Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Trier (RPF)
Aktenzeichen
S 1 KR 25/14
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 11/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine Krankenkasse, die gleichzeitig Einzugsstelle ist, kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 SGB I mit einem Anspruch auf rückständige Gesamtsozialversicherungsbeträge gegen einen Anspruch dieses Beitragsschuldners auf Krankengeld aufrechnen.
2. Die Aufrechnung kann in einer einheitlichen Aufrechnungserklärung für später entstehende Krankengeldbezugszeiten dem Grunde nach erklärt werden, wenn im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit bereits eingetreten war.
2. Die Aufrechnung kann in einer einheitlichen Aufrechnungserklärung für später entstehende Krankengeldbezugszeiten dem Grunde nach erklärt werden, wenn im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit bereits eingetreten war.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 20.11.2014 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die Rechtmäßigkeit einer Aufrechnung durch die Beklagte mit einem Beitragsanspruch (als Einzugsstelle) gegen einen Anspruch des Klägers auf Krankengeld.
Der 1951 geborene Kläger war früher Inhaber der Firma D B in B gewesen. Mit Betriebsprüfungsbescheid vom 19.9.2011 hatte die Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz festgestellt, dass der Kläger Nachzahlungen wegen Sozialversicherungsbeiträgen für verschiedene Arbeitnehmer in Höhe von insgesamt 182.925,94 EUR einschließlich Säumniszuschlägen von 44.051, EUR zu leisten habe.
Der Kläger war nach Aufgabe seiner selbständigen Tätigkeit bei der Beklagten mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Er war ab dem 25.3.2013 arbeitsunfähig krank und hatte ab dem 6.5.2013 Anspruch auf Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 19,48 EUR. Mit Schreiben vom 19.6.2013 hörte die Beklagte den Kläger wegen einer beabsichtigten Aufrechnung der Beitragsforderung in Höhe von 182.925,94 EUR gegen die Hälfte des Krankengeldanspruchs an. Durch Bescheid vom 13.8.2013 teilte sie dem Kläger mit, sie habe ihm für die Zeit bis zum 6.8.2013 Krankengeld in Höhe von 370,12 EUR überwiesen und einen Betrag von 370,12 EUR einbehalten. Durch Bescheid vom 9.9.2013 teilte sie ihm mit, sie habe ihm für die Zeit bis 9.9.2013 Krankengeld in Höhe von 321,42 EUR überwiesen und einen Betrag in gleicher Höhe einbehalten. Nachdem der Kläger mit seinen hiergegen eingelegten Widersprüchen die Unbestimmtheit der Aufrechnungserklärung beanstandet hatte, hob die Beklagte unter dem 18.9.2013 im Wege der Abhilfe die Bescheide vom 13.8.2013 und 9.9.2013 auf.
Vom 10.9.2013 bis zum 1.10.2013 bezog der Kläger Übergangsgeld von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz. Mit Bescheid vom 19.9.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit: Mit Beitragsansprüchen könne der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte nach § 51 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweise, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) werde. Ihre Forderung von jetzt ins¬gesamt 183.798,22 EUR setze sich wie folgt zusammen: Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1.1.2003 bis zum 31.12.2007 138.358,72 EUR; Säumniszuschläge 45.439,50 EUR. Nach Abschluss der jetzigen stationären Rehabilitationsmaßnahme mit Anspruch auf Übergangsgeld werde sie im Falle eines weiteren Krankengeldanspruchs die Hälfte des Krankengeldes (kalendertäglich 9,74 EUR) mit den bestehenden Beitragsansprüchen aufrechnen. Gründe, die eine geringere Aufrechnung rechtfertigen würden, seien nicht ersichtlich. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 22.10.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe ihm für die Zeit bis zum 22.10.2013 Krankengeld in Höhe von 204,54 EUR überwiesen und einen Betrag in Höhe von 204,54 EUR einbehalten. Auch dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung machte er geltend: Die Aufrechnungserklärung gehe ins Leere. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setze eine wirksame Aufrechnung voraus, dass die Höhe der Gesamtforderung und der Rechtsgrund der Forderung bezeichnet würden, damit das Erlöschen bzw. die Tilgung eindeutig festgestellt werden könne; einem Dritten müsse erkennbar sein, gegen welche Forderung aufgerechnet werde. Da das Krankengeld abschnittsweise gezahlt werde und die jeweiligen Bewilligungen keinen Dauerverwaltungsakt darstellten, sei es unzulässig, einen "Grund"-Aufrechnungsbescheid zu erlassen und nachfolgende Einbehalte auf diesen Bescheid zu stützen. Hinzu komme, dass ein entsprechender Erklärungssatz dem Bescheid vom 22.10.2013 nicht zu entnehmen sei. Zudem scheide vorliegend eine Aufrechnung mangels Gegenseitigkeitsverhältnisses aus, da die Forderung, mit welcher die Beklagte aufgerechnet habe, nicht von dieser, sondern von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz festgestellt worden sei. Er sei derzeit wegen deutlich depressiver Stimmungslage mit latenter Suizidalität arbeitsunfähig. Hauptursache der Erkrankung sei seine finanzielle Situation. Ein Insolvenzverfahren sei mangels Masse nicht eröffnet worden. Er habe Schulden in einem Umfang von mehr als 500.000, EUR. Bei der gebotenen Interessenabwägung scheide eine Aufrechnung aus.
Mit Schreiben vom 15.11.2013 verwies die Beklagte in Ergänzung des Bescheides vom 22.10.2013 auf den Aufrechnungsbescheid vom 19.9.2013. In der Folgezeit erließ sie weitere Bescheide, mit denen sie erneut mit dem Beitragsanspruch gegen weitere Ansprüche des Klägers auf Krankengeld für spätere Bewilligungszeiträume in Höhe der Hälfte des auszuzahlenden Krankengeldes aufrechnete.
Über das Vermögen des Klägers eröffnete das Amtsgericht Bitburg am 25.10.2013 das Insolvenzverfahren (9 IN 67/13). Durch Widerspruchsbescheid vom 28.1.2014 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 19.9.2013 und 22.10.2013 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Sowohl die Höhe als auch der Rechtsgrund ihrer Forderung, mit welcher sie aufgerechnet habe, habe sie in dem Aufrechnungsbescheid vom 19.9.2013 bezeichnet. Damit sei für den Kläger eindeutig erkennbar gewesen, auf welche Forderung sich die Aufrechnung beziehe. Die Bezugnahme auf diesen Bescheid sei zwar dem Bescheid vom 22.10.2013 nicht zu entnehmen gewesen, aber mit dem Schreiben vom 15.11.2013 nachgeholt worden. Nach § 28h Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei der Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die zuständige Krankenkasse zu zahlen, weshalb die Aufrechnung nicht mangels Gegenseitigkeitsverhältnisses ausscheide. In Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens habe sie zu Recht die Aufrechnung durchgeführt, weil der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass er durch diese hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII oder des SGB II werde.
Am 23.2.2014 hat der Kläger Klage erhoben. Die Beklagte hat mitgeteilt, sie habe mittlerweile weitere Beträge an Krankengeld für spätere Zeiträume im Wege der Aufrechnung einbehalten. In einem Schreiben an die Beteiligten vom August 2014 hat das Sozialgericht (SG) die Auffassung vertreten, die weiteren Einzelbescheide nach dem streitbefangenen Bescheid vom 22.10.2013, die auf der Grundlage des Aufrechnungsbescheides vom 19.9.2013 ergangen seien, seien nicht nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
Durch Urteil vom 20.11.2014 hat das SG Trier 1. den Bescheid der Beklagten vom 19.9.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.1.2014 aufgehoben, 2. den Bescheid der Beklagten vom 22.10.2013 in der Gestalt des Schreibens vom 15.11.2013 und des Widerspruchsbescheides vom 28.1.2014 dahingehend geändert, dass die Beklagte dem Kläger das einbehaltene Krankengeld in Höhe von 204,54 EUR auszuzahlen habe. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Die Rechtmäßigkeit der Aufrechnung scheitere nicht daran, dass der Beitragsbescheid vom 19.9.2011 nicht von der Beklagten, sondern von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz erlassen worden sei. Nach § 28h Abs. 1 Satz 1 SGB IV sei der Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Krankenkasse als Einzugsstelle zu zahlen, weshalb das erforderliche Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen den Ansprüchen der Beklagten und den Leistungsansprüchen des Klägers bestehe. Die Aufrechnung habe, ebenso wie eine Verrechnung (Hinwies auf Bundessozialgericht – BSG – Großer Senat 31.8.2011 – GS 2/10), durch Verwaltungsakt erklärt werden dürfen. Die Kammer halte es auch grundsätzlich für zulässig, die Aufrechnungserklärung quasi "vor die Klammer" zu ziehen und zu Beginn oder während des Leistungsbezuges von Krankengeld durch einen einmaligen Aufrechnungsbescheid für die zukünftigen Auszahlungsansprüche die Aufrechnung zu regeln. Vorliegend habe es jedoch im Zeitpunkt des Erlasses des Aufrechnungsbescheides vom 19.9.2013 an einem Anspruch des Klägers auf laufende Geldleistungen, hier in Form eines Anspruchs auf Krankengeld, gefehlt. Eine vorsorgliche Aufrechnungserklärung mit erst später möglicherweise entstehenden Ansprüchen auf laufende Geldleistungen sei nicht zulässig, weshalb der Bescheid vom 19.9.2013 aufzuheben sei. Da sich der Krankengeldzahlungsbescheid vom 22.10.2013 auf den Auszahlungsbescheid vom 19.9.2013 stütze, sei dieser Bescheid ebenfalls aufzuheben. Es könne daher offenbleiben, ob während des laufenden Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers eine Aufrechnung gegen dessen Leistungsansprüche möglich sei (Hinweis auf Landes-sozialgericht LSG – Rheinland-Pfalz 23.10.2013 – L 6 R 163/13). Das SG hat die Berufung gegen sein Urteil zugelassen.
Gegen dieses ihr am 23.12.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 19.1.2015 eingelegte Berufung der Beklagten, die vorträgt: Die Auffassung des SG, wonach der Aufrechnungsbescheid vom 19.9.2013 eine unzulässige vorsorgliche Aufrechnungserklärung mit möglicherweise erst später entstehenden Ansprüchen auf laufende Geldleistungen enthalte, sei unzutreffend. Sie stehe im Widerspruch zu dem Urteil des BSG vom 26.9.1991 (4/1 RA 33/90). Zwar sei es in diesem Urteil nicht um Krankengeld, sondern um aus einem Rentenstammrecht erwachsene Rentenauszahlungsansprüche gegangen. Die Erwägungen des BSG seien jedoch dennoch auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Denn im Falle des Klägers habe aufgrund der bereits vor der Gewährung von Übergangsgeld durch den Rentenversicherungsträger erfolgten Krankengeldzahlungen die Gewissheit bzw. Wahrscheinlichkeit einer weiteren Krankengeldzahlung wie bei einem Rentenstammrecht bestanden, sodass nicht von einer unzulässigen Aufrechnung mit zukünftigen Forderungen auszugehen sei. Überdies habe das zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufrechnungsbescheides vom 19.9.2013 gezahlte Übergangsgeld nicht dazu geführt, dass kein weiterer Anspruch auf Krankengeld bestanden habe; vielmehr habe dieser nur gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geruht. Zu beachten sei auch, dass das Übergangsgeld gemäß § 48 Abs. 3 SGB V bei der Berechnung der Höchstanspruchsdauer des Krankengeldes berücksichtigt werde. Das Urteil des BSG vom 26.9.1991 (aaO) stehe im Einklang mit der zivilrechtlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach gegen Ansprüche aus Ruhegehalt oder Unterhalt für eine angemessene Zeit (sechs Monate) im Voraus aufgerechnet werden dürfe (Hinweis auf Bundesgerichtshof – BGH – 15.3.2006 – XIII ZR 120/04). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe ausgehend von dem Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 23.10.2013 (L 6 R 163/13) keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Aufrechnung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Trier vom 20.11.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor: Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf das Urteil des BSG vom 26.9.1991 (4/1 RA 33/90) stützen. Krankengeld werde abschnittsweise gezahlt, weshalb bei dieser Leistung der Erlass eines weiteren Verwaltungsakts für jeden neuen Zahlungsabschnitt nach erneuter Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen (weitere Arbeitsunfähigkeit, rechtzeitige Mitteilung durch den Versicherten, kein Ruhenstatbestand usw.) notwendig sei und durch eine neuerliche Aufrechnungserklärung kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstünde. Auch nach dem Urteil des BGH vom 15.3.2006 (XIII RZ 120/04) müsse im Falle der Aufrechnung gegen eine zukünftige Forderung deren Entstehung im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung sicher sein. Er halte auch an der Auffassung fest, dass es vorliegend an der erforderlichen Gegenseitigkeit der Forderungen fehle, weil der Beitragsanspruch nicht von der Beklagten, sondern vom Rentenversicherungsträger festgestellt worden sei.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143 f, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig; das Urteil des SG ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Streitbefangen sind vorliegend lediglich der Bescheid der Beklagten vom 19.9.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.1.2014 sowie der Bescheid vom 22.10.2013 (ergänzt durch das Schreiben vom 15.11.2013) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.1.2014. Die späteren Bescheide, in denen die Beklagte dem Kläger unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 19.9.2013 weitere Aufrechnungsbeträge mitgeteilt hat, sind nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Denn sie haben die Bescheide vom 19.9.2013 sowie 22.10.2013 nicht im Sinne des § 96 SGG abgeändert oder ersetzt. Denn der Regelungsgegenstand der früheren Bescheide ist mit demjenigen der Folgebescheide nicht identisch (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 96 Rn 4a).
Die im vorliegenden Rechtsstreit angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufrechnung sind erfüllt (dazu unten 1.) Die Erklärung der Aufrechnung durch die Beklagte war auch hinreichend bestimmt, und die Beklagte war zu einer einheitlichen Aufrechnungserklärung, wie sie im Bescheid vom 19.9.2013 erfolgt ist, befugt (dazu unten 2.).
1. Nach § 51 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Mit Beitragsansprüchen nach dem SGB kann der zuständige Leistungsträger nach § 51 Abs. 2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird.
Die Aufrechnung setzt entsprechend §§ 387 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen voraus; die Gegenforderung (Forderung der Beklagten) muss vollwirksam und fällig sein; die Hauptforderung (Forderung des Klägers) muss erfüllbar sein (Häusler in Hauck/Noftz, SGB I, K § 51 Rn 5). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Das Erfordernis der Gegenseitigkeit ist gegeben, da die Beklagte gemäß § 28h Abs. 1 SGB IV als Einzugsstelle selbst zur Geltendmachung des Beitragsanspruchs befugt ist (vgl. BSG 12.6.2008 – B 3 P 1/07 R, juris Rn 13).
Der Kläger hat auch nicht im Sinne von § 51 Abs. 2 SGB I nachgewiesen, dass er durch die Aufrechnung hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird. Die Wirksamkeit der Aufrechnung scheitert ferner nicht an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers. Eine Aufrechnung ist zwar im laufenden Insolvenzverfahren nur zulässig, wenn die Aufrechnungslage bereits vor Insolvenzeröffnung bestand (vgl. zur Verrechnung BSG 14.3.2013 – B 13 R 5/11 R, juris Rn 44; LSG Rheinland-Pfalz 23.10.2013 – L 6 R 163/13, juris Rn 32). Diese Voraussetzung ist jedoch vorliegend erfüllt. Zudem hat die Beklagte die Aufrechnung gegen die Forderung des Klägers auf Krankengeld, um die es im vorliegenden Rechtsstreit geht, bereits vor der Insolvenzeröffnung erklärt. Wie sich insoweit die Rechtslage in Bezug auf Krankengeldansprüche für Zeiträume nach der Insolvenzeröffnung darstellt, kann für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits offen bleiben.
2. Die Aufrechnungserklärung der Beklagten war in Form eines Verwaltungsakts zulässig (vgl. für die Verrechnung BSG 31.8.2011 – GS 2/10, juris). Sie war auch ausreichend bestimmt, da die Beklagte Art und Umfang der Forderungen hin-reichend bezeichnet hat. Unschädlich ist, dass die Beklagte nicht angegeben hat, ob sie mit einem Anspruch auf Beiträge und/oder Säumniszuschläge aufgerechnet hat und welche Monate die betreffende Beitragsschuld betraf. Selbst wenn mehrere Forderungen bestehen, kann die Aufrechnung erklärt werden, ohne aufzuschlüsseln, mit welcher (Einzel-) Forderung zuerst aufgerechnet werden soll (BSG 7.2.2012 – B 13 R 85/09 R, juris Rn 52).
Die Abgabe einer einheitlichen Aufrechnungserklärung für zukünftige Ansprüche auf Zahlung von Krankengeld war zulässig (zu Ansprüchen auf Auszahlung einer Rente für zukünftige Zahlungsabschnitte BSG 26.9.1991 4/1 RA 33/90, juris Rn 28). Soweit das SG zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung darauf abgestellt hat, dass es vorliegend im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vom 19.9.2013, anders als bei dem Sachverhalt des Urteils des BSG vom 26.9.1991 (aaO), an einem Anspruch des Klägers auf eine laufende Geldleistung gefehlt habe, folgt der Senat dem nicht. Der Versicherungsfall (zu dessen Bedeutung im Rahmen des Krankengeldes vgl. BSG 30.5.2006 – B 1 KR 15/05 R, juris Rn 11) der Arbeitsunfähigkeit des Klägers war bereits am 25.3.2013 eingetreten, wie zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist. Dass der dem Grunde nach fortbestehende Anspruch im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vom 19.9.2013 nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V vorübergehend wegen Bezugs von Übergangsgeld zum Ruhen gekommen war, steht dem nicht entgegen. Dem Umstand, dass das Krankengeld abschnittsweise gezahlt wird und dessen Anspruchsvoraussetzungen für jeden Zahlungsabschnitt neu zu prüfen sind, kommt im vorliegenden Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zu.
Die Beklagte hat auch das ihr obliegende Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die Rechtmäßigkeit einer Aufrechnung durch die Beklagte mit einem Beitragsanspruch (als Einzugsstelle) gegen einen Anspruch des Klägers auf Krankengeld.
Der 1951 geborene Kläger war früher Inhaber der Firma D B in B gewesen. Mit Betriebsprüfungsbescheid vom 19.9.2011 hatte die Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz festgestellt, dass der Kläger Nachzahlungen wegen Sozialversicherungsbeiträgen für verschiedene Arbeitnehmer in Höhe von insgesamt 182.925,94 EUR einschließlich Säumniszuschlägen von 44.051, EUR zu leisten habe.
Der Kläger war nach Aufgabe seiner selbständigen Tätigkeit bei der Beklagten mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Er war ab dem 25.3.2013 arbeitsunfähig krank und hatte ab dem 6.5.2013 Anspruch auf Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 19,48 EUR. Mit Schreiben vom 19.6.2013 hörte die Beklagte den Kläger wegen einer beabsichtigten Aufrechnung der Beitragsforderung in Höhe von 182.925,94 EUR gegen die Hälfte des Krankengeldanspruchs an. Durch Bescheid vom 13.8.2013 teilte sie dem Kläger mit, sie habe ihm für die Zeit bis zum 6.8.2013 Krankengeld in Höhe von 370,12 EUR überwiesen und einen Betrag von 370,12 EUR einbehalten. Durch Bescheid vom 9.9.2013 teilte sie ihm mit, sie habe ihm für die Zeit bis 9.9.2013 Krankengeld in Höhe von 321,42 EUR überwiesen und einen Betrag in gleicher Höhe einbehalten. Nachdem der Kläger mit seinen hiergegen eingelegten Widersprüchen die Unbestimmtheit der Aufrechnungserklärung beanstandet hatte, hob die Beklagte unter dem 18.9.2013 im Wege der Abhilfe die Bescheide vom 13.8.2013 und 9.9.2013 auf.
Vom 10.9.2013 bis zum 1.10.2013 bezog der Kläger Übergangsgeld von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz. Mit Bescheid vom 19.9.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit: Mit Beitragsansprüchen könne der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte nach § 51 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweise, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) werde. Ihre Forderung von jetzt ins¬gesamt 183.798,22 EUR setze sich wie folgt zusammen: Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1.1.2003 bis zum 31.12.2007 138.358,72 EUR; Säumniszuschläge 45.439,50 EUR. Nach Abschluss der jetzigen stationären Rehabilitationsmaßnahme mit Anspruch auf Übergangsgeld werde sie im Falle eines weiteren Krankengeldanspruchs die Hälfte des Krankengeldes (kalendertäglich 9,74 EUR) mit den bestehenden Beitragsansprüchen aufrechnen. Gründe, die eine geringere Aufrechnung rechtfertigen würden, seien nicht ersichtlich. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 22.10.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe ihm für die Zeit bis zum 22.10.2013 Krankengeld in Höhe von 204,54 EUR überwiesen und einen Betrag in Höhe von 204,54 EUR einbehalten. Auch dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung machte er geltend: Die Aufrechnungserklärung gehe ins Leere. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setze eine wirksame Aufrechnung voraus, dass die Höhe der Gesamtforderung und der Rechtsgrund der Forderung bezeichnet würden, damit das Erlöschen bzw. die Tilgung eindeutig festgestellt werden könne; einem Dritten müsse erkennbar sein, gegen welche Forderung aufgerechnet werde. Da das Krankengeld abschnittsweise gezahlt werde und die jeweiligen Bewilligungen keinen Dauerverwaltungsakt darstellten, sei es unzulässig, einen "Grund"-Aufrechnungsbescheid zu erlassen und nachfolgende Einbehalte auf diesen Bescheid zu stützen. Hinzu komme, dass ein entsprechender Erklärungssatz dem Bescheid vom 22.10.2013 nicht zu entnehmen sei. Zudem scheide vorliegend eine Aufrechnung mangels Gegenseitigkeitsverhältnisses aus, da die Forderung, mit welcher die Beklagte aufgerechnet habe, nicht von dieser, sondern von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz festgestellt worden sei. Er sei derzeit wegen deutlich depressiver Stimmungslage mit latenter Suizidalität arbeitsunfähig. Hauptursache der Erkrankung sei seine finanzielle Situation. Ein Insolvenzverfahren sei mangels Masse nicht eröffnet worden. Er habe Schulden in einem Umfang von mehr als 500.000, EUR. Bei der gebotenen Interessenabwägung scheide eine Aufrechnung aus.
Mit Schreiben vom 15.11.2013 verwies die Beklagte in Ergänzung des Bescheides vom 22.10.2013 auf den Aufrechnungsbescheid vom 19.9.2013. In der Folgezeit erließ sie weitere Bescheide, mit denen sie erneut mit dem Beitragsanspruch gegen weitere Ansprüche des Klägers auf Krankengeld für spätere Bewilligungszeiträume in Höhe der Hälfte des auszuzahlenden Krankengeldes aufrechnete.
Über das Vermögen des Klägers eröffnete das Amtsgericht Bitburg am 25.10.2013 das Insolvenzverfahren (9 IN 67/13). Durch Widerspruchsbescheid vom 28.1.2014 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 19.9.2013 und 22.10.2013 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Sowohl die Höhe als auch der Rechtsgrund ihrer Forderung, mit welcher sie aufgerechnet habe, habe sie in dem Aufrechnungsbescheid vom 19.9.2013 bezeichnet. Damit sei für den Kläger eindeutig erkennbar gewesen, auf welche Forderung sich die Aufrechnung beziehe. Die Bezugnahme auf diesen Bescheid sei zwar dem Bescheid vom 22.10.2013 nicht zu entnehmen gewesen, aber mit dem Schreiben vom 15.11.2013 nachgeholt worden. Nach § 28h Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei der Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die zuständige Krankenkasse zu zahlen, weshalb die Aufrechnung nicht mangels Gegenseitigkeitsverhältnisses ausscheide. In Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens habe sie zu Recht die Aufrechnung durchgeführt, weil der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass er durch diese hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII oder des SGB II werde.
Am 23.2.2014 hat der Kläger Klage erhoben. Die Beklagte hat mitgeteilt, sie habe mittlerweile weitere Beträge an Krankengeld für spätere Zeiträume im Wege der Aufrechnung einbehalten. In einem Schreiben an die Beteiligten vom August 2014 hat das Sozialgericht (SG) die Auffassung vertreten, die weiteren Einzelbescheide nach dem streitbefangenen Bescheid vom 22.10.2013, die auf der Grundlage des Aufrechnungsbescheides vom 19.9.2013 ergangen seien, seien nicht nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
Durch Urteil vom 20.11.2014 hat das SG Trier 1. den Bescheid der Beklagten vom 19.9.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.1.2014 aufgehoben, 2. den Bescheid der Beklagten vom 22.10.2013 in der Gestalt des Schreibens vom 15.11.2013 und des Widerspruchsbescheides vom 28.1.2014 dahingehend geändert, dass die Beklagte dem Kläger das einbehaltene Krankengeld in Höhe von 204,54 EUR auszuzahlen habe. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Die Rechtmäßigkeit der Aufrechnung scheitere nicht daran, dass der Beitragsbescheid vom 19.9.2011 nicht von der Beklagten, sondern von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz erlassen worden sei. Nach § 28h Abs. 1 Satz 1 SGB IV sei der Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Krankenkasse als Einzugsstelle zu zahlen, weshalb das erforderliche Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen den Ansprüchen der Beklagten und den Leistungsansprüchen des Klägers bestehe. Die Aufrechnung habe, ebenso wie eine Verrechnung (Hinwies auf Bundessozialgericht – BSG – Großer Senat 31.8.2011 – GS 2/10), durch Verwaltungsakt erklärt werden dürfen. Die Kammer halte es auch grundsätzlich für zulässig, die Aufrechnungserklärung quasi "vor die Klammer" zu ziehen und zu Beginn oder während des Leistungsbezuges von Krankengeld durch einen einmaligen Aufrechnungsbescheid für die zukünftigen Auszahlungsansprüche die Aufrechnung zu regeln. Vorliegend habe es jedoch im Zeitpunkt des Erlasses des Aufrechnungsbescheides vom 19.9.2013 an einem Anspruch des Klägers auf laufende Geldleistungen, hier in Form eines Anspruchs auf Krankengeld, gefehlt. Eine vorsorgliche Aufrechnungserklärung mit erst später möglicherweise entstehenden Ansprüchen auf laufende Geldleistungen sei nicht zulässig, weshalb der Bescheid vom 19.9.2013 aufzuheben sei. Da sich der Krankengeldzahlungsbescheid vom 22.10.2013 auf den Auszahlungsbescheid vom 19.9.2013 stütze, sei dieser Bescheid ebenfalls aufzuheben. Es könne daher offenbleiben, ob während des laufenden Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers eine Aufrechnung gegen dessen Leistungsansprüche möglich sei (Hinweis auf Landes-sozialgericht LSG – Rheinland-Pfalz 23.10.2013 – L 6 R 163/13). Das SG hat die Berufung gegen sein Urteil zugelassen.
Gegen dieses ihr am 23.12.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 19.1.2015 eingelegte Berufung der Beklagten, die vorträgt: Die Auffassung des SG, wonach der Aufrechnungsbescheid vom 19.9.2013 eine unzulässige vorsorgliche Aufrechnungserklärung mit möglicherweise erst später entstehenden Ansprüchen auf laufende Geldleistungen enthalte, sei unzutreffend. Sie stehe im Widerspruch zu dem Urteil des BSG vom 26.9.1991 (4/1 RA 33/90). Zwar sei es in diesem Urteil nicht um Krankengeld, sondern um aus einem Rentenstammrecht erwachsene Rentenauszahlungsansprüche gegangen. Die Erwägungen des BSG seien jedoch dennoch auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Denn im Falle des Klägers habe aufgrund der bereits vor der Gewährung von Übergangsgeld durch den Rentenversicherungsträger erfolgten Krankengeldzahlungen die Gewissheit bzw. Wahrscheinlichkeit einer weiteren Krankengeldzahlung wie bei einem Rentenstammrecht bestanden, sodass nicht von einer unzulässigen Aufrechnung mit zukünftigen Forderungen auszugehen sei. Überdies habe das zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufrechnungsbescheides vom 19.9.2013 gezahlte Übergangsgeld nicht dazu geführt, dass kein weiterer Anspruch auf Krankengeld bestanden habe; vielmehr habe dieser nur gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geruht. Zu beachten sei auch, dass das Übergangsgeld gemäß § 48 Abs. 3 SGB V bei der Berechnung der Höchstanspruchsdauer des Krankengeldes berücksichtigt werde. Das Urteil des BSG vom 26.9.1991 (aaO) stehe im Einklang mit der zivilrechtlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach gegen Ansprüche aus Ruhegehalt oder Unterhalt für eine angemessene Zeit (sechs Monate) im Voraus aufgerechnet werden dürfe (Hinweis auf Bundesgerichtshof – BGH – 15.3.2006 – XIII ZR 120/04). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe ausgehend von dem Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 23.10.2013 (L 6 R 163/13) keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Aufrechnung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Trier vom 20.11.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor: Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf das Urteil des BSG vom 26.9.1991 (4/1 RA 33/90) stützen. Krankengeld werde abschnittsweise gezahlt, weshalb bei dieser Leistung der Erlass eines weiteren Verwaltungsakts für jeden neuen Zahlungsabschnitt nach erneuter Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen (weitere Arbeitsunfähigkeit, rechtzeitige Mitteilung durch den Versicherten, kein Ruhenstatbestand usw.) notwendig sei und durch eine neuerliche Aufrechnungserklärung kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstünde. Auch nach dem Urteil des BGH vom 15.3.2006 (XIII RZ 120/04) müsse im Falle der Aufrechnung gegen eine zukünftige Forderung deren Entstehung im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung sicher sein. Er halte auch an der Auffassung fest, dass es vorliegend an der erforderlichen Gegenseitigkeit der Forderungen fehle, weil der Beitragsanspruch nicht von der Beklagten, sondern vom Rentenversicherungsträger festgestellt worden sei.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143 f, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig; das Urteil des SG ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Streitbefangen sind vorliegend lediglich der Bescheid der Beklagten vom 19.9.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.1.2014 sowie der Bescheid vom 22.10.2013 (ergänzt durch das Schreiben vom 15.11.2013) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.1.2014. Die späteren Bescheide, in denen die Beklagte dem Kläger unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 19.9.2013 weitere Aufrechnungsbeträge mitgeteilt hat, sind nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Denn sie haben die Bescheide vom 19.9.2013 sowie 22.10.2013 nicht im Sinne des § 96 SGG abgeändert oder ersetzt. Denn der Regelungsgegenstand der früheren Bescheide ist mit demjenigen der Folgebescheide nicht identisch (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 96 Rn 4a).
Die im vorliegenden Rechtsstreit angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufrechnung sind erfüllt (dazu unten 1.) Die Erklärung der Aufrechnung durch die Beklagte war auch hinreichend bestimmt, und die Beklagte war zu einer einheitlichen Aufrechnungserklärung, wie sie im Bescheid vom 19.9.2013 erfolgt ist, befugt (dazu unten 2.).
1. Nach § 51 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Mit Beitragsansprüchen nach dem SGB kann der zuständige Leistungsträger nach § 51 Abs. 2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird.
Die Aufrechnung setzt entsprechend §§ 387 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen voraus; die Gegenforderung (Forderung der Beklagten) muss vollwirksam und fällig sein; die Hauptforderung (Forderung des Klägers) muss erfüllbar sein (Häusler in Hauck/Noftz, SGB I, K § 51 Rn 5). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Das Erfordernis der Gegenseitigkeit ist gegeben, da die Beklagte gemäß § 28h Abs. 1 SGB IV als Einzugsstelle selbst zur Geltendmachung des Beitragsanspruchs befugt ist (vgl. BSG 12.6.2008 – B 3 P 1/07 R, juris Rn 13).
Der Kläger hat auch nicht im Sinne von § 51 Abs. 2 SGB I nachgewiesen, dass er durch die Aufrechnung hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird. Die Wirksamkeit der Aufrechnung scheitert ferner nicht an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers. Eine Aufrechnung ist zwar im laufenden Insolvenzverfahren nur zulässig, wenn die Aufrechnungslage bereits vor Insolvenzeröffnung bestand (vgl. zur Verrechnung BSG 14.3.2013 – B 13 R 5/11 R, juris Rn 44; LSG Rheinland-Pfalz 23.10.2013 – L 6 R 163/13, juris Rn 32). Diese Voraussetzung ist jedoch vorliegend erfüllt. Zudem hat die Beklagte die Aufrechnung gegen die Forderung des Klägers auf Krankengeld, um die es im vorliegenden Rechtsstreit geht, bereits vor der Insolvenzeröffnung erklärt. Wie sich insoweit die Rechtslage in Bezug auf Krankengeldansprüche für Zeiträume nach der Insolvenzeröffnung darstellt, kann für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits offen bleiben.
2. Die Aufrechnungserklärung der Beklagten war in Form eines Verwaltungsakts zulässig (vgl. für die Verrechnung BSG 31.8.2011 – GS 2/10, juris). Sie war auch ausreichend bestimmt, da die Beklagte Art und Umfang der Forderungen hin-reichend bezeichnet hat. Unschädlich ist, dass die Beklagte nicht angegeben hat, ob sie mit einem Anspruch auf Beiträge und/oder Säumniszuschläge aufgerechnet hat und welche Monate die betreffende Beitragsschuld betraf. Selbst wenn mehrere Forderungen bestehen, kann die Aufrechnung erklärt werden, ohne aufzuschlüsseln, mit welcher (Einzel-) Forderung zuerst aufgerechnet werden soll (BSG 7.2.2012 – B 13 R 85/09 R, juris Rn 52).
Die Abgabe einer einheitlichen Aufrechnungserklärung für zukünftige Ansprüche auf Zahlung von Krankengeld war zulässig (zu Ansprüchen auf Auszahlung einer Rente für zukünftige Zahlungsabschnitte BSG 26.9.1991 4/1 RA 33/90, juris Rn 28). Soweit das SG zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung darauf abgestellt hat, dass es vorliegend im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vom 19.9.2013, anders als bei dem Sachverhalt des Urteils des BSG vom 26.9.1991 (aaO), an einem Anspruch des Klägers auf eine laufende Geldleistung gefehlt habe, folgt der Senat dem nicht. Der Versicherungsfall (zu dessen Bedeutung im Rahmen des Krankengeldes vgl. BSG 30.5.2006 – B 1 KR 15/05 R, juris Rn 11) der Arbeitsunfähigkeit des Klägers war bereits am 25.3.2013 eingetreten, wie zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist. Dass der dem Grunde nach fortbestehende Anspruch im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vom 19.9.2013 nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V vorübergehend wegen Bezugs von Übergangsgeld zum Ruhen gekommen war, steht dem nicht entgegen. Dem Umstand, dass das Krankengeld abschnittsweise gezahlt wird und dessen Anspruchsvoraussetzungen für jeden Zahlungsabschnitt neu zu prüfen sind, kommt im vorliegenden Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zu.
Die Beklagte hat auch das ihr obliegende Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
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