreter bearbeitet werden, aus diesem Umstand nicht unvoreingenommen behandelt würden, erscheint daher ohne weitere Anhaltspunkte als unhaltbare Unterstellung. Dies gilt auch im Hinblick auf die bekannte hohe Arbeitsbelastung am Sozialgericht Cottbus. Zudem gilt nach dem geltenden Geschäftsverteilungsplan des Sozialgerichts Cottbus (Abschnitt B Ziff 9), dass über Befangenheitsgesuche der zweite Vertreter des regulären Kammervorsitzenden entscheidet, während bei Erfolg des Befangenheitsgesuches der Fall vom ersten Vertreter zu bearbeiten ist, das eigene Interesse des Bearbeiters des Befangenheitsgesuchs also nicht berührt ist.

Vor diesem Hintergrund erweist sich das gegen die Vertreter des abgelehnten Richters pauschal gestellte Ablehnungsgesuch als aus der Luft gegriffen und rechtsmissbräuchlich.

Die Entscheidung konnte ohne Einholung einer dienstlichen Äußerung erfolgen, weil eine solche bei ersichtlich unzulässigen, zumal rechtsmissbräuchlichen Befangenheitsgesuchen entbehrlich ist (vgl BFH, Beschluss vom 10.03.2015, V B 108/14 RdNr 15 mwN, BGH, Beschluss vom 12.10.2011, V ZR 8/10 RdNr 11 mwN, Hüßtege in Thomas/Putzo: ZPO, 35. Aufl., § 44 RdNr 3 mwN), zumal in einer solchen Situation die abgelehnten Richter über das Befangenheitsgesuch selbst entscheiden dürfen (vgl BVerfG, Beschluss vom 02.06.2005, 2 BvR 625/01, RdNr 54; BSG, 19.01.2010, B 11 AL 13/09 C RdNr 11).

Dieser Beschluss kann nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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