L 6 SF 1100/15 E

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1100/15 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Ersatzanspruch aus § 5 Abs. 2 S. 3 1. Halbsatz JVEG kommt nicht in Betracht, wenn der Betroffene (auch von seinem Prozessbevollmächtigten) unentgeltlich in einem Kraftfahrzeug mitgenommen wird; dann scheidet der Fahrtkostenersatz grundsätzlich au.
Die Entschädigung des Erinnerungsführers anlässlich des Erörterungstermins vom 15. April 2015 wird auf 0,00 Euro festgesetzt. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Mit Verfügung vom 2. April 2015 lud der Berichterstatter des 7. Senats des Thüringer Lan-dessozialgerichts den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer zum Erörterungstermin am 15. April 2015 um 14:00 Uhr und ordnete sein persönliches Erscheinen an. Nach der Niederschrift nahm der Prozessbevollmächtigte dort die Beschwerde zurück.

Am 9. Juli 2015 beantragte der Erinnerungsführer "Zeugenentschädigung". Er gab an, nach dem Routenplaner betrage die kürzeste Fahrtstrecke J. - E. 51,2 Kilometer. Er sei als Beifahrer in einem PKW mitgefahren. Einen Verdienstausfall mache er nicht geltend. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) setzte unter dem 10. Juli 2015 die Entschädigung auf 0,00 Euro fest und führte zur Begründung aus, dem Erinnerungsführer seien keine Kosten entstanden. Er sei als Beifahrer wahrscheinlich mit seinem Prozessbevollmächtigten unterwegs gewesen und habe keinen Verdienstausfall.

Unter dem 30. Juli 2015 hat der Erinnerungsführer die gerichtliche Festsetzung beantragt und vorgetragen, er sei tatsächlich Beifahrer bei seinem bevollmächtigten Rechtsanwalt gewesen. Er müsse dessen Kosten tragen, denn er sei Kostenschuldner im Mandatsverhältnis nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Nach einer Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 10. April 2007 - 15 W 108/06 könne der Berechtigte bei einer Mitnahme im Kraftfahrzeug eines Dritten Ersatz nach § 5 Abs. 2 S. 3 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) bis zu der in § 11 Abs. 2 Nr. 1 JVEG genannten Höhe verlangen. Nach Nr. 7003 VV-RVG habe der Rechtsanwalt Anspruch auf 0,30 Euro je gefahrenen Kilometer. Aufgrund eines weiteren Termins des Prozessbevollmächtigten am gleichen Tag bestehe ein Anspruch auf 50 v.H. der gefahrenen Kilometer multipliziert mit 0,30 Euro. Der Erinnerungsgegner hat eingewandt, dem Prozessbevollmächtigten seien durch die Mitnahme keine höheren Kosten entstanden. Bei der Vergütung nebst Reisekosten an den Prozessbevollmächtigten handle es sich um außergerichtliche Kosten, die der Erinnerungsführer nicht nach § 191 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verlangen könne.

Die UdG hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 17. August 2015) und sie dem Senat vorgelegt.

II.

Zuständig für die Entscheidung ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landes-sozialgerichts in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des 6. Senats der Senatsvor-sitzende.

Die Entschädigung des Erinnerungsführers wird auf 0,00 Euro festgesetzt.

Nach § 4 Abs. 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Feststellung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält (Satz 1). Nach § 191 Halbs. 1 SGG werden einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Zeugen erhalten nach § 19 Abs. 1 S. 1 JVEG als Entschädigung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG), Entschädigung für sonstige Aufwendungen (§ 7 JVEG), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG). Soweit die Entschädigung nach Stunden zu bemessen ist, wird sie nach § 19 Abs. 2 JVEG für die gesamte Zeit der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, jedoch nicht mehr als zehn Stunden je Tag gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn insgesamt mehr als 30 Minuten auf die Heranziehung entfallen, anderenfalls beträgt die Entschädigung die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags (Satz 2).

Die beantragten Fahrtkosten sind dem Erinnerungsführer nicht zu erstatten. Als Anspruchs-grundlage kommt nur § 191 Albs. 1 SGG i.V.m. § 5 Abs. 2 JVEG in Betracht. Nach § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JVEG werden dem Beteiligten bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs zur Abgeltung der Betriebskosten sowie der Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,25 EUR für jeden gefahrenen Kilometer ersetzt zuzüglich der durch die Benutzung aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden baren Auslagen, insbesondere der Parkentgelte. Nachdem der Beschwerdeführer weder ein eigenes noch ein unentgeltlich zur Nutzung überlassenes Fahrzeug gefahren hat, scheidet diese Alternative aus. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 5 Abs. 2 S. 3 1. Halbsatz JVEG. Danach werden bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs, das nicht zu den Fahrzeugen nach Absatz 1 (= öffentlich regelmäßig verkehrende Beförderungsmittel) oder Satz 1 zählt, die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der nach Satz 1 genannten Fahrtkosten ersetzt. Erforderlich ist damit immer, dass tatsächlich Auslagen entstanden sind (vgl. Hartmann in Kostengesetze, 43. Auflage 2013, § 5 JVEG Rdnr. 14). Ein Ersatzanspruch kommt dagegen nicht in Betracht, wenn - wie hier - der Betroffene (auch von seinem Prozessbevollmächtigten) unentgeltlich in einem Kraftfahrzeug mitgenommen wird; dann scheidet der Fahrtkostenersatz grundsätzlich aus (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG 26. Auflage 2014, § 5 Rdnr. 18).

Der Erinnerungsführer hat auch nicht deshalb einen Anspruch auf Fahrtkosten aus Anlass seiner Heranziehung durch das Gericht, weil er seinem Prozessbevollmächtigten im Rahmen der Vergütung die Fahrtkosten von J. nach E. nach Nr. 7003 VV-RVG erstatten hat. Diese Verpflichtung hat keinen Bezug zu dem in § 5 JVEG geregelten Fahrtkostenersatz. Bei einer getrennten Benutzung von zwei Fahrzeugen fallen die Kosten tatsächlich zweimal an und nur die des Herangezogenen (nicht aber des Rechtsanwalts) werden erstattet. Wird nur das Auto des Rechtsanwalts benutzt, entstehen entsprechende Aufwendungen nur bei ihm. Es kommt nicht darauf an, dass der Anwalt nicht verpflichtet ist, aus Kostenersparnisgründen seinen Mandanten im Auto mitzunehmen (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG26. Auflage 2014, § 5 Rdnr. 18). Der Hinweis des Erinnerungsführers auf den Beschluss des OLG Karlsruhe vom 10. April 2007 - 15 W 108/06 verfängt nicht. Dort hatte das Gericht es als glaubhaft angesehen, dass der Rechtsanwalt dem Verfahrensbeteiligten zusätzliche Reisekosten für die Mitnahme in Höhe von 130,00 Euro in Rechnung gestellt hatte und ein Anspruch auf Zahlung dieses Betrags bestand. Dies war hier gerade nicht der Fall. Insofern kann der Senat dahingestellt lassen, ob für ihn ein entsprechender Vortrag der Erstattungsverpflichtung ohne tatsächliche Rechnungstellung ausreicht hätte.

Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht. Eine Entschädigung für Aufwand nach § 6 JVEG setzt eine - hier nicht vorliegende - Anwesenheit von mehr als 8 Stunden voraus. Eine Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 20 JVEG scheidet aus, weil es nicht ersichtlich ist, dass der Erinnerungsführer im relevanten Zeitpunkt einen Nachteil erlitten hat. Er ist ohne Arbeit und bezog Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG). Eine Be-schwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
Saved