L 9 AS 3155/15 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 1034/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 3155/15 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da vorliegend der Beschwerdewert von 351,90 EUR (Minderung um 30% des Regelbedarfs in Höhe von 391,00 EUR monatlich für die Monate Februar bis April 2014, mithin 3 x 117,90 EUR =351,90 EUR) den gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgeblichen Wert von 750,00 EUR nicht übersteigt und außerdem nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen von mehr als einem Jahr betroffen sind (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Das Sozialgericht (SG) Freiburg hat in seinem Urteil die Berufung nicht zugelassen, sodass diese der Zulassung bedarf.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch sonstige Gründe für die Zulassung der Berufung nicht vorliegen.

Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Orientiert an diesem Maßstab ist die Berufung nicht zuzulassen.

Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache stets dann, wenn sie eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und auch klärungsfähig sein (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 144 Rn. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist oder durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantwortet werden kann (Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-4100 § 111 Nr. 1 und SozR 4-1500 § 160a Nr. 7). Von einer solch klärungsbedürftigen Rechtsfrage ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Leistungsabsenkung der Minderung eines Arbeitslosengeld II-Anspruchs um 30 % des maßgebenden Regelbedarfs ist durch das BSG bereits geklärt (zuletzt BSG, Urteil vom 29.04.2015, B 14 AS 19/14 R). Zwar kann auch eine höchstrichterlich geklärte Entscheidung weiterhin klärungsbedürftig bleiben oder erneut klärungsbedürftig werden, wenn der Entscheidung in nicht geringem Umfang - zumindest sinngemäß - widersprochen wird und gegen sie nicht abwegige Einwendungen erhoben werden (BSG, Beschluss vom 17.09.2013, B 1 KR 63/13 (juris)). Eine solche Konstellation liegt jedoch hier nicht vor.

Einen als wesentlich einzustufenden Widerspruch hat die Entscheidung des BSG bislang nicht erfahren. Ein solcher ergibt sich auch nicht durch den Vorlagebeschluss des SG Gotha vom 26.05.2015 (S 15 AS 5157/14), auf das sich die Klägerin beruft. Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum teilt die Einstufung der streitgegenständlichen Normen der §§ 30, 30a SGB II als verfassungsgemäß (Knickrehm/Hahn in: Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 31 Rn. 7; Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB II, 2. Auflage, § 31 Rn. 39, Lauterbach in: Gagel, SGB II/SGB III, K § 31 SGB II Rn. 2; zuletzt Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 08.07.2015, L 16 AS 381/15 B ER, sowie SG Halle, Beschluss vom 26.08.2015, S 5 AS 2835/15 ER und SG Aachen, Beschluss vom 16.06.2015, S 14 AS 513/15 ER, alle (juris); zu einer Minderung um 20% auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.09.2015, L 9 AS 3432/14). Außerdem handelt es sich bei der genannten Entscheidung des BSG um eine aktuelle Entscheidung, so dass die Gefahr einer Erstarrung der Rechtsprechung (hierzu Leitherer, aaO, Rn. 8 b) nicht vorliegt. Auch wenn der Vorlagebeschluss des SG Gotha zeitlich nach dem Urteil des BSG ergangen ist, gibt es keine Anhaltspunkte für eine zwischenzeitlich ergangene Neuentwicklung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts oder eine Änderung in den Lebens- und Rechtsverhältnissen im Geltungsbereich des SGB II. Demnach ist es unwahrscheinlich, dass das BSG die Rechtsfrage nunmehr sachlich anders entscheiden wird. Eine Klärungsfähigkeit muss somit verneint werden.

Sonstige Berufungszulassungsgründe liegen nicht vor. Insbesondere ist keine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG gegeben. Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Die Klägerin stützt ihre Beschwerde in erster Linie auf den Vortrag, der Beklagte habe eine unzutreffende (nicht konkrete, unklare) Rechtsfolgenbelehrung vorgenommen. Eine Verletzung eines abstrakten Rechtssatzes kann dem Urteil jedoch nicht entnommen werden. Das SG hat zutreffend auf die vom BSG entwickelten Anforderungen an eine Rechtsfolgenbelehrung (BSG, Urteil vom 15.12.2010, B 14 AS 92/09 R) verwiesen und diese Grundsätze angewandt. Selbst wenn das SG diese Grundsätze fehlerhaft auf den konkreten Sachverhalt übertragen haben sollte, stellte ein solcher Subsumtionsfehler, der lediglich im Ergebnis zu einer Abweichung führt, keine Divergenz dar (Breitkreuz/ Schreiber in: Breitkreuz / Fichte, SGG-Kommentar, 2. Auflage, § 144 Rn. 36). Einen neuen Rechtssatz hat das SG dabei nicht aufgestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).

Das angefochtene Urteil des SG wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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