Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 3934/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4571/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.10.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Krankengeld (Krg) ab 21.07.2015.
Der 1974 geborene Antragsteller war vom 01.09.2014 bis 10.02.2015 bei der U. Personalservice GmbH beschäftigt, vom 09. bis 17.02.2015 bei der J. AG. Er ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Ab 09.02. bis zunächst 21.02.2015, mit weiteren Folgebescheinigungen bis 07.03.2015 bescheinigte der Allgemeinarzt Dr. K. Arbeitsunfähigkeit (AU) aufgrund einer sonstigen Grippe (J10.8). Die Antragsgegnerin gewährte Krankengeld vom 10.02. bis 07.03.2015.
Ab 30.03.2015 begründete der Antragsteller ein Arbeitsverhältnis mit der L. GmbH. Noch vor Arbeitsaufnahme erlitt der Antragsteller am 30.03.2015 einen Myokardinfarkt und wurde vom 30.03. bis 02.04.2015 stationär behandelt. Die L. GmbH kündigte das Arbeitsverhältnis zum 29.06.2015. Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage wurde durch arbeitsgerichtlichen Vergleich die Zahlung von Arbeitsentgelt für den Zeitraum 27.04. bis 07.06.2015 vereinbart.
Für den Antragsteller liegen folgende weitere AU-Bescheinigungen und Auszahlscheine, alle ausgestellt durch Dr. K., vor: AU festgestellt am mit voraussichtl Ende der AU Diagnose 03.04.2015 Auszahlschein k.A., nächster Praxisbesuch 11.06.2015 J10.8 03.04.2015 Auszahlschein "Duplikat" k.A., nächster Praxisbesuch 18.06.2015 - 07.04.2015 AUB 25.04.2015 I21.9 18.06.2015 Auszahlschein k.A., nächster Praxisbesuch 09.07.2012 J10.8G 07.07.2012 Auszahlschein k.A., nächster Praxisbesuch 28.07.2015 J10.8 28.07.2015 Auszahlschein k.A., nächster Praxisbesuch 08.09.2015 J10.8G 08.09.2015 Auszahlschein 30.09.2015, nächster Praxisbesuch 30.09.2015 F48.0G, I25.21G
Vom 15.04. bis 13.05.2015 absolvierte der Antragsteller zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg eine stationäre Rehabilitation in der Fachklinik F., aus welcher er arbeitsunfähig entlassen wurde. Übergangsgeld wurde nicht gezahlt. Am 19./20.05.2015 wurde der Antragsteller wegen instabiler Angina pectoris (I20.0) stationär behandelt.
Mit Bescheid vom 16.07.2015 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sie AU und Anspruch auf Krg für Zeiten ab 30.03.2015 nicht anerkenne. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2015 wies die Antragsgegnerin den hiergegen erhobenen Widerspruch zurück. Eine versicherungspflichtige Mitgliedschaft habe am 30.03.2015 nicht begonnen, die bereits zuvor bestehende freiwillige Mitgliedschaft ohne Anspruch auf Krg habe fortgedauert. Erst mit Zahlung des Arbeitsentgelts am 27.04.2015 habe die versicherungspflichtige Mitgliedschaft begonnen, die am 07.06.2015 wieder geendet habe. Seit 08.06.2015 sei der Antragsteller nach § 188 Abs 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ohne Anspruch auf Krg versichert. AU habe der Reha-Arzt am 13.05.2015 für einen zurückliegenden Zeitraum bescheinigt. Für die Zeit der AU wegen Grippe ab 18.06.2015 habe daher auch kein Krg-Anspruch entstehen können.
Bereits am 21.07.2015 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Er sei weder krankenversichert, noch verfüge er über sonstige finanzielle Einkünfte. Er werde von seiner Lebensgefährtin finanziell unterstützt, weshalb Leistungen des Jobcenters nicht beantragt worden seien. Soweit es auf den Stichtag 27.04.2015 ankomme, sei der Antragsteller rechtzeitig und lückenlos arbeitsunfähig geschrieben worden. Die Auszahlscheine seien nach dem Herzinfarkt erstellt worden; wegen eines Systemfehlers sei versehentlich Grippe als Diagnose benannt worden. Am 02.10.2015 hat der Antragsteller zudem Klage zum SG erhoben, die unter dem Az S 3 KR 5396/15 geführt wird.
Mit Beschluss vom 15.10.2015 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antragsteller sei seit 08.06.2015 nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert, weshalb die Gewährung von Krg ab 21.07.2015 nicht in Betracht komme. Bis 07.06.2015 sei der Antragsteller als Arbeitnehmer nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V versichert gewesen. Dieses Versicherungsverhältnis habe nicht über § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V fortbestanden, da der Antragsteller ab 08.06.2015 weder Krg bezogen, noch einen Anspruch hierauf gehabt habe. Für den Zeitraum ab 08.06.2015 liege eine rechtzeitige ärztliche Feststellung der AU nicht vor. Es gebe zwei unterschiedliche Auszahlscheine vom 03.04.2015. Auf der zuerst eingereichten Bescheinigung sei AU wegen Grippe bescheinigt, als nächster Praxisbesuch sei der 11.06.2015 angegeben. Im Verwaltungsverfahren sei ein Duplikat des Auszahlscheins eingereicht worden, worin keine Diagnose genannt sei und der nächste Praxisbesuch auf den 18.06.2015 datiere. Unabhängig von der Frage der Beweiskraft zweier unterschiedlicher Auszahlungsscheine habe Dr. K. jedoch am 07.04.2015 eine aktuellere AU-Bescheinigung (Erstbescheinigung) erstellt aufgrund eines Myokardinfarkts mit voraussichtlichem Ende der AU zum 25.04.2015. Dies lasse als ausgeschlossen erscheinen, dass der behandelnde Arzt am 07.04.2015 immer noch mit der zuvor bescheinigten AU bis Juni 2015 gerechnet habe. Es habe daher keine AU-Bescheinigung für Zeiten nach dem 08.06.2015 gegeben und damit kein Anspruch auf Krg, der die versicherungspflichtige Mitgliedschaft bis zur nächsten ärztlichen Feststellung am 18.06.2015 hätte aufrecht erhalten können. Die Mitgliedschaft nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V gehe auch einem nachgehenden Anspruch aus § 19 Abs 2 SGB V vor. Auch ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht, der Antragsteller könne auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden.
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 26.10.2015 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 29.10.2015 Beschwerde beim SG eingelegt, die dem Landessozialgericht am 02.11.2015 vorgelegt worden ist. Hinsichtlich der erforderlichen lückenlosen ärztlichen Bescheinigungen sei dem Antragsteller kein Vorwurf zu machen. Er habe nach besten Kräften dafür gesorgt, dass im Rahmen der ärztlichen Behandlung die AU auch tatsächlich attestiert worden sei. Es verschließe sich seinem Machtbereich, inwieweit hier versehentlich falsche Diagnosen gestellt worden seien und inwieweit nachträglich ausgestellte Duplikate vom Original abwichen. Tatsache sei, dass der Antragsteller aufgrund eines Herzinfarkts nachweislich und durchgängig arbeitsunfähig krank gewesen sei. Es liege auch ein Anordnungsgrund vor. Der Antragsteller sei auf den guten Willen sowie die finanziellen Möglichkeiten seiner Lebenspartnerin angewiesen, er verfüge über keinerlei Einkünfte und sei gegenüber seinen minderjährigen Kindern unterhaltspflichtig.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.10.2015 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Krankengeld ab 21.07.2015 zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Seit 08.06.2015 sei der Antragsteller ohne Anspruch auf Krg versichert. AU sei am 13.05.2015 für einen zurückliegenden Zeitraum bescheinigt worden. Auch für die Zeit einer neuen AU ab 18.06.2015 habe ein neuer Anspruch auf Krg nicht entstehen können. Ein Erfordernis für einstweiligen Rechtsschutz liege nicht vor, zumal die AU zum 30.09.2015 geendet habe.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend begehrt der Antragsteller die Gewährung von Krg ab 21.07.2015. Damit richtet sich die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auf den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG.
Dies verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung).
Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1236 f). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG [Kammer], 22.11.2002, aaO, S 1237; 29.11.2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365). Der hier streitgegenständliche Anspruch auf Krankengeld gehört nicht zu den existenziell bedeutsamen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies folgt schon daraus, dass nicht jeder gesetzlich Krankenversicherte einen solchen Anspruch hat (vgl § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V). Geboten und ausreichend ist damit eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage (st Rspr des Senats, vgl Beschlüsse vom 20.02.2012, L 11 KR 289/12 ER-B; 19.08.2010, L 11 KR 3364/10 ER-B, juris; 22.12.2009, L 11 KR 5547/09 ER-B, und vom 16.10.2008, L 11 KR 4447/08 ER-B, juris). Krg kann zudem im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes frühestens ab Eingang des Antrags beim SG (21.07.2015) zugesprochen werden (vgl Senatsbeschluss vom 20.02.2012, L 11 KR 289/12; 29.03.2010, L 11 KR 1448/10 ER-B), was der Antragsteller bereits berücksichtigt hat.
Vorliegend besteht schon kein Anordnungsgrund, denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsteller hinsichtlich der im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes allein zu beantwortenden Frage, ob Anspruch auf Krg für den begrenzten Zeitraums vom 21.07. bis 30.09.2015 besteht (Dr. K. hat die AU zum 30.09.2015 beendet), nicht auf die Klärung im Hauptsacheverfahren verwiesen werden kann. Soweit der Antragsteller zur Eilbedürftigkeit vorträgt, er könne nicht allein auf den guten Willen seiner Lebensgefährtin verwiesen werden, ergibt sich daraus nicht, dass für den zum jetzigen Zeitpunkt abgeschlossenen Sachverhalt von Eilbedürftigkeit gesprochen werden kann.
Es kommt daher nicht darauf an, ob ein Anordnungsanspruch besteht. Zum jetzigen Kenntnisstand erscheint es allerdings keineswegs ausgeschlossen, dass der Antragsteller nach dem Ende der Entgeltzahlung ab 08.06.2015 einen Anspruch auf Krg hatte und die Versicherung als Beschäftigter somit über § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V aufrecht erhalten wurde. Insoweit weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die ärztliche Feststellung der AU auch durch den Reha-Arzt Dr. M. erfolgen konnte. Aus der vorliegenden Entlassmitteilung vom 13.05.2015 ist zu entnehmen, dass der Antragsteller im Anschluss an die Entlassung arbeitsunfähig war, ebenso während des stationären Aufenthalts. Dass sich die AU-Feststellung allein auf den Entlassungstag bezog, wie von der Beklagten vorgetragen, lässt sich der Entlassmitteilung nicht entnehmen. Im Gegenteil ergibt sich aus Seite 2, dass sogar von einer stufenweisen Wiedereingliederung abgesehen wurde, weil eine tägliche Mindestarbeitszeit von 2 Stunden innerhalb von 4 Wochen nicht erreichbar schien. Die Krankenkasse kann insoweit dem Entlassungsbericht die notwendigen Informationen zur Beurteilung der AU des Antragstellers entnehmen (vgl Senatsurteil vom 24.04.2012, L 11 KR 384/10). Die Feststellung der AU muss nicht durch einen Vertragsarzt erfolgen (BSG 10.05.2012, B 1 KR 20/11 R, BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4).
Im Übrigen hat sich der Antragsteller während des hier streitigen Zeitraums für unbekannte Zeit im Ausland aufgehalten, wie sich aus den Schriftsätzen seines Bevollmächtigten an das SG vom 07. und 09.09.2015 entnehmen lässt. Ein Auslandsaufenthalt während einer AU ohne Zustimmung der Krankenkasse führt zum Ruhen eines Anspruchs auf Krg (§ 16 Abs 1 und 4 SGB V), so dass für die Dauer des Auslandsaufenthalts ohnehin Krg nicht beansprucht werden kann.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Krankengeld (Krg) ab 21.07.2015.
Der 1974 geborene Antragsteller war vom 01.09.2014 bis 10.02.2015 bei der U. Personalservice GmbH beschäftigt, vom 09. bis 17.02.2015 bei der J. AG. Er ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Ab 09.02. bis zunächst 21.02.2015, mit weiteren Folgebescheinigungen bis 07.03.2015 bescheinigte der Allgemeinarzt Dr. K. Arbeitsunfähigkeit (AU) aufgrund einer sonstigen Grippe (J10.8). Die Antragsgegnerin gewährte Krankengeld vom 10.02. bis 07.03.2015.
Ab 30.03.2015 begründete der Antragsteller ein Arbeitsverhältnis mit der L. GmbH. Noch vor Arbeitsaufnahme erlitt der Antragsteller am 30.03.2015 einen Myokardinfarkt und wurde vom 30.03. bis 02.04.2015 stationär behandelt. Die L. GmbH kündigte das Arbeitsverhältnis zum 29.06.2015. Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage wurde durch arbeitsgerichtlichen Vergleich die Zahlung von Arbeitsentgelt für den Zeitraum 27.04. bis 07.06.2015 vereinbart.
Für den Antragsteller liegen folgende weitere AU-Bescheinigungen und Auszahlscheine, alle ausgestellt durch Dr. K., vor: AU festgestellt am mit voraussichtl Ende der AU Diagnose 03.04.2015 Auszahlschein k.A., nächster Praxisbesuch 11.06.2015 J10.8 03.04.2015 Auszahlschein "Duplikat" k.A., nächster Praxisbesuch 18.06.2015 - 07.04.2015 AUB 25.04.2015 I21.9 18.06.2015 Auszahlschein k.A., nächster Praxisbesuch 09.07.2012 J10.8G 07.07.2012 Auszahlschein k.A., nächster Praxisbesuch 28.07.2015 J10.8 28.07.2015 Auszahlschein k.A., nächster Praxisbesuch 08.09.2015 J10.8G 08.09.2015 Auszahlschein 30.09.2015, nächster Praxisbesuch 30.09.2015 F48.0G, I25.21G
Vom 15.04. bis 13.05.2015 absolvierte der Antragsteller zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg eine stationäre Rehabilitation in der Fachklinik F., aus welcher er arbeitsunfähig entlassen wurde. Übergangsgeld wurde nicht gezahlt. Am 19./20.05.2015 wurde der Antragsteller wegen instabiler Angina pectoris (I20.0) stationär behandelt.
Mit Bescheid vom 16.07.2015 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sie AU und Anspruch auf Krg für Zeiten ab 30.03.2015 nicht anerkenne. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2015 wies die Antragsgegnerin den hiergegen erhobenen Widerspruch zurück. Eine versicherungspflichtige Mitgliedschaft habe am 30.03.2015 nicht begonnen, die bereits zuvor bestehende freiwillige Mitgliedschaft ohne Anspruch auf Krg habe fortgedauert. Erst mit Zahlung des Arbeitsentgelts am 27.04.2015 habe die versicherungspflichtige Mitgliedschaft begonnen, die am 07.06.2015 wieder geendet habe. Seit 08.06.2015 sei der Antragsteller nach § 188 Abs 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ohne Anspruch auf Krg versichert. AU habe der Reha-Arzt am 13.05.2015 für einen zurückliegenden Zeitraum bescheinigt. Für die Zeit der AU wegen Grippe ab 18.06.2015 habe daher auch kein Krg-Anspruch entstehen können.
Bereits am 21.07.2015 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Er sei weder krankenversichert, noch verfüge er über sonstige finanzielle Einkünfte. Er werde von seiner Lebensgefährtin finanziell unterstützt, weshalb Leistungen des Jobcenters nicht beantragt worden seien. Soweit es auf den Stichtag 27.04.2015 ankomme, sei der Antragsteller rechtzeitig und lückenlos arbeitsunfähig geschrieben worden. Die Auszahlscheine seien nach dem Herzinfarkt erstellt worden; wegen eines Systemfehlers sei versehentlich Grippe als Diagnose benannt worden. Am 02.10.2015 hat der Antragsteller zudem Klage zum SG erhoben, die unter dem Az S 3 KR 5396/15 geführt wird.
Mit Beschluss vom 15.10.2015 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antragsteller sei seit 08.06.2015 nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert, weshalb die Gewährung von Krg ab 21.07.2015 nicht in Betracht komme. Bis 07.06.2015 sei der Antragsteller als Arbeitnehmer nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V versichert gewesen. Dieses Versicherungsverhältnis habe nicht über § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V fortbestanden, da der Antragsteller ab 08.06.2015 weder Krg bezogen, noch einen Anspruch hierauf gehabt habe. Für den Zeitraum ab 08.06.2015 liege eine rechtzeitige ärztliche Feststellung der AU nicht vor. Es gebe zwei unterschiedliche Auszahlscheine vom 03.04.2015. Auf der zuerst eingereichten Bescheinigung sei AU wegen Grippe bescheinigt, als nächster Praxisbesuch sei der 11.06.2015 angegeben. Im Verwaltungsverfahren sei ein Duplikat des Auszahlscheins eingereicht worden, worin keine Diagnose genannt sei und der nächste Praxisbesuch auf den 18.06.2015 datiere. Unabhängig von der Frage der Beweiskraft zweier unterschiedlicher Auszahlungsscheine habe Dr. K. jedoch am 07.04.2015 eine aktuellere AU-Bescheinigung (Erstbescheinigung) erstellt aufgrund eines Myokardinfarkts mit voraussichtlichem Ende der AU zum 25.04.2015. Dies lasse als ausgeschlossen erscheinen, dass der behandelnde Arzt am 07.04.2015 immer noch mit der zuvor bescheinigten AU bis Juni 2015 gerechnet habe. Es habe daher keine AU-Bescheinigung für Zeiten nach dem 08.06.2015 gegeben und damit kein Anspruch auf Krg, der die versicherungspflichtige Mitgliedschaft bis zur nächsten ärztlichen Feststellung am 18.06.2015 hätte aufrecht erhalten können. Die Mitgliedschaft nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V gehe auch einem nachgehenden Anspruch aus § 19 Abs 2 SGB V vor. Auch ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht, der Antragsteller könne auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden.
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 26.10.2015 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 29.10.2015 Beschwerde beim SG eingelegt, die dem Landessozialgericht am 02.11.2015 vorgelegt worden ist. Hinsichtlich der erforderlichen lückenlosen ärztlichen Bescheinigungen sei dem Antragsteller kein Vorwurf zu machen. Er habe nach besten Kräften dafür gesorgt, dass im Rahmen der ärztlichen Behandlung die AU auch tatsächlich attestiert worden sei. Es verschließe sich seinem Machtbereich, inwieweit hier versehentlich falsche Diagnosen gestellt worden seien und inwieweit nachträglich ausgestellte Duplikate vom Original abwichen. Tatsache sei, dass der Antragsteller aufgrund eines Herzinfarkts nachweislich und durchgängig arbeitsunfähig krank gewesen sei. Es liege auch ein Anordnungsgrund vor. Der Antragsteller sei auf den guten Willen sowie die finanziellen Möglichkeiten seiner Lebenspartnerin angewiesen, er verfüge über keinerlei Einkünfte und sei gegenüber seinen minderjährigen Kindern unterhaltspflichtig.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.10.2015 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Krankengeld ab 21.07.2015 zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Seit 08.06.2015 sei der Antragsteller ohne Anspruch auf Krg versichert. AU sei am 13.05.2015 für einen zurückliegenden Zeitraum bescheinigt worden. Auch für die Zeit einer neuen AU ab 18.06.2015 habe ein neuer Anspruch auf Krg nicht entstehen können. Ein Erfordernis für einstweiligen Rechtsschutz liege nicht vor, zumal die AU zum 30.09.2015 geendet habe.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend begehrt der Antragsteller die Gewährung von Krg ab 21.07.2015. Damit richtet sich die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auf den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG.
Dies verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung).
Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1236 f). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG [Kammer], 22.11.2002, aaO, S 1237; 29.11.2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365). Der hier streitgegenständliche Anspruch auf Krankengeld gehört nicht zu den existenziell bedeutsamen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies folgt schon daraus, dass nicht jeder gesetzlich Krankenversicherte einen solchen Anspruch hat (vgl § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V). Geboten und ausreichend ist damit eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage (st Rspr des Senats, vgl Beschlüsse vom 20.02.2012, L 11 KR 289/12 ER-B; 19.08.2010, L 11 KR 3364/10 ER-B, juris; 22.12.2009, L 11 KR 5547/09 ER-B, und vom 16.10.2008, L 11 KR 4447/08 ER-B, juris). Krg kann zudem im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes frühestens ab Eingang des Antrags beim SG (21.07.2015) zugesprochen werden (vgl Senatsbeschluss vom 20.02.2012, L 11 KR 289/12; 29.03.2010, L 11 KR 1448/10 ER-B), was der Antragsteller bereits berücksichtigt hat.
Vorliegend besteht schon kein Anordnungsgrund, denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsteller hinsichtlich der im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes allein zu beantwortenden Frage, ob Anspruch auf Krg für den begrenzten Zeitraums vom 21.07. bis 30.09.2015 besteht (Dr. K. hat die AU zum 30.09.2015 beendet), nicht auf die Klärung im Hauptsacheverfahren verwiesen werden kann. Soweit der Antragsteller zur Eilbedürftigkeit vorträgt, er könne nicht allein auf den guten Willen seiner Lebensgefährtin verwiesen werden, ergibt sich daraus nicht, dass für den zum jetzigen Zeitpunkt abgeschlossenen Sachverhalt von Eilbedürftigkeit gesprochen werden kann.
Es kommt daher nicht darauf an, ob ein Anordnungsanspruch besteht. Zum jetzigen Kenntnisstand erscheint es allerdings keineswegs ausgeschlossen, dass der Antragsteller nach dem Ende der Entgeltzahlung ab 08.06.2015 einen Anspruch auf Krg hatte und die Versicherung als Beschäftigter somit über § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V aufrecht erhalten wurde. Insoweit weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die ärztliche Feststellung der AU auch durch den Reha-Arzt Dr. M. erfolgen konnte. Aus der vorliegenden Entlassmitteilung vom 13.05.2015 ist zu entnehmen, dass der Antragsteller im Anschluss an die Entlassung arbeitsunfähig war, ebenso während des stationären Aufenthalts. Dass sich die AU-Feststellung allein auf den Entlassungstag bezog, wie von der Beklagten vorgetragen, lässt sich der Entlassmitteilung nicht entnehmen. Im Gegenteil ergibt sich aus Seite 2, dass sogar von einer stufenweisen Wiedereingliederung abgesehen wurde, weil eine tägliche Mindestarbeitszeit von 2 Stunden innerhalb von 4 Wochen nicht erreichbar schien. Die Krankenkasse kann insoweit dem Entlassungsbericht die notwendigen Informationen zur Beurteilung der AU des Antragstellers entnehmen (vgl Senatsurteil vom 24.04.2012, L 11 KR 384/10). Die Feststellung der AU muss nicht durch einen Vertragsarzt erfolgen (BSG 10.05.2012, B 1 KR 20/11 R, BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4).
Im Übrigen hat sich der Antragsteller während des hier streitigen Zeitraums für unbekannte Zeit im Ausland aufgehalten, wie sich aus den Schriftsätzen seines Bevollmächtigten an das SG vom 07. und 09.09.2015 entnehmen lässt. Ein Auslandsaufenthalt während einer AU ohne Zustimmung der Krankenkasse führt zum Ruhen eines Anspruchs auf Krg (§ 16 Abs 1 und 4 SGB V), so dass für die Dauer des Auslandsaufenthalts ohnehin Krg nicht beansprucht werden kann.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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