L 11 R 4044/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 3970/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4044/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 03.09.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin macht einen Anspruch auf Weiterbewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltend.

Die 1973 im heutigen Georgien geborene Klägerin übersiedelte 1997 von O. (Russland) nach Deutschland. Zunächst arbeitete sie als Bürogehilfin, nach dem Bestehen der Abschlussprüfung zum Betriebswirt des Handwerks am 18.07.2001 war sie dann als Betriebswirtin bei der Firma K. E. Technik GmbH in S., dessen Geschäftsführer ihr Ehemann ist, mit einem Umfang von 20 Wochenstunden versicherungspflichtig beschäftigt. Am 14.02.2008 erkrankte sie und war deshalb arbeitsunfähig. Neben Beschwerden an der rechten Hand (schmerzhafte Schwellungen) wurde durch Laboruntersuchungen auch eine undifferenzierte Kollagenose diagnostiziert. Nach einer wiederholten Operation an der rechten Hand am 20.01.2009 nahm die Klägerin vom 28.01. bis 18.02.2009 im Rheumazentrum O. an einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme teil. Dort wurde sie wegen chronischer Schmerzen zur Mitbehandlung auch an die psychologische Abteilung überwiesen. Die Reha-Einrichtung ging davon aus, dass mit dem Wiedereintritt der beruflichen Leistungsfähigkeit 8 bis 12 Wochen nach der Operation gerechnet werden könne.

Am 24.03.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Vom 27.04. bis 12.05.2009 befand sie sich wiederum im Rheumazentrum O. (dieses Mal in der Klinik für Anästhesie und interventionelle Schmerztherapie) in stationärer Behandlung. Dort wurde unter der Diagnose Complex Regional Pain Syndrome (CRPS, Synonym: Morbus Sudeck) eine multimodale Schmerztherapie durchgeführt. Der von der Beklagten mit der Erstattung eines Gutachtens beauftrage Neurologe und Psychiater gelangte in seinem Gutachten vom 05.06.2009 zu dem Ergebnis, dass der Klägerin wegen einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome (ICD 10-GM 2009 F44.6) derzeit keine Arbeiten mehr möglich seien. Daraufhin bewilligte ihr die Beklagte eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit aufgrund eines am 14.02.2008 eingetretenen Leistungsfalles ab 01.03.2009, zunächst befristet bis zum 31.12.2010. Anschließend erfolgte eine Weiterbewilligung der Rente bis zum 31.12.2011.

Den streitgegenständlichen Weiterbewilligungsantrag stellte die Klägerin im Juli 2011. Die Beklagte holte Gutachten auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet ein. Der orthopädische Gutachter führte im Gutachten vom 13.10.2011 aus, aufgrund der rein orthopädischen Befunde sei die Leistungsfähigkeit für körperlich leichte Tätigkeiten mit Wechsel von Laufen, Stehen, und Sitzen, ohne Zwangshaltung, ohne schweres Heben und Tragen von Lasten und ohne Anforderung an die Feinmotorik der rechten Hand erhalten. Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie Dr. M. kam in seinem Gutachten (Untersuchungstag 29.09.2011) zu dem Ergebnis, dass die Klägerin noch in der Lage sei, in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit vollschichtig zu arbeiten. In der gesamten Untersuchungssituation habe sich die Klägerin wenig kooperativ verhalten, insbesondere dann, wenn die von ihr angegebenen Einschränkungen genauer hinterfragt worden seien. Dies sei besonders bei der Schilderung des Tagesablaufs aufgefallen, hier habe sie teilweise jede weitere Beantwortung der Fragen verweigert. Dies habe schließlich dazu geführt, dass sie plötzlich aufgestanden sei, die Untersuchung für beendet erklärt und die Untersuchungsräume verlassen habe. Mit Bescheid vom 23.12.2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Weiterzahlung der Rente ab.

Am 10.01.2012 legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung bezog sie sich auf ein Schreiben ihres behandelnden Hausarztes Dr. S. (Facharzt für Allgemeinmedizin), der die Auffassung vertrat, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine Weiterbewilligung der Rente erfülle und dies auch ausführlich begründete; insoweit wird auf sein Schreiben vom 28.12.2011 (Bl 297 f der Verwaltungsakte der Beklagten) Bezug genommen. Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 18.01.2012 Vorwürfe gegen die von der Beklagten beauftragten Gutachter und teilte ferner mit, dass sie gegen Dr. M. Strafanzeige wegen Verleumdung, Rufschädigung, Erniedrigung und wegen unwahrer Behauptungen in seinem Gutachten, insbesondere Aggravation und Simulation, erstattet habe. Die Beklagte holte einen Befundbericht der W.-Z. Kliniken vom 01.02.2012 ein. Darin werden als Diagnosen CRPS I rechte Hand, mittelgradige depressive Episode, Kollagenose mit Sicca-Syndrom, psychische Beeinträchtigung bei chronischem Schmerzsyndrom und schmerzbedingte Schlafstörungen genannt. Es bestehe eine ausgeprägte Schmerzempfindlichkeit (Berührungsallodynie und Kälteallodynie), so dass die rechte Hand praktisch nicht verwendet werden könne. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2012 als unbegründet zurück.

Am 03.12.2012 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie ua vorgetragen, ihre Haupterkrankungen lägen nicht auf orthopädischem Fachgebiet. Es bestünden eine mittelgradige depressive Episode und internistisch-rheumatische Erkrankungen sowie eine eklatante Schmerzproblematik. Das SG befragte die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen und holte nach Vorliegen der schriftlichen Auskünfte von Amts wegen ein orthopädisch-rheumatologisches und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten ein. Der Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 12.11.2013 ausgeführt, bei der körperlichen Untersuchung der Klägerin habe sich zweifelsfrei eine Aggravation bzw Simulation gezeigt. Als Diagnosen hat er depressive Verstimmungen in Sinne einer Dysthymia sowie Hinweise für akzentuierte Persönlichkeitszüge genannt. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht bestehe ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von mindestens 6 Stunden als Büroangestellte und entsprechend auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dr. T. hat im Gutachten vom 27.11.2013 auf seinem Fachgebiet als Diagnose polyarthrotische Beschwerden ohne objektivierbare Ursache angegeben. Auch er hat die Auffassung vertreten, dass der Klägerin noch eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von sechs Stunden und mehr zumutbar ist.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG ist ferner Dr. K., Leiter des Begutachtungsinstituts Neurologie und Psychiatrie B. GmbH in M., gutachtlich gehört worden. Er hat bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen benannt: rezidivierende depressive Episoden mittleren bis schwereren Grades, somatoforme Schmerzstörung, multiple Phobien, chronisch regionales Schmerzsyndrom im Bereich der rechten Hand, chronisches Müdigkeitssyndrom, Migräne ohne Aura, Insomnie, Lumbalsyndrom und kognitive Leistungsstörung. Die Klägerin könne ohne Gefährdung ihrer Gesundheit noch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 3 bis unter 6-stündig durchführen. Dabei müssten noch zusätzliche Einschränkungen beachtet werden, so dass allenfalls noch einfachste Sachbearbeitungen in Betracht kämen. In einer vom SG angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 24.06.2014 hat sich der Sachverständige Dr. S. zum Gutachten des Dr. K. geäußert und dargelegt, dass er an seiner Leistungseinschätzung festhalte. Mit Urteil vom 03.09.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mittels Empfangsbekenntnis am 11.09.2014 zugestellt worden.

Am 24.09.2014 hat die Klägerin Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, der Ausprägungsgrad ihrer psychischen Erkrankung sei ausweislich des Gutachtens des Dr. K. und der Zeugenaussagen ihrer behandelnden Ärzte mindestens mittelgradig. Sie befinde sich auch seit Anfang 2009 in regelmäßiger ambulanter Psychotherapie. Die bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen an der rechten Hand sowie die Kollagenose seien zu Unrecht nicht berücksichtigt worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 03.09.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung über den 31.12.2011 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.

Das Senat hat ein weiteres Gutachten beim Ärztlichen Direktor der Klinik für Forensische Psychiatrie & Psychotherapie des Klinikums am W. Dr. M. eingeholt. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 24.05.2015 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin an einer rezidivierenden depressiven Störung sowie an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung leide. Die depressive Störung sei aktuell eher leicht bis mittelgradig einzuschätzen. Im Rahmen der Begutachtung hätten sich durchaus Hinweise ergeben, die für eine Aggravation sprächen. Die diagnostizierten Gesundheitsstörungen führten zu gewissen Einschränkungen. So erschienen Arbeiten in Wechsel- oder Nachtschicht nicht mehr möglich. Auch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck (Akkord- und Fließbandarbeiten) seien aus psychiatrischer Sicht nicht mehr durchführbar. Tätigkeiten, die einen regelmäßigen Publikumsverkehr erforderten (zB Pfortendienst), erschienen ebenfalls nicht mehr möglich. Arbeiten, die eine besondere geistige Anforderung stellten oder mit einer erhöhten Verantwortung einhergingen, wie dies zB bei Vorgesetztentätigkeiten der Fall sei, könnten nicht mehr verrichtet werden. Tätigkeiten, die nur durchschnittliche Anforderungen an kognitive Fähigkeiten wie Konzentration, Aufmerksamkeit oder Durchhaltevermögen stellten, seien jedoch durchaus noch durchführbar. Sofern diese Einschränkungen berücksichtigt würden, erscheine eine tägliche 3 bis weniger als 6-stündige Tätigkeit aus psychiatrischer Sicht derzeit durchaus noch möglich.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung bzw Weiterzahlung einer Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.01.2012.

Befristete Renten wegen Erwerbsminderung können verlängert werden; dabei verbleibt es nach § 102 Abs 2 Satz 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Mit dieser ab dem 01.05.2007 eingefügten Regelung wird bestimmt, dass lediglich eine Verlängerung der anfänglichen Befristung erfolgt, es beim ursprünglichen Rentenbeginn verbleibt und eine Folgerente ohne Neuberechnung im Umfang der bisherigen Rente weiterzuzahlen ist (BT-Drucks 16/3794 S 37).

Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren durchgeführten Ermittlungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin noch in der Lage ist, leichte körperliche Tätigkeiten mindestens 6 Stunden an fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Dabei sind folgende Einschränkungen zu machen: Arbeiten in Wechsel- oder Nachtschicht, Arbeiten unter besonderem Zeitdruck (Akkord- und Fließbandarbeiten) und Tätigkeiten, die einen regelmäßigen Publikumsverkehr erfordern (zB Pfortendienst), sind nicht mehr möglich. Ebenso können Arbeiten, die eine besondere geistige Anforderung stellen oder mit einer erhöhten Verantwortung einhergehen, wie dies zB bei Vorgesetztentätigkeiten der Fall ist, nicht mehr verrichtet werden. Dagegen sind Tätigkeiten, die nur durchschnittliche Anforderungen an kognitive Fähigkeiten wie Konzentration, Aufmerksamkeit oder Durchhaltevermögen stellen, noch durchführbar. Dieses Leistungsvermögen besteht seit dem 01.01.2012 bis jetzt.

Auf psychiatrischem Fachgebiet leidet die Klägerin an einer rezidivierenden depressiven Störung sowie an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Die depressive Störung ist als leicht bis mittelgradig zu bewerten. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. M., das dieser für den Senat erstattet hat. Nicht entscheidend für den Senat ist die unterschiedliche Bewertung des Schwergrades der depressiven Erkrankung durch Dr. S. einerseits und Dr. M. andererseits. Dies ist bei einer rezidivierenden depressiven Störung nicht ungewöhnlich. Von Bedeutung ist aber, dass sowohl Dr. K. als auch Dr. M. zusätzlich von einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung ausgehen. Insoweit übernimmt der Senat deren Diagnosen. Aus Sicht des Senats wird durch die Berücksichtigung der von der Klägerin geltend gemachten Schmerzen - unabhängig davon, ob sie organisch begründbar sind oder nicht - dem Umstand Rechnung getragen, dass die behandelnden Ärzte von einer Reflexdystrophie oder einem Morbus Sudeck der rechten Hand ausgehen. Denn die Klägerin hat nicht nur Schmerzen in der rechten Hand beklagt, sondern Schmerzen am ganzen Körper. Dr. M. und Dr. K. haben allerdings nicht ausreichend berücksichtigt, dass bei der Klägerin eine Aggravation und sowie ein sekundärer Krankheitsgewinn in Form einer verstärkten Zuwendung seitens ihres Ehemannes vorliegen. Dies wird von fast allen im Verfahren gehörten Sachverständigen so gesehen, insbesondere auch von Dr. M ... Daraus ergeben sich erhebliche Zweifel am Ausmaß der vorgetragenen Beschwerden, die zu Lasten der Klägerin gehen. Da psychische Erkrankungen und das Ausmaß schmerzbedingter Funktionseinschränkungen nicht oder nur ausnahmsweise durch biologische Marker oder wissenschaftlich fundierte Testverfahren bewiesen werden können, kommt es darauf an, inwieweit die Angaben des Untersuchten im Rahmen der Beschwerdeschilderung als glaubhaft gewertet werden können (vgl Stevens/Fabra, MEDSACH 2015, 162). Dr. M. hat seine Einschätzung, dass eine vollschichtige Tätigkeit bei der Klägerin die Gefahr einer Überforderung und damit einer Zunahme der Beschwerdesymptomatik berge, nicht näher begründet, obwohl hierzu aufgrund des auffälligen Verhaltens der Klägerin während der Untersuchung Anlass bestanden hätte. Deshalb vermag sich der Senat seiner Leistungsbeurteilung ebenso wenig anzuschließen wie derjenigen von Dr. K ...

Besondere Funktionseinschränkungen aufgrund der an der rechten Hand geklagten Beschwerden lassen sich nicht feststellen. Dies folgt aus dem Gutachten des Dr. T., das dieser für das SG erstellt hat. Dr. T. konnte zwar aufgrund einer von der Klägerin angegebenen ausgeprägten Schmerzempfindlichkeit eine neurologische Untersuchung nur eingeschränkt durchführen. Bereits das Auflegen der Finger zur klinischen Untersuchung verursachte nach Angaben der Klägerin derart starke Schmerzen, dass die Überprüfung der Reflexe mit einem Reflexhammer nicht toleriert wurde. Jedoch zeigte die klinische Untersuchung keine Störung der Durchblutung oder Sensibilität. Eine Einschränkung der Beweglichkeit ließ sich nicht nachweisen. Die Beschwielung der Hände war seitengleich mittelkräftig ausgeprägt. Dieser Befund spricht erheblich gegen die im Befundbericht der W.-Z. Kliniken vom 01.02.2012 mitgeteilte Auffassung, dass eine ausgeprägte Schmerzempfindlichkeit (Berührungsallodynie und Kälteallodynie) bestehe, so dass die rechte Hand praktisch nicht verwendet werden könne. Da die Umfangmessungen der oberen Extremitäten bei der Untersuchung durch Dr. T. kein muskuläres Defizit ergaben, hält es der Senat nicht für erwiesen, dass die Funktionsfähigkeit der rechten Hand nennenswert eingeschränkt ist, auch nicht aufgrund der behaupteten Schmerzen. Diese Nichterweislichkeit geht nach dem Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten der Klägerin. Dr. K. konnte ebenfalls ein chronisches regionales Schmerzsyndrom der rechten Hand nicht aufgrund eigener Untersuchungen bestätigen. Er hat diese Diagnose in seinem Gutachten zwar gestellt, sie aber ausschließlich mit den in den Arztbriefen der behandelnden Ärzte enthaltenen Angaben begründet (Gutachten Seite 35 f). Mit den von ihm bei der körperlichen Untersuchung der Klägerin erhobenen Befunde lässt sich diese Diagnose nicht begründen. Bei Dr. M. konnte eine körperlich-neurologische Untersuchung der Klägerin nicht durchführt werden, weil die Klägerin eine solche Untersuchung nicht tolerierte und die Klinik verließ.

Die von den behandelnden Ärzten diagnostizierte undifferenzierte Kollagenose schränkt die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht zusätzlich ein. Im Arztbrief des Rheumazentrums O. vom 24.06.2014, in dem über einen stationären Aufenthalt der Klägerin in der Zeit vom 10.06. bis 24.06.2014 berichtet wird, führen die behandelnden Ärzte aus, dass sich in der jetzt durchgeführten Statuserhebung keine systemisch-entzündliche Aktivität finde. Es wurde empfohlen, die immunsuppressive Basistherapie bei guter Verträglichkeit weiterzuführen. Die Kollagenose erklärt auch nach Ansicht des Rheumazentrums die beklagte polytope Schmerzsymptomatik nicht ausreichend. Im Arztbrief des Universitätsklinikums W. vom 02.07.2014 wird ebenfalls darüber berichtet, dass sich laborchemisch und klinisch kein Hinweis für eine gesteigerte Krankheitsaktivität der Kollagenose ergeben habe. Der Senat schließt hieraus, dass aufgrund dieser Diagnose keine wesentliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit folgt.

Die Klägerin ist in der Lage, die Arbeit als Betriebswirtin im Betrieb ihres Ehemannes mindestens 6 Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Außerdem kann sie zur Überzeugung des Senats leichte körperliche Arbeiten im oben genannten Umfang verrichten. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. S., auf das sich der Senat ebenso wie das SG stützt. Diese Leistungsbeurteilung wird aber auch durch das Gutachten des Dr. M. nicht widerlegt. Nach ihrem zu Beginn der Exploration von Dr. M. als "deutlich misstrauisch" bezeichneten Auftreten veränderte sich ihr Verhalten während der Untersuchung. So konnte der Sachverständige während der mehrstündigen Exploration kein Nachlassen der Konzentrationsfähigkeit, der Aufmerksamkeit oder des Durchhaltevermögens feststellen. Störungen der Merkfähigkeit konnte Dr. M. nicht erkennen. Auch die exakte Datierung länger zurückliegender Ereignisse gelang der Klägerin problemlos. Der formale Gedankengang der Klägerin war geordnet und zu keinem Zeitpunkt der Begutachtung verlangsamt oder beschleunigt. Es zeigten sich lediglich thematische Einengungen, die sich auf die Beschwerden bezogen, wobei die Klägerin im Verlauf der Begutachtung problemlos von ihren Beschwerden auch abgelenkt werden und sich anderen Themen zuwenden konnte. Dr. M. legte überzeugend dar, dass die von Dr. K. diagnostizierten Gesundheitsstörungen wie "multiple Phobien" und "kognitive Leistungseinschränkungen" nicht nachvollziehbar sind. Dem schließt sich der Senat an. Ferner wies Dr. M. darauf hin, dass die depressive Störung keineswegs ein schweres Ausmaß erreicht hat. Die Einschränkungen, welche bei der Klägerin zu beachten sind, stehen deshalb einer Tätigkeit als Betriebswirtin im Betrieb ihres Ehemannes sowie leichten körperlichen Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht entgegen.

In Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. M. ist der Senat zudem davon überzeugt, dass die Gesundheitsstörungen der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet durch eine adäquate Behandlung gebessert werden können. Die Behandlungsmöglichkeiten sind keineswegs ausgeschöpft. Vor allem ist bislang eine medikamentöse Behandlung nicht in ausreichendem Maße erfolgt. Der Sachverständige kritisiert zu Recht, dass die meisten Versuche, die depressive Störung mit Antidepressiva zu behandeln, rasch aufgegeben worden sind, weil die Klägerin über Nebenwirkungen geklagt hatte. Dabei hat der Sachverständige überzeugend dargelegt, dass die von der Klägerin angegebenen Nebenwirkungen aus medizinischer Sicht nicht nachvollziehbar sind und eher im Rahmen der histrionischen Persönlichkeitszüge bzw einer möglichen Aggravation eingeordnet werden müssten.

Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit der Klägerin - leichte Arbeiten mindestens 6-stündig - muss ihr eine konkrete Tätigkeit, die sie noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des BSG jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Daher ist genaue Untersuchung erforderlich, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind (BSG Urteile vom 19.08.1997, 13 RJ 55/96 - und vom 30.10.1997, 13 RJ 49/97). Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann.

Die Klägerin kann zwar nach Feststellung der gerichtlichen Sachverständigen bestimmte Tätigkeiten nicht mehr durchführen, diese sogenannten qualitativen Einschränkungen gehen aber noch nicht über das hinaus, was bereits mit der Begrenzung des Leistungsvermögens auf nur noch leichte Tätigkeiten erfasst wird. Arbeiten in Wechsel- oder Nachtschicht und Arbeiten unter besonderem Zeitdruck (Akkord- und Fließbandarbeiten) sind bereits nicht mehr als leicht zu bezeichnen. Tätigkeiten, die einen regelmäßigen Publikumsverkehr erfordern (zB Pfortendienst), und Arbeiten, die eine besondere geistige Anforderung stellen oder mit einer erhöhten Verantwortung einhergehen, wie dies zB bei Vorgesetztentätigkeiten der Fall ist, gehören nicht zu den typischen Arbeiten, auf die ungelernte Versicherte verwiesen werden können. Die Einschränkungen, die bei der Klägerin zu machen sind, versperren jedenfalls nicht typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Sachverständigengutachten bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats und haben die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbare inhaltliche Widersprüche und geben keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln. Weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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