L 10 R 3495/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3498/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3495/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.07.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Weitergewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30.06.2013 hinaus streitig.

Die am 1968 geborene Klägerin zog im Jahr 1980 aus der T. kommend ins Bundesgebiet zu. Eine Ausbildung absolvierte sie nicht. Von März 1989 bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im März 2002 war sie als Montiererin beschäftigt.

Nach Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Psychosomatischen Klinik Schloss W. im Januar/Februar 2003 (Diagnosen: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, sonstige Krankheiten des Weichteilgewebes, andernorts nicht klassifiziert, essentielle Hypertonie, Adipositas, Kandidose), aus der die Klägerin mit einem Leistungsvermögen von seinerzeit weniger als drei Stunden täglich entlassen wurde, bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 30.04.2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.10.2002 bis 30.09.2005. Den im Juni 2005 gestellten Weitergewährungsantrag lehnte die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. (leichte, geistige anspruchslose, keine Stress beinhaltende Tätigkeiten seien vollschichtig möglich; mangels Dokumentation gravierender Auffälligkeiten im Entlassungsbericht sei die Einschätzung der Ärzte der Psychosomatischen Klinik Schloss W. nicht nachvollziehbar) mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 28.09.2005 ab. Auch der erneute, im Oktober 2005 gestellte Weitergewährungsantrag der Klägerin blieb erfolglos (Bescheid vom 15.11.2005). Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte nach fachübergreifender Begutachtung durch Dr. S. (Diagnosen: Persönlichkeitsvariante mit psychasthenischen, histrionischen und krankheitsbetonenden Zügen mit daraus resultierendem leichtgradigem depressivem Verstimmungszustand, verbunden mit einem sehr stark ausgeprägten hypochondrisch gefärbten Krankheitsgefühl, somatoformes Schmerzsyndrom; leichte Tätigkeiten seien vollschichtig möglich), den Arzt für Orthopädie Dr. S. (keine eindeutigen organpathologischen Veränderungen und keine relevanten Funktionsstörungen; zumindest mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zumutbar) und den Internisten MDir. L. (unbefriedigend eingestellter Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes mellitus und leichte Fettleber; insgesamt subjektives Beschwerdebild, das kaum einen Organkreis oder eine vegetative Funktion ausnehme, ohne erklärende objektive Befunde, psychosomatisches Krankheitsbild ohne krankheitswertige Ausmaße mit unübersehbarer Ausgestaltung bei der klinischen Untersuchung; bis zu mittelschwere Tätigkeiten mehr als sechs Stunden täglich zumutbar) mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2006 zurück. Im anschließenden Klageverfahren schlossen die Beteiligten nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. (Diagnosen: anhaltende somatoforme Schmerzstörung, mittelschwere depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung; Leistungsfähigkeit vier Stunden täglich) einen Vergleich, wonach die Beklagte der Klägerin die Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30.09.2005 hinaus bis 30.09.2008 weiter gewährte. Auf den nachfolgenden Weitergewährungsantrag bewilligte die Beklagte nach Auswertung vorgelegter Befundberichte und Arztbriefe die Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30.06.2010 hinaus bis zum 30.06.2013.

Ausgangspunkt des vorliegenden Rechtstreits ist der im März 2013 gestellte Antrag der Klägerin, die Rente wegen voller Erwerbsminderung auch über den 30.06.2013 hinaus weiter zu gewähren. Die Beklagte veranlasste eine fachübergreifende Begutachtung durch MDir. L. , den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. M. und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. , die die Klägerin im April 2013 untersuchten. Im Vordergrund der Beeinträchtigungen standen dabei vielfältige Körperbeschwerden bei somatoformer Schmerzstörung sowie eine dysthyme Entwicklung und kombinierte Persönlichkeitsstörung (so Dr. B. ). Von orthopädischer Seite fand Dr. M. eine leichte bis mittelschwere Minderung der Beweglichkeit und Belastbarkeit der Hals- und Rumpfwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und zervikalen und lumbalen Bandscheibenschäden (ohne neurologische Ausfälle), eine leichte Bewegungseinschränkung bei beginnender Kniegelenksarthrose mit Innenmeniskussymptomatik beidseits sowie eine beginnende Hüftgelenksarthrose ohne klinische Symptomatik. Von internistischer Seite beschrieb MDir. L. eine unter Substitution ausgeglichene Eisenmangelanämie und einen insulinabhängigen Diabetes mellitus ohne Hinweis auf Sekundärkomplikationen. Unter zusammenfassender Würdigung erachtete MDir. L. die Klägerin für fähig, leichte Tätigkeiten mit mittelschweren Belastungsspitzen zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu vermeiden seien erhöhter Zeitdruck, Schichtarbeit, Tätigkeiten mit Konfliktpotential, ständige Zwangshaltungen der Hals- oder Rumpfwirbelsäule und Verletzungsgefahren. GeS. t hierauf lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 28.05.2013 und Widerspruchsbescheid vom 30.09.2013 ab.

Am 09.10.2013 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und unter Bezugnahme auf im Verwaltungsverfahren vorgelegte Arztbriefe, Atteste bzw. Stellungnahmen der behandelnden Ärzte Dr. Ungemach, Facharzt für Neurologie, Dr. Löffler, Facharzt für Orthopädie, und Dr. R. , Facharzt für Psychiatrie, geltend gemacht, ihr Zustand habe sich nicht gebessert, sondern eher verschlechtert, weshalb die behandelnden Ärzte auch das Fortbestehen der Erwerbsminderung bestätigten.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Der Internist und Diabetologe Dr. S. , bei dem die Klägerin sich wegen des Diabetes mellitus vorgestellt hat, hat aus diabetologischer Sicht eine leichte berufliche Tätigkeit zumindest sechs Stunden täglich für möglich erachtet. Dr. L. hat von Vorstellungen wegen eines unteren Zervicalsyndroms, einer Schultersteife links und einem sensomotorischen Wurzelreizsyndrom lumbal bei Nucleusprolaps L4/5 berichtet. Wegen der zuletzt im Dezember 2013 vorhanden gewesenen Wurzelreizsymptomatik sei die Klägerin nicht im Stande gewesen, einer zumindest sechsstündigen Tätigkeit nachzugehen. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. hat über Vorstellungen wegen im Wesentlich gleich bleibender Schulterschmerzen, Kopfschmerzen, Depressionen, chronische Bauchschmerzen, Wirbelsäulen- und Gelenkschmerzen berichtet und die Klägerin nicht für in der Lage erachtet, zumindest sechs Stunden täglich zu arbeiten. Dr. R. hat über eine in den letzten Jahren nahezu identische depressive Symptomatik berichtet und die Leistungsfähigkeit der Klägerin mit weniger als drei Stunden täglich eingeschätzt. Dr. U. hat von Depressionen, Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in die Arme, Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung ins linke Bein und einem Fibromyalgiesyndrom berichtet und das Leistungsvermögen der Klägerin gleichermaßen mit weniger als drei Stunden täglich eingeschätzt. Das SG hat sodann das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Dr. D. unter Berücksichtigung des testpsychologischen Zusatzgutachtens des Dr. med. Dipl.-Psych. S. auf Grund Untersuchung der Klägerin im März 2014 eingeholt. Der Sachverständige hat von nervenärztlicher Seite eine somatoforme Schmerzstörung und eine Dysthymia und im Übrigen Myogelosen der Schulter-Nackenmuskulatur beidseits, eine diskrete Polyneuropathie, eine Hypertonie sowie einen Diabetes mellitus diagnostiziert und deutliche Aggravationstendenzen und die Simulation einer Psychopathologie beschrieben. Die Ausprägung der Symptomatik entspreche nicht den Angaben der Klägerin. Die Ausübung leichter beruflicher Tätigkeiten hat er bis zu acht Stunden täglich für möglich erachtet. Zu vermeiden seien gleichförmige Körperhaltungen in gebückter Stellung oder Zwangshaltungen, Tätigkeiten unter ständigem Zeitdruck, unter nervlicher Belastung und an laufenden Maschinen sowie Nacht- und Wechselschicht.

Mit Urteil vom 14.07.2014 hat das SG die Klage gestützt auf das Gutachten des Prof. Dr. Dr. D. abgewiesen. Dieser habe nur eine leichte Beeinträchtigung der Stimmung beschrieben und keine Hinweise auf ein schwergradiges depressives Erleben gefunden. Demgegenüber ergäben sich - auch unter Berücksichtigung des testpsychologischen Zusatzgutachtens - jedoch erhebliche Zweifel an der Konsistenz der von der Klägerin geäußerten Beschwerden. Vor diesem Hintergrund könne es sich auch den entgegenstehenden Einschätzungen der behandelnden Ärzte nicht anschließen. Diese hätten die Beschwerdeangaben der Klägerin als wahr unterstellt, ohne eine Beschwerdevalidierung vorzunehmen.

Gegen das ihren damaligen Bevollmächtigten am 16.07.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15.08.2014 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Rente nun nicht mehr weitergewährt werde, obwohl sich ihr Krankheitsbild nicht verbessert, sondern - wie den vorgelegten Attesten und Arztberichten zu entnehmen sei - vielmehr sogar verschlechtert habe. Zu Unrecht habe das SG insbesondere die zuletzt vorgelegte Stellungnahme des Dr. R. vom 29.05.2014 sowie die Atteste des Dr. U. vom 02.06.2014 und des Dr. L. vom 23.06.2014 unberücksichtigt gelassen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.07.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2013 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30.06.2013 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat das Gutachtgen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. B. eingeholt. Dieser hat auf seinem Fachgebiet eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine chronische Dysthymie diagnostiziert und die Klägerin nicht mehr für in der Lage erachtet, irgendwelche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Die im Rahmen seiner Untersuchung festgestellten Aggravationstendenzen hat er als Ausdruck der Hilflosigkeit der Klägerin und ihres Unvermögens, sich genügend rational und verbal darzustellen, gesehen, weshalb diese nicht zu negativen gutachtlichen Bewertungen führen dürften.

Zu dem Gutachten des Prof. Dr. B. hat die Beklagte die sozialmedizinische Stellungnahme der Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. D. vorgelegt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 28.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht über den 30.06.2013 hinaus keine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu. Eine Reduzierung ihres beruflichen Leistungsvermögens auf ein rentenberechtigendes Ausmaß für den Zeitraum ab 01.07.2013 ist nicht festzustellen.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Es ist weder festzustellen, dass die Klägerin in dem oben dargelegten Sinn voll erwerbsgemindert ist, noch dass sie nicht mehr über ein zumindest sechsstündiges berufliches Leistungsvermögen verfügt und ihr mithin wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes volle Erwerbsminderungsrente zusteht. Ebenso wie das SG vermag sich auch der Senat nicht davon zu überzeugen, dass das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin auf ein entsprechendes rentenberechtigendes Ausmaß herabgesunken ist. Der Nachteil der Nichterweislichkeit dieser anspruchsbegründenden Tatsache geht nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin. Denn nach diesem Grundsatz hat jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen zu tragen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, ihr Gesundheitszustand habe sich nicht gebessert, vielmehr sei dieser seit Jahren im Wesentlichen gleichbleibend bzw. habe sich sogar verschlimmert, ist darauf hinzuweisen, dass sich aus diesem Gesichtspunkt kein Anspruch auf Weitergewährung der Rente herleiten lässt. Denn im Anschluss an eine befristet gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung kommt die Weitergewährung dieser Rente nur in Betracht, wenn die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen auch nach Ablauf der Zeitrente erfüllt sind. Entsprechend lässt sich ein Weitergewährungsanspruch weder mit einer fehlenden Besserung des Krankheitsbildes noch mit einer entsprechenden Verschlimmerung begründen. Vom Vorliegen einer rentenrelevanten Leistungsminderung ab 01.07.2013 vermag sich der Senat jedoch ebenso wenig wie die Beklagte und ihr folgend das SG zu überzeugen.

Wie zuvor schon das SG geht auch der Senat davon aus, dass im Vordergrund der die Leistungsfähigkeit der Klägerin einschränkenden Erkrankungen Schmerzzustände im Bereich des Bewegungsapparates und depressive Verstimmungen stehen, die von nervenärztlicher Seite zu beurteilen sind. Denn die von Seiten des orthopädischen Fachgebietes vorhandenen degenerativen Veränderungen erklären die von der Klägerin am gesamten Körper, der Gelenke und der Muskulatur geklagten Schmerzen und die geltend gemachten Schwierigkeiten beim Laufen nicht. Hierauf hat überzeugend und unter Bezugnahme auf das von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des Dr. M. insbesondere der Sachverständige Prof. Dr. Dr. D. hingewiesen und deutlich gemacht, dass er anlässlich seiner Untersuchung auch keine Hinweise auf eine Wurzelreizung oder Wurzelschädigung auf Grund des beschriebenen Bandscheibenvorfalls im Bereich von L4/5 gefunden hat. Entsprechend handelt es sich bei der von Dr. L. für den Untersuchungszeitpunkt im Dezember 2013 beschriebenen Wurzelreizsymptomatik, derentwegen er die Klägerin nicht im Stande gesehen hat, eine zumindest sechsstündigen Tätigkeit auszuüben, auch nicht um einen Dauerzustand. Schon aus diesem Grund lässt sich eine rentenrelevante Leistungsminderung hiermit nicht begründen. Soweit Prof. Dr. Dr. D. demgegenüber Muskelverspannungen im Bereich der Schulter- und Nackenmuskulatur objektiviert hat, kann diesen Beeinträchtigungen ebenso wie den durch die von Dr. M. beschriebenen degenerativen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule bedingten Beschwerden hinreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit gleichförmige Körperhaltungen in gebückter Stellung oder Zwangshaltungen vermieden werden.

Ebenso wie Prof. Dr. Dr. D. hat auch der im Berufungsverfahren auf Antrag der Klägerin hinzugezogene Sachverständige Prof. Dr. B. die Klägerin in erster Linie von nervenärztlicher Seite beeinträchtigt gesehen. Auch ist dieser - wie zuvor schon Prof. Dr. Dr. D. - diagnostisch von einer somatoformen Schmerzstörung und im Hinblick auf die vorliegende depressive Symptomatik von einer Dysthymia ausgegangen.

Eine rentenrelevante Leistungsminderung lässt sich aus dieser diagnostischen Zuordnung des Krankheitsbildes der Klägerin hingegen nicht ableiten. Denn das Ausmaß der aus der somatoformen Schmerzstörung resultierenden Beschwerden und der dadurch bedingten funktionellen Einschränkungen der Klägerin lässt sich mit der erforderlichen Sicherheit nicht feststellen. Nachdem schon der im Verwaltungsverfahren von der Beklagten hinzugezogene Gutachter Dr. B. die "krasse" Diskrepanz zwischen der angegebenen Schmerzintensität (10/10 auf der numerischen Analogskala, d.h. größtmöglicher Schmerz) und der in der Untersuchungssituation überhaupt nicht erkennbaren Schmerzbeeinträchtigung deutlich machte, haben auch die Sachverständigen Prof. Dr. Dr. D. und Prof. Dr. B. auf das Aggravationsverhalten der Klägerin während der jeweiligen Untersuchung hingewiesen. Dabei hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. D. erhebliche Inkonsistenzen beschrieben, die maßgebliche Zweifel daran begründen, dass die angegebenen Funktionsstörungen in dem geklagten Umfang auch tatsächlich bestehen. So hat der Sachverständige auf deutliche Verarbeitungszeichen an beiden Händen mit Verschmutzungen hingewiesen, die sich nicht in Einklang mit dem Vorbringen der Klägerin bringen lassen, weder Haus- noch Gartenarbeit verrichten zu können, weil sie wegen Müdigkeit immer zuhause liege. Auf entsprechende Inkonsistenzen wies bereits Dr. B. hin, der deutlich verhornte Hände und Finger beschrieb, die zum Teil auch recht "schwärzlich" gewesen seien, was der Angabe widersprach, im Haushalt auf Grund ihrer Beschwerden nicht mitarbeiten zu können. Auch die von Prof. Dr. Dr. D. durchgeführten Bestimmung des Arzneimittelspiegels im Blut hat deutlich gemacht, dass die Klägerin die angegebenen Schmerzmittel tatsächlich nicht eingenommen hat. So ist lediglich das stimmungsaufhellende Medikament Venlafaxin und das gegen neuropathische Schmerzen gerichtete Präparat Lyrica im therapeutischen Bereich nachzuweisen gewesen, während die nach Angaben der Klägerin angeblich angenommenen Präparate Doxepin, Metamizol und Dominal forte unterhalb des therapeutischen Bereichs bzw. der Bestimmungsgrenze gelegen haben, so dass - so Prof. Dr. Dr. D. - davon auszugehen ist, dass die Klägerin diese Präparate tatsächlich nicht eingenommen hat. Für den Senat überzeugend hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. D. weiter darauf hingewiesen, dass die Klägerin auch bei den testpsychologischen Untersuchungen Ergebnisse erzielte, die für eine mangelnde Mühegabe sprachen. Entsprechend dokumentierte der für das testpsychologische Zusatzgutachten hinzugezogene Dr. med. Dipl.-Psych. S. ein auffallendes Testergebnis im Benton-Test, einem sprachfreien Verfahren. Dabei hat sich in diesem visuellen Merkfähigkeitstest, bei dem zehn verschiedene Vorlagen nach einer Darbietung von zehn Sekunden aus dem Gedächtnis nachzuzeichnen sind, bei einer Anzahl von zwei richtigen Lösungen ein erheblich auffälliger Wert ergeben. Denn bereits ein Wert von vier richtigen Lösungen würde altersbezogen einem IQ von weniger als 70 entsprechen. Ein entsprechendes Bild hat der Sachverständige auch bei der Fehlerzahl beschrieben, wobei die Klägerin zwölf Fehler gemacht habe, während neun Fehler bereits einem IQ von weniger als 70 entsprechen würden. Nachdem sich im Gespräch aber keine Hinweise auf kognitive Beeinträchtigungen und auch keine Hinweise auf eine tiefergreifende Depression ergeben haben, das äußerst schlechte Abschneiden daher weder mit der Stimmungslage noch mit einer kognitiven Einschränkung erklärbar gewesen ist, ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Sachverständigen von Aggravations- und Simulationstendenzen ausgegangen sind. Bestätigt hat sich entsprechendes auch in dem zusätzlich durchgeführten sprachfreien Beschwerdevalidierungstest, in dem die Klägerin im ersten Durchgang einen Wert erreichte, der im Bereich der Ratewahrscheinlichkeit lag und auch im zweiten Durchgang noch unterhalb des Cut off von 45 gelegen hat, was - so der Sachverständige - als Hinweis darauf zu werten ist, dass die Klägerin zu keiner angemessenen Mitarbeit bereit war und eine Psychopathologie simulierte.

Vor diesem Hintergrund lässt sich die Schwere der durch die somatoforme Schmerzstörung bedingten Beeinträchtigungen nicht feststellen und damit auch nicht das Ausmaß der hierdurch bedingten funktionellen Beeinträchtigungen. Soweit der Sachverständige Prof. Dr. B. , der anlässlich seiner Untersuchung gleichermaßen Aggravationstendenzen gefunden hat, die Auffassung vertreten hat, diese dürften in ihren Auswirkungen nicht überschätzt werden und nicht zu negativen gutachtlichen Bewertungen führen, da sie lediglich Ausdruck einer Hilflosigkeit bzw. eines Unvermögens seien, sich verbal darzustellen, verkennt der Sachverständige, dass dieses Verhalten es gerade unmöglich macht, das tatsächliche Ausmaß der Beeinträchtigungen hinreichend sicher zu bestimmen. Damit bleibt offen, wie sich die tatsächlich vorhandenen Beschwerden funktionell auswirken und inwieweit diese die Klägerin an der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit hindern.

Eine hinreichende Grundlage für die erforderliche Beurteilung findet sich weder in den dem SG erteilten Auskünften der behandelnden Ärzte noch in deren zuletzt im Klageverfahren vorgelegten Stellungnahmen bzw. Atteste. Soweit die behandelnden Ärzte die Klägerin in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit für rentenrelevant eingeschränkt erachtet haben, ist dies gerade Anlass für das SG gewesen, das Gutachten des Prof. Dr. Dr. D. einzuholen, durch das die Beurteilungen der behandelnden Ärzte jedoch nicht bestätigt worden sind. Allein deren Einschätzung begründet jedoch keine rentenrelevante Leistungsminderung. Denn anders als der Sachverständige ist der behandelnde Arzt nicht zu einer kritischen Leistungsbeurteilung angehalten. Dessen Tätigwerden zielt vielmehr auf die Hilfe gegenüber dem Patienten, weshalb er typischerweise die Beschwerdeschilderung seines Patienten seiner Beurteilung zu Grunde legt und keine Veranlassung hat, diese kritisch zu hinterfragen. Demgegenüber hat der gerichtliche Sachverständige eine kritische Distanz zum Probanden einzunehmen, um so zu einer möglichst objektiven Leistungsbeurteilung zu gelangen.

Nach alledem kann die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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